Inhalt

VGH München, Beschluss v. 31.07.2023 – 7 CS 23.1072
Titel:

Androhung von Zwangsgeld zur Durchsetzung der Schulpflicht 

Normenketten:
BayEUG Art. 76 S. 2
VwZVG Art. 19
Leitsätze:
1. Bei der Aufforderung, für den Schulbesuch Sorge zu tragen, handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Die Behörde hat den Dauerverwaltungsakt auf fortbestehende Rechtmäßigkeit zu überwachen; für seine rechtliche Beurteilung ist die aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Person hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sich der Schwerpunkt ihrer sozialen Bindungen, ihr Daseinsmittelpunkt, befindet. Der Schwerpunkt der sozialen Bindungen eines Minderjährigen liegt in der Regel bei seinen Eltern. Dort besteht dann auch die Schulpflicht. (Rn. 13 und 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schulpflicht, erneute Androhung von Zwangsgeld, Umzug ins Ausland, gewöhnlicher Aufenthalt, Daseinsmittelpunkt
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 30.05.2023 – Au 3 S 23.598
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20725

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 2. Februar 2023, mit denen ihnen ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 2.500 Euro angedroht wurde.
2
Mit Bescheiden vom 20. September 2022 hat der Antragsgegner die Antragsteller verpflichtet, dafür zu sorgen, dass deren schulpflichtige Tochter C.F. (geb. …2011) regelmäßig am Unterricht der Mittelschule K* … oder an einer anderen Schule nach Art. 36 Abs. 1 BayEUG sowie an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen zur Erfüllung der Schulpflicht nach Art. 35 BayEUG teilnimmt. Die sofortige Vollziehung von Ziff. I wurde angeordnet (Ziff. II). Weiter wurde für den Fall, dass die Antragsteller der Verpflichtung nach Ziff. I nicht spätestens ab dem dritten Tag nach Zustellung des jeweiligen Bescheids nachkommen, angedroht, dass in der Person des Zuwiderhandelnden jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro zur Zahlung fällig wird (Ziff. III). Mit Beschlüssen vom 16. November 2022 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der mit Schriftsatz vom 27. September 2022 eingelegten Widersprüche ab, weil die Anordnung, den Schulbesuch der Tochter sicherzustellen, bei summarischer Prüfung rechtmäßig sei. Das angedrohte Zwangsgeld und ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von jeweils 2.000 Euro wurden zwischenzeitlich fällig gestellt. Mit streitgegenständlichen Bescheiden des Antragsgegners vom 2. Februar 2023 wurden schließlich erneut Zwangsgelder in Höhe von jeweils 2.500 Euro angedroht, falls die Antragsteller ihrer Verpflichtung nach Ziff. I der Bescheide des Antragsgegners vom 20. September 2022 nicht spätestens ab dem dritten Tag nach Zustellung des jeweiligen Bescheids vom 2. Februar 2023 nachkämen.
3
Das Verwaltungsgericht hat die Anträge der Antragsteller, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche vom 22. Februar 2023 gegen die Androhung des Zwangsgelds in den Bescheiden vom 2. Februar 2023 anzuordnen, mit Beschluss vom 30. Mai 2023 abgelehnt.
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Über die gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 20. September 2022 und vom 2. Februar 2023 mit Schriftsätzen vom 27. September 2022 und vom 22. Februar 2023 eingelegten Widersprüche ist noch nicht entschieden.
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Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter.
6
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
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Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern.
9
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Androhungen von Zwangsgeld in Ziff. I der angefochtenen Bescheide vom 2. Februar 2023, die nach Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind, bei summarischer Prüfung formell und materiell rechtmäßig erfolgt sind. Bei der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlichen Interessenabwägung sei bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage deshalb davon auszugehen, dass die Widersprüche der Antragsteller voraussichtlich keinen Erfolg haben werden. Rechtsgrundlage der Zwangsgeldandrohungen in Ziff. I der angefochtenen Bescheide seien Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 VwZVG. Die Antragsteller seien ihrer den Zwangsgeldandrohungen zugrundeliegenden Verpflichtung aus den Bescheiden des Antragsgegners vom 20. September 2022, für den Schulbesuch ihrer minderjährigen Tochter zu sorgen (Art. 76 Satz 2 BayEUG), nicht nachgekommen. Diese Verpflichtung habe sich nicht erledigt. Die Tochter der Antragsteller sei schulpflichtig (Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG), weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in Bayern habe. Die Antragsteller hätten nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der gewöhnliche Aufenthalt der Tochter dauerhaft (und nicht nur vorübergehend) nach Polen verlagert worden sei. Die in polnischer Sprache vorgelegten zwei Rechnungen über Appartmentanmietungen in S* … erfassten jeweils nur einen Zeitraum von zwei (Fälligkeitsdatum der Rechnung 7.1.2023) bzw. drei Wochen (Fälligkeitsdatum der Rechnung 4.2.2023). Nach der vorgelegten Meldebestätigung sei die Abmeldung der Tochter in der Gemeinde K. bereits zum 22. Dezember 2022 erfolgt, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts seien bereits fünf Monate vergangen gewesen. Eine Anmietung von Wohnraum in Polen sei jedoch nicht einmal für die Dauer von zwei Monaten nachgewiesen worden. Zudem hätten die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass sich die Antragstellerin zu 1) und die Tochter im Zeitraum der Anmietungen tatsächlich in Polen aufgehalten hätten. Aus der ebenfalls in polnischer Sprache vorgelegten Entsendebestätigung des Arbeitgebers der Antragstellerin zu 1) sei schon die Dauer der genehmigten Remote-Arbeit im Ausland nicht ersichtlich. Die Abmeldung der gemeinsamen Tochter von der Wohnadresse der Antragsteller in der Gemeinde K. könne nicht belegen, dass kein gewöhnlicher Aufenthalt der Tochter in Bayern mehr bestehe.
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1. Ohne Erfolg rügen die Antragsteller, das Verwaltungsgericht gehe rechtsfehlerhaft weiterhin von einem gewöhnlichen Aufenthalt der Tochter der Antragsteller in Bayern und damit von einem Bestehen der Schulpflicht aus und überspanne die Anforderungen an die Substantiierung. Im Hinblick darauf, dass die Abmeldung und der Umzug nach Polen „quasi durch die Schulbehörden erzwungen“ worden wären, sei in dem Beschluss nicht hinreichend der Tatsache Rechnung getragen worden, dass nicht von „heute auf morgen“ eine „dauerhafte finanzierbare Bleibe“ gefunden werden könne. Auch müssten zunächst die arbeitsrechtlichen Belange abgeklärt werden.
11
Entgegen der Auffassung der Antragsteller liegen die Vollstreckungsvoraussetzungen weiterhin vor. Die zugrundeliegenden Verwaltungsakte – die Bescheide vom 20. September 2022 – sind sofort vollziehbar (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO – Ziff. II der Bescheide). Sie sind nicht erledigt und haben ihre Wirksamkeit nicht verloren (vgl. Käß in Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand Februar 2019, Art. 19 VwZVG Art. 19 Rn. 5). Die gemeinsame Tochter der Antragsteller ist weiterhin nach Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG schulpflichtig.
12
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob sich die der Zwangsgeldandrohung zugrundeliegende Verpflichtung, für den Schulbesuch der schulpflichtigen Tochter zu sorgen (Art. 76 Satz 2 BayEUG), erledigt hat, ist die Entscheidung des Senats. Bei der Aufforderung, für den Schulbesuch Sorge zu tragen, handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Sie erschöpft sich nicht in einem einmaligen Gebot, sondern ist auf Dauer angelegt. Die Behörde hat den Dauerverwaltungsakt auf fortbestehende Rechtmäßigkeit zu überwachen; für seine rechtliche Beurteilung ist grundsätzlich die jeweils aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich (BVerwG, B.v. 29.10.2014 – 9 B 32.14 – Beck RS 2014, 58790 Rn. 3).
13
b) Nach Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG unterliegt der Schulpflicht, wer die altersmäßigen Voraussetzungen erfüllt und in Bayern seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Grundsätzlich ist der gewöhnliche Aufenthalt einer Person dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (vgl. die Legaldefinitionen in § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I, § 9 Satz 1 AO; BayVGH, B.v. 30.6.2022 – 7 CE 22.925 – juris Rn. 5). Regelmäßig ist dabei auf die tatsächlichen Verhältnisse der jeweiligen Person abzustellen. Daran anknüpfend hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sich der Schwerpunkt ihrer sozialen und beruflichen Bindungen, ihr Daseinsmittelpunkt, befindet (vgl. Dirnaichner in PdK – Bay G-1, 25. Fassung 2022, BayEUG, Art. 35 Nr. 3). Der Schwerpunkt der sozialen Bindungen eines Minderjährigen liegt in der Regel bei seinen Eltern.
14
c) Gemessen daran ist die Tochter der Antragsteller (weiterhin) schulpflichtig. Mangels hinreichender Glaubhaftmachung ist davon auszugehen, dass sich ihr gewöhnlicher Aufenthalt nach wie vor bei den Antragstellern in der Gemeinde K. befindet. Dort wohnt die Familie nach den vorliegenden Erkenntnissen und dort befindet sich der Schwerpunkt der sozialen Bindungen der minderjährigen Tochter der Antragsteller. Nicht maßgeblich ist, dass die Antragsteller ihre Tochter von der Wohnadresse in der Gemeinde K. abgemeldet haben. Anders, als die Antragsteller meinen, kann durch eine derartige Willenserklärung zwar der Wohnsitz der Tochter nach § 11 Satz 3 BGB aufgehoben, nicht aber der gewöhnliche Aufenthalt der Tochter, die bei den Antragstellern lebt, beendet werden. Vom Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB unterscheidet sich der gewöhnliche Aufenthalt dadurch, dass es sich um eine rein tatsächliche Beziehung einer Person zu einem Ort handelt; ein Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, ist nicht erforderlich (Hager in beck-online.Großkommentar, Stand 1.5.2023, § 7 BGB Rn. 10).
15
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, sind weder die vorgelegten Nachweise für die Anmietung von Wohnraum in Polen für die Dauer von nicht einmal zwei Monaten noch die zeitlich nicht näher spezifizierte und auch ansonsten nur unvollständige und damit nicht aussagekräftige Entsendebestätigung des Arbeitgebers der Antragstellerin zu 1) geeignet, um eine auf Dauer angelegte Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts der Tochter glaubhaft zu machen. Gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt der Tochter in Polen spricht auch, dass diese und die Antragstellerin zu 1) sich laut Feststellungen der Polizei am 30. April 2023 an der Wohnadresse in K. aufgehalten haben. Dabei gab die Antragstellerin zu 1) an, dass sie mit ihrer Tochter seit etwa vier Wochen wieder in Deutschland zu Besuch sei und beabsichtige, nach dem 11. Mai 2023 wieder nach Polen zurückzugehen. Für die erforderliche Glaubhaftmachung eines dauerhaften Umzugs nach Polen fehlt es insbesondere am Nachweis einer Wohnadresse sowie einer Meldebescheinigung der dortigen Meldebehörde. Regelmäßig sind weitere substantielle und ggf. mit Nachweisen belegte Schilderungen erforderlich, die belegen, dass ein Umzug ins Ausland nicht nur vorgeschoben ist, um die Schulpflicht eines Kindes in Bayern zu umgehen. Hierzu können Angaben zur Motivation für den Umzug, das Vorhandensein von familiären oder sozialen Bindungen ins Ausland, nähere Ausführungen zu einer auf Dauer angelegten und nicht nur vorübergehend ausgeübten Berufstätigkeit der Eltern im Ausland, Daten zur dortigen Einschulung des Kindes o.ä. erforderlich sein. In Anbetracht der defizitären Angaben der Antragsteller und der polizeilichen Feststellungen vom 30. April 2023 ist auch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen der Antragsteller vom 26. April 2023 zur Glaubhaftmachung einer dauerhaften Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts der Tochter nicht geeignet. Wie bereits ausgeführt, beruht die Begründung eines tatsächlichen Aufenthalts auf Fakten und nicht auf einer Willensbekundung der Eltern („Ich habe gemeinsam mit meinem Ehemann/ meiner Ehefrau… entschieden, dass der gewöhnliche Aufenthalt unserer Tochter nicht mehr in Bayern ist, sondern nach Polen verlagert wird“).
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d) Soweit die Antragsteller in der Beschwerdebegründung vortragen, der Umzug nach Polen sei „quasi durch die Schulbehörden erzwungen“ worden, spricht dies eher dafür, dass die Antragsteller einen Umzug lediglich vorgeben, um die Schulpflicht für die Tochter zu umgehen und ihr weiterhin eine online-Beschulung ermöglichen zu können. Hierfür spricht auch der weitere Vortrag der Antragsteller, die Tochter habe klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht in den Präsenzunterricht zurückkehren wolle. Jedenfalls hätten die Antragsteller für den Fall, dass ernsthaft ein Umzug unternommen worden wäre, genügend Zeit gehabt, um – wie die Antragsteller im Schriftsatz vom 14. Juni 2023 vortragen –, eine „dauerhafte finanzierbare Bleibe“ zu finden. Auch Nachweise über die Anmietung von weiteren Unterkünften wurden mit Ausnahme der bereits im behördlichen Verfahren vorgelegten Nachweise für die Anmietung von Wohnraum bis zur Entscheidung des Senats nicht vorgelegt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Beendigung der Schulpflicht in Bayern durch einen Umzug der Tochter ins Ausland bei den Antragstellern und nicht beim Antragsgegner.
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e) Der Vortrag der Antragsteller, das Verwaltungsgericht habe nicht darauf hingewiesen, dass die Glaubhaftmachung über die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen der Antragsteller vom 28. April 2023 nicht ausreichend sei, es sei damit eine Überraschungsentscheidung ergangen und das rechtliche Gehör verletzt worden, vermag der Beschwerde in der Sache nicht zum Erfolg zu verhelfen.
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Ungeachtet dessen, dass es den Antragstellern bzw. deren Bevollmächtigtem obliegt, ihr Begehren in geeigneter Weise glaubhaft zu machen, würde ein etwa anzunehmender erstinstanzlicher Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs durch Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren geheilt. In den Grenzen des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO ermöglicht die Beschwerde – anders als Berufung und Revision, denen ein besonderes Zulassungsverfahren vorgeschaltet ist – eine umfassende, nicht von der erfolgreichen Rüge eines Verfahrensfehlers abhängige Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung.
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2. Mit dem Einwand, zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens sei klar hervorgehoben worden, dass nicht die Antragsteller unwillig seien, ihrer Verpflichtung aus Art. 76 Satz 2 BayEUG nachzukommen, sondern dass die Tochter klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, nicht in den Präsenzunterricht zurückzukehren, können die Antragsteller nicht gehört werden. Dieser Einwand betrifft nämlich nicht die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung, sondern die Rechtmäßigkeit der der Zwangsgeldandrohung zugrundeliegenden Bescheide des Antragsgegners vom 20. September 2022. Aus Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwZVG ergibt sich der tragende Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts, dass die Zulässigkeit der Vollstreckung keinen rechtmäßigen, sondern lediglich einen wirksamen und unanfechtbaren oder kraft Gesetzes oder besonderer Anordnung sofort vollziehbaren Verwaltungsakt voraussetzt (BayVGH, B.v. 23.3.2012 – 8 ZB 10.2342 – BeckRS 2012, 25878 Rn. 9). Die Grundverwaltungsakte des Antragsgegners vom 20. September 2022 wurden nach § 80 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwGO jeweils in Ziff. II für sofort vollziehbar erklärt. Die hiergegen von den Antragstellern gestellten Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO wurden mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichts vom 16. November 2022 rechtskräftig abgelehnt. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Grundverwaltungsakte können im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die (weiteren) Zwangsgeldandrohungen von den Antragstellern nicht mehr geltend gemacht werden.
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3. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Höhe des für jeden Elternteil jeweils in Ziff. I der streitgegenständlichen Bescheide angedrohten Zwangsgelds von 2.500 Euro nicht zu beanstanden ist. Bei der Entscheidung über die Höhe des Zwangsgelds steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG (15 Euro bis 50.000 Euro) ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG soll das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, wobei nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist. Im Einzelfall richtet sich die Höhe des Zwangsgelds in erster Linie nach der Wichtigkeit des von der Verwaltung verfolgten Zwecks, zum anderen nach der Intensität des geleisteten Widerstands, der gebrochen werden soll; ferner sind die wirtschaftliche Lage des Pflichtigen und sein wirtschaftliches Interesse an einem rechtswidrigen Zustand zu berücksichtigen (vgl. Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 12. Aufl. 2021, VwVG § 11 Rn. 8a). Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, ist das Zwangsgeld nicht dazu bestimmt, sich von einer Handlungspflicht freizukaufen, sondern es soll wirksam zur Erfüllung der Pflicht anhalten. Grundsätzlich ist eine Vollstreckungsbehörde nicht gehindert, auch gegen einen mittellosen Vollstreckungsschuldner ein Zwangsgeld zu verhängen. Andernfalls könnte sich ein Vollstreckungsschuldner allein unter Hinweis auf seine Mittellosigkeit seiner Ordnungspflicht entziehen, was ein in dieser Allgemeinheit mit dem öffentlichen Recht unvereinbares Ergebnis wäre (OVG NW, B.v. 15.8.2013 – 2 A 740/13 – NVwZ-RR 2014, 372).
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Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das den Antragstellern angedrohte Zwangsgeld i.H.v. jeweils 2.500 Euro ermessensfehlerhaft ist. Es bewegt sich am unteren Rand des gesetzlichen Rahmens. Zu berücksichtigen ist hierbei die mittlerweile erhebliche Dauer der Schulabwesenheit der Tochter der Antragsteller von zwei Schuljahren sowie die beharrliche Weigerung der Antragsteller, trotz mehrfach verhängter Zwangsgelder auf eine Verhaltensänderung der Tochter hinzuwirken. Sie versuchen im Gegenteil, die Tochter durch die vorgebliche „Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts“ in ihrer Verweigerungshaltung zu unterstützen. Der Einwand der Antragsteller, die bereits verhängten Zwangsgelder könnten nur durch entsprechende Kredite des Arbeitgebers bezahlt werden, die finanziellen Ressourcen der Familie seien erschöpft und durch die weiteren Zwangsvollstreckungen drohe der vollständige Ruin der Familie, verfängt nicht. Dieser Einwand käme nur dann zum Tragen, wenn die Höhe des jeweils festgesetzten Zwangsgelds im Verhältnis zum Einkommen der Antragsteller in einem eklatanten Missverhältnis stehen würde. Derartiges haben die Antragsteller schon nicht vorgetragen. Der Verwaltungsgerichtshof war nicht verpflichtet, durch richterlichen Hinweis auf eine Plausibilisierung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuwirken. Ob die bereits festgesetzten bzw. die nun angedrohten Zwangsgelder in der Summe die finanziellen Verhältnisse der Antragsteller übersteigen, ist bei der Entscheidung über die Höhe eines einzelnen Zwangsgelds nicht zu berücksichtigen. Hierfür spricht, dass nach Art. 33 Abs. 1 VwZVG bei Uneinbringlichkeit des Zwangsgelds die Anordnung von Ersatzzwangshaft als weiteres Druckmittel zur Durchsetzung einer dem Pflichtigen in einem Grundverwaltungsakt auferlegten Handlungspflicht unter den dort genannten Voraussetzungen möglich ist. Abgesehen davon liegt es in der Hand der Antragsteller, ihrer Verpflichtung, für den regelmäßigen Schulbesuch der Tochter zu sorgen, nachzukommen, und damit die Festsetzung und Vollstreckung des streitgegenständlichen (und ggf. weiterer) Zwangsgelder zu vermeiden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 38.3, 1.1.3 Halbs. 1 und 1.7.1 Satz 1 und 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).