Titel:
Fälligstellung eines Zwangsgelds, Zur Nichtigkeit führende Unbestimmtheit einer Zwangsgeldandrohung (verneint)
Normenketten:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1
VwZVG Art. 19
VwZVG Art. 31
BayNatSchG Art. 6 Abs. 2 Satz 1
Schlagworte:
Fälligstellung eines Zwangsgelds, Zur Nichtigkeit führende Unbestimmtheit einer Zwangsgeldandrohung (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20301
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Fälligstellung eines Zwangsgelds.
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Am 7. Juli 2021 kontaktierte der Kläger die Untere Naturschutzbehörde, um die Zulässigkeit der Fällung einer Linde neben seiner Garage auf dem von ihm kürzlich erworbenen und selbst bewohnten Grundstück in der …-str. 6, … … (FlNr. …/5, Gemarkung …) prüfen zu lassen.
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Am 12. Juli 2021 erfolgte eine naturschutzfachliche Inaugenscheinnahme durch die Naturschutzfachkraft des Landratsamts M. Ihre Prüfung ergab, dass sich auf dem klägerischen Grundstück mehrere naturschutzfachlich bedeutsame Laubbäume befänden. Bei der Linde an der Garage handele es sich um einen deutlich über hundert Jahre alten und aus naturschutzfachlicher Sicht sehr wertvollen Baum. Die Linde habe einen Doppelstamm mit Stammdurchmessern von 80-90 cm, einen Kronendurchmesser von ca. 18 m und eine Höhe von ca. 28 m. Der Baum sei sehr vital und habe eine hohe naturschutzfachliche Wertigkeit und Ortsbildprägung. Seine Wirkung reiche aufgrund der Ortsrandlage weit in die umgebende Landschaft hinein. Er sei Teil eines ursprünglichen Althags und trage damit wesentlich zum charakteristischen Orts- und Landschaftsbild seiner Umgebung bei. Zwar sei in der Krone in geringem Umfang Totholz vorhanden. Dies weise jedoch nicht auf eine mangelnde Vitalität hin.
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Aus diesem Grund wurde dem Kläger bei der Inaugenscheinnahme mitgeteilt, dass über einen geringen Totholzbestand hinaus keine Schadensmerkmale festgestellt worden seien, welche auf eine Gefährdung der Bruch- und Verkehrssicherheit der Linde hinwiesen. Eine Fällung sei daher aus naturschutzfachlicher Sicht abzulehnen.
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Als der Kläger gegenüber der Naturschutzfachkraft seiner Sorge um eine Gefährdung seiner Kinder durch herabfallende Äste Ausdruck verlieh, teilte diese ihm mit, dass die Entfernung von Totholz eine normale Baumpflegemaßnahme darstelle, die turnusmäßig wiederholt werden müsse und jederzeit zulässig sei. Der Kläger fragte daraufhin bereits nach der Höhe des Bußgelds im Falle der Fällung der Linde. Er kündigte darüber hinaus an, zumindest die Linde an der Garage stark beschneiden zu lassen.
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Bei der Inaugenscheinnahme stellte die Naturschutzfachkraft zudem fest, dass sich auf der südlichen Seite des klägerischen Grundstücks eine zweite Linde befindet, die – ebenso wie die Linde an der Garage – unter den Schutz der Einfriedungssatzung des Markts Holzkirchen vom 15. Februar 2018 fällt. Nach § 4 Abs. 1 der Einfriedungssatzung dürfen für das Landschaftsbild bedeutsame Laubbäume auf nicht überbauten Flächen bebauter Grundstücke ohne Zustimmung der Gemeinde nicht beseitigt oder beschädigt werden.
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Im Hinblick auf eine zu besorgende Gefahr der Baumfällungen durch den Kläger wurde dieser mit Schreiben vom 22. Juli 2021 zu den beabsichtigten Untersagungsanordnungen angehört. Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht.
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Mit Bescheid vom 16. September 2021, zugestellt am 23. September 2021, erließ die Untere Naturschutzbehörde den angekündigten Untersagungsbescheid. In Nr. 1 des Bescheids untersagte sie „die Beseitigung sowie erhebliche Beschädigung durch nicht fachgerechte Schnittmaßnahmen von zwei bedeutsamen Linden auf der FlNr. …/5, Gemarkung …, einer Linde auf Höhe der Garage zu FlNr. …/6 (Doppelstamm mit Stammdurchmessern von 80-90 cm und einem Kronendurchmesser von ca. 18 m und einer Höhe von ca. 28 m) und einer Linde am südlichen Ende der FlNr. …/5“. Im Anschluss definierte sie den Begriff der erheblichen Beschädigung. In Nr. 2 des Bescheids ordnete die Behörde an: „Falls Sie der in Ziffer 1 dieses Bescheides festgelegten Verpflichtung zuwiderhandeln, wird sofort ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro fällig.“ Die Behörde ordnete zudem die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 des Bescheids an (Nr. 3). Sie machte einen beigefügten Lageplan zum Inhalt des Bescheids (Nr. 4) und stellte klar, dass für den Bescheid keine Kosten erhoben werden (Nr. 5).
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Der Bescheid wird auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der freien Natur (Bayerisches Naturschutzgesetz – BayNatSchG) gestützt. Der Kläger habe beim Ortstermin zweifelsfrei zu erkennen gegeben, zumindest den Baum in Garagennähe beseitigen oder stark beschneiden lassen zu wollen. Aufgrund der hohen naturschutzfachlichen Wertigkeit der beiden Linden dürften diese jedoch nicht beschädigt werden. Die Untersagung der Beseitigung oder erheblichen Beschädigung der Linden sei erforderlich, um vollendete Tatsachen zu verhindern. Bei der Bemessung der Höhe des Zwangsgelds werde „jeweils“ das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Befolgung des Bescheids berücksichtigt.
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Die Untersagungsanordnung und die Zwangsgeldandrohung erwuchsen in Bestandskraft, da der Kläger sie nicht angefochten hat.
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Am 18. November 2021 beseitigte der Kläger die Linde an der Garage. Hierzu trägt er Folgendes vor: Da am 21. Oktober 2021 das Sturmtief „Hendrik“ mit Orkanböen angekündigt worden sei und einige Tage zuvor bereits Totholzäste mit einem Durchmesser bis zu 10 cm von der Linde gefallen seien, habe er eine unmittelbare Gefahr für seine Familie, das Haus und die Garage befürchtet. Bei der Abtragung des Baums habe er festgestellt, dass der Baum im Inneren bereits erheblich verfault gewesen sei.
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Mit Schreiben vom 13. Januar 2022 stellte die Behörde das im Bescheid vom 16. September 2021 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro fällig.
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Am 9. Februar 2022 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage und beantragte,
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festzustellen, dass das im Bescheid vom 16. September 2021 angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden ist.
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Zur Begründung führte der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen an, dass die Zwangsgeldandrohung wegen Unbestimmtheit nichtig sei. Aus ihr gehe nicht klar hervor, ob das Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro bereits fällig werde, wenn der Kläger nur gegen eine der beiden Untersagungsanordnungen (Beschädigung der Linde an der Garage oder Beschädigung der Linde am südlichen Ende des Grundstücks) verstoße oder erst dann, wenn er kumulativ beide Verpflichtungen verletze. Allenfalls könne daher ein Zwangsgeld von 4.000 Euro gefordert werden. Der Kläger habe zudem nicht gegen die Untersagungsanordnungen verstoßen wollen, vielmehr habe Gefahr im Verzug bestanden. Die Höhe des Zwangsgelds sei unangemessen und nicht ordnungsgemäß begründet worden. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Behörde das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Unterlassung der Fällung berücksichtigt habe, das grundsätzlich den Kosten für die Fällung entspreche und daher weit unter 8.000 Euro liege.
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Mit Schriftsatz vom 7. April 2022 beantragte der Beklagte,
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Die Behörde trug dabei im Wesentlichen vor, für den Kläger sei erkennbar gewesen, dass das volle Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro bereits bei Fällung allein der Linde an der Garage fällig werden sollte. Denn aus dem Bescheid gehe hervor, dass der Erhalt beider Bäume für sich genommen für den Bestand der vorhandenen Hagstruktur notwendig sei. Der Tenor der Nr. 2 des Bescheids mache daher deutlich, dass das Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro bei Zuwiderhandlung gegen Nr. 1 des Bescheids „sofort“ fällig werden solle. Die Höhe des Zwangsgelds sei aufgrund der großen Bedeutung der streitgegenständlichen Linden für das Landschaftsbild und aufgrund ihrer jeweiligen ökologischen Funktion angemessen. Die Zwangsgeldandrohung sei fällig geworden, da der Kläger seine Verpflichtungen aus Nr. 1 des Bescheids nicht erfüllt habe. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts seien wegen seiner Bestandskraft ausgeschlossen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2023 hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts vorgetragen, er habe vor der Baumfällung deshalb nicht beim Landratsamt angerufen und um eine eilige Entscheidung gebeten, weil er davon ausgegangen sei, dort niemanden zu erreichen. Dies sei aufgrund seiner vorherigen Kontakte als Baueingabeberechtigter der Fall gewesen. Der Beklagte entgegnete, dass eine baumsachverständige Naturschutzfachkraft des Landratsamts bei Bedarf, gerade bei Gefahr im Verzug, sehr kurzfristig erreichbar sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der elektronisch vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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A. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage. Die Zwangsgeldforderung ist ein aus dem durch die Zwangsgeldandrohung begründeten Rechtsverhältnis zwischen der Behörde als Vollstreckungsgläubiger und dem Kläger als Vollstreckungsschuldner abgeleiteter Anspruch. Bei der Mitteilung der Fälligkeit eines angedrohten Zwangsgelds handelt es sich nicht um einen mittels vorrangiger Anfechtungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) angreifbaren Verwaltungsakt, sondern um die Mitteilung eines Bedingungseintritts. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (BayVwZVG) liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgelds ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 BayVwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Wird die sich aus dem Grundbescheid ergebende Pflicht daher nicht innerhalb der Handlungsfrist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG erfüllt, wird die Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG kraft Gesetzes zur Zahlung fällig. Gegen die Mitteilung dieses Bedingungseintritts, also die Fälligkeitsmitteilung, kann sich ein Betroffener mit einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO zur Wehr setzen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 12 ZB 22.2541 – juris Rn. 16 m.w.N.).
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2. Das Feststellungsinteresse des Klägers nach § 43 Abs. 1 VwGO liegt darin, dass die Behörde mit der Mitteilung der Fälligstellung zu erkennen gibt, dass sie das Zwangsgeld beitreiben möchte, sich also des Bestehens der Zwangsgeldforderung „berühmt“, sodass der Kläger nun einer öffentlich-rechtlichen Forderung ausgesetzt ist (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 149. EL Jan. 2023, Art. 76 Rn. 484).
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
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1. Alleiniger Prüfungsinhalt einer gegen die Mitteilung der Fälligstellung eines Zwangsgelds gerichteten Feststellungsklage ist die Frage, ob
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- die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 VwZVG vorliegen, insbesondere muss ein wirksamer Grundverwaltungsakt gegeben sein (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12, s. hierzu unter II.2.), und
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- die Voraussetzungen der Fälligkeit nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG vorliegen, also ob die Verpflichtung rechtzeitig und vollständig erfüllt wurde (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12; VG Ansbach, U.v. 7.3.2022 – AN 3 K 21.01172 – juris Rn. 37 m.w.N., s. hierzu unter II.3. und II.4.).
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Auf die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts kommt es dagegen nicht an (BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – juris Rn. 12 m.w.N., s. hierzu unter II.5.). Denn nach Art. 38 Abs. 3 VwZVG sind förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels, zu welcher die Fälligstellung eines Zwangsgelds gehört (BayVerfGH, U.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 48), nur insoweit zulässig, als die Anwendung eine selbstständige Rechtsverletzung darstellt (VG Ansbach, U.v. 7.3.2022 – AN 3 K 21.01172 – juris Rn. 30). Damit sind Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der der Fälligstellung zugrundeliegenden Grundverwaltungsakte – hier der Untersagungsanordnungen und der Androhung des Zwangsgelds – ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12 ff.). Allein eine etwaige Nichtigkeit der Untersagungsanordnung oder der Zwangsgeldandrohung, nicht aber deren Rechtswidrigkeit, kann mithin zum Erfolg der Klage in der Sache führen.
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2. Die der Mitteilung über die Fälligstellung des Zwangsgelds zugrundeliegenden Grundverwaltungsakte sind hier wirksam.
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2.1 Dies gilt zunächst für die Zwangsgeldandrohung (Nr. 2 des Bescheids).
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2.1.1 Da Gründe für eine Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) weder vorgebracht noch erkennbar sind, kann sich eine Nichtigkeit der Zwangsgeldandrohung nur aus Art. 44 Abs. 1 BayVfVfG ergeben. Der Kläger trägt hierzu vor, die Zwangsgeldandrohung sei zu unbestimmt. Eine Nichtigkeit ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn die Zwangsgeldandrohung an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich, d.h. eindeutig erkennbar ist. Hiervon kann nur ausgegangen werden bei absoluter Unverständlichkeit, Widersprüchlichkeit, oder gänzlicher Ungeeignetheit des betreffenden Verwaltungsakts (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 44 Rn. 113 f.; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 44 Rn. 26). Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Grundverwaltungsakts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1994 – 8 C 2/92 – juris Rn. 8). Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, wenn sich die hinreichende Klarheit für den Adressaten im Wege einer an Treu und Glauben orientierten Auslegung unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der Begründung der Entscheidung und den den Beteiligten näher bekannten Umständen des Erlasses (wie z.B. vorangegangenen Anträgen und dergleichen) gewinnen lässt (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 17).
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2.1.2 Diese Maßstäbe zugrunde gelegt führt die vom Kläger vorgebrachte Unbestimmtheit der Zwangsgeldandrohung (einheitliches Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro ohne Klarstellung, welches Zwangsgeld bei der Fällung nur eines Baums fällig werden soll) nicht zu ihrer Nichtigkeit. Aus einer vorrangigen Auslegung unter Heranziehung der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids ergibt sich, dass die Behörde von zwei Unterlassungshandlungen ausgeht, die jeweils mit einem Zwangsgeld von 8.000 Euro bewehrt sind.
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(1) Wie der Klägerbevollmächtigte selbst vorträgt sind dem Bescheid zwei Unterlassungsanordnungen zu entnehmen, da die Behörde in Punkt II.5. des Bescheids ausführt, die Höhe des Zwangsmittels berücksichtige „jeweils“ das wirtschaftliche Interesse des Klägers.
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Die Behörde misst einer vollständigen Beseitigung und einer erheblichen Beschädigung in ihren negativen Auswirkungen für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild dabei erkennbar keinen Unterschied zu, da beide Veränderungen der Gestalt von Grünflächen und damit Eingriffe in Natur und Landschaft i.S.d. § 14 Abs. 1 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) darstellen würden (vgl. II.2. Abs. 2 und die Gleichstellung im Tenor des Bescheids).
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(2) Aus der Begründung geht zudem hervor, dass für eine Verletzung jeder der beiden Anordnungen jeweils ein Zwangsgeld von 8.000 Euro angedroht wurde.
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(2.1) Die Auslegung des Bescheids ergibt zunächst, dass die Naturschutzbehörde beide Linden gleichermaßen für schützenswert hält, da sie diese bei der rechtlichen Bewertung stets im selben Zug nennt (s. Punkt II.2. des Bescheids) und von einer naturschutzfachlichen Wertigkeit beider Linden ausgeht (s. Punkt I. Abs. 3 des Bescheids).
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(2.2) Für den Kläger war auch erkennbar, dass schon für die Beseitigung oder erhebliche Beschädigung der Linde an der Garage das volle Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro fällig werden und diese Rechtsfolge lediglich auf die zweite Linde am südlichen Grundstücksende erstreckt werden sollte.
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Die Linde an der Garage – die der Kläger fällen wollte, weil er wegen der Nähe zum Wohngebäude Gefahren für seine Familie befürchtete – war zunächst alleiniger Anlass der Untersagungsanordnung. Der Kläger wandte sich nur mit Blick auf diese Linde für eine Prüfung der Zulässigkeit einer Fällung an die Untere Naturschutzbehörde. Auch bei der Ortsbesichtigung stand die Fällung der zweiten Linde an der südlichen Grundstücksgrenze nicht explizit im Raum. Der Kläger erkundigte sich daher auch nur hinsichtlich der Linde an der Garage nach der Höhe des Bußgelds im Falle einer Fällung. Die Behörde erstreckte die Untersagungsanordnung nur deshalb auf die zweite Linde, weil sie fürchtete, dass diese anlässlich der Fällung der Linde neben der Garage durch eine Fachfirma ebenfalls beseitigt werden könnte. Denn der Kläger habe bei dem Ortstermin angegeben, „zumindest“ die Linde neben der Garage fällen zu wollen (s. hierzu Punkt I. Abs. 2 und Punkt II.3.3 des Bescheids). Nach den Feststellungen der Naturschutzfachkraft bei der Ortsbesichtigung fällt aber auch die zweite Linde unter den Schutz der Einfriedungssatzung des Markts Holzkirchen (s. Punkt I. Abs. 2 des Bescheids). Daher wurde die Untersagung der Fällung und erheblichen Beschädigung der zweiten, am südlichen Grundstücksende gelegenen Linde vorsorglich mit in den Bescheid aufgenommen. Dementsprechend ist Gegenstand des Sachverhalts im Bescheid in erster Linie die Linde an der Garage (s. unter Punkt I. des Bescheids). Nur diese ist in Nr. 1 des Tenors genauer bezeichnet. Somit musste der Kläger nach den ihm näher bekannten Umständen des Erlasses und den Gründen des Bescheids davon ausgehen, dass dieser vorrangig die Linde an der Garage betraf, bei deren Beseitigung oder erheblicher Beschädigung ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro „sofort“ fällig werden sollte. Diese Rechtsfolge wollte die Behörde in den rechtlichen Erwägungen des Bescheids für den Kläger daher erkennbar nur auf die zweite Linde erstrecken. Ihre Beseitigung sollte nicht bereits unter das Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro fallen.
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(2.3) Vor diesem konkreten Hintergrund des Bescheidserlasses und derselben Bedeutung der einzelnen Pflichten (s. hierzu bereits die Ausführungen unter II.2.1.2 (1) und (2.1)) ist die Zwangsgeldandrohung dahingehend auszulegen, dass bei jeder Pflichtverletzung, d.h. bei der Beseitigung oder erheblichen Beschädigung jeder der Linden, jeweils ein Zwangsgeld in der angedrohten Höhe von 8.000 Euro fällig wird.
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Zwar wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten, dass die Androhung eines einheitlichen Zwangsgelds im Hinblick auf eine Vielzahl unterschiedlicher Pflichten nicht nur rechtswidrig, sondern – ungeachtet ihrer Wirksamkeit und Bestandskraft – auch keine taugliche Grundlage für spätere Maßnahmen in der Zwangsvollstreckung sei (vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2022 – M 22 K 20.2230 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 23.8.2021 – 10 C 21.1944 – juris Rn. 4 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 1.2.2010 – 10 CS 09.3202 – juris Rn. 8 und VGH Baden-Württ., U.v. 17.8.1995 – 5 S 71/95 – juris Rn. 32 ff. i.V.m. Leitsatz 1).
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Die dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden Fälle beziehen sich jedoch – wie in den Entscheidungen ausdrücklich klargestellt wird – auf ungleichartige Pflichten, insbesondere auf verschiedene Anordnungen zur Hundehaltung (Leinenzwang, ausbruchsichere Unterbringung, Wesenstest etc.). Diesen Anordnungen kommt schon aus wirtschaftlicher Sicht für den Betroffenen unterschiedliche Bedeutung zu. Bei den Untersagungen der Fällungen und erheblichen Beschädigungen der streitgegenständlichen Linden handelt es sich jedoch – wie dargelegt – anhand der Gründe des Bescheids und den Umständen seines Erlasses für den Kläger erkennbar um gleichartige und gleichrangige Pflichten, sodass bei jeder Pflichtverletzung das volle Zwangsgeld fällig werden soll (vgl. VGH Baden-Württ., U.v. 6.2.1980 – 3 S 1381/79 – DÖV 1980, 655, im Langtext abrufbar unter: Landesrecht BW Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 3. Senat | III 1381/79 | Urteil | Zwangsgeldandrohung für mehrere Auflagen – Zustellung an Eheleute – Bauordnungsrecht (ausreichende Grubengröße) – Streitwert | Langtext vorhanden (landesrecht-bw.de), Rn. 19). Selbst wenn man die erhebliche Beschädigung im Vergleich zur Beseitigung als ungleichartige Pflicht ansehen würde, musste dem Kläger hier klar sein, dass jedenfalls bei der Beseitigung das Zwangsgeld in voller Höhe ausgeschöpft wird.
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Der Auslegung, dass bereits bei der Fällung einer der Linden das Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro fällig werden sollte, steht im konkreten Fall auch nicht die Höhe des Zwangsgelds entgegen. Mit Blick auf die Zielsetzung der Behörde, vollendete Tatsachen zu verhindern, sowie mit Blick auf die große Bedeutung der hohen und alten Bäume, insbesondere ihrer – durch eine Ersatzbepflanzung nicht ausgleichbaren – ökologischen Funktion (z.B. Lebensraum für eine Vielzahl von Lebewesen, Beschattung, Begrünung, Umwandlung von CO₂ in Sauerstoff) musste der Kläger mit einem Bußgeld dieser Höhe für die Fällung bereits einer der beiden Linden rechnen. Dies gilt umso mehr, als er sich bereits nach dem Bußgeld im Falle einer Zuwiderhandlung erkundigte und damit zu erkennen gab, sich den Untersagungsanordnungen widersetzen zu wollen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Zwangsgelder als Beugemittel dazu geeignet sein müssen, auf den Willen des Adressaten einzuwirken und ihn zu rechtstreuem Verhalten anzuhalten. Daher erscheint das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro für die Fällung einer der beiden Linden nicht derart hoch, dass die Fälligstellung in dieser Höhe für den Kläger nicht zu erwarten war.
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(3) Im Ergebnis ist die Zwangsgeldandrohung einer Auslegung zugängig. Sie versetzt den Adressaten – im Sinne der von der Klägerseite zitierten Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG, B.v. 9.7.2019 – 9 B 29/18 – juris Rn. 9) – in die Lage, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Ein besonders schwerwiegender, offensichtlicher Fehler im Sinne einer absoluten Unbestimmtheit, der nicht nur die Rechtswidrigkeit des Bescheids, sondern auch seine Nichtigkeit bzw. mangelnde Vollstreckbarkeit zur Folge hätte, kann daher nicht angenommen werden.
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2.2 Auch die der Zwangsgeldandrohung zugrundeliegenden beiden Untersagungsanordnungen (Nr. 1 des Bescheids) sind wirksam.
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Soweit danach die Beseitigung oder erhebliche Beschädigung „von zwei Linden“ untersagt wird, ist hierin schon keine – zunächst nur zur Rechtswidrigkeit der Anordnung führende – Unbestimmtheit i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVfVfG zu sehen. Bereits nach allgemeinem Sprachverständnis impliziert der im Bescheid beigefügte Zusatz „[…] einer Linde auf Höhe der Garage und einer Linde am südlichen Ende“, dass nicht nur beide Linden in Kombination, sondern vielmehr keine der beiden Linden gefällt oder erheblich beschädigt werden darf. Andernfalls wäre eine Verdeutlichung („von beiden Linden gemeinsam“) zu erwarten gewesen. Dies ergibt sich jedenfalls unter Heranziehung der Gründe des Bescheids, aus denen hervorgeht, dass beide Linden für sich genommen gleichermaßen schützenswert sind (s.o. unter II.2.1.2 (2.1)) sowie aus dem Umstand, dass die Behörde ersichtlich von zwei Untersagungsanordnungen ausgeht (s.o. unter II.2.1.2 (1)).
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3. Die Zwangsgeldandrohung vom 16. September 2021 als Leistungsbescheid ist nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG auch vollstreckbar, da der Kläger die Untersagungsanordnungen und die Androhungsverfügung nicht angefochten hat, sodass diese bestandskräftig wurden. Im Übrigen wurden die Untersagungsanordnungen durch Nr. 3 des Bescheids auch für sofort vollziehbar erklärt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und ist die Zwangsgeldandrohung bereits nach Art. 21a Abs. 1 Satz 1 VwZVG sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), sodass auch aus diesem Grund vollstreckbare Titel gegeben sind (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 VwZVG).
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4. Der Kläger hat gegen die Untersagungsanordnung hinsichtlich der Linde an der Garage verstoßen, indem er diese beseitigte. Die Behörde hat in der Untersagungsanordnung keine Ausnahme für Fälle unmittelbarer Gefahr vorgesehen, da sie von einer solchen nicht ausging. Auf die Frage, ob die Anordnung aus Verhältnismäßigkeitserwägungen ohne eine solche Ausnahme erlassen werden durfte, kommt es nicht an, da diese Einwendung des Klägers nur die Rechtmäßigkeit der Untersagungsanordnung betrifft und daher im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen ist. Folglich kann es für die Beurteilung der Fälligkeit des angedrohten Zwangsgelds auch dahinstehen, ob zum Zeitpunkt der Fällung tatsächlich Gefahr im Verzug vorlag und die von der Klägerseite insofern in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Farbfotos über das Innere des gefällten Baums – entgegen der Auffassung der Naturschutzfachkraft -einen nunmehr die Verkehrs- und Bruchsicherheit der gesamten Linde gefährdenden Fäulnisgrad hätten nahelegen können.
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5. Soweit sich der Kläger auf eine aus seiner Sicht unangemessene Höhe des Zwangsgelds (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG) und insoweit auf eine mangelnde Begründung der Ermessensentscheidung (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG) beruft, ist dem ebenfalls die Bestandskraft der Androhung entgegenzuhalten. Eine gerichtliche Überprüfung der Zwangsgeldandrohung auf eine ermessensfehlerfreie Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Klägers auf der einen Seite und den Interessen der Allgemeinheit am Erhalt der streitgegenständlichen Linde auf der anderen Seite darf daher nicht erfolgen.
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B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VGwGO.
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C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).