Inhalt

VGH München, Beschluss v. 17.07.2023 – 24 CE 23.11
Titel:

Erfordernis eines bestimmten Antrags im Beschwerdeverfahren

Normenkette:
VwGO § 60, § 146 Abs. 4 S. 3
Leitsatz:
Ein ausdrücklich gestellter und innerhalb der Beschwerdefrist erhobener Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung kann nicht als hinreichend bestimmter Beschwerdeantrag ausgelegt werden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, fehlender Antrag und Begründung, Unterlassungsverfügung, fehlendes qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis, Beschwerde, Antragserfordernis, Wiedereinsetzung, Umdeutung, Rechtsschutzbedürfnis, vorbeugender Rechtsschutz
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 15.12.2022 – RN 4 E 22.2528
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20793

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrte erstinstanzlich u.a., dem Landratsamt P … (im Folgenden: Landratsamt) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, Dritten gegenüber mitzuteilen, dass er derzeit nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis sei und deswegen ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg anhängig sei bzw. Nachfragen hinsichtlich seiner Person und seiner Waffen anzustellen, da das Landratsamt beabsichtige, Waffenfachbetriebe anzurufen, um den Aufenthaltsort einer seiner Waffen zu erforschen. Mit gleichem Schriftsatz beantragte er darüber hinaus, den Bescheid des Landratsamts vom 9. Juni 2022, mit dem ein Zwangsgeld fällig gestellt worden ist, aufzuheben, diesbezüglich die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen, sowie dem Landratsamt nach § 123 VwGO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Eilsache Dritten gegenüber die oben genannten Mitteilungen zu machen.
2
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat den Antrag mit Beschluss vom 15. Dezember 2022, dem Antragsteller am 20. Dezember 2022 persönlich gegen Postzustellungsurkunde zugestellt, abgelehnt, da ihm nach summarischer Prüfung kein Anordnungsanspruch in Form eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs zur Seite stehe. Zwar liege durch die beabsichtigten Nachfragen, bei denen es sich wohl auch nicht vermeiden lasse, gegenüber Dritten zu erwähnen, dass dem Antragsteller sofort vollziehbar die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen worden sei, ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Dieser Eingriff sei aber gerechtfertigt. Zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung könne das Landratsamt einen Duldungsverwaltungsakt gegenüber dem Antragsteller erlassen, um den Verbleib der Waffe Brünner zu erforschen und damit Ordnungswidrigkeiten zu verhindern. Dieser Verwaltungsakt wäre auch rechtmäßig, da der Antragsteller gemäß dem sofort vollziehbaren Widerrufsbescheid verpflichtet sei, auch diese Waffe abzugeben oder unbrauchbar zu machen und gegenüber dem Landratsamt einen diesbezüglichen Nachweis zu führen. Gegen diese Pflicht habe er in ordnungswidriger Weise verstoßen. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig, da keine andere Möglichkeit bestehe, den Aufenthaltsort der Waffe zu ermitteln und kein schwerer Eingriffscharakter vorliege. Der Antragsteller könne die Übermittlung von Daten auch verhindern, indem er selbst die Auskunft erteile. Abgesehen von Nachfragen hinsichtlich der Waffe Brünner habe er darüber hinaus auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da das Landratsamt nur hinsichtlich dieser Waffe angekündigt habe, Nachforschungen anzustellen.
3
Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 3. Januar 2023 Beschwerde erhoben und um Akteneinsicht gebeten. Zugleich hat er eine Zwischenverfügung entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag bis zur Entscheidung des Senats beantragt. Zur Begründung seines Antrags auf Erlass einer Zwischenverfügung macht er geltend, das Verwaltungsgericht habe die im vorliegenden Fall verfassungsrechtlich gebotene Prüfungstiefe verkannt und damit das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Eine nur summarische Prüfung sei hier unzulässig, denn eine Weitergabe höchstpersönlicher Informationen des Antragstellers an eine unüberschaubare Anzahl Dritter würde Fakten schaffen, die nicht mehr beseitigt werden könnten. Es sei auch unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich, dass das Landratsamt einen Verwaltungsakt in Form einer Duldungsanordnung erlassen habe, sondern es habe nur am Telefon angekündigt, gewisse Dinge zu tun. Auch das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO zu gewähren sei und nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO, was aber bei einem Verwaltungsakt die Folge wäre. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass ein solcher Verwaltungsakt sofort vollziehbar sein könnte. Art. 7 LStVG sei auch keine taugliche Grundlage für einen derartigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Darüber hinaus setze das Verwaltungsgericht fehlerhaft den Begriff des waffenrechtlichen Besitzes mit dem sachenrechtlichen Besitz gleich, um damit eine Ordnungswidrigkeit zu konstruieren. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass ein Verwaltungsakt erlassen worden sei, würde dieser erhebliche Mängel aufweisen, da keine Anhörung erfolgt sei und nicht hinreichend bestimmt sei, was der Antragsteller eigentlich zu dulden hätte. Zudem sei auch nicht klar, was das Landratsamt sich mit diesen Nachfragen eigentlich erhoffe, denn es könne die begehrte Antwort ohnehin nicht erzwingen.
4
Der Senat hat den Antragsgegner daraufhin bei der Erstzustellung der Beschwerde gebeten, vor der Entscheidung über die Beschwerde keine Maßnahmen zu ergreifen. Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof dem Antragsteller mit Schreiben vom 18. Januar 2023 Akteneinsicht gewährt. Der Bevollmächtigte des Antragstellers schickte die Akten mit Schreiben vom 26. Januar 2023 zurück. Eine weitere Äußerung innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist erfolgte nicht.
5
Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Februar 2023 machte die Berichterstatterin unter Erteilung verschiedener richterlicher Hinweise einen Vorschlag zur gütlichen Beilegung der Streitigkeiten um die Herausgabe und Nachweisführung bezüglich der Waffe Brünner und gab Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme des Antragstellers erfolgte erst nach mehrfacher Verlängerung der Stellungnahmefrist mit Schriftsatz vom 5. April 2023. Darin setzt sich der Antragsteller ausführlich mit den richterlichen Hinweisen auseinander, lehnt den Vergleichsvorschlag ab und beantragt, antragsgemäß zu entscheiden.
6
Der Antragsgegner macht unter Übersendung eines Auszugs aus dem nationalen Waffenregister geltend, die Waffe sei weiterhin beim Antragsteller registriert. Der Antragsteller sei zum Nachweis über den Verbleib der Waffe verpflichtet und weitere Zwangsmittel seien nicht erfolgversprechend.
7
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
8
Die fristgerecht eingereichte Beschwerde hat keinen Erfolg.
9
1. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, denn innerhalb der am 20. Januar 2023 abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist ist weder ein Antrag i.S.d. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gestellt noch eine Begründung abgegeben worden. Gründe für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist sind weder dargelegt noch ersichtlich. Insbesondere hat die etwas verzögerte Übersendung der Akten durch den Verwaltungsgerichtshof, die deshalb möglicherweise erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist oder jedenfalls sehr kurz vor deren Ablauf beim Antragstellervertreter eingegangen sind, allenfalls dazu geführt, dass dem Antragsteller innerhalb der spätestens mit Eingang der Akten bei seinem Bevollmächtigten angelaufenen Wiedereinsetzungsfrist des § 60 VwGO hätte Wiedereinsetzung gewährt werden müssen. Dies hat er nicht beantragt und er hat auch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO einen § 146 VwGO entsprechenden Beschwerdeantrag gestellt oder eine Beschwerdebegründung eingereicht.
10
Auch die Verlängerungen der Frist zur Stellungnahme hinsichtlich des gerichtlichen Vergleichsvorschlags hatten keinen Einfluss auf die Beschwerdebegründungsfrist. Es wurde ausschließlich eine Frist zur Stellungnahme zu diesem Vorschlag gewährt und der Antragstellervertreter hat nach mehrfacher Verlängerung der Frist nur eine solche Stellungnahme abgegeben, die sich nicht substantiiert mit dem erstinstanzlichen Beschluss auseinandersetzt und auch keinen Beschwerdeantrag enthält. Soweit er mit Schriftsatz vom 5. April 2023, also lange nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist, beantragt hat, antragsgemäß zu entscheiden, ist nicht ersichtlich, auf welchen Antrag sich dies konkret beziehen soll.
11
2. Der ausdrücklich gestellte und innerhalb der Beschwerdefrist erhobene Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung kann nicht als hinreichend bestimmter Beschwerdeantrag ausgelegt werden. Das Erfordernis eines bestimmten Antrags dient dazu, das verfolgte Rechtsschutzziel unmissverständlich zu formulieren und verbindlich festzulegen. Ihm ist zwar nicht nur genügt, wenn der Antrag ausdrücklich gestellt wird, sondern auch dann, wenn er sich durch Auslegung der Beschwerdeschrift anhand des dort verlautbarten Willens ermitteln lässt, wenn also die Funktion dieser gesetzlichen Anforderung gleichwohl voll gewahrt wird und das Rechtsschutzziel auch ohne ausdrücklichen Antrag klar und eindeutig bestimmbar ist. Diese Sichtweise trägt Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung, der einer zu formalistischen Auslegung des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und überspannten Anforderungen an die Beschreitung des Rechtswegs entgegensteht (VGH BW, B.v. 9.3.2017 – 5 S 2546/16 – juris Rn. 3 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 146 Rn. 21; für § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO auch BVerwG, U.v. 9.3.2005 – 6 C 8.04 – juris Rn. 16).
12
Hier lässt sich jedoch dem Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung nicht entnehmen, inwieweit die erstinstanzliche Entscheidung überhaupt angegriffen werden sollte. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, der Antrag nach § 123 VwGO scheitere überwiegend schon daran, dass kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei, denn die Nachforschungen des Landratsamts sollten sich nur auf den Verbleib der Waffe Brünner richten. Damit setzt sich der Schriftsatz vom 3. Januar 2023 nicht auseinander. Es scheint aber nicht sachdienlich, den auf eine Zwischenentscheidung gerichteten Antrag als Beschwerdeantrag anzusehen und ihn dann gleichwohl zum größten Teil als unzulässig zu verwerfen, da die abgegebene Begründung zum Antrag auf Zwischenentscheidung sich zum fehlenden Anordnungsgrund überhaupt nicht verhält. Es ist daher anhand des Schriftsatzes vom 3. Januar 2023 nicht hinreichend sicher zu bestimmen, inwieweit der erstinstanzliche Beschluss überhaupt angegriffen werden sollte.
13
3. Der Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung kann auch nicht in einen Beschwerdeantrag umgedeutet werden, denn eine Umdeutung kommt bei rechtskundig vertretenen Beteiligten nach der Rechtsprechung generell nicht in Betracht (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2022, § 146 VwGO Rn. 13 c). Im vorliegenden Fall ist der Antrag von einem Rechtsanwalt gestellt und ausdrücklich als Antrag auf eine Zwischenentscheidung bezeichnet worden. Zudem ist er in seinem Wortlaut bis zur Entscheidung über die Beschwerde beschränkt.
14
4. Im Übrigen könnte die Beschwerde unter Heranziehung des Schriftsatzes vom 3. Januar 2023 und ggf. auch des außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Schriftsatzes vom 5. April 2023 zur weiteren Erläuterung, hinsichtlich der Waffe Brünner keinen Erfolg haben.
15
Der Senat geht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts davon aus, dass der Antrag nach § 123 VwGO unzulässig ist, da kein Rechtsschutzbedürfnis für einen derartigen Antrag besteht.
16
Zum einen wird aus dem Antrag schon nicht klar, was der Antragsteller mit der Hauptsache meint und bis zu welchem Zeitpunkt daher eine einstweilige Regelung gelten soll. Es könnte sich entweder um die zeitgleich erhobene Klage gegen den Bescheid vom 9. Juni 2022, mit dem ein Zwangsgeld fällig gestellt worden ist, oder um die Klagen gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2021 oder gegen den Bescheid vom 12. April 2022 oder um eine Unterlassungsklage, die auf das gleiche Ziel wie der streitgegenständliche Unterlassungsantrag gerichtet ist, handeln. Substantiierte Ausführungen dazu finden sich weder in der Antragsschrift vom 5. Juli 2022 noch in den im Beschwerdeverfahren eingegangenen Schriftsätzen.
17
Zum anderen hat das Landratsamt nicht angekündigt, Dritten gegenüber mitzuteilen, dass der Antragsteller derzeit nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist und deswegen ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg anhängig ist und es beabsichtigt auch keine Nachfragen hinsichtlich seiner Person. Der Senat geht davon aus, dass das Landratsamt allenfalls unter Nennung der Grunddaten zu Waffen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über das Nationale Waffenregister i.d.F. d. Bek. vom 17. Februar 2020 (Waffenregistergesetz – WaffRG, BGBl I S. 166, 184) oder der Waffen-Ordnungsnummer nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 WaffRG oder der nach § 24 des Waffengesetzes i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), für jede Waffe erforderlichen Seriennummer, aber ohne Nennung des Namens des Antragstellers bei Waffenbetrieben nachfragen möchte, ob diese im Besitz dieser Waffe sind. Dass es dafür erforderlich sein könnte, den Namen des Antragstellers oder weitere Informationen zu nennen, ist nicht ersichtlich, denn jede Waffe ist anhand der genannten Nummern eindeutig identifizierbar. Das Landratsamt hat auch nicht explizit ausgeführt, dass es solche persönlichen Angaben machen wird, sondern hat nur pauschal von Nachfragen bei Waffenbetrieben gesprochen. Dies muss so verstanden werden, dass das mildeste Mittel, also die bloße Nachfrage nach einer bestimmten Waffe ohne Nennung von persönlichen Daten des Antragstellers beabsichtigt ist.
18
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis an vorbeugendem Rechtsschutz in Form einer Unterlassungsverfügung zusteht. Für einen solchen Antrag ist – ebenso wie bei einer entsprechenden Hauptsacheklage – ein qualifiziertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse notwendig (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2022, § 123 VwGO Rn. 45; Kuhla in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand: 1.7.2022, § 123 Rn. 43). Dies ist grundsätzlich zu verneinen, wenn sich der Rechtsschutzsuchende vorbeugend gegen den Erlass eines Verwaltungsakts wendet (vgl. Schoch a.a.O. Rn. 45). Geht man mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass ohnehin ein Duldungsverwaltungsakt nach Art. 7 LStVG gegenüber dem Antragsteller ergehen muss, erscheint es ausreichend, dagegen Rechtsschutz in Form eine Anfechtungsklage und eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen. Der Antrag nach § 123 Abs. 5 VwGO ist damit unzulässig.
19
Das für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch besondere Rechtschutzbedürfnis erfordert darüber hinaus, dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, die behördliche Maßnahme abzuwarten. Nur wenn ihm durch das Abwarten ein irreparabler Schaden droht, ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen (vgl. Kuhla a.a.O. Rn. 45). Hier ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass durch die Nachfrage mittels der Waffen-ID oder der Seriennummer bei verschiedenen Waffenbetrieben, um zu erforschen, ob sie im Besitz der Waffe Brünner sind, unzumutbare Zustände zum Nachteil des Antragstellers geschaffen würden. Ohnehin könnte sich wohl nur der Waffenbetrieb, bei dem sich die Waffe derzeit möglicherweise befindet, anhand der Waffen-ID oder Seriennummer den Namen des Antragstellers erschließen und aus dem Umstand der Anfrage des Landratsamts schlussfolgern, dass es eventuell Schwierigkeiten mit der Waffenbesitzberechtigung des Antragstellers gibt. Abgesehen davon, dass auch dem Waffenbetrieb bewusst sein wird, dass es andere Gründe für eine behördliche Nachfrage geben kann, hätte sich einem solchen Betrieb angesichts der ungewöhnlich langen Zeitdauer seit Überlassung der Waffe ohnehin schon längst das Bestehen von Auffälligkeiten aufgedrängt. Ein Betrieb nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WaffG wäre darüber hinaus berechtigt, sich gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 WaffG zu vergewissern, dass der Antragsteller noch über eine gültige Waffenbesitzberechtigung verfügt. Alle sonstigen Betriebe, die angefragt würden, bei denen sich die Waffe aber nicht befindet, könnten ohnehin keine Rückschlüsse auf den Antragsteller ziehen und es ist nicht ersichtlich, welche Nachteile dem Antragsteller durch eine derartige Nachfrage drohen könnten.
20
Darüber hinaus besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsverpflichtung, wenn die Zwangslage, in die der Antragsteller geraten ist, auf eigenen Versäumnissen oder Fehleinschätzungen beruht oder er bewusst auf eigenes Risiko gehandelt hat (vgl. Kuhla a.a.O. Rn. 45). Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller geht fehl in der Annahme, er sei wegen der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit der Grundverwaltungsakte vom 28. Oktober 2021 und 12. April 2022 nicht verpflichtet, diese sofort vollziehbaren Verwaltungsakte zu beachten, denn die Rechtmäßigkeit ist nach Art. 19 Abs. 1 VwZVG keine Grundvoraussetzung für eine Vollstreckung. Im Übrigen wäre auch nicht ersichtlich, dass selbst bei Unterstellung der Richtigkeit der Behauptungen des Antragstellers, er habe schon lange vor Erlass des Bescheids die Waffe Brünner an einen Waffenbetrieb überlassen, der Bescheid zumindest hinsichtlich der Nachweispflicht nicht rechtmäßig wäre und er diese nicht befolgen müsste. Nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 WaffG knüpft die Anordnung der dauerhaften Unbrauchbarmachung oder Überlassung an einen Berechtigten daran an, dass der Betreffende die Waffen erworben oder befugt besessen hat und noch besitzt. Eine Waffe besitzt nach Nr. 2 des Abschnitt 2 der Anlage 1 zum Waffengesetz, wer die tatsächliche Gewalt darüber ausübt. Dies setzt einen Herrschaftswillen voraus, erfordert aber nicht die Anwesenheit des Inhabers (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz vom 5. März 2012 – WaffVwV zu Anlage 1 Abschnitt w Nummer 3). Das Waffenrecht ist darüber hinaus dadurch geprägt, dass stets nachverfolgbar sein muss, wo sich erlaubnispflichtigte Waffen befinden. Dazu dienen das Nationale Waffenregister und die Anzeigevorschriften der §§ 37 ff. WaffG. Nur bestimmte, insbesondere kurzfristige und vorübergehende Überlassungen sind von der Anzeigepflicht ausgenommen (§ 37e WaffG). § 46 Abs. 2 WaffG ist daher in dem wohl eher sehr seltenen Fall, dass der Waffeninhaber die Waffe vor Erlass des Bescheids vorübergehend einem Berechtigten überlassen hat und dieser Vorgang wegen § 37e WaffG (noch) nicht zu einer Anzeige im Nationalen Waffenregister geführt hat, dahingehend zu verstehen, dass gleichwohl noch eine dauerhafte Unbrauchbarmachung oder Überlassung und eine diesbezügliche Nachweispflicht angeordnet werden kann. Die Rechtsauffassung des Antragstellers würde dem Sinn und Zweck des Waffengesetzes diametral entgegenstehen und nicht hinnehmbare Regelungslücken und Umgehungsmöglichkeiten erzeugen.
21
5. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Antragsgegner neben den zur Verfügung stehenden Zwangsmitteln zur Durchsetzung der sofort vollziehbaren Verwaltungsakte (Zwangsgelder, unmittelbarer Zwang oder Ersatzzwangshaft) auch auf das Landes-straf- und Verordnungsgesetz gestützte Maßnahmen ergreifen kann oder diese Maßnahmen zumindest zur Unterbindung des möglicherweise ordnungswidrigen Verhaltens des Antragstellers in Form der Nichtbefolgung der sofort vollziehbaren Anordnung (vgl. § 53 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) möglich sind, ob diese in der angekündigten Form hinreichend bestimmt und erfolgversprechend sind oder ob möglicherweise besser eine Sachfahndung durch die Polizei nach der Waffe ausgelöst werden müsste.
22
6. Eine Zwischenverfügung war nicht erforderlich, da der Senat den Antragsgegner mit der Zustellung der Beschwerde gebeten hat, keine Maßnahmen zu ergreifen und keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass dieser sich daran nicht halten würde. Mit dem Erlass der Beschwerdeentscheidung hat sich der Antrag erledigt.
23
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
24
8. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
25
9. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).