Titel:
Klage auf Erteilung einer Zustimmung für Grundstücksentwässerungsanlage
Normenkette:
DIN 1986-100
Leitsatz:
Zu der Frage, ob eine Entwässerungsanlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik nach der DIN 1986-100 entspricht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anspruch von Grundstückseigentümern auf nachträgliche Erteilung einer Zustimmung zu einer bereits errichteten Grundstücksentwässerungsanlage, Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik, nachträgliche Erteilung einer Zustimmung, Grundstücksentwässerungsanlage, Tektur, bereits errichtet, Versagungsgegenklage, Bestandsschutz
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 13.07.2021 – AN 1 K 18.1720
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20800
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Kläger machen einen Anspruch auf nachträgliche Erteilung einer Zustimmung der Beklagten zu einer bereits errichteten Grundstücksentwässerungsanlage geltend.
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Sie sind Eigentümer eines Grundstücks im Stadtgebiet der Beklagten, das mit zwei baurechtlich genehmigten Doppelhaushälften und zwei Einzelgaragen bebaut ist. Die Beklagte betreibt eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung auf Grundlage ihrer Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage vom 3. November 2014, derzeit gültig in der am 21. Oktober 2022 in Kraft getretenen Fassung vom 29. September 2022 (im Folgenden: EWS). Das Grundstück der Kläger ist über eine seit dem Jahr 2014 betriebene Grundstücksentwässerungsanlage an diese gemeindliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen.
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Mit Schreiben vom 10. Mai 2017 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass eine von den Klägern vorgelegte Dichtheitsprüfung vom 7. März/19. April 2017 bauliche Abweichungen gegenüber der „Entwässerungsgenehmigung“ vom 26. August 2014 aufgedeckt habe. Die Kläger wurden aufgefordert, bis spätestens 9. Juni 2017 eine Tektur zur „Genehmigung“ einzureichen.
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Die Bevollmächtigten der Kläger reichten bei der Beklagten mit Schreiben vom 17. und 22. Januar 2018 eine Tektur für die Grundstücksentwässerungsanlage ein.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 1. August 2018 wurde die Zustimmung zur vorgelegten Tektur versagt. Diese entspreche nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik.
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Am 3. September 2018 erhoben die Kläger eine Versagungsgegenklage zum Verwaltungsgericht Ansbach mit dem Ziel, die Zustimmung der Beklagten zur Tektur der Grundstücksentwässerung vom 17. und 22. Januar 2018 zu erhalten.
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Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 13. Juli 2021 ab. Die von den Klägern betriebene Grundstücksentwässerungsanlage genieße keinen Bestandsschutz, der eine Zustimmung nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EWS entbehrlich machen würde. Maßgeblich für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Zustimmung sei die aktuelle Rechtslage, weshalb nicht relevant sei, wann die Anlage tatsächlich in Betrieb genommen worden sei. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Prüfung der Anlage die DIN 1986-100 zugrunde gelegt habe. Die Einschätzung der Beklagten in einem Aktenvermerk vom 1. Februar 2018 sei zutreffend, weshalb das Gericht auf dessen Inhalt verweise. Insbesondere seien die Errichtung weiterer Reinigungsöffnungen und eine Trennung der Zusammenführung von Schmutz- und Regenwasserleitungen vor dem Kontrollschacht zum Anschlusskanal erforderlich. Es lägen Abweichungen von der DIN 1986-100 vor, was letztlich auch durch ein Kurzprotokoll des privaten Sachverständigen der Kläger vom 22. Juni 2020 bestätigt werde. Die Kläger hätten nicht den Nachweis erbracht, dass es sich bei der von der DIN 1986-100 abweichenden Anlage um eine gleichwertige Lösung handle. Insbesondere hätten sie nicht nachgewiesen, dass ihre Anlage den Anforderungen der DIN EN 752 entspreche. Auch der von den Klägern beauftragte private Sachverständige habe in seinem Kurzprotokoll vom 22. Juni 2020 festgestellt, dass Änderungen an der derzeitigen Bauausführung erforderlich seien. Insbesondere seien weitere Revisionsmöglichkeiten bzw. Schächte zu schaffen. Zudem solle näher geprüft werden, ob ACO-Rinnen oberflächlich entwässern könnten und eine Versickerung auf dem Grundstück möglich sei. Der Umstand, dass die Anlage der Kläger bereits seit 2014 in Betrieb sei und mehreren Starkregenereignissen standgehalten habe, ändere nichts daran, dass sie nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspreche. Die Beklagte habe auch dokumentiert, dass sie den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum erkannt und fehlerfrei ausgeübt habe. Für eine Verurteilung der Beklagten zu einer Erteilung der Zustimmung, gegebenenfalls unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), fehle es an der erforderlichen Spruchreife im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Das Gericht sei auch nicht verpflichtet gewesen, eine Spruchreife der Sache herbeizuführen.
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Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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1. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt wurde.
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a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – NVwZ 2009,515/516 m.w.N.).
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aa) Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, die Entwässerungsanlage auf ihrem Grundstück sei in Einklang mit den damals geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet worden, u.a. hinsichtlich der Zusammenführung von Schmutz- und Niederschlagswasser außerhalb eines Revisionsschachtes. Es bestehe ein dem Baurecht vergleichbarer Bestandsschutz. Die einschlägigen DIN-Vorschriften erforderten keine Anpassung der Anlage an den aktuellen Stand, insbesondere deshalb, da dieser keinen weitergehenden Schutz gewährleiste. Die Anlage sei weiterhin in Betrieb, weil sie keine Mängel aufweise, und stelle keine Gefahr für die Umwelt dar. Es sei nachgewiesen, dass sie weiterhin dicht und die Funktion in keiner Weise einschränkt sei. Eine Verpflichtung zur Änderung der Anlage aufgrund der Versagung der Zustimmung durch die Beklagte und zur Anpassung an die allgemeinen Regeln der Technik sei im Hinblick auf die nachgewiesene Dichtheit der Anlage, eine periodische Prüfungspflicht und die hohen Kosten unverhältnismäßig. Die Beklagte habe den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgeübt. Das Verwaltungsgericht hätte die Spruchreife herbeiführen müssen, etwa durch ein Sachverständigengutachten.
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bb) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung in Frage zu stellen.
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Die Kläger behaupten lediglich die Übereinstimmung ihrer Entwässerungsanlage mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik, ohne dies substantiiert zu begründen und sich mit der diesbezüglichen Begründung im Urteil (UA S. 13 bis 15) auseinanderzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, weshalb bei der Prüfung der Grundstücksentwässerungsanlage die DIN 1986-100 zugrunde zu legen war. Weiter wird unter Bezugnahme auf den Inhalt einschlägiger Vorgaben dieses Regelwerks (Ziff. 5.4.2 zur Leitungsführung bei Mischsystemen, Ziff. 6.6 betreffend Reinigungsöffnungen) und den Vermerk des Beklagten vom 1. Februar 2018 nachvollziehbar ausgeführt, die vorhandene Entwässerungsanlage weiche von Vorgaben der DIN 1986-100 ab; insbesondere seien die Errichtung weiterer Reinigungsöffnungen und eine Trennung von Schmutz- und Regenwasserleitungen erforderlich. Auch verhält sich die Antragsbegründung nicht zur Bewertung des Verwaltungsgerichts, das Protokoll des Sachverständigen der Kläger vom 22. Juni 2020 bestätige die Abweichungen von der DIN 1986-100. Gleichermaßen fehlen in der Antragsbegründung Argumente gegen die Einschätzung im angefochtenen Urteil, die Kläger hätten nicht den gebotenen Nachweis einer Gleichwertigkeit der vorhandenen Anlagengestaltung erbracht; auch im Kurzprotokoll vom 22. Juni 2020 sei ein Änderungsbedarf festgestellt worden. Der bloße Hinweis der Kläger auf periodische Prüfungen z.B. der Dichtigkeit der Anlage genügt hierfür nicht. So müssen z.B. eine fachgerechte Anlagenreinigung möglich und im Falle einer Betriebsstörung eine unverzügliche Ursachenermittlung sowie Störungsbehebung gewährleistet sein.
15
Im angefochtenen Urteil (UA S. 15) wird zutreffend darauf hingewiesen, die Bewährung der bestehenden Anlage in der Praxis seit ihrer Inbetriebnahme im Jahr 2014 ändere nichts daran, dass der Stand der Technik nicht eingehalten werde. Das Verwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang auf möglicherweise in der Zukunft auftretende Problemlagen wie z.B. Starkregenereignisse und den Nachbesserungsbedarf betreffend Reinigungsöffnungen, die der verbesserten Reinigung, Kontrolle und Prüfung dienten. Die Kläger setzen sich mit dieser schlüssigen Argumentation nicht auseinander.
16
Die von den Klägern begehrte Zulassung der Grundstücksentwässerungsanlage setzt gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 EWS voraus, dass diese zum Zeitpunkt der gemeindlichen Entscheidung den Satzungsbestimmungen entspricht. Die Zulassung einer nicht satzungskonform errichteten Anlage mit der Begründung, eine Mängelbeseitigung sei mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, ist in der Satzung nicht vorgesehen und wäre weder sachgerecht noch rechtlich geboten. Dies gilt insbesondere für eine Anlage, die abweichend von den mit Zustimmungsvermerk der Beklagten versehenen Unterlagen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EWS) errichtet wurde. Die Bauausführung liegt in der Risikosphäre des Bauherrn und kann einen Verzicht auf die Einhaltung allgemein anerkannter Regeln der Technik nicht rechtfertigen. Soweit die Kläger geltend machen, eine Verpflichtung zur Änderung der Entwässerungsanlage sei unverhältnismäßig, weist das Verwaltungsgericht (UA S. 16) im Übrigen richtigerweise darauf hin, dass eine solche Verpflichtung nicht Streitgegenstand ist; die Kläger machen mit ihrer Klage vielmehr einen Anspruch auf Erteilung einer Zustimmung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EWS geltend.
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Das Verwaltungsgericht (UA S. 17 f.) hat weiter zutreffend festgestellt, dass eine Verpflichtung der Beklagten gemäß § 113 Abs. 5 VwGO zur Zustimmung zu einer geänderten, zustimmungsfähigen Anlagengestaltung oder eine Verpflichtung zur Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil insoweit grundsätzlich verschiedene bauliche Varianten möglich erscheinen, die zudem gegenüber der Tektur vom 17./22. Januar 2018 ein aliud darstellen würden. Die Planung einer satzungskonformen Grundstücksentwässerungsanlage obliegt den Klägern. Sie müssen bei der Beklagten Unterlagen nach Maßgabe von § 10 Abs. 1 EWS für eine geänderte Planung einreichen, damit deren Übereinstimmung mit der Entwässerungssatzung geprüft werden kann (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 3 EWS). Streitgegenstand ist vorliegend allein das Begehren der Kläger, die Zustimmung der Beklagten zur Tektur der Entwässerungsanlage vom 17./22. Januar 2018 zu erhalten, nicht dagegen betreffend eine Zustimmung zu einer (noch nicht existierenden) geänderten Anlagenplanung im Sinne von § 10 Abs. 1 EWS.
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b) Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen würde (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die sich vorliegend stellenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen können anhand der Vorschriften der Entwässerungssatzung und allgemeiner Rechtsgrundsätze ohne weiteres beantwortet werden. Insbesondere ist die Frage, ob das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Zustimmungserteilung für eine bestimmte satzungskonforme Planung verpflichten konnte, schon deshalb zu verneinen, weil mehrere Planungsvarianten in Betracht kommen und die Kläger keinen Antrag auf Zustimmung zu einer gegenüber der Tektur der Entwässerungsanlage vom 17./22. Januar 2018 geänderten Planung gestellt haben.
19
c) Die Kläger haben nicht aufgezeigt, inwieweit der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Sie haben bereits keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert (vgl. Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a VwGO Rn. 72).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
21
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).