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VG München, Urteil v. 20.06.2023 – M 13 K 19.31875
Titel:

Klage ohne ladungsfähige Anschrift unzulässig

Normenkette:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Eine Klage ist unzulässig, wenn dem Gericht die – aktuelle – ladungsfähige Anschrift des Klägers nicht bis spätestens zum Schluss der mündlichen Verhandlung mitgeteilt wird. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Herkunftsland: Nigeria, unzulässige Klage, keine ladungsfähige Anschrift, Mindestanforderung an die Klage, Mitwirkungspflichten, Adressänderung, Umzug nach Klageerhebung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20312

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger, ein am … … 2018 im Bundesgebiet geborener nigerianischer Staatsangehöriger, stellte, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, am 25. Oktober 2018 beim Bundesamt für ... (Bundesamt) einen Asylantrag.
2
Unter Verweis darauf, dass es sich bei dem Kläger um ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter sechs Jahren handle und aufgrund der beigezogenen Verfahrensakten der Eltern ausreichend geklärt sei, sah das Bundesamt von einer persönlichen Anhörung ab und lehnte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16. April 2019, der Klageseite zugestellt am 15. Mai 2019, die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde zur Ausreise binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens aufgefordert und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Nigeria oder einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Das für den Fall der Abschiebung verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
3
Hiergegen hat die gesetzliche Vertreterin des Klägers durch eine Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 16. Mai 2019, am selben Tage bei Gericht eingegangen, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben lassen, beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass der Kläger asylberechtigt ist, die Flüchtlingseigenschaft bei ihm vorliegt, der subsidiäre Schutzstatus bei ihm vorliegt, Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei ihm vorliegen.
4
In der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2023 war der Kläger bzw. dessen gesetzliche Vertreterin weder persönlich anwesend noch durch einen Bevollmächtigten vertreten. Die Beklagte war ebenfalls nicht vertreten.
5
Eine seitens des Gerichts am 20. Juni 2023 durchgeführte AZR-Meldeabfrage hat ergeben, dass die Mutter und gesetzliche Vertreterin des Klägers bereits seit dem 19. März 2021 als nach Unbekannt verzogen gemeldet ist.
6
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
7
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2023 über die Verwaltungsstreitsache verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten mit der Ladung auf diese Folge ihres Ausbleibens hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
8
Die Klage ist bereits unzulässig, da die Voraussetzung des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht erfüllt sind.
9
(1) Außer dem Namen ist mit der Klage auch die ladungsfähige Anschrift des Klägers anzugeben. Ladungsfähige Anschrift ist die Anschrift, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist. Bei einer natürlichen Person ist dies in der Regel die Wohnungsanschrift. Bei einer Änderung während des Prozesses – wie im vorliegenden Fall – ist diese mitzuteilen. Das ergibt sich aus der dem Kläger obliegenden Mitwirkungspflicht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers soll nämlich nicht nur dessen hinreichende Individualisier- und Identifizierbarkeit sicherstellen und die Zustellung von Entscheidungen, Ladungen sowie gerichtlichen Verfügungen ermöglichen; sie soll vielmehr darüber hinaus auch gewährleisten, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt und sich im Falle des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann (vgl. zum Ganzen Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 3). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage (BVerwG, B.v. 14.2.2012 – 9 B 79/11 – juris), die spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss.
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(2) Laut AZR-Meldeabfrage vom 20. Juni 2023 liegt bereits seit dem 19. März 2021 eine Meldung als nach Unbekannt verzogen vor. Weder die gesetzliche Vertreterin des Klägers noch die Prozessbevollmächtigte haben bis zur mündlichen Verhandlung dem Gericht eine neue ladungsfähige Anschrift mitgeteilt.
11
Zur mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2023 ist weder die gesetzliche Vertreterin des Klägers noch die Bevollmächtigte erschienen.
12
Im für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt liegt somit keine ladungsfähige Anschrift vor, weshalb die Klage unzulässig und folglich abzuweisen ist.
III.
13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
14
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.