Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.07.2023 – 19 ZB 23.870
Titel:

Versagung einer Aufenthaltserlaubnis wegen fehlender Sicherung des Lebensunterhalts

Normenketten:
EMRK Art. 8 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2, § 8 Abs. 1, § 25 Abs. 4 S. 2, § 25 Abs. 5, § 25b Abs. 1 S. 1, § 28 Abs. 3 S. 2, § 36 Abs. 2, § 60a Abs. 2 S. 1, Abs. 2c S. 2
Leitsätze:
1. Der Schutzbereich des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK ist nach der Rspr. des EuGH grundsätzlich auf den Bereich der eigentlichen Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) beschränkt. Beziehungen zwischen erwachsenen Familienmitgliedern genießen nur dann den Schutz des Familienlebens, wenn zusätzliche Abhängigkeitsmerkmale vorliegen, die über die normale emotionale Bindung hinausgehen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Durch § 28 Abs. 3 S. 2 AufenthG soll lediglich der Familiennachzug zu Deutschen privilegiert werden, da für Letztere die Herstellung und das Führen der familiären Lebensgemeinschaft gerade im Bundesgebiet besonders geschützt ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens setzt voraus, dass ein Ausländer als sog "faktischer Inländer" in so hohem Maße aufgrund seiner Lebensumstände in Deutschland verwurzelt ist, dass er aufgrund einer abgeschlossenen und gelungenen Integration faktisch in so erheblichem Maße vom Aufenthalt im Bundesgebiet abhängig ist, dass ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein atypischer Ausnahmefall, welcher ein Abweichen von der Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigt, setzt voraus, dass ein atypischer Fall vorliegt, der so weit vom Regelfall abweicht, dass die Versagung des Aufenthaltstitels mit der Systematik oder den grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar ist oder aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK eine Abweichung geboten ist (vgl. VGH München BeckRS 2021, 16391; BeckRS 2016, 50743). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ist absehbar, dass der Ausländer auf unabsehbare Zeit von Sozialleistungen abhängig sein wird, sprechen gute Gründe dafür, von der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung nicht abzusehen (vgl. VGH München BeckRS 2021, 15860; BeckRS 2019, 3430). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Darlegung ernstlicher Zweifel, Bezugnahme des Gerichts auf PKH-Entscheidung, Humanitäres Aufenthaltsrecht, Verlängerung, Volljähriges Kind mit Abschiebungsverbot, Sicherung des Lebensunterhalts, Sozialleistungen, Lebensunterhaltssicherung, Regelfall, atypischer Fall, Verwurzelung, faktischer Inländer, aserbaidschanische Staatsangehörige, Regelerteilungsvoraussetzungen, außergewöhnliche Härte, Anspruch auf Duldung, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ernstliche Zweifel, humanitäres Aufenthaltsrecht
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 22.03.2023 – AN 5 K 22.2076
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20774

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg.
2
1. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin (eine am 4.8.1964 geborene aserbaidschanische Staatsangehörige, die nach eigenen Angaben am 19.2.2011 mit ihrem Ehemann <vgl. dazugehörige Gerichtsverfahren Az. AN 5 S 22.2077, AN 5 K 22.2078, 19 CS 23.707 und 19 ZB 23.875>, ihrer am 1.12.1996 geborenen Tochter und ihrem am 23.6.2003 geborenen Sohn in das Bundesgebiet einreiste, deren Asylantrag vom 4.3.2011 mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge <Bundesamt> vom 5.4.2013 unter Androhung der Abschiebung insbesondere nach Aserbaidschan abgelehnt wurde, zugunsten deren Sohn mit Bescheid des Bundesamtes vom 5.4.2013 ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG aufgrund seines angeborenen Herzfehlers festgestellt wurde <auf dessen Grundlage er am 29.7.2013 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erhielt, welche fortlaufend – zuletzt bis 28.7.2023 – verlängert wurde>, die am 3.5.2013 Aufenthaltserlaubnisse nach „§ 25 Abs. 5 AufenthG bzw. nach §§ 32 Abs. 1 Nr. 1 oder § 36 Abs. 2 AufenthG“ für sich sowie für ihre Familienangehörigen beantragte, die am 18.7.2013 durch ihren Bevollmächtigten unter Vorlage von Personaldokumenten <Geburtsurkunden, abgelaufene Reisepässe der Familienmitglieder, Heiratsurkunde> einräumte, im Asylverfahren falsche Personalien angegeben zu haben <ein Ermittlungsverfahren wegen Erschleichens von Aufenthaltstiteln wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt>, die <ebenso wie ihr Ehemann und ihre Tochter> ab 29.7.2013 nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geduldet war, die am 8.1.2014 Reisepässe für sich und ihre Familienangehörigen vorlegte, der <ebenso wie ihrem Ehemann> am 11.5.2015 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt wurde <zuletzt bis 28.7.2021 verlängert>, die am 24.7.2021, 12.8.2021 und 25.10.2021 für sich und ihren Ehemann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis <unter Verweis auf die geltend gemachten Erkrankungen sowie den gymnasialen Schulbesuch ihres Sohnes – vgl. Bl. 287 d.A. – voraussichtlich bis Juni 2024> eine Aufenthaltserlaubnis nach „§ 25 Abs. 5 i.V.m. § 28 Abs. 3 AufenhG“ beantragte und der am 26.7.2021 eine bis 25.7.2022 gültige Fiktionsbescheinigung ausgestellt wurde, deren Verlängerung sie am 29.7.2022 beantragte) ihr Begehren weiter, die Beklagte zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu verlängern, hilfsweise deren Verlängerungsantrag erneut ermessensfehlerfrei zu verbescheiden. Die Beklagte hat den Antrag nach Anhörung der Klägerin (Bl. 281 ff. d.A.) mit Bescheid vom 31. August 2022 abgelehnt (Ziffer 1 des Bescheides), die Klägerin zur Ausreise bis spätestens 30. September 2022 aufgefordert (Ziffer 2), ihr für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung insbesondere nach Aserbaidschan angedroht (Ziffer 3) sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen, welches auf die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Abschiebung befristet wurde (Ziffer 4). Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. März 2023 (Az.: AN 5 K 22.2076) abgewiesen, wobei zur Begründung auf den streitgegenständlichen Bescheid sowie auf den Beschluss vom 10. März 2023, mit welchem der Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfebewilligung und Anwaltsbeiordnung abgelehnt worden war, verwiesen wurde (in welchem das Verwaltungsgericht ausgeführt hatte, die Klägerin habe voraussichtlich keinen Anspruch auf Verlängerung der <zuletzt erteilten> Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Ausreise- oder Abschiebungshindernisse im Sinne dieser Vorschrift <i.V.m. Art. 6 GG> beständen nicht im Hinblick auf ihren herzkranken Sohn; bei diesem sei nach wie vor ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt und eine Aufenthaltsbeendigung stehe nicht im Raum; auch wenn nach seinen Einlassungen die Rolle seiner Eltern in seinem Alltag sehr bedeutend sein möge und diese ihn immer moralisch und physisch unterstützten, ergebe sich jedoch weder aus seinen Einlassungen noch aus den vorgelegten Attesten und Stellungnahmen, dass und inwieweit der Sohn der Klägerin aufgrund seiner Erkrankungen noch immer zwingend – über das Leben in familiärer Haushaltsgemeinschaft und Beistandschaft hinaus – auf die Unterstützung seiner Eltern im Bundesgebiet angewiesen sei und welche besondere Pflege und Unterstützung durch die Klägerin zu leisten sei und geleistet werde; aus den Attesten und Arztberichten ergebe sich ein – unter medizinischer Behandlung – stabiler Gesundheitszustand des Sohnes der Klägerin, auch der epileptische Anfall sei bisher einmalig im Jahr 2020 aufgetreten und medikamentös eingestellt; vielmehr sei davon auszugehen, dass der mittlerweile 20-jährige Sohn der Klägerin seine gesundheitlich beeinträchtigten Eltern, die auch der deutschen Sprache noch immer nicht mächtig und im Bundesgebiet offensichtlich nicht integriert seien, insbesondere in Alltagsangelegenheiten, wie dolmetschen bei Behördengängen, unterstütze; auch folge aus dem vorgetragenen Gesundheitszustand der Klägerin kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG; für die entscheidungserhebliche Frage, inwieweit durch oder während des Reisens eine akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintreten würde, enthielten die vorgelegten Unterlagen keine verwertbaren Gesichtspunkte; den ärztlichen Berichten und Schreiben seien auch insgesamt keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes unmittelbar durch eine Abschiebung <unabhängig vom Zielstaat> eintreten könnte; bei ehemaligen Asylbewerbern, wie der Klägerin, sei die Ausländerbehörde zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nicht berechtigt, sondern bleibe gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die <positive oder negative> Feststellung des Bundesamtes hierzu gebunden <m.V.a. BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 15 ff.>; im Übrigen scheitere die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis jedenfalls aber auch am Nichtvorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, da der Lebensunterhalt nicht <im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG> gesichert sei; die Klägerin sei nicht in der Lage, auch nicht über die Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten; die gesamte Familie sei nach dem vorgelegten Bescheid des Jobcenters vom 25. August 2022 im Bezug von Sozialleistungen nach dem SGB II; zwar habe der Ehemann der Klägerin einen Arbeitsvertrag mit der … GmbH vom 27. November 2022 vorgelegt, wonach er ab dem 25. November 2022 als Kraftfahrer für den Personentransport bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden eingestellt sei; trotz entsprechender Aufforderung seitens der Beklagten seien jedoch Lohnnachweise bisher nicht vorgelegt worden; im Übrigen müsse in Anbetracht der bisherigen Erwerbsbiografie der Klägerin und ihres Ehemannes, deren Erkrankungen und der Tatsache, dass die Familie seit Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 2011 Sozialleistungen beziehe, davon ausgegangen werden, dass es ihr auch in Zukunft nicht gelingen werde, den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten; auch lägen atypische Umstände, die so bedeutsam seien, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigten, nicht vor; der Umstand, dass der Ausländer zur (vollständigen) Sicherung seines Lebensunterhalts aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen – etwa wie hier gesundheitlichen Einschränkungen – nicht in der Lage sein möge, stelle keinen derartigen atypischen Umstand dar <m.V.a. BayVGH, U.v. 9.12.2015 – 19 B 15.1066 – juris Rn. 44>; es sei daher auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte an der Regelvoraussetzung festhalte; die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG; die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin vorgetragenen Umstände, unter anderem die lange Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und insbesondere der im Bundesgebiet lebende, an einer angeborenen Herzerkrankung leidende Sohn und dessen Gesundheitszustand, auch unter der gebotenen Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Art. 8 EMRK und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit <m.V.a. BVerwG, U.v. 27.1.2009 – 1 C 40.07 – juris Rn. 20> nicht geeignet seien, um eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu begründen; zwar halte sich die Klägerin bereits seit 2011 im Bundesgebiet auf; sie sei auch, nach erfolglosem Asylverfahren und Jahren des geduldeten Aufenthalts, in der Zeit vom 11. Mai 2015 bis 28. Juli 2021 im Besitz eines Aufenthaltstitels gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG gewesen; von einer gelungenen wirtschaftlichen und sprachlichen Integration sei allerdings nicht auszugehen, nachdem die Klägerin im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt erwerbstätig gewesen sei, fortlaufend im Bezug von Leistungen nach dem SGB II gestanden habe und nur rudimentäre Deutschkenntnisse habe, wobei durchaus gesehen werde, dass die Klägerin selbst gesundheitlich stark beeinträchtigt sei; im Rahmen der Gesamtabwägung sei bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Integrationsfaktoren, insbesondere wirtschaftlicher, familiärer und sozialer Art, aber eine Verwurzelung, die das Verlassen des Bundesgebietes schlechthin unzumutbar erscheinen lasse, nicht gegeben; die Klägerin habe fast 50 Jahre ihres Lebens in ihrem Herkunftsland verbracht und spreche die <dortige> Landessprache; zudem sei ihre Tochter, die sie in der Vergangenheit – vor deren Rückkehr in das Herkunftsland – im Bundesgebiet gepflegt habe, bereits 2021 dorthin zurückgekehrt; eine Rückkehr in das Herkunftsland bedeute daher, insbesondere weil die Klägerin nie von einem dauerhaften Bleiberecht habe ausgehen können, jedenfalls keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 EMRK; im Rahmen einer Gesamtabwägung sei daher – auch unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht gegeben; die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG, da sie schon nicht geduldet im Sinne der Vorschrift sei; im Übrigen sei sie jedenfalls auch nicht im Sinne des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert; insbesondere verfüge sie nicht über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AufenthG, der Lebensunterhalt sei nicht überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG und von diesen Voraussetzungen sei auch nicht nach § 25b Abs. 3 AufenthG abzusehen, weil nicht dargetan sei, inwieweit die Erkrankungen der Klägerin ursächlich für den fehlenden „Spracherwerb“ und die fehlende überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts sein sollten; auch an der Rechtmäßigkeit der in den Ziffern 2 bis 4 des Bescheides vom 31. August 2022 verfügten Annexentscheidungen beständen keine gerichtlichen Zweifel) und ergänzend ausgeführt wurde, auch die Tatsache, dass der Sohn der Klägerin nach seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung aufgrund des streitgegenständlichen Bescheids und der drohenden Aufenthaltsbeendigung seiner Eltern psychische und physische Beschwerden entwickelt und die Schule abgebrochen habe, nunmehr eine ärztlich verordnete Psychotherapie und eine Rehabilitierungsmaßnahme absolviere und von seinen Eltern im Wesentlichen bei der Strukturierung seines Tagesablaufs – in Form von Gesprächen und gemeinsamen sportlichen Unternehmungen – unterstützt werde, begründe – insbesondere unter Berücksichtigung der offensichtlich fehlenden sprachlichen und wirtschaftlichen Integration der Eltern im Bundesgebiet und des Alters des Sohnes – kein rechtliches Abschiebehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG; im Übrigen habe die Kammer den Umstand, dass der Ehemann der Klägerin im November eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe, bereits im Prozesskostenhilfebeschluss im Rahmen der Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG berücksichtigt; trotz der Tatsache, dass sich der Ehemann der Klägerin in seiner Firma wohlfühlen möge und ihm eine Vollzeitbeschäftigung in Aussicht gestellt worden sei, sei in Anbetracht der bisherigen Erwerbsbiografie der Klägerin und ihres Ehemanns und deren gesundheitlichen Einschränkungen auch weiterhin nicht von einer positiven Erwerbsprognose hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts auszugehen.
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2. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der besonderen rechtlichen Schwierigkeit nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sowie der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind schon nicht ausreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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Die Klägerin lässt zur Begründung ihres Antrags auf Berufungszulassung – nach ausführlicher Schilderung des bisherigen Verwaltungsvorgangs bzw. der gesundheitlichen Situation des Sohnes der Klägerin und Vorlage ärztlicher Berichte und Atteste sowie einer Stellungnahme des Sohnes zu seinem Unterstützungsbedarf – ausführen, sie habe einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Ihr Sohn sei trotz seiner Volljährigkeit auf die Unterstützung und Pflege seiner Eltern angewiesen. Gemäß § 28 Abs. 3 AufenthG sei die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Kindes erteilte Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, solange das Kind mit [diesem] in familiärer Lebensgemeinschaft lebe und sich in einer Ausbildung befinde, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führe. Der Sohn der [Klägerin] befinde sich weiterhin in schulischer Ausbildung. Davon abgesehen sei er weiterhin extrem auf die Unterstützung und Pflege seiner Eltern angewiesen. Die erfolgten Darstellungen zum Krankheitsbild des Sohnes gäben nur einen Bruchteil dessen wieder, was der Junge tagtäglich ertragen müsse. Seinen Alltag könne er lediglich mithilfe seiner Eltern bestreiten. Diese ständen ihm in jeder Situation zur Seite und trügen insbesondere dafür Sorge, dass ihr Sohn in Notfällen ärztlich behandelt werden könne. Aufgrund seines Herzfehlers könne es jederzeit zu Anfällen oder anderen lebensbedrohlichen Situationen kommen. Es sei daher vorliegend unverständlich, wie die Beklagte in den Ausführungen des Bescheides zu dem Ergebnis komme, dass der Sohn nicht auf seine Eltern angewiesen sei und deren Abschiebung daher weder tatsächliche noch rechtliche Gründe entgegenständen. Die Beklagte habe sich nicht mit der Frage, ob eine Ausnahme von der Regelvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (unter Berücksichtigung der in Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta enthaltenen Wertentscheidungen zugunsten der Familie) einschlägig sei, befasst (es folgt ein wörtliches Zitat aus den Gründen des Bescheids). Die Beklagte habe eindeutig nicht von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch gemacht. Etwaige Ausführungen oder Abwägungen zu einem möglichen Ausnahmetatbestand seien nicht erfolgt. Weitere Ausführungen wären jedoch alleine aufgrund der Tatsache erforderlich gewesen, dass in den letzten Jahren – wie von der Beklagten selbst angeführt – von einem Ausnahmetatbestand ausgegangen worden sei. Nun solle dies jedoch nicht mehr der Fall sein. Die gesundheitliche Lage der Familie habe sich jedoch keineswegs verbessert. Vielmehr seien die Möglichkeiten der Klägerin und ihres Ehemannes, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, noch weiter gesunken. Zu dem gesundheitlichen Zustand der Eheleute sei umfassend Stellung genommen worden. Die vorgelegten Gutachten des medizinischen Dienstes und der Pflegekasse kämen „einschlägig“ zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf [die Klägerin und ihren Ehemann] von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen sei. Es beruhe daher lediglich auf gesundheitlichen Problemen, dass es diesen nicht möglich sei, ihren Lebensunterhalt selbständig zu finanzieren. Dennoch bemühe sich die Familie regelmäßig, ihre Situation bestmöglich zu ändern, was [dem Ehemann der Klägerin] letztlich mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im November 2022 gelungen sei. Dieser Tätigkeit gehe er bis heute nach, um die Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie zu gewährleisten. [Der Klägerin und ihrem Ehemann] stehe daher eindeutig ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 i.V.m. 28 Abs. 3 AufenthG zu. Wie die Beklagte selbst angebe, setze eine außergewöhnliche Härte (i.S.d. § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG) voraus, dass der Ausländer sich in einer individuellen Sondersituation befinde, auf Grund derer ihn die Aufenthaltsbeendigung deutlich ungleich härter treffen würde als andere Ausländer, die nach denselben rechtlichen Vorschriften ausreisepflichtig seien. Eine solche individuelle Sondersituation liege eindeutig vor. Der Sohn der [Klägerin] leide seit seiner Geburt an einem seltenen Herzfehler. Er sei daher auf die ärztliche Versorgung in Deutschland angewiesen, was unstreitig sein dürfte. Ihn nun nach elf Jahren von seinen Eltern wegzureißen, stelle wohl eindeutig eine außergewöhnliche Härte sowohl für [die Klägerin und ihren Ehemann] als auch für den Sohn dar. Es handele sich hier um eine Ausnahmesituation, die durch die Beklagte zumindest entsprechend hätte gewürdigt werden können. Die Beklagte gehe in ihren Ausführungen zur Situation der [Klägerin] jedoch nicht sonderlich auf die Lebenslage der Familie ein. Vielmehr würden beinahe pauschal sämtliche Ansprüche, vor allem auf die fehlende Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie gestützt, abgelehnt. Dass diesbezüglich in den letzten Jahren jedoch ein Ausnahmetatbestand angenommen worden sei, welcher nun nicht mehr greifen solle, werde außer Acht gelassen. Nun sollten die [Klägerin und ihr Ehemann] lediglich aufgrund der Volljährigkeit des Sohnes nach Aserbaidschan abgeschoben werden, während ihr Sohn weiterhin in Deutschland bleibe bzw. aufgrund seiner gesundheitlichen Situation bleiben müsse. Im Hinblick auf die Verwurzelung der Klägerin in Deutschland und die mit einer „Entwurzelung“ verbundenen Folgen (unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Art. 8 EMRK und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) sei nicht berücksichtigt worden, dass sich [die Klägerin und ihr Ehemann] nun seit über elf Jahren in Deutschland befänden. Sie hätten sich hier eingelebt, Freunde gefunden und in das Land integriert. Entsprechende Nachweise bezüglich etwaiger Integrationskurse seien dem Verwaltungsgericht vorgelegt worden. Unter Berücksichtigung aller angeführten Umstände sei daher jedenfalls von einem außergewöhnlichen Härtefall auszugehen. Eine Ablehnung der Verlängerung sei daher in jedem Fall unverhältnismäßig. Hilfsweise stehe der [Klägerin] daher zumindest ein Anspruch auf Erlass eines ermessensfehlerfreien Bescheides zu. Die vorgetragenen Gründe seien daher keineswegs ausreichend gewürdigt, bzw. deren Reichweite der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
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2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen nur dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellt (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen jedoch nach dem Rechtsgedanken des § 144 Abs. 4 VwGO nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Maßgeblich für die Beurteilung dieses Zulassungsgrundes ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), so dass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7).
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Gemessen daran fehlt es bereits an der ausreichenden Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (2.1.1). Abgesehen davon liegen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aber auch nicht vor (2.1.2).
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2.1.1 Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Art und Weise dargelegt worden.
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Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO muss die Begründung des Antrags auf Berufungszulassung die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Um ernstliche Zweifel entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, muss sich die die Zulassung beantragende Partei substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 21.6.2023 – 23 ZB 23.100 – juris Rn. 2). Erforderlich ist unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf den jeweiligen Zulassungsgrund hinsichtlich der Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Darlegung, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtlichen Annahmen ggf. ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 8). Die bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens oder die bloße Bezugnahme darauf genügt diesem Erfordernis nicht (BayVGH, B.v. 21.5.2007 – 11 ZB 07.525 – juris Rn. 2, juris; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 59).
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Gemessen daran fehlt es vorliegend schon an der erforderlichen Darlegung, da sich das Zulassungsvorbringen der Klägerin im Wesentlichen darauf beschränkt, den erstinstanzlichen Vortrag (im Verfahren Az.: AN 5 K 22.2076, vgl. dort insbesondere die Klageschrift vom 22.9.2022) zu wiederholen, ohne sich substantiell mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil auseinander zu setzen. Die Darlegungsanforderungen sind insoweit nicht etwa deshalb reduziert, weil das Verwaltungsgericht selbst im Wesentlichen auf die Gründe seines Beschlusses im Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweist. Sachlicher Umfang und Dichte der Darlegung hängen wesentlich von dem Gewicht der Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts ab; diese bilden den entscheidenden Horizont und Maßstab für die geforderte Darlegung (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64 m.V.a. OVG Schleswig NVwZ 1999, 1354; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 124a Rn. 90 f.). Je ausführlicher und sorgfältiger das Verwaltungsgericht seine Entscheidung begründet hat, desto substantieller muss auch die abweichende Auffassung begründet werden (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64; Roth in Posser/Wolff/Decker, VwGO, 65. Ed. Stand 1.4.2023, § 124a Rn. 72). Nimmt das Verwaltungsgericht zur Begründung der angefochtenen Entscheidung auf die Gründe einer anderen Entscheidung Bezug, so muss sich das Zulassungsvorbringen zur Darlegung ernstlicher Zweifel auch mit der in Bezug genommenen Entscheidung inhaltlich auseinandersetzen. Denn diese Entscheidung wird durch die Bezugnahme Bestandteil der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (vgl. Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 117 Rn. 20). Derartiges leistet die Klägerin – die den in Bezug genommenen PKH-Beschluss des Verwaltungsgerichts im Übrigen nicht angefochten hat – mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht.
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2.1.2 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen aber auch in der Sache nicht vor.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch auf Verlängerung der (im Wege der Fiktion gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) bis 25. Juli 2022 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG bzw. auf Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf einer anderen Rechtsgrundlage oder auf erneute ermessensfehlerfreie Verbescheidung ihres darauf gerichteten Antrags zukommt.
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Der behauptete Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 i.V.m. § 8 Abs. 1 AufenthG besteht nicht. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Ausreise der Klägerin sei nicht im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich.
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Der Begriff der Ausreise in § 25 Abs. 5 AufenthG umfasst sowohl die zwangsweise Rückführung als auch die freiwillige Ausreise (Kluth in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 37. Ed., Stand 1.1.2023, AufenthG, § 25 Rn. 128 m.V.a. BT-Drs. 15/420, 79/80; BVerwG, U.v. 10.11.2009 – 1 C 19.08 – juris). Ist eine zwangsweise Rückführung in einen anderen Staat nicht möglich, kommt es darauf an, ob es dem Ausländer möglich ist, freiwillig in seinen Herkunftsstaat oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat zurückzukehren. Von der Unmöglichkeit der Abschiebung kann nicht ohne weiteres auf die Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise geschlossen werden (Kluth in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 37. Ed., Stand 1.1.2023, AufenthG, § 25 Rn. 128 m.w.N.). Nur wenn sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise unmöglich sind, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift in Betracht (BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 15). Des Weiteren ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Ausreisehindernis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG auch darin bestehen kann, dass dem Ausländer die Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich ist. Die Unmöglichkeit kann u.a. darin liegen, dass ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich auch aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, die ihre Grundlage etwa in Art. 8 EMRK haben (vgl. BVerwG, B.v. 29.4.2014 – 10 B 15.14 – juris Rn. 10; U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 17 m.w.N.). Dagegen müssen vorliegend – worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat – zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, welche die Klägerin in eigener Person geltend macht, wegen der Bindungswirkung der negativen Entscheidung des Bundesamtes nach § 42 Satz 1 AsylG außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 18; U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 – juris Rn. 25).
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Anders als die Klägerin meint, ist ihre Ausreise nicht aufgrund inlandsbezogener Abschiebungsverbote unmöglich. Denn sie kann nicht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK den Schutz ihres Privatlebens im Bundesgebiet aufgrund der familiären Lebensgemeinschaft mit ihrem volljährigen und im Bundesgebiet nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufenthaltsberechtigten Sohn beanspruchen. Die der Klägerin zuletzt bis 28. Juli 2021 erteilte Aufenthaltserlaubnis rechtfertigte sich mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK aus dem Umstand, dass zugunsten ihres mit ihr in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden, (seinerzeit) minderjährigen Sohnes (der an einem angeborenen Herzfehler und anderen Erkrankungen physischer und psychischer Art leidet) ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG festgestellt worden war (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2021 – 1 B 37.21 – juris Rn. 9 m.V.a. EGMR, U.v. 6.7.2010 – Neulinger und Shuruk/Schweiz, Nr. 41615/07; U.v. 21.12.2001 – Sen/Niederlande, Nr. 31465/96). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, ist dieses inlandsbezogene Abschiebungshindernis jedoch mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes am 23. Juni 2021 entfallen. Der Schutzbereich des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) grundsätzlich auf den Bereich der eigentlichen Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) beschränkt. Beziehungen zwischen erwachsenen Familienmitgliedern genießen nur dann den Schutz des Familienlebens, wenn zusätzliche Abhängigkeitsmerkmale vorliegen, die über die normale emotionale Bindung hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 9.10.2003 – Slivenko/Lettland, Nr. 48321/99 – EuGRZ 2006, 560; BVerwG U.v. 29.7.1993 – 1 C 25.93 – juris Rn. 49). Derartiges hat die Klägerin nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten ärztlichen Attesten und sozialmedizinischen Stellungnahmen hinsichtlich des Gesundheitszustandes ihres Sohnes sowie aus dessen Stellungnahme im erstinstanzlichen Verfahren. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, folgt aus diesen Unterlagen nicht, dass der Sohn der Klägerin auf von dieser tatsächlich erbrachte Betreuungsleistungen, die nicht von einer anderen Person erbracht werden könnten, in einem Maße abhängig ist, welches eine über die normale emotionale Bindung zwischen Eltern und volljährigen Kindern hinausgehende persönliche Abhängigkeit begründet.
16
Ein Anspruch auf Verlängerung der erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG steht der Klägerin auch nicht aufgrund der Regelung des § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu. Nach § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen „zur Ausübung der Personensorge“ erteilte Aufenthaltserlaubnis auch nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt. Durch § 28 soll der Familiennachzug zu Deutschen privilegiert werden, da für Letztere die Herstellung und das Führen der familiären Lebensgemeinschaft gerade im Bundesgebiet besonders geschützt ist (vgl. Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 37. Ed. Stand 1.10.2021, AufenthG, Vorbemerkung zu § 28). Der Familiennachzug zu Ausländern ist in den §§ 29 ff. AufenthG geregelt, wobei für den Elternnachzug – außer im Falle von subsidiär Schutzberechtigten – lediglich auf der Grundlage des § 36 AufenthG bei Vorliegen der dort geregelten Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, den die Klägerin jedoch nicht beantragt hat. Im Übrigen fehlt es am Vorliegen einer nach § 36 Abs. 2 AufenthG erforderlichen außergewöhnlichen Härte (siehe dazu die Ausführungen sogleich).
17
Überdies weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass nicht dargelegt wurde, dass der Sohn der Klägerin sich aktuell noch in einer Ausbildung befindet, welche einen Umstand begründen könnte, der den Aufenthalt seiner Eltern oder eines Elternteiles im Bundesgebiet rechtfertigt. So wird in der Begründung des Berufungszulassungsantrags eingeräumt, dass der Sohn der Klägerin die gymnasiale Schulausbildung „aufgrund der derzeitigen Situation seiner Eltern, die 10. Klasse leider nicht bestanden hat und das Gymnasium zwischenzeitlich verlassen musste“ (vgl. Seite 8 unten der Begründung des Berufungszulassungsantrags). Soweit im weiteren Verlauf der Begründung ein (anderweitiger) Schulbesuch angedeutet wird (vgl. Seite 9, 13 der Begründung des Berufungszulassungsantrags), ist dies nicht näher spezifiziert worden. Eine Verlängerungsmöglichkeit kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich das Kind tatsächlich in Ausbildung befindet. Ausgebildet wird nur, wer den entsprechenden Abschluss tatsächlich anstrebt und das Ausbildungsangebot ernsthaft und nachhaltig annimmt (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2020 – 10 CS 20.1125 – juris Rn. 3; Zimmerer in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 15. Ed. Stand 15.4.2023, AufenthG § 28 Rn. 42.1). Das Vorbringen der Klägerin ermöglicht dem Senat nicht die Nachprüfung, ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorliegen.
18
Auch begegnet die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Ausreise der Klägerin sei nicht wegen einer Verletzung des von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 EMRK unter anderem geschützten Rechts auf Achtung des Privatlebens der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der „faktischen Inländerin“ aus rechtlichen Gründen unmöglich, keinen ernstlichen Zweifeln. Die Klägerin hat keine Verwurzelung im Bundesgebiet dargelegt, welche ein Maß erreicht hätte, welches ihre Rückkehr in ihr Herkunftsland im Hinblick auf die dort eingetretene „Entwurzelung“ nach Art. 8 Abs. 1 EMRK unzumutbar erscheinen ließe und somit zur rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise führen würde. Insofern ist zwar zu berücksichtigen, dass der durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Schutz des Privatlebens unter bestimmten Voraussetzungen ein rechtliches Hindernis für die zwangsweise Beendigung des Aufenthalts eines Ausländers im Bundesgebiet begründen kann.
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Die Aufenthaltsbeendigung kann einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens darstellen, wenn sich ein seit langem oder schon immer in Deutschland lebender Ausländer persönlich, wirtschaftlich und sozial integriert hat, hier verwurzelt, in seinem Herkunftsland entwurzelt (oder nicht verwurzelt war) und nach alledem zum „faktischen Inländer“ geworden ist (vgl. Koch in Kluth/Hornung/Koch, ZuwanderungsR-HdB, 3. Aufl. 2020, § 5 Rn. 298). Dies setzt voraus, dass ein Ausländer in so hohem Maße aufgrund seiner Lebensumstände in Deutschland verwurzelt ist, dass er aufgrund einer abgeschlossenen und gelungenen Integration faktisch in so erheblichem Maße vom Aufenthalt im Bundesgebiet abhängig ist, dass ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 10/2020, § 60a AufenthG, Rn. 97). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt eine nach Art. 8 Abs. 1 EMRK schützenswerte Verwurzelung eines Ausländers grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 3.08 – juris; U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 – juris; B.v. 1.3.2011 – 1 B 2.11 – juris; ebenso BayVGH, U.v. 23.11.2010 – 10 B 09.731 – juris; U.v. 21.12.2011 – 10 B 11.182 – juris; anderer Ansicht VGH BW, U.v. 13.12.2010 – 11 S 2359.10 – juris m.w.N. zum Streitstand).
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Insoweit ist zwar zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie sich ab 29. Juli 2013 geduldet und vom 11. Mai 2015 bis 28. Juli 2021 mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG im Bundesgebiet aufhielt (seitdem war ihr Aufenthalt bis zur Bekanntgabe der Ablehnung der weiteren Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch die Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gedeckt). Ihr Aufenthaltsrecht beruhte jedoch auf der rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG in Anbetracht des bei ihrem – damals minderjährigen, nunmehr volljährigen – Sohn, mit dem sie in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, festgestellten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG und damit auf einem seiner Natur nach grundsätzlich vorübergehenden Grund. Darauf konnte die Klägerin kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand ihres Aufenthaltsrechtes auch über den Eintritt der Volljährigkeit ihres Sohnes hinaus oder gar auf Dauer gründen. Im Übrigen vermag allein die vorherige Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis keinen Vertrauensschutz zu begründen (Maor in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 37. Ed. Stand 1.4.2023, AufenthG § 8 Rn. 1 m.V.a. OVG Schleswig BeckRS 2020, 374; VG Augsburg BeckRS 2017, 122282), weil in der Verlängerungsentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 AufenthG dieselben allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen sind wie bei der Ersterteilung.
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Die aufenthaltsrechtliche Situation der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats legt daher die Annahme einer Verwurzelung im Bundesgebiet nicht nahe. Auch die mangelnden deutschen Sprachkenntnisse der Klägerin, wie sie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, sprechen gegen einen hohen Grad der Integration, welcher der Aufenthaltsbeendigung nach Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegenstehen könnte. Des Weiteren führt das Verwaltungsgericht zu Recht aus, dass die Klägerin fast 50 Jahre ihres Lebens in ihrem Herkunftsland verbracht hat und die dortige Landessprache spricht, dass zudem ihre Tochter, die sie in der Vergangenheit – vor deren Rückkehr in das Herkunftsland – im Bundesgebiet gepflegt hat, bereits 2021 dorthin zurückgekehrt ist und dass eine Rückkehr in das Herkunftsland für die Klägerin daher – insbesondere, weil diese nie von einem dauerhaften Bleiberecht ausgehen konnte – jedenfalls keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 EMRK bedeutet. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass eine Rückkehrverpflichtung einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf den Schutz des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen würde, weil in Anbetracht der langen Aufenthaltsdauer der Klägerin in ihrem Herkunftsstaat und ihrer Sozialisierung in dessen Gesellschaft – unter Umständen auch mit Unterstützung ihrer Tochter, die dort mittels deutscher Rückkehrhilfen ein eigenes Geschäft (Nagelstudio) aufgebaut hat – eine Reintegration möglich sein sollte. Von einer „Entwurzelung“ der Klägerin kann damit keine Rede sein. Auch begründet die Erteilung und Verlängerung eines humanitären Aufenthaltsrechtes nach § 25 Abs. 5 AufenthG über mehrere Jahre hinweg, wie ausgeführt, keinen Vertrauensschutz der Klägerin in die Dauerhaftigkeit ihres Aufenthaltes in Deutschland. Die Gesamtabwägung des Verwaltungsgerichts ist damit aus der Sicht des Senats nicht zu beanstanden; die Zulassungsbegründung greift diese auch nicht substantiiert an.
22
Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, dass aufgrund ihres Gesundheitszustandes ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der Form einer Reiseunfähigkeit im engeren oder weiteren Sinne bestehe und sie deshalb eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beanspruchen könne. Zu Recht führt das Verwaltungsgericht aus, dass die vorgelegten ärztlichen Atteste und sozialmedizinischen Stellungnahmen nicht geeignet sind, die nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG bestehende Vermutung zu widerlegen, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Insbesondere nehmen die vorgelegten Atteste nicht dazu Stellung, ob die festgestellten Erkrankungen im Sinne von § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG die Abschiebung beeinträchtigen können. Insoweit verweist der Senat zur näheren Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils bzw. des dort in Bezug genommenen Beschlusses, denen er folgt.
23
Hinzu kommt, dass für die Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 i.V.m. § 8 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich erforderlich ist, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2014 – 1 B 19.14 – juris Rn. 6; U.v. 19.4.2011 – 1 C 3.10 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 10 C 18.1782 – juris Rn. 7; B.v. 24.1.2019 – 10 CE 18.1871, 10 C 18.1874 – juris Rn. 25; Kluth in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 37. Ed. Stand 1.1.2023, § 25 Rn. 148; Hailbronner, AuslR, Stand 11/2018, § 25 AufenthG Rn. 148).
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Insoweit hat die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts dargelegt, dass ihr Lebensunterhalt nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert ist. Soweit sie hierzu vorträgt, die vorgelegten Gutachten des Medizinischen Dienstes und der Pflegekasse kämen zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf die Klägerin (und ihren Ehemann) von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen sei, es beruhe daher lediglich auf gesundheitlichen Problemen, dass es diesen nicht möglich sei, ihren Lebensunterhalt selbständig zu finanzieren, dennoch bemühe sich die Familie regelmäßig, ihre Situation bestmöglich zu ändern, was dem Ehemann der Klägerin letztlich mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im November 2022 gelungen sei, welcher er bis heute nachgehe, um die Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie zu gewährleisten, stellt sie damit die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass – trotz der Tatsache, dass sich der Ehemann der Klägerin in seiner Firma wohlfühlen mag und ihm eine Vollzeitbeschäftigung in Aussicht gestellt wurde – in Anbetracht der bisherigen Erwerbsbiografie der Klägerin und ihres Ehemanns und deren gesundheitlicher Einschränkungen auch weiterhin nicht von einer positiven Erwerbsprognose hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts auszugehen ist, nicht ernstlich in Frage. Denn von einer Sicherung des Lebensunterhalts im Sinn des § 2 Abs. 3 AufenthG kann nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 10 C 4.12 u.a. – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 19.12.2015 – 19 B 15.1066 – juris Rn. 37; Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 5 AufenthG Rn. 26 m.w.N.). Die anzustellende Einkommensprognose hat sämtliche Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Maßgeblich in den Blick zu nehmen sind bei der Beurteilung der Belastbarkeit der Einkommenssituation neben der Dauer des beabsichtigten Aufenthaltes und den Besonderheiten des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses auch die (zukünftige) Erwerbsfähigkeit anderer Familienangehöriger und vor allem die bisherige Erwerbsbiographie des Ausländers (vgl. Beiderbeck in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 15. Ed. Stand 15.4.2023, AufenthG § 2 Rn. 12 m.V.a. OVG LSA B.v. 27.11.2014 – 2 M 98/14 – juris Rn. 10). Auch wenn im Allgemeinen das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses genügt (BayVGH, B.v. 5.10.2018 – 10 C 17.322 – juris Rn. 8) bzw. bei einem befristeten Arbeitsverhältnis, dass mit dessen Verlängerung gerechnet werden kann (Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 5 Rn. 29), weist der vorliegende Fall doch in Anbetracht der langjährigen krankheitsbedingten Erwerbslosigkeit der Klägerin und ihres Ehemannes Besonderheiten auf, welche sich negativ auf die Prognose auswirken. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass und warum trotz der von dem Verwaltungsgericht angeführten negativen Prognosetatsachen die positiven Prognosetatsachen überwiegen würden, sodass (zumindest) bei ihrem Ehemann von einer dauerhaften Erwerbsfähigkeit und damit einer nachhaltigen Lebensunterhaltssicherung auszugehen wäre. Soweit sie im Berufungszulassungsverfahren Lohnbescheinigungen ihres Ehemannes für die Monate Februar bis einschließlich April 2023 sowie den Arbeitsvertrag vom 1. Mai 2023, mit welchem das Arbeitsverhältnis auf eine Vollzeittätigkeitaufgestockt wurde, vorgelegt hat, vermag dies in der Prognose nicht darüber hinweg zu helfen, dass die mit ärztlichen Bescheinigungen geltend gemachten Erkrankungen ihres Ehemannes (u.a. Zustand nach Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Hypertonie, Gastritis, Refluxösophagitis, rezidivierende depressive Störung, PTBS) sowie dessen Schwerbehinderung mit einem festgestellten GdB von 60 in der Zusammenschau mit der bisherigen Erwerbsbiografie gegen eine dauerhafte Erwerbssicherung sprechen. Auf die Beantwortung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Frage, inwiefern die geltend gemachten Erkrankungen der Klägerin, ihres Ehemannes sowie ihres Sohnes einen Mehrbedarf der Bedarfsgemeinschaft zur Folge haben und ob dieser von dem Erwerbseinkommen ihres Ehemannes gedeckt werden kann, kommt es somit nicht an.
25
Für einen atypischen Ausnahmefall, welcher ein Abweichen von der Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigte, liegen entgegen der Auffassung der Klägerin keine Anhaltspunkte vor. Ob eine solche Ausnahme vorliegt, ist nicht Ermessensfrage, sondern als negatives Tatbestandsmerkmal festzustellen und gerichtlich voll überprüfbar (BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 16.12 – juris Rn. 16 m.w.N.; Maor in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 37. Ed. Stand 1.4.2023, AufenthG § 5 Rn. 20a). Voraussetzung für eine derartige Ausnahme ist, dass ein atypischer Fall vorliegt, der so weit vom Regelfall abweicht, dass die Versagung des Aufenthaltstitels mit der Systematik oder den grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar ist oder aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK eine Abweichung geboten ist (vgl. BayVGH, B.v. 1.6.2021 – 10 ZB 21.941 – juris Rn. 18; B.v. 18.8.2016 – 10 ZB 16.1225 – juris Rn. 14 m.w.N.). Die Feststellung einer derartigen Atypik beruht auf einer wertenden Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 16/12 – juris Rn. 30; BayVGH, B.v. 1.6.2021 – 10 ZB 21.941 – juris Rn. 26). Der Umstand, dass ein Betroffener aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen – wie etwa Krankheit oder Behinderung – nicht imstande ist, seinen Lebensunterhalt zu sichern, ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung nicht in dem Sinn atypisch, dass damit ein Abweichen von der Regelerteilungsvoraussetzung zu begründen wäre (BayVGH, B.v. 22.3.2022 – 10 CS 21.1973 – juris Rn. 5; B.v. 22.3.2021 – 10 CS 20.2358 – juris Rn. 28; BayVGH, B.v. 6.3.2020 – 10 C 20.139 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 9.12.2015 – 19 B 15.1066 – juris Rn. 44). Gemessen daran unterscheidet sich der Fall der Klägerin nicht von demjenigen vieler Ausländer, bei denen infolge von Krankheit die Erwerbsfähigkeit gemindert oder gar ausgeschlossen ist und die deshalb ganz oder teilweise auf öffentliche Leistungen zur Bedarfsdeckung angewiesen sind. Ein Ausnahmefall im Sinne des § 5 Abs. 1 AufenthG liegt damit nicht vor.
26
Allerdings kann nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von der Anwendung der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abgesehen werden. Es geht insoweit nicht um die Frage, ob ein atypischer Sachverhalt vorliegt. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, bei der nach Ermessen darüber zu entscheiden ist, ob im Hinblick auf die Gewichtigkeit der einschlägigen öffentlichen und privaten Interessen sowie der gesetzgeberischen Intention, Kettenduldungen möglichst zu vermeiden, auf eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG verzichtet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 17/12 – BVerwGE 146, 281; B.v. 3.12.2014 – 1 B 19/14 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 10.6.2021 – 19 ZB 20.107 – juris Rn. 12). Bei der Prüfung einer Ausnahme von der Voraussetzung der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung ist zu berücksichtigen, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Ist absehbar, dass der Ausländer auf unabsehbare Zeit von Sozialleistungen abhängig sein wird, sprechen gute Gründe dafür, von der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung nicht abzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.6.2021 – 19 ZB 20.107 – juris Rn. 12; B.v. 4.3.2019 – 10 ZB 18.2195 – juris Rn. 7). Eine dauerhafte Erkrankung, die einer lebensunterhaltssichernden Erwerbstätigkeit entgegensteht, begründet nach den oben dargestellten Grundsätzen für sich allein noch nicht die Annahme eines Ausnahmefalls (BayVGH, B.v. 10.6.2021 – 19 ZB 20.107 – juris Rn. 12 m.V.a. Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020 AufenthG § 5 Rn 27).
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Gemessen daran liegt im Falle der Klägerin – wie ausgeführt – kein Sachverhalt vor, welcher der Beklagten ein Absehen von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im Ermessenswege eröffnen würde. Auch der Umstand, dass die Beklagte in Anbetracht der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin und ihres Ehemannes über einen längeren Zeitraum hinweg von ihrer Möglichkeit des Absehens von der Regelerteilungsvoraussetzung im Ermessenswege Gebrauch gemacht hat, begründet – jedenfalls mit Blick auf die Veränderung der maßgeblichen tatsächlichen Umstände durch den Eintritt des Sohnes in die Volljährigkeit – keine Ermessensbindung im Hinblick auf ein weiteres Absehen in der Zukunft.
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Des Weiteren steht der Klägerin kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu.
29
Nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 AufenthG verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Für die Annahme einer außergewöhnlichen Härte gelten hohe Anforderungen (BVerwG, B.v. 8.2.2007 – 1 B 69.06 – juris Rn. 8; BT-Drs. 15/420 S. 79 f.). Die Aufenthaltsbeendigung muss den Ausländer deutlich härter treffen als andere Ausländer in einer vergleichbaren Situation. Die Beendigung des Aufenthalts muss für den Ausländer bei dieser Vergleichsbetrachtung unzumutbar sein (BVerwG, U.v. 19.9.2000 – 1 C 14.00 – juris Rn. 17 zur Vorgängerbestimmung des § 30 Abs. 2 AuslG 1990; U.v. 27.1.2009 – 1 C 40.07 – juris Rn. 19). Eine außergewöhnliche Härte kann angenommen werden, wenn die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sind, dass die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar ist (BVerwG, U.v. 27.1.2009 – 1 C 40.07 – juris Rn. 19). Bei der Beurteilung, ob die Beendigung des Aufenthalts eines in Deutschland aufgewachsenen Ausländers eine außergewöhnliche Härte darstellt, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, inwieweit der Ausländer in Deutschland verwurzelt ist. Das Ausmaß der Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung“ verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen (BVerwG, U.v. 27.1.2009 – 1 C 40.07 – juris Rn. 20).
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Gemessen an diesen Maßgaben ist die verwaltungsgerichtliche Auffassung, ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bestehe nicht, weil keine besonderen Umstände des Einzelfalls vorlägen, aufgrund derer das Verlassen des Bundesgebiets für die Klägerin eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, nicht zu beanstanden. Wie ausgeführt, ist die Klägerin nicht derart im Bundesgebiet verwurzelt bzw. in ihrem Herkunftsland entwurzelt, dass die Beendigung ihres Aufenthaltes hier und die Rückkehr dorthin zu einer Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK führen würde. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass eine Rückkehr der Klägerin mit Schwierigkeiten verbunden sein kann und durchaus eine Härtesituation vorliegen mag. Diese Härte ist hier aber nicht in der erforderlichen Weise außergewöhnlich. Sie stellt nach ihrer Schwere noch keine atypische Sondersituation dar. Das Vorliegen einer persönlichen Härtesituation allein reicht im Rahmen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht.
31
Im Hinblick auf eine geltend gemachte Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK durch die Versagung eines Aufenthaltstitels und die damit verbundene Trennung der Klägerin von ihrem – mit ihr in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden – erwachsenen Sohn fehlt es schon an der Darlegung einer außergewöhnlichen Härte, weil – wie ausgeführt – aus den vorgelegten Unterlagen und den Ausführungen der Klägerin nicht hervorgeht, dass und inwiefern der Sohn der Klägerin einer Betreuung und Pflege gerade durch die Klägerin bedarf, welche nicht auch durch andere Personen geleistet werden könnte. Entsprechend der Rechtsprechung zu § 36 Abs. 2 AufenthG, der den Familiennachzug zu einem Ausländer an die Tatbestandsvoraussetzung der „Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte“ knüpft, setzt eine außergewöhnliche Härte in diesem Sinne grundsätzlich voraus, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15.12 – juris Rn. 12). Ob dies der Fall ist, kann nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall relevanten, auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft bezogenen konkreten Umstände beantwortet werden (BVerwG, U.v. 8.12.2022 – 1 C 59.20 – juris Rn. 21; U.v. 30.7.2013 – 1 C 15.12 – juris Rn. 11 f.). Die spezifische Angewiesenheit auf familiäre Hilfe in Deutschland als Voraussetzung für den Nachzug sonstiger Familienangehöriger stellt eine höhere Hürde dar als die in den §§ 28 bis 30, 32, 33 und 36 Abs. 1 AufenthG geregelten Voraussetzungen für den Nachzug von Kindern, Eltern oder Ehegatten, weil sie eine gesonderte Begründung dafür verlangt, dass die Herstellung der Familieneinheit außerhalb der Bundesrepublik Deutschland unzumutbar wäre (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15.12 – juris Rn. 13 m.V.a. U.v. 18.4.2013 – 10 C 10.12 – juris Rn. 37 ff.). Ein entsprechendes Angewiesensein kann sich für sehr kleine Kinder ergeben, die aufgrund ihres Alters ständiger Pflege und Betreuung und deshalb der Einbindung in die familiäre Lebensgemeinschaft bedürfen. Mit dieser vom Bundesverwaltungsgericht in den Blick genommenen Fallkonstellation ist die Situation des volljährigen Sohnes der Klägerin – der selbständig die Schule besucht hat und seine Eltern beispielsweise bei Behördengängen durch Dolmetschen unterstützt – bei allem Verständnis für dessen schwierige Lage nicht vergleichbar. Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug wegen Pflegebedürftigkeit gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die spezifische Angewiesenheit auf familiäre Hilfe voraus. Das ist nicht bei jedem Betreuungsbedarf der Fall, sondern kann nur dann in Betracht kommen, wenn die geleistete Nachbarschaftshilfe oder im Herkunftsland angebotener professioneller pflegerischer Beistand den Bedürfnissen des Nachzugswilligen qualitativ nicht gerecht werden können. Wenn der alters- oder krankheitsbedingte Autonomieverlust einer Person so weit fortgeschritten ist, dass ihr Wunsch auch nach objektiven Maßstäben verständlich und nachvollziehbar erscheint, sich in die familiäre Geborgenheit der ihr vertrauten persönlichen Umgebung engster Familienangehöriger zurückziehen zu wollen, spricht dies dagegen, sie auf die Hilfeleistungen Dritter verweisen zu können. Denn das humanitäre Anliegen des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG respektiert den in den unterschiedlichen Kulturen verschieden stark ausgeprägten Wunsch nach Pflege vorrangig durch enge Familienangehörige, zu denen typischerweise eine besondere Vertrauensbeziehung besteht. Pflege durch enge Verwandte in einem gewachsenen familiären Vertrauensverhältnis, das geeignet ist, den Verlust der Autonomie als Person infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen in Würde kompensieren zu können, erweist sich auch mit Blick auf die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm als aufenthaltsrechtlich schutzwürdig. Dabei ist grundsätzlich eine umfassende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles geboten, bei der sowohl der Grad des Autonomieverlusts des nachzugswilligen Ausländers als auch das Gewicht der familiären Bindungen zu den in Deutschland lebenden Familienangehörigen und deren Bereitschaft und Fähigkeit zur Übernahme der familiären Pflege zu berücksichtigen sind (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 10.12 – juris Rn. 38 f.; BayVGH, B.v. 23.5.2022 – 10 CS 21.2240 – juris Rn. 21). Derartiges ist für den Sohn der Klägerin nicht dargelegt.
32
Die Klägerin hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG, weil sie weder geduldet noch im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG ist.
33
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a bzw. § 25b AufenthG ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Das gilt grundsätzlich auch für die Voraussetzung, dass ein Antragsteller ein „geduldeter Ausländer“ sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 7.12.2022 – 19 CE 22.2047 – juris Rn. 11 m.w.N.). Ein Ausländer ist geduldet, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat. Ein Rechtsanspruch auf Duldung ist jedenfalls dann ohne weiteres ausreichend, wenn die Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Da die Behörde bei Vorliegen dieser Voraussetzungen verpflichtet ist, dem Ausländer eine Duldung von Amts wegen zu erteilen, kann es diesem nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie dieser Pflicht im Einzelfall trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht nachkommt und den Aufenthalt lediglich faktisch duldet (BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 24 m.V.a. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2019, § 25b AufenthG Rn. 10). Zum anderen ist auch ein Ausländer, der sich (lediglich) im Besitz einer sogenannten Verfahrensduldung befindet, im Sinne von § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG „geduldet“ (BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 28).
34
Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Klägerin weder geduldet, noch hat sie einen Anspruch auf Duldung, weil ihre Abschiebung – wie ausgeführt – nicht im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Offenbleiben kann daher, ob es vorliegend an der Regelerteilungsvoraussetzung der überwiegenden Lebensunterhaltssicherung der Klägerin gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG fehlt, was die Beklagte und das Verwaltungsgericht im Falle des Ehemannes der Klägerin – sie selbst ist nicht erwerbstätig – im Ergebnis verneinen. Offenbleiben kann des Weiteren, ob die Klägerin – was das Verwaltungsgericht verneint – im Sinne des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert ist, insbesondere über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AufenthG verfügt.
35
2.2 Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
36
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.).
37
Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Ob besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen, ist unter Würdigung der aufklärenden Tätigkeit des Verwaltungsgerichts zu beurteilen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 33). Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische, aber sorgfältige, die Sache überblickende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Die Offenheit des Ergebnisses charakterisiert die besondere rechtliche Schwierigkeit und rechtfertigt – insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts – die Durchführung des Berufungsverfahrens (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 16, 25, 27). Dabei ist der unmittelbare sachliche Zusammenhang des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Blick zu nehmen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 25). Schwierigkeiten solcher Art liegen vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund des Zulassungsvorbringens bei summarischer Prüfung als offen erscheint und sich die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen nicht schon ohne Weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden lassen.
38
Für die Darlegung der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten genügt dabei nicht die allgemeine Behauptung eines überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrads. Vielmehr ist erforderlich, dass sich die Kläger mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, hinsichtlich welcher aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten ergeben sollen (BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 21 m.w.N.).
39
Die Klägerin lässt zur Begründung der besonderen rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache ausführen, es handele sich vorliegend insbesondere um einen Ausnahmetatbestand, der einer individuellen rechtlichen und tatsächlichen Würdigung bedürfe. Unter Berücksichtigung der Begründungen der Beklagten sowie des Verwaltungsgerichts sei erkennbar, dass diese sich nicht umfassend mit dem Schicksal der [Klägerin] auseinandergesetzt hätten. Der Gesetzgeber habe für derartige Ausnahmesituationen, insbesondere im Ausländerrecht, jedoch zahlreiche rechtliche Möglichkeiten eröffnet, um nicht strikte Entscheidungen treffen zu müssen, sondern vielmehr den konkreten Einzelfall würdigen zu können. Von einer solchen individuellen Betrachtung sei hier jedoch nichts ersichtlich.
40
Damit legt die Klägerin schon nicht dar, inwiefern sich die maßgeblichen Rechts- oder Tatsachenfragen wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben. Vielmehr greift sie die inhaltliche Richtigkeit der Würdigung des konkreten Sachverhaltes und der rechtlichen Beurteilung desselben durch das Verwaltungsgericht an, indem sie die ihrer Auffassung nach unzureichende Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles rügt. Dass aber der konkrete Sachverhalt Besonderheiten aufweist oder besondere Härten für den Betroffenen erkennen lässt, führt – für sich genommen – nicht zur Annahme besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Wie ausgeführt, bestehen weder Zweifel an der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts, noch liegt eine Offenheit des Ergebnisses vor, welche die besondere rechtliche Schwierigkeit charakterisiert und insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts die Durchführung des Berufungsverfahrens rechtfertigt. Inwiefern von einem Berufungsverfahren eine Fortentwicklung des Rechts zu erwarten wäre, macht die Klägerin nicht deutlich und lässt sich auch sonst nicht erkennen. Vielmehr bestehen – wie ausgeführt – an der Richtigkeit dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts keine ernstlichen Zweifel, sodass auch keine besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeit vorliegt.
41
2.3 Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht ausreichend gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt worden.
42
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (stRspr., vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2019 – 10 ZB 19.275 – juris Rn. 7; B.v. 8.9.2019 – 10 ZB 18.1768 – Rn. 11; B.v. 14.2.2019 – 10 ZB 18.1967 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 16 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72). Klärungsbedürftig sind solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend ober- und höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2011 – 1 BvR 3007/07 – juris Rn. 21; Roth in Posser/Wolff, BeckOK, VwGO, Stand 1.1.2019, § 124 Rn. 55 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 38). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr., BVerwG, B.v. 9.4.2014 – 2 B 107.13 – juris Rn. 9 m.w.N.; BVerfG, B.v. 29.7.2010 – 1 BvR 1634/04 – juris Rn. 64). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (Happ, a.a.O. § 124a Rn. 72 m.w.N.).
43
Zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung lässt die Klägerin ausführen, ihre rechtliche Situation sei vorliegend eindeutig verkannt worden. Lege man hier das Schicksal der Familie umfassend zugrunde, sei nicht ersichtlich, dass insoweit die Ablehnung einer Aufenthaltsverlängerung rechtlich wirksam sein könne.
44
Damit ist keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gemäß dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Die Klägerin formuliert schon keine grundsätzlich klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage von über den Einzelfall hinausragender Bedeutung. Vielmehr übt sie in knapper Form Kritik an der Würdigung des Schicksals und der rechtlichen Situation der Klägerin und ihrer Familienangehörigen. Damit ist aber nicht dargetan, worin die klärungsbedürftige und in einem Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage bestehen sollte und inwieweit dieser eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommen sollte. Vielmehr macht die Klägerin mit ihrem Vortrag der Sache nach (erneut) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend.
45
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
46
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).
47
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).