Inhalt

VG München, Urteil v. 11.01.2023 – M 31 K 21.6234
Titel:

Zuwendungsrecht, Novemberhilfe, Antragsberechtigung (verneint), Güterbeförderung im Straßenverkehr

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe)
Schlagworte:
Zuwendungsrecht, Novemberhilfe, Antragsberechtigung (verneint), Güterbeförderung im Straßenverkehr
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2061

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe).
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Unter dem 30. April 2021 beantragte der Kläger über das einschlägige elektronische Antragsportal die Novemberhilfe als außerordentliche Wirtschaftshilfe der Bundesregierung (Az. …). Hinsichtlich der Branchenzugehörigkeit gab er im Antrag „Güterbeförderung im Straßenverkehr“ an. Als Grund der Antragstellung wurde eine direkte Betroffenheit angegeben. Der relevante Vergleichsumsatz im November 2019 wurde im Antrag mit 6.800,- EUR beziffert. Unter anderem auf dieser Grundlage ergab sich im elektronischen Antrag eine voraussichtliche Höhe der Novemberhilfe von 4.930.- EUR. Ein von der Beklagten durchgeführter Abgleich der Antragsdaten mit dem Landesamt für Steuern ergaben, dass unter der vom Kläger angegebenen Steuernummer kein aktives Unternehmen festgestellt werden konnte. Mit Schreiben vom 5. August 2021 stellte die Beklagte Rückfragen zum Antrag, forderte Nachweise und teilte mit, dass sie auf Grundlage der vorliegenden Informationen beabsichtige, den Antrag abzulehnen; sie gewährte Frist zur Stellungnahme bis 19. August 2021.
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Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Oktober 2021, der dem Kläger mit E-Mail vom selben Tag übersandt wurde, lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Novemberhilfe ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf eine fehlende Mitwirkung des Klägers bezüglich entscheidungserheblicher Angaben und in der Folge auf ein Fehlen der Fördervoraussetzungen abgestellt.
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Mit Schreiben vom 24. November 2021, eingegangen bei Gericht am 1. Dezember 2021 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Oktober 2021 die beantragte Novemberhilfe zu gewähren.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünde auf Grundlage seiner Angaben im Antrag die Novemberhilfe zu; diese sei willkürlich versagt worden.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Die Beklagtenbevollmächtigte macht zunächst geltend, die Klage sei bereits unzulässig, da der Bescheid vom 21. Oktober 2021 am dritten Tag, nachdem die elektronische Benachrichtigung über die Bereitstellung zum Abruf an die abrufbereite Person abgesendet wurde, als bekannt gegeben gelte. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet, da der streitbefangene Bescheid rechtmäßig ergangen sei. Zum einen habe der Abgleich der Antragsdaten mit dem Landesamt für Steuern ergeben, dass unter der vom Kläger angegebenen Steuernummer kein aktives Unternehmen festgestellt werden konnte. Zum anderen sei der Kläger weder direkt noch indirekt im Sinne von Ziffer 2.1 der Förderrichtlinien von den Schließungen betroffen.
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Mit Beschluss vom 21. November 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2023 trotz des Ausbleibens des Klägers entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger ist mit Verfügung vom 20. Dezember 2022, ihm zugestellt am 21. Dezember 2022, form- und fristgerecht geladen worden; er wurde in der Ladung auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung auch bei Ausbleiben eines Beteiligten hingewiesen. Aus dem unmittelbar vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 2023 eingegangenen Schreiben des Klägers, in dem er mitteilte, er befinde sich im Krankenstand und könne den Termin daher nicht wahrnehmen, folgt nichts Anderes. Ein Schreiben, mit der Verhinderung aufgrund von Krankheit ohne Beifügung eines entsprechenden ärztliche Bescheinigung Verhandlungsunfähigkeit behauptet wird, begründet keine Vertagung des Termins (vgl. Dolderer: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, Rn. 25), worauf der Kläger im Übrigen bereits mit Schreiben vom 16. Dezember 2022 hingewiesen wurde.
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Die Klage ist bereits unzulässig; sie wäre darüber hinaus auch unbegründet.
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1. Der angefochtene Bescheid ist zwischenzeitlich in Bestandskraft erwachsen, da die Klage nicht fristgerecht binnen einen Monats nach Bekanntgabe des streitgegenständlichen Verwaltungsakts erhoben wurde, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Denn gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 3 des Bayerischen E-Governmentgesetzes gilt der Bescheid vom 21. Oktober 2021 am dritten Tag, nachdem die elektronische Benachrichtigung über die Bereitstellung zum Abruf an die abrufbereite Person abgesendet wurde – hier ebenfalls am 21. Oktober 2021 geschehen-, als bekannt gegeben. Der elektronischen Kommunikation über die im Antrag angegebene E-Mail-Adresse stimmte der Kläger im Verfahren ausdrücklich zu (Bl. 6 der Behördenakte). Der am 21. Oktober 2021 per E-Mail übersandte Bescheid ist damit spätestens am 24. Oktober 2021 bekannt gegeben worden, was die Klagefrist in Gang setzte, die damit am 24. November 2021 endete. Damit erfolgte die Klageerhebung zum 1. Dezember 2022 nach Ablauf der Klagefrist.
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2. Die Klage wäre bei unterstellter Zulässigkeit jedenfalls aus folgenden Erwägungen heraus auch unbegründet: Der Kläger hat gegen die Beklagte den von ihm geltend gemachten Anspruch, gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der von ihm unter dem 30. April 2021 beantragten Novemberhilfe i.H.v. 4.930 Euro, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid vom 21. Oktober 2021 als rechtmäßig.
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2.1 Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
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Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
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Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 31.3.2022 – 6 ZB 21.2933 – juris Rn. 7; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 5.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 23).
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Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. Im Vorwort der hier einschlägigen Richtlinie des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe – BayMBl. 2020, Nr. 680 vom 24. November 2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 21.12.2021, BayMBl. 2022 Nr. 26) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Novemberhilfe im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt.
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2.2 Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung, weil es bei ihm nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten an mehreren Fördervoraussetzungen für die Gewährung der Novemberhilfe fehlt.
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Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in ihrer ständigen Vollzugspraxis aufgrund fehlender Mitwirkung des Klägers im Förderverfahren trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beklagte, zu offenen Fragen Stellung zu nehmen, von einem Fehlen der Fördervoraussetzungen ausgeht.
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Grundsätzlich liegt es gerade in Zuwendungsverfahren in der Sphäre des Zuwendungsempfängers, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuwendung bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt darzulegen und nachzuweisen (VG Halle, U.v. 25.4.2022 – 4 A 28/22 HAL – BeckRS 2022, 9223 Rn. 25; VG München, U.v. 20.9.2021 – M 31 K 21.2632 – BeckRS 2021, 29655 Rn. 24 u. 26 ff.; VG Würzburg, U.v. 25.7.2022 – W 8 K 22.289 – juris Rn. 31 f.; U.v. 26.7.2021 – W 8 K 20.2031 – juris Rn. 21; VG Weimar, U.v. 29.1.2021 – 8 K 795/20 We – juris Rn. 31; U.v. 17.9.2020 – 8 K 609/20 – juris Rn. 26). Denn da die streitige Zuwendung eine freiwillige staatliche Leistung darstellt, ist ihre Gewährung von einer Mitwirkung des Antragstellers bzw. der Antragstellerin im Rahmen des Zuwendungsantrags, insbesondere von der Mitteilung und Substantiierung zutreffender, zur Identifikation und für die Förderfähigkeit notwendiger Angaben abhängig. Im Übrigen trifft jeden Antragsteller im Rahmen eines Zuwendungsverfahrens auch eine zur allgemeinen Mitwirkungspflicht (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) hinzutretende (erhöhte) Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben (BayVGH, B.v. 20.7.2022 – 22 ZB 21.2777 – juris Rn. 16; VG Würzburg, U.v. 25.7.2022 – W 8 K 22.289 – juris Rn. 31 f.).
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Der Kläger hat indes im Rahmen des Förderverfahrens weder im Rahmen der Anhörung vom 5. August 2021 Angaben dazu gemacht, weshalb sein Unternehmen bei dem Abgleich mit den Daten der Steuerverwaltung als „kein aktives Unternehmen im StNr.-Verbund“ geführt werde noch entsprechende Unterlagen zum Nachweis zu seiner geltend gemachten Antragsberechtigung vorgelegt. Erst nach Erhalt des Ablehnungsbescheids reagierte der Kläger mit einem Schreiben vom 10. November 2021, allerdings mit dem bloßen Verweis darauf, er habe bereits bei Antragstellung alle Angaben gemacht.
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Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist nach der geübten Verwaltungspraxis der Beklagten der Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2022 – 6 C 21.2701 – juris Rn. 8 und 10; B.v. 25.1.2021 – 6 ZB 20.2162 – juris Rn. 17; vgl. auch SächsOVG, U.v. 16.2.2016 – 1 A 677.13 – juris Rn. 67), weil bzw. wenn und soweit die Zuwendungsvoraussetzungen allein aufgrund der bis zur behördlichen Entscheidung eingegangenen Unterlagen bewertet werden. Dem materiellen Recht folgend, das hier vor allem durch die Richtlinie und deren auch schriftsätzlich vorgetragener Anwendung durch die Beklagte in ständiger Praxis vorgegeben wird, ist daher auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen, so dass neuer Tatsachenvortrag oder die Vorlage neuer Unterlagen im Klageverfahren irrelevant sind (VG Würzburg, U.v. 25.7.2022 – W 8 K 22.289 – juris Rn. 31; U.v. 26.7.2021 – W 8 K 20.2031 – juris Rn. 21; vgl. auch VG Weimar, U.v. 17.9.2020 – 8 K 609/20 – juris Rn. 26; VG München, U.v. 23.2.2022 – M 31 K 21.418 – juris Rn. 22; U.v. 27.8.2021 – M 31 K 21.2666 – juris Rn. 27; B.v. 25.6.2020 – M 31 K 20.2261 – juris Rn. 19).
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Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinie und der darauf aufbauenden Förderpraxis bestehen mithin keine Anhaltspunkte. Der Kläger wird nicht anders behandelt als andere Antragstellerinnen und Antragsteller. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in vergleichbaren Zuwendungsfällen anders verfahren wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Nach alledem war die verbleibende Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.