Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.07.2023 – 22 B 22.1631
Titel:

Umdeutung von Berufung in Antrag auf Zulassung der Berufung

Normenkette:
VwGO § 58 Abs. 1, § 88, § 124a Abs. 4 S. 1, § 125 Abs. 1
Leitsatz:
Eine Umdeutung einer unzulässigen Berufung in einen zulässigen Antrag auf Zulassung der Berufung gem. § 124a Abs. 4 S. 1 VwGO nach Ablauf der Rechtsmittelfrist scheidet jedenfalls bei anwaltlich vertretenen Rechtsmittelführern aus. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Umdeutung, Rechtsmittel, Berufung, Berufungszulassung, Auslegung, Erklärungswert, Rechtsschutzziel
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 11.05.2022 – W 6 K 21.1009
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 09.07.2024 – 8 B 62.23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20788

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Mai 2022 – W 6 K 21.1009 – wird als unzulässig verworfen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,00 € festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1
Die vom Kläger eingelegte Berufung ist unzulässig und war daher, nachdem die Beteiligten dazu mit gerichtlichem Schreiben vom 5. Mai 2023 gehört wurden, im Beschlusswege zu verwerfen (§ 125 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO). Sie ist unstatthaft und kann weder als (nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO statthafter) Antrag auf Zulassung der Berufung ausgelegt noch in einen solchen umgedeutet werden.
2
Die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 13. Juli 2022 ausdrücklich als solche bezeichnete und eingelegte Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Mai 2022 (W 6 K 21.1009) ist nicht statthaft nach § 124 Abs. 1 VwGO, weil sie weder vom Verwaltungsgericht noch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (als Oberverwaltungsgericht, § 184 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO) zugelassen wurde.
3
Eine Auslegung (§ 125 Abs. 1, § 88 VwGO) des Schriftsatzes vom 13. Juli 2022 als Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht möglich. Prozesshandlungen der Beteiligten wie das vorliegend eingelegte Rechtsmittel unterliegen der Auslegung. Die Auslegung hat den Willen des Erklärenden zu ermitteln. Dabei kommt es nicht auf den inneren, sondern auf den erklärten Willen an. Die Auslegung darf nicht am Wortlaut der Erklärung haften. Der maßgebende objektive Erklärungswert bestimmt sich danach, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss (BVerwG, B.v. 2.5.2016 – 9 B 12.16 – juris Rn. 5). Nach diesen Maßstäben kann der Schriftsatz des Klägers nicht als Antrag auf Zulassung der Berufung, sondern nur als Berufung verstanden werden. Der Klägerbevollmächtigte hat seinen Schriftsatz als „Berufung“ bezeichnet und dabei das Wort „Berufung“ durch gesperrt gedruckte Großbuchstaben besonders hervorgehoben. Weiter wurden die Beteiligten als „Berufungskläger“ bzw. „Berufungsbeklagte“ bezeichnet, und weiter ausgeführt, dass „Berufung eingelegt“ werde und Berufungsantrag wie -begründung in einem gesonderten Schriftsatz erfolgen würden. Der Schriftsatz verfolgt daher in seiner auszulegenden Gesamtheit erkennbar und eindeutig das Rechtsschutzziel der Berufung und nicht das eines Antrags auf Zulassung der Berufung (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 16.1.2018 – 12 B 17.2505 – juris Rn. 9 ff.).
4
Eine Umdeutung des unzulässigen Rechtsmittels der Berufung in das zulässige Rechtsmittel eines Antrags auf Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO nach Ablauf der Rechtsmittelfrist scheidet der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zufolge jedenfalls dann aus, wenn die unzulässige Berufung – wie vorliegend – von anwaltlich vertretenen Rechtsmittelführern eingelegt worden ist (BVerwG, B.v. 21.6.2013 – 8 B 16.13 – juris Rn. 2 m.w.N.). Ebenso wenig ist eine „Klarstellung“, dass es sich um einen Antrag auf Zulassung der Berufung handeln solle, innerhalb der Antragsfrist erfolgt (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 27.8.2008 – 6 C 32.07 – juris Rn. 24). Denn das mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrungversehene (vgl. § 58 Abs. 1 VwGO) Urteil wurde dem Kläger am 13. Juni 2022 zugestellt, weshalb der Antrag bzw. eine entsprechende „Klarstellung“ bis zum Ablauf des 13. Juli 2022 hätte eingehen müssen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Der Klägerbevollmächtigte erklärte aber erst mit Schriftsatz vom 19. August 2022, dass sein Schriftsatz vom 13. Juli 2022 in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umzudeuten sei und er einen solchen Antrag vorsorglich nochmals ausdrücklich – also klarstellend – beantrage.
5
Im Übrigen scheidet eine solche Umdeutung (oder Auslegung) vorliegend auch deshalb aus, weil die Begründung des Rechtsmittels erst am 19. August 2022 und damit außerhalb der in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgeschriebenen Frist zur Begründung eines Antrags auf Berufungszulassung bei Gericht eingegangen ist. Für eine solche gesetzliche Frist ist keine Möglichkeit einer Verlängerung vorgesehen (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO). Gründe für eine – ohnehin nicht beantragte – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 1 VwGO) sind weder vorgetragen noch gegeben.
6
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 54.3.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).
7
Nach § 132 Abs. 2 VwGO war die Revision vorliegend nicht zuzulassen.