Titel:
rechtmäßige Verlustfeststellung
Normenkette:
FreizügG/EU § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4
Leitsatz:
Hat der Unionsbürger bereits vor der Einreise seines aus einem Drittstaat stammenden Ehepartners sein Recht auf Freizügigkeit verloren, kann dieser kein Recht mehr auf Einreise und Aufenthalt nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU von dem Unionsbürger ableiten. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verlustfeststellung, Drittstaatsangehöriger ehemaliger Ehegatte eines Unionsbürgers, Verlust des Freizügigkeitsrechts des stammberechtigten Unionsbürgers aufgrund fehlender Erwerbstätigkeit, Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft, Drittstaatler mit Daueraufenthaltskarte, Unionsbürger, Drittstaatsangehöriger, Erwerbstätigkeit, Sicherung der Existenz
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 18.01.2023 – Au 6 K 22.2179
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20748
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2023 – Au 6 K 22.2179 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein indischer Staatsbürger, seine vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage weiter gerichtet auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 31. Oktober 2022, mit dem diese die Erteilung einer Daueraufenthaltskarte als Familienangehöriger einer Unionsbürgerin abgelehnt (Nr. 1 d. Tenors), ihm gegenüber eine Verlustfeststellung getroffen (Nr. 2), die Einziehung und Vorlage seiner bisherigen Aufenthaltskarte angeordnet (Nr. 3), ihn zur Ausreise aufgefordert (Nr. 4) und ihm die Abschiebung nach Indien angedroht hat (Nr. 5), sowie gerichtet auf Verpflichtung, zu seinen Gunsten ein Recht zum Daueraufenthalt festzustellen.
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1. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Der von dem Kläger − der Sache nach − geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor beziehungsweise ist nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
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a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16).
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Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Das Darlegungsgebot verlangt, dass der Rechtsschutzsuchende die geltend gemachten Zulassungsgründe substantiiert erörtert und den Streitstoff sichtet und rechtlich durchdringt. Die Zulassungsbegründung muss sich mit dem angefochtenen Urteil und den tragenden Erwägungen konkret, fallbezogen und substantiiert auseinandersetzen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2022 – 10 ZB 22.879 – juris Rn. 8 m.w.N.).
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b) Gemessen daran zeigt das Zulassungsvorbringen keine derartigen Zweifel auf.
6
aa) Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil darauf abgestellt, dass die stammberechtigte rumänische Ehefrau des Klägers lediglich bis zum 5. Oktober 2016 eine Erwerbstätigkeit ausgeübt und bereits im Zeitpunkt der Einreise des Klägers in das Bundesgebiet am 22. Mai 2017 weder über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz noch über die erforderlichen Existenzmittel im Sinne des § 4 FreizügG/EU verfügt habe. Dabei hat das Verwaltungsgericht das klägerische Vorbringen, er habe ihr Krankenversicherungsschutz vermittelt und die Existenz gesichert, ausdrücklich als so nicht zutreffend erachtet. Es hat darauf rekurriert, dass der Kläger ausweislich der Behördenakten erst ab dem 1. Oktober 2017 geringfügig und dann ab dem 28. Oktober 2017 vollzeitig erwerbstätig sowie krankenversichert gewesen sei, so dass er ihr zuvor jedenfalls keinen Krankenversicherungsschutz habe vermitteln können (vgl. UA S. 8 f. m.w.N. i.V.m. UA S. 2). Die Ehefrau des Klägers habe daher ihr Recht auf Freizügigkeit wegen Erwerbstätigkeit oder auch Arbeitsstellensuche bereits vor der Einreise des Klägers am 22. Mai 2017 verloren und auch nicht in anderer Weise eine Freizügigkeit als Nichterwerbstätige erlangt. Somit könne der Kläger von ihr kein Recht auf Einreise und Aufenthalt nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU ableiten (vgl. UA S. 10).
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bb) Dem setzt die Klägerseite nichts an Substanz entgegen. Das Zulassungsvorbringen beschränkt sich auf den Einwand, die Ehefrau des Klägers sei freizügigkeitsberechtigt gewesen, weil er erwerbstätig und sie über ihn familienkrankenversichert gewesen sei. Lege man diese Zeiten zugrunde, habe der Kläger ein über die Scheidung fortwirkendes eigenes Aufenthaltsrecht erworben. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, insbesondere zu der genannten Lücke und dem daraus folgenden Rechtsverlust, geht die Klägerseite nicht ein. Was sie mit „diesen Zeiten“ meint, wird nicht erläutert.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 8.1 des Katalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit entsprechend.
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4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.