Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.08.2023 – 19 CE 23.1290
Titel:

Vorläufiger Rechtsschutz im Asylfolgeverfahren 

Normenketten:
VwGO § 123
AsylG § 71 Abs. 5 S. 2
VwVfG § 51 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3
GG Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Ein abgelehnter Asylfolgeantragsteller kann um einstweiligen Rechtschutz nachsuchen, indem er einen gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Antrag auf Verpflichtung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge stellt, gegenüber der Ausländerbehörde zu erklären, dass auf die ursprüngliche Mitteilung hin nicht abgeschoben werden darf. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nur wenn effektiver Rechtschutz nicht mehr mit einem gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamts gerichteten Eilantrag erreicht werden kann, muss unter dem Blickwinkel des Art. 19 Abs. 4 GG auch eine unmittelbare Zuständigkeit der Ausländerbehörde bzw. deren Rechtsträgers für die begehrte einstweilige Regelung bejaht werden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebung, Folgeverfahren, Eilantrag gegen Rechtsträger der Ausländerbehörde, Extreme Eilbedürftigkeit (verneint), Asylfolgeverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, einstweilige Anordnung, Antragsgegner, Aussetzung der Abschiebung, extreme Eilbedürftigkeit, Ausländerbehörde, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 14.07.2023 – W 7 E 23.951
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20772

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Juli 2023, Az. W 7 E 23.951, in Ziffern I und II geändert. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache Erfolg.
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1. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, durch welchen dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgegeben wurde, von der Durchführung von Abschiebemaßnahmen zu Lasten des Antragstellers (eines am ... 2004 geborenen aserbaidschanischen Staatsangehörigen, der am 11.9.2014 erstmals in das Bundesgebiet eingereist ist, nach erfolglosem Asylverfahren <Ablehnung als offensichtlich unbegründet mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – vom 20.4.2016, Abschiebungsandrohung nach Aserbaidschan, Klage mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 5.11.2018, Az.: W 7 K 16.30508, abgewiesen> am 27.10.2016 ausgereist ist, am 15.4.2019 erneut in das Bundesgebiet einreiste, der nach gescheiterter Überstellung nach Italien im Rahmen eines sog. Dublin-Verfahrens und erfolglosem Folgeverfahren <Ablehnungsbescheid des Bundesamts vom 25.3.2020 mit Androhung der Abschiebung nach Aserbaidschan, Klage mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19.10.2020, Az.: W 7 K 20.30439, abgewiesen> am 29.4.2021 erneut einen Folgeantrag stellte, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom 3.3.2022 als unzulässig abgelehnt wurde <wobei die Abänderung der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt wurde>, dessen Klageverfahren gegen diesen Bescheid noch anhängig ist <Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit Beschluss vom 9.1.2023, Az.: W 7 K 22.30221>, der mit bestandskräftig gewordenem Bescheid der Zentralen Ausländerbehörde – ZAB – vom 16.1.2023 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wurde und der sich seit dem 6.7.2023 in Abschiebehaft befindet) bis zum bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Abschluss des Asylfolgeverfahrens, das Gegenstand im Verfahren Az. W 7 K 22.30221 ist, abzusehen und den Antragsteller zu dulden. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, ein Anordnungsanspruch nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG sei gegeben, da der Antragsteller zur Gewährleistung seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz bei zumindest offenen Erfolgsaussichten seines Asylfolgeverfahrens nicht abgeschoben werden dürfe. Das Asylfolgeverfahren des Antragstellers sei gegenwärtig noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Das Verfahren des Antragstellers, Az. W 7 K 22.30221, sowie das seines Vaters mit dem Az. W 7 K 22.30218 ruhten gegenwärtig im Hinblick auf die Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes zu möglichen Folgen einer exilpolitischen Tätigkeit bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan. Die Erfolgsaussichten dieser Verfahren hingen von dem Ergebnis der Auskunft ab. Bei dieser Bewertung sei das aus den Verwaltungsvorgängen ersichtliche, umfangreiche strafrechtlich relevante Verhalten des Antragstellers nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Regelungen im vorliegenden Verfahren nicht entscheidend. Ein Anordnungsgrund sei auch glaubhaft gemacht worden. Eine Eilbedürftigkeit sei gegeben, da der Antragsteller sich aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 6. Juli 2023 in Ausreisegewahrsam nach § 62b AufenthG befinde, sodass alsbald mit seiner Abschiebung zu rechnen sei.
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2. Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsgegner vor, das Verwaltungsgericht sei offensichtlich, wenn auch unausgesprochen und damit konkludent, vom Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses für den gegen den Antragsgegner gerichteten Eilrechtsschutzantrag ausgegangen, da es den Antrag ansonsten als unzulässig hätte ablehnen müssen. Ein solches liege jedoch nicht vor. Der Antragsteller sei nach Rechtskraft der Abschiebungsandrohung vollziehbar ausreisepflichtig. In dem Bundesamtsbescheid vom 3. März 2022, mit dem der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt worden sei, habe gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG keine neue Abschiebungsandrohung erlassen werden müssen. Da spätestens in dem Bescheid vom 3. Februar 2022 zugleich auch die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zu sehen sei, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen, dürfe die Abschiebung des Antragstellers unabhängig von der Anhängigkeit des Klageverfahrens gegen diesen Bescheid auch vollzogen werden. Dem Verwaltungsgericht sei zwar insofern beizupflichten, als auch in der vorliegenden Situation der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bei noch nicht bestandskräftigem Abschluss eines Asylfolgeverfahrens effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet werden müsse. Allerdings fehle es dem gegen den Antragsgegner gerichteten Antrag am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil sein Rechtsschutzziel nach der Systematik der hierfür maßgeblichen asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen vorrangig – und auch im konkreten Fall – effektiv durch einen gegen den Rechtsträger des Bundesamts gerichteten Antrag auf einstweilige Anordnung zur (vorläufigen) Sicherung seines Begehrens bzw. Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der von ihm nunmehr geltend gemachten Befürchtung, wegen seiner nach Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens entwickelten exilpolitischen Aktivitäten nach einer Rückkehr nach Aserbaidschan verfolgt zu werden und Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG oder einem ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 AsylG ausgesetzt zu werden, hätte erreichen können. Das Vorbringen des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren habe sich darauf beschränkt, dass er aktives Mitglied der oppositionellen aserbaidschanischen (exilpolitisch tätigen) Organisation „DAS“ sei und einer der Versammlungsleiter sei, über den bereits in der aserbaidschanischen Presse berichtet worden sei. Ihm drohe im Fall einer Abschiebung Gefahr, in Aserbaidschan inhaftiert zu werden. Es handele sich somit um einen rein asylrechtlich relevanten Sachverhalt. Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens obliege nach § 71 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AsylG ausschließlich dem Bundesamt und die den Folgeantrag ablehnende Entscheidung des Bundesamts sei gemäß §§ 4 Satz 1, 42 Satz 1 AsylG für die Ausländerbehörde verbindlich, wovon auch die Bestimmung des § 71 Abs. 4 und 5 AsylG ausgehe. Demnach dürfe die Ausländerbehörde nicht in eigenständiger Prüfung, insbesondere nicht abweichend von einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bejahen und auf einer solchen Grundlage die Abschiebung aussetzen. Auch die Garantie effektiven Rechtsschutzes gebiete grundsätzlich keine abweichende Beurteilung, denn die Rechtsschutzmöglichkeiten des Asylfolgeantragstellers seien auch nach abgelehntem Folgeantrag nicht beeinträchtigt (m.V.a. BayVGH, B.v. 18.07.2023 – 19 CE 23.1239 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 1.7.2021 – 2 BvR 627/21 – juris Rn. 20). Allerdings sei in Fällen, in denen das Bundesamt von einer erneuten Abschiebungsandrohung abgesehen habe, der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz zur Verhinderung der Abschiebung gegen das Bundesamt bzw. dessen Rechtsträger zu richten, soweit der Asylfolgeantragsteller Einwendungen geltend mache, die – wie hier – der Prüfung und Entscheidung durch das Bundesamt unterlägen (m.V.a. Bergmann/Dienelt, AuslR, 14. Aufl. 2022, § 71 AsylG Rn. 48). Zur verfahrensrechtlichen Absicherung eines Asylfolgeantrags bedürfe es grundsätzlich keines Eilantrags gegen die Ausländerbehörde zur Verhinderung einer Abschiebung. Vorrangig sei ein Eilantrag gegen das Bundesamt mit dem Ziel, die Ausländerbehörde zu informieren, dass vorläufig keine Abschiebung durchgeführt werden dürfe (m.V.a. OVG RP, B.v. 14.1.2019 – 7 B 11544/18 – juris Rn. 4). Nur in zugespitzten Ausnahmefällen komme abweichend hiervon der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Ausländerbehörde bzw. deren Rechtsträger in Betracht, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber dem Rechtsträger des Bundesamtes zu spät käme, wenn etwa gegenüber dem Ausländer eine konkrete Abschiebemaßnahme begonnen worden sei und zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit gerechnet werden könne, dass beim Bundesamt ein insoweit zuständiger und im Außenverhältnis handlungsbefugter Bediensteter anwesend sein werde, der eine entsprechende gerichtliche Entscheidung umsetzen könne (m.V.a. VGH BW, B.v. 29.11.2018 – 12 S 2504/18 – juris Rn. 18 m.w.N.). In einem solchen Fall könne zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG auch eine unmittelbare Zuständigkeit der Ausländerbehörde bzw. deren Rechtsträgers für die begehrte einstweilige Regelung bejaht werden. Eine solche Konstellation liege hier indes keinesfalls vor, sodass der Eilrechtsschutzantrag gegen den Rechtsträger des Bundesamtes als Antragsgegner hätte gestellt werden können und müssen. Vorliegend habe das Bundesamt mit Bescheid vom 3. Februar 2020 entschieden, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen, da keine Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen. Der Antragsteller sei aufgrund eines Haftantrages vom 4. Juli 2023 am Donnerstag, 6. Juli 2023 um 0:54 Uhr in Gewahrsam genommen worden und nach richterlicher Anhörung habe das Amtsgericht G. mit Beschluss vom 6. Juli 2023 entschieden, dass der Antragsteller zur Durchführbarkeit der Abschiebung in Haft genommen werde und dass der Vollzug der angeordneten Haft am 6. Juli 2023 beginne und spätestens am 31. August 2023 ende. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung sei angeordnet worden und der Antragsteller sei um 13:40 Uhr in der Einrichtung für Abschiebungshaft H. aufgenommen worden, wo er sich seitdem befinde. Der Eilantrag sei von der Bevollmächtigten erst am Dienstag, 11. Juli 2023, gestellt worden und es sei auch nicht so, dass die Abschiebung zu diesem Zeitpunkt so unmittelbar bevorgestanden hätte, dass einstweiliger Rechtsschutz durch einen Antrag gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtzeitig vor dem Vollzug der Abschiebung zu erreichen gewesen wäre, da in dem Haftbeschluss – der der Antragstellerbevollmächtigen zum Zeitpunkt der Antragstellung bekannt gewesen sei – auf S. 7 ausdrücklich ausgeführt werde, dass die Ausländerbehörde beabsichtige, ihn bei der nächstmöglichen Sammelabschiebung nach Aserbaidschan in der Kalenderwoche 35 zu berücksichtigen. Da eine Abschiebung des Antragstellers mithin erst für den Zeitraum vom 28. August 2023 bis 31. August 2023 zu erwarten gewesen sei, habe keine Veranlassung bestanden, von der Antragstellung gegen den Rechtsträger des Bundesamtes abzusehen und einen Eilrechtsschutzantrag gegen die Ausländerbehörde zur Verhinderung der Abschiebung zu stellen. Bei Antragstellung am 11. Juli 2023 wäre mehr als genug Zeit für die im Asylverfahren zuständige Kammer bzw. den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts verblieben, um über den Antrag zu entscheiden und ggf. das Bundesamt zu verpflichten, die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebung einstweilen abzusehen. Unter diesen Umständen könne der Antragsteller in der Weise um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen, dass er einen gegen den Rechtsträger des Bundesamtes gerichteten Antrag auf Verpflichtung des Bundesamtes stelle, gegenüber der Ausländerbehörde zu erklären, dass auf die ursprüngliche Mitteilung gem. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG bzw. auf den Ablehnungsbescheid hin nicht abgeschoben werden dürfe (m.V.a. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 6; B.v. 9.5.2007 – 19 CE 07.158 – juris Rn. 22 m.w.N.). Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht auch die von ihm angenommene Eilbedürftigkeit auf der Basis unzutreffender Tatsachen angenommen. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass eine Eilbedürftigkeit gegeben sei, da der Antragsteller aufgrund des Haftbeschlusses des Amtsgerichts G. vom 6. Juli 2023 in Ausreisegewahrsam gemäß § 62b AufenthG genommen habe. Dies sei jedoch unzutreffend, denn im Fall des Antragstellers sei wegen Fluchtgefahr Abschiebungshaft gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bis zum 31. August 2023 angeordnet worden. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausreisegewahrsam gemäß § 62b AufenthG diene unabhängig vom Vorliegen einer Fluchtgefahr und den Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 AufenthG lediglich der Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung und dürfe gemäß § 62b Abs. 1 Satz 1 AufenthG – anders als die hier bis zum 31. August 2023 angeordnete Abschiebungshaft – nur bis zu zehn Tage dauern und es müsse unter anderem feststehen, dass die Abschiebung innerhalb dieser Frist auch durchgeführt werden könne. Die Eilbedürftigkeit einer Entscheidung würde somit im Fall des vom Verwaltungsgericht angenommenen Ausreisegewahrsams größer gewesen sein, obwohl selbst in diesem Fall eine Entscheidung gegenüber dem Bundesamt erfahrungsgemäß ohne Probleme in zeitlicher Hinsicht hätte ergehen und auch umgesetzt werden können.
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Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung das Beschwerdegericht grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führt zur Abänderung des angegriffenen Beschlusses. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich nicht, dass dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Abschiebung des Antragstellers zu untersagen wäre.
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2.1 Dem gegen den Antragsgegner gerichteten Antrag fehlt es bereits am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller sein Rechtsschutzziel nach der Systematik der hierfür maßgeblichen asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen vorrangig und – auch im konkreten Fall – effektiv durch einen gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamtes gerichteten Antrag auf einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) zur (vorläufigen) Sicherung seines Begehrens bzw. Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens bzw. des Verfahrens bezüglich des von ihm nunmehr geltend gemachten Abschiebungsverbots erreichen kann (vgl. BayVGH, B.v. 18.07.2023 – 19 CE 23.1239; B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 3).
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Das wesentliche Vorbringen des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren beschränkt sich darauf, dass das Bundesamt seinen Asylfolgeantrag zu prüfen habe und die Abschiebung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes vollzogen werden dürfe, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen.
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Die Prüfung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens obliegt nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG ausschließlich dem Bundesamt. Die den Folgeantrag ablehnende Entscheidung des Bundesamts ist gemäß §§ 4 Satz 1, 42 Satz 1 AsylG für die Ausländerbehörde verbindlich. Davon geht im Übrigen auch die Bestimmung des § 71 Abs. 4 und 5 AsylG aus. Demnach darf die Ausländerbehörde nicht in eigenständiger Prüfung, insbesondere nicht abweichend von einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bejahen und auf einer solchen Grundlage die Abschiebung aussetzen. Sie hat nach der gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde dazu keine Befugnis (vgl. BayVGH, B.v. 18.07.2023 – 19 CE 23.1239; B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 4).
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Auch die Garantie der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet grundsätzlich keine abweichende Beurteilung. Denn die Rechtschutzmöglichkeiten des Asylfolgeantragstellers sind auch nach abgelehntem Folgeantrag nicht beeinträchtigt (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen z.B. BVerfG, B.v. 1.7.2021 – 2 BvR 627/21 – juris Rn. 20). Gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG darf die Ausländerbehörde in diesen Fällen die Abschiebung erst dann vollziehen, wenn ihr vom Bundesamt mitgeteilt wurde, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Eine solche Mitteilung verliert nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG dann ihre Bedeutung, wenn das Bundesamt sie für hinfällig erklärt. Unter solchen Umständen kann der Asylfolgeantragsteller aber in der Weise um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen, dass er einen gegen die Bundesrepublik Deutschland (als Rechtsträger des Bundesamtes) gerichteten Antrag auf Verpflichtung des Bundesamtes stellt, gegenüber der Ausländerbehörde zu erklären, dass auf die ursprüngliche Mitteilung hin nicht abgeschoben werden darf (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2023 – 19 CE 23.1239; B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 6; B.v. 9.5.2007 – 19 CE 07.158 – juris Rn. 22 m.w.N.; OVG RP, B.v. 14.1.2019 – 7 B 11544/18 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht mittlerweile (mit Beschluss vom 1.8.2023, Az.: W 7 E 23.30417) den Eilantrag des Antragstellers im asylgerichtlichen Verfahren wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses (im Hinblick auf den angefochtenen Beschluss im vorliegenden Verfahren) abgelehnt hat, da die Möglichkeit einer Abänderung des Beschlusses wegen veränderter Umstände in analoger Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2023 – 10 AS 23.467 – juris Rn. 4; B.v. 27.1.2023 – 8 CS 22.2500 – juris Rn. 23; B.v. 26.10.2020 – 4 CE 20.2283 – juris Rn. 16; B.v. 15.4.2019 – 10 CE 19.650 – juris Rn. 17; Kuhla in Posser/Wolff/Decker, VwGO, 65. Ed. Stand 1.7.2022, § 123 Rn. 182 m.w.N.; anderer Ansicht Happ in Eyermann, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 81: erneute Antragstellung nach § 123 VwGO) besteht.
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Nur wenn effektiver Rechtsschutz nicht mehr mit einem gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamtes gerichteten Eilantrag erreicht werden kann – d.h. wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland bzw. jedenfalls die dann zu deren Umsetzung noch erforderliche Mitteilung an die Ausländerbehörde, dass nicht vollzogen werden darf, zu spät käme – muss unter dem Blickwinkel des Art. 19 Abs. 4 GG auch eine unmittelbare Zuständigkeit der Ausländerbehörde bzw. deren Rechtsträgers für die begehrte einstweilige Regelung bejaht werden (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 3; B.v. 26.1.2009 – 19 CE 09.130 – juris Rn. 2; VGH BW, B.v. 29.11.2018 – 12 S 2504/18 – juris Rn. 18 m.w.N.; OVG RP, B.v. 14.1.2019 – 7 B 11544/18 – juris Rn. 4).
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Letzteres ist vorliegend nicht der Fall, worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist. In Anbetracht der bis 31. August 2023 angeordneten Abschiebungshaft gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und der erst in der 35. Kalenderwoche, d.h. für den Zeitraum vom 28. August 2023 bis 3. September 2023 zu erwartenden Abschiebung (vgl. die Angaben im Beschluss des AG G. vom 6.7.2023, Bl. 1240 ff. d.A.) verbleibt dem Antragsteller – für diesen anhand der Ausführungen im Beschluss des Amtsgerichts auch erkennbar – genügend Zeit, um eine Abänderung der Entscheidung im asylgerichtlichen Eilverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamtes zu beantragen. Der zuständigen Asylkammer des Verwaltungsgerichts verbliebe in diesem Falle wiederum genügend Zeit, um über einen solchen Antrag zu entscheiden. Deshalb fehlt es nach den vorstehenden Ausführungen im Übrigen auch an der Passivlegitimation des Antragsgegners.
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Dem steht die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Rechtsschutzinteresse und Anordnungsgrund bei Eilanträgen auf Abschiebungsuntersagung nicht entgegen (vgl. BVerfG, B.v. 8.11.2017 – 2 BvR 809/17 – juris). Zwar hat der Antragsteller – gerade weil der Termin der Abschiebung nach § 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG nicht bekanntgegeben wird – grundsätzlich jederzeit ein rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung, mit der die Abschiebung vorläufig untersagt wird. Im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten vor der nicht mehr anzukündigenden Abschiebung bleibt es ihm vielmehr jederzeit unbenommen, gegen diese beim Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz zu begehren. Deshalb kann das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nicht verneint werden, wenn der Antragsteller denselben Antrag nach der Ablehnung zur Wahrung seiner Rechte umgehend erneut stellen müsste (vgl. BVerfG, B.v. 8.11.2017 – 2 BvR 809/17 – juris Rn. 15). So liegen die Dinge hier aber nicht, weil die Ablehnung eines gegen den falschen Antragsgegner gerichteten Eilantrags – unabhängig davon, dass dem Antragsteller der mögliche Zeitraum der Abschiebung aus dem Beschluss des Amtsgerichts zur Anordnung der Abschiebungshaft gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bekannt sein muss – nicht bedeutet, dass der Antragsteller denselben Antrag nach der Ablehnung erneut stellen muss. Vielmehr ist es ihm vorliegend in Anbetracht des verbleibenden Zeitraums auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zumutbar, den Eilantrag erneut gegen den richtigen Antragsgegner zu stellen. Auf welchem Wege Eilrechtsschutz gewährt wird, ist verfassungsrechtlich unerheblich. Die konkrete Rechtsanwendung ist verfassungsrechtlich erst dann nicht mehr hinnehmbar, wenn sie dazu führt, dass der Betroffene ganz unabhängig von seinem Verhalten schon aus prozessualen Gründen grundsätzlich keine gerichtliche Sachprüfung vor Vollzug der Abschiebung mehr erreichen kann (BVerfG, B.v. 1.7.2021 – 2 BvR 627/21 – juris Rn. 20). Dies ist hier aber, wie dargelegt, nicht der Fall. Auch ist mit der Ablehnung des vorliegenden Antrags und der Obliegenheit zur Stellung eines erneuten Eilantrags gegen den richtigen Antragsgegner keine Verschlechterung der Rechtsposition des Antragstellers verbunden (vgl. BVerfG, B.v. 10.6.2020 – 2 BvR 297/20 – juris Rn. 15).
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2.2 Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (analog § 144 Abs. 4 VwGO). Soweit der Antrag des Antragstellers gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen sein sollte, dass er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber dem Antragsgegner (auch) eine Aussetzung seiner Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG begehrt, fehlt es an dem erforderlichen Anordnungsanspruch.
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Gründe, den gemäß §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der im asylrechtlichen Bescheid des Bundesamtes vom 25.3.2020 enthaltenen Abschiebungsandrohung und Entbehrlichkeit einer erneuten Abschiebungsandrohung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG) vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit zu dulden, sind nicht glaubhaft gemacht worden. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die (sinngemäß) geltend gemachte rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers liegt jedoch nicht vor:
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Rechtlich unmöglich i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer für die Bundesrepublik Deutschland aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 24; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed. 15.10.2022, AufenthG § 60a Rn. 32). Ohnehin kommen insoweit wegen der Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesamtes bzw. des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nach § 42 Satz 1 AsylG in den vorangegangenen Asylverfahren des Antragstellers nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953). Mit dem Vorbringen des Antragstellers, dass sich insoweit nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit die maßgebliche Sach- oder Rechtslage im Zielstaat der Abschiebung verändert habe, haben sich das Bundesamt im Rahmen der Entscheidung, ob Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG bzw. gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG hinsichtlich der negativen Feststellung zum zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz vorliegen, sowie gegebenenfalls das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG bzw. auf Verpflichtung des Bundesamtes zum Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens hinsichtlich § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu befassen (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 3).
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Dem gegenüber setzte ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis den substantiierten Vortrag und gegebenenfalls die Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen voraus, dass die Abschiebung als solche – unabhängig vom Zielstaat – zu einer konkreten und erheblichen Gefahr für Leben oder körperliche bzw. psychische Unversehrtheit des Antragstellers führen würde (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 19 CE 17.1541 – juris Rn. 15; B.v. 11.04.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 17 m.w.N.).
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Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).