Inhalt

VG München, Urteil v. 19.06.2023 – M 9 K 18.33243
Titel:

Keine drohende Genitalverstümmelung in Nigeria

Normenketten:
EMRK Art. 8
Rückführungs-RL Art. 3 Nr. 4, Art. 5, Art. 6, Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1
GG Art. 6, Art. 16a
AsylG § 3, § 3a Abs. 2 Nr. 6, § 3b Abs. 1 Nr. 4, § 3e, § 4
AufenthG § 11 Abs. 1, § 34 Abs. 1 S. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die drohende Genitalverstümmelung stellt grundsätzlich eine iRd § 3 Abs. 1 AsylG, § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bzw. Art. 16a Abs. 1 GG zu berücksichtigende, an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung – insbesondere iSv § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG – dar. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit besteht, zB in einer der zahlreichen Millionen- und Großstädte Nigerias mit einer unüberschaubaren Vielzahl an (wenn auch schlecht bezahlten) Erwerbsmöglichkeiten und einem Netz an karitativen Hilfsangeboten ökonomisch eigenständig zu leben und auch ohne Hilfe Dritter zu überleben. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 5 lit. a und b Rückführungs-RL ist nach der Entscheidung des EuGH dahingehend auszulegen, dass das Wohl des Kindes und seine familiären Bindungen (bereits) iRd zum Erlass einer Rückkehrentscheidung führenden Verfahrens zu schützen sind und es nicht genügt, wenn der Minderjährige diese beiden geschützten Interessen im Rahmen eines nachfolgenden Verfahrens betreffend den Vollzug der Rückkehrentscheidung geltend machen kann, um ggf. eine Aussetzung des Vollzugs zu erwirken (vgl. EuGH BeckRS 2023, 2302). (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Nigeria, Bezugnahme auf Bescheid, Minderjährige Klägerin, Drei minderjährige Geschwister, Geltendmachung drohender Beschneidung (Glaubhaftigkeit verneint), Interner Schutz (bejaht), Abschiebungsverbote (verneint), Unionsrechtswidrigkeit einer Abschiebungsandrohung gegen ein minderjähriges Kind bei Gestattung eines minderjährigen Geschwisterkindes (in Anschluss an EuGH, B.v. 15.2.2023 – C-484/22)., Genitalverstümmelung, drohende Beschneidung, Rückkehrentscheidung, familiäre Bindungen, Rückkehrer in Nigeria, Kindeswohl, Schutz der Geschwisterbeziehung, Abschiebungsandrohung, Abschiebungsverbote, interner Schutz, RL 2008/115/EG
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 01.08.2023 – 2 ZB 23.30551
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20790

Tenor

I.Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. August 2018 wird in den Nrn. 5 und 6 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.  
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.    
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin, nach Angabe ihrer Mutter nigerianische Staatsangehörige, dem Volk der Edo zugehörig und christlichen Glaubens, ist am … … 2017 in der Bundesrepublik Deutschland geboren worden. Am 15. Mai 2017 wurde für sie durch ihre Mutter Asylantrag gestellt.
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Die Eltern der Klägerin sind … … und … …, beide nigerianische Staatsangehörige. Laut Urkunde vom … … 2017 ist die Vaterschaft anerkannt worden.
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Mit sog. Dublin-Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 18. August 2017 wurde der Antrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet. Dieser wurde mit Bescheid vom 19. Januar 2018 aufgehoben. Die entsprechenden Klage- bzw. Antragsverfahren bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichts München wurden daraufhin für erledigt erklärt und eingestellt (Az. M 9 K 17.52329 und M 9 S 17.52330).
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Auf entsprechende Anfrage des Bundesamtes hin ließ die Mutter der Klägerin über ihre Bevollmächtigte erklären, nach Auskunft sowohl der Mutter als auch des Vaters der Klägerin müsse die Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria damit rechnen, genital verstümmelt zu werden. Dies sei Tradition. Die Mutter der Klägerin erklärte dazu, dass sie selbst habe fliehen müssen und im Falle einer Rückkehr ihr Kind höchstwahrscheinlich nicht schützen können werde.
5
In ihrer Anhörung gemäß § 25 AsylG durch das Bundesamt am 27. Juli 2018 gaben die Eltern der Klägerin im Wesentlichen an, sie lehnten die Tradition der Beschneidung ab. Sowohl in der Familie der Mutter der Klägerin aus auch in der Familie des Vaters der Klägerin würden manche Familienmitglieder beschnitten, etwa die Schwester der Mutter der Klägerin oder die beiden Schwestern des Vaters der Klägerin. Die Mutter der Klägerin selbst sei nicht beschnitten und habe der Beschneidung durch Flucht nach Europa entgehen können. Über die Beschneidung entschieden die Väter der Mutter der Klägerin und des Vaters der Klägerin. Der Beschneidung könne auch nicht durch Umzug innerhalb Nigerias, etwa nach Abuja, entgangen werden, da auch dort beschnitten werde.
6
In der Anhörung gemäß § 25 AsylG durch das Bundesamt am 27. Dezember 2016 in ihrem eigenen Asylverfahren gab die Mutter der Klägerin unter anderem an, in ihrer Familie seien keine Frauen beschnitten, weder ihre Mutter noch ihre Tante.
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Laut Attest von Dr. … … vom … Juli 2018 lag bei der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ein unauffälliges weibliches Genital vor. Laut Attest von Dr. … … vom 18. Juli 2018 lag bei der Mutter der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt keine Beschneidung vor.
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Die Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung erklärte sich mit Vermerk vom 13. August 2018 nach Studium der Akten mit dem Entscheidungsentwurf des Bundesamts einverstanden.
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Nach Ausübung des Selbsteintrittsrechts lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 10. August 2018, als Einschreiben zur Post gegeben am 20. August 2018, den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz ab (Nr. 1 bis 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte die Klägerin die Ausreisefrist nicht einhalten, wird sie nach Nigeria oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vorlägen. Soweit die Eltern der Klägerin erklärten, der Klägerin drohe in Nigeria die Beschneidung, fehle es an der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Eine Beschneidung erfolge in der Regel nur mit Zustimmung oder auf Veranlassung der Eltern. Diese hätten sich beide eindeutig gegen Beschneidung ausgesprochen. Die Mutter habe zudem bezüglich der Beschneidung in ihrer Familie widersprüchlich zu ihrer eigenen Anhörung vorgetragen. Jedenfalls bestünde interner Schutz – die Klägerin und ihre Eltern seien nicht gezwungen, an den Ort ihrer Familien zurückzukehren – und sei es der Klägerin zusammen mit ihren Eltern auch zumutbar, sich in einem sicheren Landesteil aufzuhalten. Die Eltern der Klägerin seien jung, gesund und erwerbsfähig. Sie verfügten über zumindest grundlegende Arbeitserfahrung sowie im Falle des Vaters über eine 5-jährige Schulbildung. Sie seien daher zur Existenzsicherung im Stande. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes lägen nicht vor. Zudem lägen keine Abschiebungsverbote vor. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
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Hiergegen ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22. August 2018, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und beantragen,
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1. Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2018 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass
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a. die Klägerin asylberechtigt ist.
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b. die Flüchtlingseigenschaft bei ihr vorliegt.
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c. der subsidiäre Schutzstatus bei ihr vorliegt.
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d. Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei ihr vorliegen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, bei der Klägerin handele es sich um das in Deutschland geborene Kind nigerianischer Eltern. Das Asylverfahren des Vaters sei beim Bayerischen Verwaltungsgericht München anhängig.
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Die Beklagte legte die Behördenakten, auch der weiteren Familienmitglieder der Klägerin, vor. Sie äußerte sich jedoch nicht zur Sache.
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Der Asylantrag der Mutter der Klägerin, … …, wurde durch das Bundesamt zunächst mit sog. Dublin-Bescheid vom 1. Februar 2017 als unzulässig abgelehnt. Der Bescheid wurde in der Folge wegen der Geburt der Klägerin aufgehoben und die entsprechenden Klage- und Antragsverfahren nach Erledigungserklärung eingestellt. Nach Ausübung des Selbsteintrittsrecht lehnte das Bundesamt den Asylantrag mit Bescheid vom 10. August 2020 als einfach unbegründet ab. Zugleich wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und es wurde die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Eine dagegen erhobene Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München hat ausweislich Urteil vom heutigen Tag nur insoweit Erfolg, als die Aufhebung der Abschiebungsandrohung sowie des auf 30 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots begehrt wird; im Übrigen wurde sie abgewiesen (Az. M 9 K 18.33247).
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Der Asylantrag einer Schwester der Klägerin, … …, geb* … … 2018, wurde durch das Bundesamt mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 13. August 2018 als einfach unbegründet abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und es wurde die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht.
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Der Asylantrag einer weiteren Schwester der Klägerin, … …, geb. … … 2019, wurde durch das Bundesamt mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 27. November 2019 als einfach unbegründet abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und es wurde die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht.
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Der Asylantrag eines Bruders der Klägerin, … …, geb. am … … 2019, wurde durch das Bundesamt mit Bescheid vom 2. März 2020 als einfach unbegründet abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und es wurde die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Über eine dagegen erhobene Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München wurde noch nicht entschieden (Az. M 32 K 20.30859).
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Bezüglich des Vaters der Klägerin, … …, geb. … … 1984, erging zunächst ein sog. Dublin-Bescheid vom 1. Februar 2017, der später wegen der Geburt der Klägerin aufgehoben wurde. Das Bundesamt lehnte daraufhin nach Ausübung des Selbsteintrittsrechts den Asylantrag mit Bescheid vom 8. August 2018 als einfach unbegründet ab. Zugleich wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und es wurde die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. Januar 2019 abgewiesen (Az. M 8 K 18.33213). Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. April 2019 abgelehnt (Az. 7 ZB 19.31045). Im Verfahren wurde im Wesentlichen eine ehemalige Homosexualität und eine Bedrohung durch einen ehemaligen Sexualpartner in Nigeria geltend gemacht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2023 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

Entscheidungsgründe

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Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2023 trotz Ausbleibens der Beteiligten entschieden werden. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist zulässig, jedoch nur hinsichtlich der Anfechtung der Abschiebungsandrohung und des Einreise- und Aufenthaltsverbots begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Denn der angegriffene Bescheid ist bezüglich der Abschiebungsandrohung und des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; im Übrigen ist er rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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I. Der streitgegenständliche Bescheid ist in seinen Nummern 1 bis 4 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes oder auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
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Das Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 3 AsylG). Ergänzend wird lediglich Folgendes ausgeführt:
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1. Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG), die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling (§ 3 AsylG) oder des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) rechtfertigen würde, ist vorliegend auch aus dem Vortrag der Klägerseite nicht erkennbar.
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1.1 Insbesondere ist für die Klägerin schon nicht nachvollziehbar und in schlüssiger Form ein Sachverhalt vorgetragen, der eine flüchtlingsrechtsrelevante Verfolgung i.S.d. Art. 16a GG bzw. §§ 3 ff. AsylG bzw. das Drohen eines ernsthaften Schadens i.S.d. § 4 AsylG zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere für den Vortrag, der Klägerin drohe bei einer Rückkehr nach Nigeria die Beschneidung (weibliche Genitalverstümmelung, FGM).
32
1.1.1 Die drohende Genitalverstümmelung stellt zwar grundsätzlich eine im Rahmen der § 3 Abs. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bzw. Art. 16a Abs. 1 GG zu berücksichtigende, an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung – insbesondere im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG – dar (vgl. VG München, U.v. 15.5.2023 – M 8 K 20.30530 – UA Rn. 20; VG Gelsenkirchen, B.v. 22.11.2017 – 9a K 5898/17.A – juris Rn. 17).
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Allerdings droht der Klägerin vorliegend die Beschneidung nach der Überzeugung des Gerichts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
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Ob eine begründete Furcht vor einer Verfolgung vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob eine tatsächliche Gefahr („real risk“, vgl. EGMR, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi – NVwZ 2008, 1330, 1331 Rn. 125), i.e. eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris Rn. 21-23), gegeben ist, wobei dafür eine qualifizierte Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen, insbesondere unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs und dessen Zumutbarkeit, vorzunehmen ist (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris Rn. 24 m.w.N.). Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung des Gerichts eine gesteigerte Bedeutung zu. Dementsprechend setzt etwa die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (vgl. etwa VG München, U.v. 15.5.2023 – M 8 K 20.30530 – UA Rn. 21 m.w.N.).
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1.1.2 Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten und ausgewerteten Erkenntnismitteln ergibt sich, dass die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung/Beschneidung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. Auch wenn die Praxis der weiblichen Beschneidung vielerorts rückläufig und inzwischen jedenfalls teilweise unter Strafe gestellt ist, handelt es sich dabei gleichwohl um eine Tradition in der nigerianischen Gesellschaft, die vor allem in ländlichen Regionen im Südwesten und im Süden des Landes nach wie vor praktiziert wird (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria v. 24.11.2022, Stand Oktober 2022, S. 12). Nach den zur Verfügung stehenden Zahlen sind etwa 20 Prozent aller Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten. Dabei zeigen die statistischen Erhebungen, dass es für jüngere Mädchen und Frauen weniger wahrscheinlich ist, beschnitten zu werden, als für frühere Generationen (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note – Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), Version 3.0, Stand Juli 2022, S. 21 m.w.N.). Hinsichtlich der Verbreitung von Beschneidung bestehen regional große Unterschiede. Insgesamt ist die Verbreitung jedoch rückläufig (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Nigeria, Stand 29.7.2022, S. 41). Sofern eine Beschneidung erfolgt, geschieht dies in etwa 86 Prozent der Fälle vor dem fünften Geburtstag (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note – Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), Version 3.0, Stand Juli 2022, S. 24 m.w.N.). Grundlage der Beschneidung ist oft eine Berufung auf die Tradition, die in vielen Fällen von der Familie der Eltern des Kindes ausgeht (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note – Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), Version 3.0, Stand Juli 2022, S. 48 ff. m.w.N.). Sind beide Elternteile gegen eine Beschneidung, können sie eine Genitalverstümmelung jedoch im Regelfall verhindern, auch wenn es dabei zu Druck und Stigmatisierung kommen kann (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Nigeria, Stand 29.7.2022, S. 41).
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1.1.3 Auf dieser Grundlage droht der Klägerin eine Beschneidung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Aus dem Vortrag der Eltern der Klägerin in der Anhörung durch das Bundesamt ergibt sich nicht, warum der Klägerin die Beschneidung drohe sollte. Der Vortag ist insoweit schon nicht glaubhaft, als behauptet wird, in der Familie der Mutter der Klägerin sei die Beschneidung üblich. Die Mutter der Klägerin gab widersprüchlich dazu in der Bundesamtsanhörung in ihrem eigenen Asylverfahren an, in ihrer Familie sei keine Frau beschnitten (vgl. näher zu den weiteren Widersprüchen das Urteil vom heutigen Tage bezüglich der Mutter der Klägerin, auf das Bezug genommen wird, VG München, U.v. 19.6.2023 – M 9 K 18.33247 – juris Rn. 34). Die Eltern der Klägerin haben die Chance, den Widerspruch bei einer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung aufzulösen, nicht wahrgenommen. Das Gericht ist auch nicht davon überzeugt, dass in der Familie des Vaters der Klägerin die Beschneidung üblich ist. Insoweit wurde der Vortrag nicht konkretisiert, etwa durch Benennung bestimmter Familienmitglieder, die die Beschneidung durchführen oder beschnitten sind. Die Chance, den Vortrag bei einer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung zu substantiieren, haben die Eltern der Klägerin nicht genutzt. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass die Beschneidung in einer der beiden Familien üblich ist und die Familienmitglieder auch tatsächlich Druck auf die Eltern der Klägerin ausüben, ist nach den Erkenntnismitteln wie dargestellt jedenfalls dann, wenn – wie hier – beide Elternteile die Beschneidung ablehnen, davon auszugehen, dass die Eltern eine Beschneidung im Regelfall verhindern können. Anzeichen für eine abweichende Situation im konkreten Einzelfall sind weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich. Insgesamt gelingt es den Eltern der Klägerin daher nach der Überzeugung des Gerichts nicht, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der die beachtlich wahrscheinliche Gefahr der Beschneidung im Falle der Klägerin zu tragen vermag. Es bestehen vielmehr durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Sachvortrages.
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1.2 Unabhängig davon und selbständig tragend ist interner Schutz gemäß § 3e (i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1) AsylG gegeben.
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Nach dieser Vorschrift wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiärer Schutz nicht gewährt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat bzw. ihm kein ernsthafter Schaden droht und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Entsprechendes gilt für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Grundgesetz (GG) mit Blick auf die inländische Fluchtalternative.
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1.2.1 Das Risiko einer Beschneidung kann in Nigeria jedenfalls dann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, wenn sich die betreffende (Kern-)Familie fernab der Großfamilien bzw. Stammesangehörigen, von denen die Gefahr einer Beschneidung oder entsprechender Druck ausgehen könnte, und in einer Region bzw. Stadt, in der die Beschneidung nicht so weit verbreitet ist wie in anderen Landesteilen, niederlässt, wenngleich dies womöglich einen völligen Bruch mit der jeweiligen Herkunftsfamilie bedeuten kann (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Nigeria, Stand 29.7.2022, S. 41). Selbst wenn Familienmitglieder der Klägerin die Beschneidung der Klägerin fordern sollten, ist von Klägerseite weder glaubhaft gemacht worden noch sonst ersichtlich, dass bzw. wie diese Personen angesichts des in Nigeria fehlenden funktionierenden Meldesystems (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria v. 24.11.2022, S. 21 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Nigeria, Stand 29.7.2022, S. 51 f.) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein sollten, bei einer Niederlassung der Klägerin zusammen mit ihrer (Kern-)Familie in einer der einwohnerstarken und angesichts der dort herrschenden Lebensverhältnisse zwangsläufig anonymen Millionenstädte Nigerias auf diese zuzugreifen und eine zwangsweise Genitalverstümmelung zu veranlassen. Hinzu kommt, dass die Verbreitung von Beschneidung von Mädchen bzw. Frauen in Nigeria insgesamt rückläufig ist (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Nigeria, Stand 29.7.2022, S. 41). Der Klägerin und ihrer (Kern-)Familie wäre es somit unter Berücksichtigung aller Umstände möglich, sich in einem Landesteil Nigerias niederzulassen, wo eine zwangsweise Beschneidung nicht beachtlich wahrscheinlich ist.
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1.2.2 Der Klägerin ist es auch im Hinblick auf ihre individuellen Umstände im Entscheidungszeitpunkt zuzumuten, sich in einem Landesteil niederzulassen, wo sie sicher wäre. Für die Prognose der bei einer Rückkehr drohenden Gefahren ist dabei bei realitätsnaher Betrachtung der Rückkehrsituation im Regelfall davon auszugehen, dass eine im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebende Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) im Familienverband in ihr Herkunftsland zurückkehrt (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris). Im Rahmen der Rückkehrprognose ist vorliegend daher nicht nur auf die Klägerin, sondern auch auf ihre Mutter und die weiteren Geschwister sowie gegebenenfalls auf den Vater der Klägerin abzustellen. Bezüglich des Vaters der Klägerin ist nach Aktenlage nicht abschließend erkennbar, ob dieser im Entscheidungszeitpunk in einer familiären Lebensgemeinschaft mit der Klägerin lebt.
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Es ist anzunehmen, dass die junge, gesunde und arbeitsfähige Mutter der Klägerin auch allein in der Lage sein wird, für sich, die Klägerin und deren drei minderjährige Geschwister den Lebensunterhalt in Nigeria – einem Land mit einer durchschnittlichen Geburtenrate von 5,14 Kindern pro Frau (vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/749023/umfrage/fertilitaetsrate-in-nigeria) – zu erwirtschaften. Dass die Arbeitsfähigkeit der Mutter aus gesundheitlichen oder anderen Gründen eingeschränkt wäre, wurde weder geltend gemacht noch durch ärztliche Atteste o.ä. belegt. Die Mutter hat nach ihren eigenen Angaben in der Anhörung durch das Bundesamt in ihrem eigenen Asylverfahren ein Jahr lang die Schule besucht und, obwohl sie keinen Beruf erlernt hat, ihrer Mutter auf dem Feld geholfen. Es ist auf dieser Grundlage einer zumindest im Ansatz vorhandenen Schulbildung sowie der Arbeitserfahrung wenigstens als Hilfsarbeiterin davon auszugehen, dass die Mutter der Klägerin in Nigeria Arbeit finden und sich und ihre minderjährigen Kinder versorgen kann. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln ist im Übrigen davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit besteht, z.B. in einer der zahlreichen Millionen- und Großstädte Nigerias mit einer unüberschaubaren Vielzahl an (wenn auch schlecht bezahlten) Erwerbsmöglichkeiten und einem Netz an karitativen Hilfsangeboten ökonomisch eigenständig zu leben und auch ohne Hilfe Dritter zu überleben (vgl. z.B. VG München, U.v. 8.3.2023 – M 15 K 18.30175 – UA Rn. 23; U.v. 14.12.2021 – M 21a K 21.31228 – UA Rn. 30). Aus alledem sowie aus der Tatsache, dass die Mutter der Klägerin ausweislich ihrer Lebens- und Fluchtgeschichte offensichtlich in der Lage ist, sich zu organisieren und selbstständig eine Lösung für die sich in ihrem Leben stellenden Probleme zu finden, ist zu schließen, dass ihr in Nigeria die Aufnahme einer praktischen beruflichen Tätigkeit möglich sein wird, mit der sie trotz der angespannten wirtschaftlichen Situation im Land den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder erwirtschaften kann, zumal es in Nigeria nicht unüblich ist, Kinder jedenfalls teilweise bzw. zu bestimmten beruflichen Tätigkeiten, insbesondere im informellen Sektor, mitzunehmen (vgl. z.B. VG München, U.v. 13.1.2020 – M 8 K 18.33216 – UA Rn. 76; U.v. 3.9.2019 – M 8 K 18.31864 – UA Rn. 49; s. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Nigeria, Stand 29.7.2022, S. 43).
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Hinzu kommt, dass in Nigeria nach Angaben der Mutter der Klägerin noch weitere Verwandte leben, die die Klägerin und ihre (Kern-)Familie in gewisser Weise – z.B. hinsichtlich einer (vorläufigen) Unterkunft und bei der Kinderbetreuung – unterstützen oder zumindest als „erste Anlaufstelle“ dienen können. Unabhängig davon – und insbesondere mit Blick auf den Fall, dass man unterstellt, dass die Klägerin mit ihrer (Kern-)Familie nicht zu der Familie ihrer Mutter bzw. ihres Vater zurückgehen kann, weil diese die Beschneidung fordert – kann allgemein festgestellt werden, dass nach Nigeria zurückgeführte Personen selbst dann, wenn sie in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet werden (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Nigeria, Stand 29.7.2022, S. 55). Zudem ist es der Klägerin bzw. ihrer Mutter auch möglich und zumutbar, Leistungen aus den – überwiegend an die freiwillige Ausreise anknüpfenden – Rückkehrprogrammen in Anspruch zu nehmen (vgl. dazu grundlegend BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 25; vgl. zu den Rückkehrprogrammen etwa VG Würzburg, U.v. 14.4.2021 – W 10 K 19.32043 – juris Rn. 69). Für die Klägerin ist somit bei der zu unterstellenden Rückkehr im Familienverbund nichts erkennbar, was im Ergebnis durchgreifend gegen die Möglichkeit der Existenzsicherung durch ihre Mutter und die Zumutbarkeit der Niederlassung in einem sicheren Landesteil bzw. einer der nigerianischen Großstädte sprechen könnte. Dies gilt umso mehr, falls man davon ausgeht, dass die Klägerin derzeit in Deutschland auch mit ihrem Vater zusammenlebt und auch dieser als Teil der (Kern-)Familie mit nach Nigeria zurückkehren und zum Lebensunterhalt beitragen würde.
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2. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
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2.1 Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt nur in Fällen ganz extremer Gewalt in Betracht und auch schlechte humanitäre Bedingungen können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen. Voraussetzung ist insoweit, dass die humanitären Gründe gegen die Abschiebung zwingend sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 15 unter Verweis auf U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 12; B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 9: „nur in besonderen Ausnahmefällen“; vgl. a. EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 89 ff.; U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 92 ff.: „Situation extremer materieller Not“). Das erforderliche Mindestmaß an Schwere der drohenden Gefahr (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien – NVwZ 2017, 1187, 1189 Rn. 174) kann etwa erreicht sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 15 unter Verweis auf B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 6.3.2020 – 3 ZB 20.30516 – juris Rn. 6). Maßstab für die anzustellende Gefahrenprognose ist grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum des Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer gesichert ist (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 25 m.w.N.). In Nigeria ist die allgemeine bzw. humanitäre Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde. Bei den mit der schwierigen ökonomischen Situation in Nigeria verbundenen Gefahren handelt es sich im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte um Gefahren, die einen Großteil der Bevölkerung in Nigeria betreffen und die für sich genommen keine Verletzung von Art. 3 EMRK begründen (vgl. BVerwG, B.v. 25.10.2012 – 10 B 16.12 – juris). Hinweise, dass sich die Situation im Einzelfall der Klägerin abweichend darstellt, sind weder vorgetragen, noch sonstwie ersichtlich. Insbesondere ist, wie bereits ausgeführt, davon auszugehen, dass die Mutter der Klägerin in der Lage sein wird, für sich und ihre Kinder den Lebensunterhalt zu erwirtschaften.
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2.2 Schließlich ergeben sich aus dem klägerischen Vortrag auch keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, etwa aus gesundheitlichen Gründen.
46
Die Klage wird daher insoweit abgewiesen.
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II. Die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des angegriffenen Bescheids ist jedoch nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da sie die familiären Bindungen der Klägerin und das Kindeswohl nicht in gebührender Weise berücksichtigt.
48
1. Unter Berücksichtigung des Beschlusses des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Februar 2023 (C-484/22 – juris) über ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 8.6.2022 – 1 C 24.21 – juris) ist im konkreten Fall der Klägerin insbesondere aufgrund des sich aus dessen Aufenthaltsgestattung ergebenden Aufenthaltsrechts ihres minderjährigen Bruders § 34 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unionsrechtskonform nicht anzuwenden, sodass die auf Grundlage von § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59, § 60 Abs. 10 AufenthG ergangene Abschiebungsandrohung rechtswidrig ist (vgl. zum Ganzen VG München, U.v. 3.4.2023 – M 27 K 22.30441 – juris Rn. 26 ff.; ausführlich, auch zur Genese, VG Minden, B.v. 4.5.2023 – 2 L 847/22.A – juris Rn. 14 ff.).
49
2. Die Abschiebungsandrohung stellt eine Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 3 Nr. 4, Art. 6 und Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1 der RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die gemeinsamen Normen und Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. EU Nr. L 348, S. 98 ff.) – Rückführungsrichtlinie – dar (vgl. BVerwG, Vorlage-B.v. 8.6.2022 – 1 C 24.21 – juris Rn. 18 unter Verweis auf U.v. 16.2.2022 – 1 C 6.21 – juris Rn. 41, 45 und 56 m.w.N.) und hat unionsrechtlichen Anforderungen zu genügen (vgl. etwa Pietzsch in: BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.1.2023, § 34 AsylG Rn. 5a).
50
Nach Art. 5 Buchst. a) und b) der Rückführungsrichtlinie sind das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen in gebührender Weise zu berücksichtigen. Diese Regelung ist nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (B.v. 15.2.2023 – C-484/22 – juris Rn. 28) dahingehend auszulegen, dass das Wohl des Kindes und seine familiären Bindungen (bereits) im Rahmen des zum Erlass einer Rückkehrentscheidung führenden Verfahrens zu schützen sind und es nicht genügt, wenn der Minderjährige diese beiden geschützten Interessen (erst) im Rahmen eines nachfolgenden Verfahrens betreffend den Vollzug der Rückkehrentscheidung geltend machen kann, um gegebenenfalls eine Aussetzung des Vollzugs zu erwirken (vgl. EuGH, B.v. 15.2.2023 – C-484/22 – juris Rn. 28). Dieser Grundsatz gilt nicht nur in dem Verhältnis zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern, wie es in dem der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zugrundeliegenden Ausgangsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gegenständlich ist, sondern auch im Verhältnis zwischen minderjährigen Geschwisterkindern, die gemeinsam mit einem Elternteil eine familiäre Lebensgemeinschaft im Inland bilden (vgl. noch weitergehend, nämlich auch für die familiären Bindungen zwischen Erwachsenen, VG Minden, B.v. 4.5.2023 – 2 L 847/22.A – juris Rn. 68 ff.; VG Aachen, B.v. 30.5.2023 – 8 L 85/23 – juris Rn. 32 ff.). Dies ergibt sich schon daraus, dass die Regelung in Art. 5 Buchst. a) und b) der Rückführungsrichtlinie eine grundrechtliche Überwölbung – insbesondere auch mit Blick auf Art. 7 GRCh – erfährt (vgl. etwa Erwägungsgrund 24 der Rückführungsrichtlinie sowie speziell für Abschiebungen auch deren Art. 8 Abs. 4 Satz 2), die zugleich den Telos der Vorschrift trägt, und die grundrechtlichen Gewährleistungen in beiden Fällen gleichermaßen Anwendung finden. Ebenso legt auch der Wortlaut von Art. 5 Buchst. a) und b) der Rückführungsrichtlinie, dem insoweit keine Einschränkung auf bestimmte familiäre Konstellationen zu entnehmen ist, eine Anwendung auch auf Geschwisterkinder nahe. Er spricht ebenso wie die systematische Stellung der Norm in Kapitel I der Richtlinie (allgemeine Bestimmungen) dafür, dass sie eine als allgemeiner Grundsatz geltende materielle Regelung hinsichtlich der Beendigung des illegalen Aufenthalts und des zugehörigen Verfahrens (so die beiden folgenden Kapitel) enthält. Für eine unionsrechtlich gebotene weite Anwendung von Art. 5 Buchst. a) und b) der Rückführungsrichtlinie spricht schließlich, dass der Europäische Gerichtshof bezüglich der oben zitierten Vorlagefrage einen Fall von Art. 99 VerfO-EuGH annahm (vgl. EuGH, B.v. 15.2.2023 – C-484/22 – juris Rn. 20 ff.). Ausgehend von der Anwendbarkeit auch auf das Verhältnis zwischen Geschwisterkindern ist sodann jeweils im Einzelfall – auch unter Berücksichtigung des gegebenenfalls weniger gewichtigen grundrechtlichen Schutzes der Geschwisterbeziehung im Vergleich zur Eltern-Kind-Beziehung – zu prüfen, ob das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen bei der konkreten Abschiebungsandrohung in gebührender Weise Berücksichtigung finden.
51
Dies bedeutet für das hiesige Verfahren, dass die familiären Bindungen der Klägerin und ihr Kindeswohl bereits im Rahmen der Rückkehrentscheidung, also der Abschiebungsandrohung, in gebührender Weise zu berücksichtigen sind und sich die Klägerin nicht auf ein dem Erlass der Abschiebungsandrohung nachgelagertes Verfahren – wie etwa eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch die Ausländerbehörde (§ 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG) oder ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis in Form einer Duldung aufgrund einer sich aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK ergebenden rechtlichen Unmöglichkeit (§ 60a Abs. 2 Satz 1 Var. 1 AufenthG) – verweisen lassen muss.
52
3. Auf dieser Grundlage genügt bei einer Würdigung der konkreten familiären Verhältnisse der Klägerin im Bundesgebiet die gegenständliche Abschiebungsandrohung mit 30-tägiger Ausreisefrist den unionsrechtlichen Anforderungen nicht, da sie die familiären Bindungen und das Kindeswohl unter Beachtung der grundrechtlichen und konventionsrechtlichen Maßstäbe nicht i.S.d. Art. 5 Buchst. a) und b) der Rückführungsrichtlinie in gebührender Weise berücksichtigt.
53
Eine zur Vermeidung der Abschiebung grundsätzlich erforderliche freiwillige Ausreise binnen 30 Tagen nach Rechtskraft ist der Klägerin derzeit ebensowenig zumutbar wie eine Vollstreckung ihrer Ausreisepflicht nach zu erwartendem fruchtlosen Ablauf der Ausreisefrist rechtmäßig wäre, da diese jeweils eine aus grundrechtlichen bzw. konventionsrechtlichen Gründen im Entscheidungszeitpunkt nicht zumutbare Trennung der im Entscheidungszeitpunkt sechs Jahre alten Klägerin von ihrer im Inland gelebte (Kern-)Familie, wenigstens in Person ihres im Entscheidungszeitpunkt drei Jahre alten Bruders, zur Folge hätten und daher die familiären Bindungen der Klägerin und das Kindeswohl nicht gebührend berücksichtigen.
54
Die Klägerin lebt im Bundesgebiet in einer nach Art. 6 GG, Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK grundrechtlich bzw. konventionsrechtlich geschützten Familiengemeinschaft (jedenfalls) mit ihrer Mutter und ihren minderjährigen Geschwistern, darunter ihrem im Entscheidungszeitpunkt drei Jahre alten Bruder. Dieser verfügt aufgrund des anhängigen Klageverfahrens hinsichtlich seines als einfach unbegründet abgelehnten Asylerstantrags nach wie vor über eine Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1, § 75 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG) und somit über ein – zwar auf die Dauer des Statusfeststellungsverfahrens beschränktes und vorläufiges, aber dennoch zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vor jedweder Überstellung in einen möglichen Verfolgerstaat schützendes – Aufenthaltsrecht (vgl. Röder in: BeckOK MigR, Stand 15.1.2023, § 55 AsylG Rn. 1; Bergmann in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Auflage 2022, § 55 AsylG Rn. 2 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 7.10.1975 – I C 46.69 – juris Rn. 28).
55
Eine alleinige Ausreise der sechsjährigen Klägerin kommt von vornherein nicht in Frage. Ebenso wenig kann von dem minderjährigen Bruder der Klägerin erwartet werden, dass er ungeachtet seines Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik zusammen mit seiner gelebten (Kern-)Familie ausreist, um die fristgerechte Ausreise seiner Schwester zu ermöglichen. Schließlich scheidet auch eine Ausreise der Klägerin zusammen mit ihrer Mutter aus. Dies folgt zum einen aus den nach Art. 5 Buchst. b) der Rückführungsrichtlinie in gebührender Weise zu berücksichtigenden familiären Bindungen der Klägerin. Offenbleiben kann dabei, ob unter den familiären Bindungen in diesem Sinne neben der Bindung der Klägerin zu dem Familienmitglied, das ein Aufenthaltsrecht hat (hier der Bruder), auch die familiären Bindungen in der gelebten (Kern-)Familie insgesamt, also hier insbesondere auch die Beziehung zwischen der Klägerin und ihrer Mutter sowie zwischen der gemeinsamen Mutter und dem Sohn bzw. Bruder, zu verstehen sind. Nach letzterem – weiten – Verständnis liegt es auf der Hand, dass die familiären Bindungen zwischen der Mutter und deren minderjährigem Sohn einer Abschiebungsandrohung entgegenstehen (vgl. dazu ausführlich das Urteil vom heutigen Tage bezüglich der Mutter, VG München, U.v. 19.6.2023 – M 9 K 18.33247 – juris Rn. 51 ff.). Vorliegend steht jedoch auch die nach dem engeren Verständnis maßgebliche familiäre Bindung zwischen der Klägerin und ihrem minderjährigen Bruder einer Abschiebungsandrohung entgegen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Beziehung zwischen Geschwisterkindern nicht ohne Weiteres dasselbe Gewicht zukommt wie der Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind. Allerdings endet der grundrechtliche Familienschutz nicht unmittelbar in dem über die Eltern-Kind-Beziehung hinausgehenden Bereich, sondern ist dort graduell zu begreifen. Für Geschwister besteht er noch (vgl. für Art. 6 GG etwa Heiderhoff in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 6 Rn. 72 ff. m.w.N.; vgl. für Art. 8 EMRK etwa EGMR, NJW 1979, 2449: „zwischen nahen Verwandten“). Auf dieser Grundlage ist es den Geschwisterkindern vorliegend angesichts ihres Alters bei einer – wie hier – gelebten häuslichen Gemeinschaft nicht zu vermitteln, warum die Schwester diese nunmehr verlassen soll. Ebenso wenig kann den Geschwistern hier in Anbetracht ihres Alters der Grund für die Trennung verständlich gemacht werden oder ist absehbar, dass die zu erwartende Dauer der Trennung verhältnismäßig kurz und damit hinnehmbar ist, was dazu führen würde, dass die Kinder eine Trennung rasch als endgültigen Verlust erfahren würden (letztere beide Erwägungen in Anlehnung an die Kriterien für eine Verhältnismäßigkeit einer Trennung von Eltern und minderjährigem Kind, vgl. dazu etwa BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 48; B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 17; B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 22; sowie im Kontext von Art. 20 AEUV BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 36 m.w.N.). Zu dem gleichen Ergebnis kommt man mit Blick auf das nach Art. 5 Buchst. a) der Rückführungsrichtlinie ebenfalls in gebührender Weise zu berücksichtigende Wohl des Kindes. Auch hier kann offenbleiben, ob es dabei (nur) auf das Wohl der Klägerin als Adressatin der Abschiebungsandrohung oder (auch und angesichts des offenen Wortlauts und des Telos der Norm naheliegend) auf das Wohl des temporär aufenthaltsberechtigten Bruders ankommt. Denn jeweils ist den Kindern eine Trennung aus den obigen Erwägungen mit Blick auf den grundrechtlichen Schutz nicht zumutbar. Dies gilt umso mehr, wenn mit der Ausreise der Klägerin auch eine Ausreise ihrer Mutter und damit eine Trennung der Mutter von dem Sohn bzw. Bruder in Rede steht. Daher muss vorliegend unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles das öffentliche Interesse an einer wirksamen Vollstreckung der Ausreisepflicht (vgl. Erwägungsgründe Nr. 4 und Nr. 6 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie) im konkreten Fall der Klägerin hinter dem Schutz des Kindeswohls und der familiären Bindungen (Art. 5 Buchst. a) und b) der Rückführungsrichtlinie) zurückstehen.
56
III. In der Folge ist auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da für ein solches auf Grundlage von § 75 Nr. 12 i.V.m. § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Alt. 2, Satz 3 und 4, Abs. 3 AufenthG eine Abschiebungsandrohung vorausgesetzt ist (vgl. VG München, U.v. 3.4.2023 – M 27 K 22.30441 – juris Rn. 33).
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IV. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Obsiegen der Klägerin hinsichtlich der Aufhebung der Abschiebungsandrohung und des Einreise- und Aufenthaltsverbots wiegt gegenüber dem Unterliegen bezüglich der mit dem Asylantrag und der Klage in der Sache vorrangig begehrten Verpflichtungen auf eine (Abschiebungs-)Schutzgewährung verhältnismäßig gering, sodass der Klägerin die Kosten ganz auferlegt werden (vgl. VG München, U.v. 3.4.2023 – M 27 K 22.30441 – juris Rn. 34). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).