Inhalt

VG München, Beschluss v. 03.08.2023 – M 18 E 23.3704
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz (abgelehnt), Anforderungen an Anordnungsgrund, „Trägerauswahlverfahren“, Beteiligung anerkannter Träger an der Wahrnehmung anderer Aufgaben, Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessensentscheidung

Normenketten:
VwGO § 123
SGB VIII § 3
SGB VIII § 4
SGB VIII § 42
SGB VIII § 42a
SGB VIII § 76
SGB VIII § 77
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz (abgelehnt), Anforderungen an Anordnungsgrund, „Trägerauswahlverfahren“, Beteiligung anerkannter Träger an der Wahrnehmung anderer Aufgaben, Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessensentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20298

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Untersagung der Durchführung eines „Trägerauswahlverfahrens“ der Antragsgegnerin für eine Notschlafstelle für Minderjährige sowie flexible Inobhutnahmeplätze nach §§ 42, 42a SGB VIII.
2
Unter dem … … … veröffentlichte die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite unter der Rubrik „Rathaus – Finanzen und Beschaffung“ die öffentliche Ausschreibung „Trägerauswahlverfahren Jugendhilfeeinrichtung B.straße“. In der B.straße solle eine Jugendhilfeeinrichtung in Trägerschaft eines anerkannten Trägers der Kinder- und Jugendhilfe entstehen. Es handle sich dabei um ein Einrichtungskonzept, dass es so im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin bisher noch nicht gebe. Neben einer Notschlafstelle für Minderjährige sollten flexible Inobhutnahmeplätze angeboten werden, mit einem Schwerpunkt in der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländer*innen (umA). Hauptherausforderung würden die Betreuung von sehr unterschiedlichen Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedarfen und unterschiedlicher Verweildauer sein. Die Plätze stünden ausschließlich der Antragsgegnerin zur Verfügung. Die Aufgabe solle ab 6. Oktober 2023 für acht Jahre übernommen werden. Hierfür würde zwischen dem auszuwählenden Träger und der Antragsgegnerin eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII geschlossen werden. Bestehe ein Bedarf über das Vertragsende hinaus, sei eine Verlängerung für einen Zeitraum von einem Jahr zu den gleichen Konditionen möglich.
3
Die Einrichtung solle sich in vier Angebote untergliedern. Insgesamt könnten in der Einrichtung maximal 40 Personen untergebracht werden. Der Träger sei verpflichtet das Betriebserlaubnisverfahren einzuhalten.
4
Die Notschlafstelle (Gruppe 1) solle ein niederschwelliges Angebot der Jugendhilfe für junge Menschen zwischen 14 und 17 Jahren anbieten. Die Unterbringung erfolge im Rahmen der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII. In der Kurzzeitgruppe für männliche umA (Gruppe 2) sollten sechs Plätze für männliche umA im Alter von 14 bis 17 Jahren, inklusive derer, deren medizinische Altersfeststellung noch aussteht (Zweifelsfälle), zur Unterbringung gemäß § 42a SGB VIII angeboten werden. Zudem solle es eine Langzeitgruppe für männliche Jugendliche (Gruppe 3) geben, die gem. § 42 SGB VIII für männliche umA mit Verlegungshindernis aus der Gruppe 2 sowie für männliche Jugendliche aus der Notschlafstelle zur Verfügung gestellt werde, und die als Fortsetzung der Unterbringung gem. § 42a SGB VIII bzw. zur längerfristigen Notunterbringung als Anschluss an die Notschlafstelle dienen solle. Schließlich sollte es eine Gruppe für weibliche Jugendliche und LGBTQIA+ im Alter von 14 bis 17 Jahren (Gruppe 4) mit sechs Plätzen geben. Die Zielgruppe umfasse sowohl umA nach § 42a SGB VIII aus dem YRC, inklusive derer, deren medizinische Altersfeststellung noch ausstehe (Zweifelsfälle), als auch umA mit Verlegungshemmnissen nach § 42 SGB VIII und weibliche Jugendliche aus der Notschlafstelle, die motiviert seien längerfristig in Jugendhilfe untergebracht zu werden.
5
Unter Punkt 2.8 erfolgten Angaben zur Mindestpersonalausstattung der Gruppen. Um die Auslastungsschwankungen der Einrichtung zu berücksichtigen, seien Tagessätze (Kosten pro Platz/pro Tag) für alle möglichen Belegungsoptionen anzusetzen. Hierbei sollten alle anfallenden Leistungen des Trägers, inkl. sämtlicher Nebenkosten (insbesondere auch Fahrt- und Materialkosten, Auslagen etc.) sowie der Personaleinsatz entsprechend dem angegebenen Personal kalkuliert werden. Die Antragsgegnerin stelle für den Betrieb der Einrichtung als Vermieterin Räumlichkeiten gegen Entgelt zur Verfügung.
6
Das Angebot mit weiteren benannten Unterlagen sei per E-Mail bis … … …, 24 Uhr an die Antragsgegnerin zu senden. Auswahlkriterien seien jeweils zu 50% das Gesamtkonzept sowie der Durchschnittspreis.
7
Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2023, eingegangen am … … …, beantragte der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
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die Durchführung des „Trägerauswahlverfahrens Jugendhilfeeinrichtung B.-straße“ vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen.
9
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller sich bei diesem „Trägerauswahlverfahren“ beteilige und ein „Angebot“ abgegeben habe. Da der Preis aber zu 50% über den Zuschlag entscheide, gehe der Antragsteller davon aus, dass er den Zuschlag nicht erhalten werde. Zudem setze der Betrieb der Einrichtung eine noch zu erteilende Betriebserlaubnis voraus. Die in der Ausschreibung unter Ziffer 2.8 benannten Personalmengen seien aber mit der Betriebserlaubnisbehörde nicht final abgestimmt und von dieser noch überhaupt nicht geprüft worden. Es sei also zumindest nicht auszuschließen, dass im Betriebserlaubnisverfahren mehr Vollzeitstellen gefordert und aus diesen Gründen deutlich höhere Kosten anfallen würden. Aus diesen Gründen sei nach Auffassung des Antragstellers die Abgabe eines seriösen und leistungsgerechten Angebots kaum möglich.
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Es werde davon ausgegangen, dass das „Trägerauswahlverfahren Jugendhilfeeinrichtung B.-straße“ unter Verletzung der verfahrensrechtlichen Vorgaben des SGB X und unter Verstoß gegen die „Fundamentalgrundsätze“ des SGB VIII (insbesondere § 4 SGB VIII und § 79 SGB VIII) sowie die Finanzierungssystematik nach §§ 77 ff. SGB VIII erfolge. Gegen die Durchführung des Vergabeverfahrens und des hiermit einhergehenden Vertragsabschlusses nach § 77 SGB VIII mit dem „ausgewählten“ Leistungserbringer richte sich der vorläufige Rechtsschutzantrag.
11
Die Antragsgegnerin beabsichtige mittels eines Vergabeverfahrens über die Leistungserbringung durch einen einzigen Träger (exkludierendes Verfahren) bei Verfügung von Inobhutnahmen zu entscheiden. Die für die Leistungserbringung maßgeblichen Inhalte sollten mit dem im Vergabeverfahren ausgewählten Träger mittels einer Vereinbarung nach § 77 SGB VIII vereinbart werden. Die essentialia negotii dieses Vertrags würden mit dem Vergabeverfahren einseitig durch die Antragsgegnerin vorgegeben. Bereits diese Vorgehensweise führe zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens. Bei der Leistungs-, Qualitätsentwicklungs- und Entgeltvereinbarung handle es sich nach völlig unstrittiger Auffassung um koordinationsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 1 SGB X. Die Inhalte dieser Verträge könnten aber nicht durch einen Vertragspartner, hier die Antragsgegnerin, diktiert bzw. einseitig vorgegeben werden. Vielmehr seien die Vertragsinhalte unter zwingender Berücksichtigung der Zielbestimmungen und „Fundamentalgrundsätze“ auszuhandeln. Das Vergabeverfahren mache eine ermessensfehlerfreie Entscheidung bei dem Abschluss eines Vertrages nach § 77 SGB VIII unmöglich. Durch die exkludierende Auswahl mittels Vergabeverfahren würden der Grundsatz der Selbständigkeit freier Träger nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII und die Verpflichtung zu partnerschaftlichem Handeln nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verletzt. Zudem würden hierdurch die Zielbestimmungen des § 1 SGB VIII sowie die Fundamentalnormen der §§ 3 bis 5 SGB VIII sowie §§ 79 ff. SGB VIII verletzt. Ebenso würden die bei Vertragsverhandlungen nach § 77 SGB VIII zwingenden Grundsätze verletzt. Das Entgelt müsse dem Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit genügen und ausgehandelt werden und dürfe nicht einseitig durch die Antragsgegnerin gesenkt werden. Das Verfahren ziele erkennbar auf die Aushebelung des Grundsatzes der Leistungsgerechtigkeit des Entgelts ab. Schließlich würde die betriebserlaubnisrechtliche Rechtslage ausgeblendet werden. Es sei nicht auszuschließen, dass die Betriebserlaubnisbehörde in einem auf das Vergabeverfahren zeitlich folgenden Betriebserlaubnisverfahren einen höheren Personalschlüssel fordern würde. Zudem sei nicht auszuschließen, dass der im Vergabeverfahren ausgewählte Leistungserbringer nach Erteilung des Zuschlags gar keine Betriebserlaubnis erteilt bekommen könnte. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass vor Abschluss von Verträgen nach § 77 SGB VIII bei einer Übernahme der sozialpädagogischen Leistungserbringung während einer Inobhutnahme ein Vertragsschluss nach § 76 SGB VIII zwingend sei. Auch dieser Vertragsschluss setze eine ermessensfehlerfreie Entscheidung voraus, welche durch das Vergabeverfahren verunmöglicht werde.
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Ein Anordnungsgrund liege vor. Die Zuschlagerteilung im Vergabeverfahren schließe den primären Rechtsschutz aus, da Unterlassungsansprüche dadurch untergehen würden. Pflichtgemäße Ermessensentscheidungen nach § 76 SGB VIII und § 77 SGB VIII wären der Antragsgegnerin für die Dauer des Ausschreibungszeitraums nicht mehr möglich und der Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung würde irreversibel vereitelt.
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Die Antragsgegnerin teilte dem Gericht am … … … telefonisch mit, dass eine Tagung des Bewertungsgremiums für den 7. August 2023 geplant sei, im Anschluss solle die Auswahlentscheidung erfolgen. Spätestens Mitte August müsse die Entscheidungsvorlage bei dem Kinder- und Jugendhilfeausschuss eingebracht werden.
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Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 31. Juli 2023,
15
den Antrag abzulehnen.
16
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Ausschreibung des Auswahlverfahrens eigener Art seit dem … … … auf der Homepage der Antragsgegnerin erfolge. Die Träger der Kinder- und Jugendhilfe seien über die Verteiler der „…“ sowie der „… am … … … über die Ausschreibung informiert worden. Bei der Antragsgegnerin sei die Bewerbung des Antragstellers erst am … … … eingegangen. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen hätten daher im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht nicht vorgelegen.
17
Zudem sei der Antrag unbegründet. Soweit der Antragsteller vortrage, dass ein Vergabeverfahren vorliege, gehe er von einer falschen Ausgangslage aus. Zur Auswahl eines Bewerbers zum Betrieb der Einrichtung bzw. zur Beteiligung gemäß § 76 SGB VIII habe die Antragsgegnerin ein Auswahlverfahren eigener Art in die Wege geleitet, welches an das Trägerauswahlverfahren der Antragsgegnerin im Rahmen der Ausreichung von Zuwendungen angelehnt sei. Im Rahmen des Verfahrens solle durch größtmögliche Transparenz eine sachgerechte Ermessensentscheidung für den Abschluss einer Vereinbarung nach § 77 SGB VIII in Verbindung mit § 76 SGB VIII herbeigeführt werden. Es sei kein formelles Vergabeverfahren durchgeführt. Im Gegensatz zum Vergabeverfahren komme im Rahmen des von der Antragsgegnerin gewählten Verfahrens nicht automatisch ein Vertrag mit Zuschlagserteilung an den ausgewählten Bestbieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot (§ 127 GWB) zustande. Stattdessen werden nach Auswahl eines Bewerbers gesondert eine Vereinbarung geschlossen. Die auf der Homepage veröffentlichten Unterlagen enthielten daher auch keine Vertragsbedingungen wie sie eine Ausschreibung enthalten müssten. Die Antragsgegnerin gebe somit auch nicht die essentialia negotii einseitig vor. Es seien die notwendigen Anforderungen dargestellt, die ein Interessent erfüllen müsse, um an der Aufgabenwahrnehmung der Antragsgegnerin beteiligt zu werden. Hierzu seien die Interessenten gebeten worden, ein entsprechendes Konzept vorzulegen. Es sei unverständlich, wie der Antragsteller darauf komme, dass ein Vertrag bereits mit einem Zuschlag zustande kommen solle. Auch die zum Teil von der Antragsgegnerin verwendeten Begrifflichkeiten des Eintrags auf der Homepage könnten dies nicht begründen, es handle sich hierbei um allgemein geläufige, untechnische Formulierungen ohne näheren Aussagegehalt.
18
Grundsätzlich würden die anderen Aufgaben der Jugendhilfe gem. § 2 Abs. 3 SGB VIII nur durch den öffentlichen Träger selbst erbracht, welcher im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens anerkannte freie Träger an der Durchführung dieser Aufgaben beteiligen könne. Ein Anspruch auf Beteiligung bestehe dabei seitens der freien Träger nicht. Den Bewerbern stehe hierbei ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren zu. Das von der Antragsgegnerin gewählte Auswahlverfahren eigener Art verfolge das Ziel Transparenz bei der Auswahl und Gleichbehandlung der Träger herzustellen. Gleichzeitig solle hiermit die Qualität des Angebotes gefördert und gesichert werden. Dafür sei die Antragsgegnerin verantwortlich, wenn sie Dritte an der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichtaufgaben beteiligt. Ein Anspruch auf eine bestimmte Verfahrensart für die Ausübung des Ermessens stehe dem Antragsteller hierbei nicht zu.
19
Mit Schriftsatz vom 3. August 2023 nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers ergänzend zu den Ausführungen der Antragsgegnerin Stellung und wiederholte seine Ansicht, dass es sich vorliegend um ein im Jugendhilferecht nicht zulässiges Vergabeverfahren handle. Entscheidend sei, dass in der Ausschreibung eine detaillierte Darstellung der zu erbringenden Leistungen zu finden sei und dass von den Bewerbern eine Konzeption und eine Kostenkalkulation verlangt werde mit dem Ziel, daraus eine Bepunktung der Bewerber vorzunehmen und dem Bewerber mit den meisten Punkten den Vorzug zu geben. Es handle sich offensichtlich um ein Vergabeverfahren nach wettbewerblichen Grundsätzen. Wirksame Verträge könnten auch ohne Vertragsbedingungen geschlossen werden, ferner ändere die fehlende Bekanntgabe von Vertragsbedingungen nichts an dem wettbewerblichen Charakter des Ausschreibungsverfahrens. Selbst wenn man keinen wettbewerblichen Hintergrund sehen wolle, sei festzustellen, dass mit dem Verfahren rechtswidrig gehandelt werde, da es sich um ein gesetzlich im SGB VIII nicht vorgesehenes Auswahlverfahren handle. Das von der Antragsgegnerin gewählte Verfahren ermögliche weder eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 76 SGB VIII, noch nach § 77 SGB VIII. Das Auswahlkriterium „50% Preis“ sei kein sachlicher Differenzierungsgrund im System der Kinder- und Jugendhilfe. Sachfremde „Expertise“, welche in ein „Auswahlverfahren eigener Art“ einfließe, könne die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben des SGB VIII nicht sicherstellen. Im Übrigen könne mit dem Verfahren einer exkludierenden Auswahlentscheidung für die Erbringung unterschiedlicher Aufgaben sowohl das Gebot zur Wahrung der Trägerpluralität als auch des partnerschaftlichen Handelns Eingang in die Ermessensentscheidung finden. Auch könnten mit dem Verfahren die für die Verhandlung von Entgelt-, Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen vorgegebenen Grundsätze nicht eingehalten werden.
20
Wegen des weiteren Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte ergänzend Bezug genommen.
II.
21
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
22
Für den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, für welche insbesondere die abdrängende Sonderzuweisung an die Vergabekammern nach §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB nicht gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2021 – 12 CE 21.2141; VG München, B.v. 30.7.2021 – M 18 E 21.3726 – juris Rn. 16; B.v. 22.7.2021 – M 18 E 21.2712 – jeweils BeckRS).
23
Der Antrag ist des Weiteren zulässig, insbesondere fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Alleine die Tatsache, dass das Angebot des Antragstellers erst nach Antragstellung bei Gericht bei der Antragsgegnerin eingegangen ist, führt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht dazu, dass das Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren auf Untersagung der weiteren Durchführung dieses „Auswahlverfahrens“ entfällt. Denn der Antragsteller hat zumindest dargelegt, dass er beabsichtigt ein Angebot vorzulegen und damit als Wettbewerber aufzutreten, was schließlich auch unstreitig erfolgte.
24
Der Antragsteller konnte jedoch weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
25
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ferner sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Dabei muss der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Maßgebend sind hierfür die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 12 CE 11.2215 – juris Rn. 6).
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Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der vom Antragsteller begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber zeitlich begrenzt vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris Rn. 4).
27
Der Antragsteller hat vorliegend bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
28
Der Anordnungsgrund bezeichnet die Dringlichkeit der Sache. Aus dem Anordnungsgrund heraus werden das Verfahren als solches und seine Besonderheiten im Einzelnen verständlich; auch die gerichtliche Entscheidung nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 938 Abs. 1 ZPO wird entscheidend durch das Maß der Dringlichkeit der Sache beeinflusst (Eyermann/Happ, 16. Aufl. 2022, VwGO § 123 Rn. 40, 53). Er besteht in der (objektiv begründeten) Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Ablehnung des Anordnungsgrundes kann auch darauf beruhen, dass der Antragsteller die zu befürchtenden wesentlichen Nachteile i. S. d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Grund eigenen vorwerfbaren Verhaltens zu vertreten hat. In diesem Zusammenhang kann von mangelnder Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten oder von einem Verstoß gegen Obliegenheiten gesprochen werden. Unter diesen Vorzeichen fehlt die Dringlichkeit, wenn der Antragsteller das Eilverfahren zögerlich betreibt. Auch (zu) spät gestellte Eilanträge können hierunter eingeordnet werden (Schoch/Schneider/Schoch, 43. EL August 2022, VwGO § 123 Rn. 87a m.w.N.; VG Braunschweig, B.v. 3.6.2020 – 1 B 47/20 – BeckRS Rn. 62).
29
Bei Unterlassungsansprüchen ergibt sich die „Dringlichkeit“ als Voraussetzung des Anordnungsgrundes nicht schon aus der materiell-rechtlichen Erstbegehungsgefahr oder Wiederholungsgefahr (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 935 ZPO, Rn. 10). Vielmehr kommt eine (Selbst-)Widerlegung der Dringlichkeit in Frage, wenn der Antragsteller in Kenntnis aller Umstände zu lange Zeit bis zur Stellung des Verfügungsantrags zuwartet. Für das „dringlichkeitsschädliche Verhalten“ gibt es keine feste Frist. Ein Anordnungsgrund fehlt demnach, wenn der Antragsteller trotz ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt (vgl. a.a.O., § 935 ZPO, Rn. 12 mit umfangreichen weiteren Nachweisen; a.a.O., § 940 ZPO Rn. 4).
30
Entsprechend dem Vortrag der Antragsgegnerin wurde der Antragsteller bereits am … … … über das Trägerauswahlverfahren und den Ablauf der Einreichung am … … … informiert. Der vorliegende erst am … … … gestellte Eilantrag enthält keinerlei Begründung, warum dieser erst 3 1/2 Wochen nach Kenntnis des Verfahrens und unmittelbar vor Ablauf der Einreichungsfrist bei Gericht gestellt wurde. Zwar hat der Antragsteller mit dem Antrag die Dringlichkeit des Antrags mit dem möglichen Ausschluss des Primärrechtsschutzes für die Zukunft begründet (vgl. hierzu auch: VG München, B.v. 30.7.2021 – M 18 E 21.3726 – juris – Rn. 25; B.v. 28.10.2021 – M 18 E 21.2712 – beckRS Rn. 74 f.), allerdings erfolgte keinerlei Begründung, warum eine solche kurzfristige Antragseinreichung bei Gericht erfolgte. Da der Antragsteller bereits am … … … über die „Ausschreibung“ von der Antragsgegnerin über elektronische Verteiler informiert wurde, ist die gesetzliche Dringlichkeitsvermutung für eine Antragsstellung erst am … … … widerlegt. Zudem wurde die streitgegenständliche Problematik nach dem Vortrag des Antragstellers bereits in einem ähnlichen Verfahren im Mai 2023 zwischen den Parteien thematisiert, so dass eine umgehende gerichtliche Geltendmachung der von dem Antragsteller behaupteten Rechtsverletzung zu erwarten gewesen wäre und das unentschuldigte Abwarten als mindestens fahrlässig erscheint (vgl. OLG Saarland, B.v. 20.12.2019 – 5 W 81/19 – juris Rn. 9; OVG Greifswald, B.v. 29.1.1993 – 2 N 10/93 – BeckRS). Es fehlt daher an der Dringlichkeit, so dass bereits kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurde.
31
Darüber hinaus wurde die Dringlichkeit auch im Übrigen nicht glaubhaft gemacht, da kein Vergabeverfahren vorliegt welches mit einer Zuschlagserteilung (siehe hierzu im Folgenden), einen Primärrechtsschutz ausschließen würde (so aber in den von dem Antragsteller in Bezug genommenen Verfahren).
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Zudem konnte der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
33
Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers liegt vorliegend bereits kein vergaberechtliches Verfahren vor, so dass die Ausführungen zur Unzulässigkeit eines solchen im Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts unbehilflich sind.
34
Das Gericht folgt den Ausführungen der Antragsgegnerin, dass das streitgegenständliche, von der Antragsgegnerin als „Trägerauswahlverfahren“ bezeichnete Verfahren auch aus objektiver Empfängersicht nicht als förmliches vergaberechtliches Verfahren zu werten ist. Weder die Form, noch der Inhalt der streitgegenständlichen Ausschreibung können eine solche rechtliche Kategorie – gegen den ausdrücklichen Willen und Erklärungen der Antragsgegnerin – begründen. Vielmehr ergibt sich aus den Unterlagen hinreichend eindeutig, dass der Antragsgegnerin daran gelegen ist, für die Wahrnehmung einer „anderen“ Aufgabe der Jugendhilfe im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB VIII einen Träger der freien Jugendhilfe zu beteiligen und hierfür Angebote einzuholen, so dass eine Form des bloßen Interessenbekundungsverfahrens vorliegt (vgl. OVG Hamburg, B.v. 9.5.2023 – 4 Bs 167/22 – juris Rn. 12, 18).
35
Unabhängig von den von der Antragsgegnerin zum Teil falsch bzw. irreführend verwendeten Begriffen ergibt sich hinreichend eindeutig, dass keine „Vergabe“ nach den Regeln des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. der Vergabeverordnung (VgV), insbesondere keine „automatische“ Zuschlagserteilung gemäß § 127 GWB erfolgen sollte. Zudem lag den Unterlagen auch kein Vertrag bei, welcher jedoch bei einem förmlichen Vergabeverfahren Bestandteil der Vergabeunterlagen zu sein hat (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VgV). Eine solche (abschließende) Vertragsformulierung wäre der Antragsgegnerin in diesem Verfahrensstadium auch nicht möglich gewesen. Denn – wie der Antragsteller selbst ausführt – kann in der vorliegenden Verfahrenssituation noch kein abschließender Vertragsentwurf erstellt werden und können Angebote lediglich nach den „Vorgaben“ durch die Antragstellerin – insbesondere unter Vorbehalt der Erteilung einer entsprechenden Betriebserlaubnis – erfolgen. Erst im Anschluss an die Angebotsabgabe können – nach der Auswahlentscheidung durch die Antragsgegnerin – Vertragsverhandlungen aufgenommen werden, die Details der Leistungserbringung und das Zusammenwirken mit den Vorgaben der noch einzuholenden Betriebserlaubnis beinhalten müssen. Die Ansicht des Antragstellers, dass wirksame Verträge auch ohne Vertragsbedingungen geschlossen werden könnten, kann hingegen durch das Gericht nicht nachvollzogen werden.
36
Diesen wesentlichen Unterschied negiert der Bevollmächtigte des Antragstellers vollständig. Die umfangreichen Bezugnahmen auf die Entscheidung des erkennenden Gerichts vom 28. Oktober 2021 (M 18 E 21.2712 BeckRS; bestätigt durch BayVGH, B.v. 6.12.2021 – 12 CE 21.2846 – juris) sind daher für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin wird im vorliegenden Verfahren gerade nicht (unzulässig) durch vergaberechtliche Vorgaben beeinflusst (VG München, B.v. 28.10.2021 – M 18 E 21.2712 – BeckRS Rn. 69 f.; BayVGH, B.v. 6.12.2021 – 12 CE 21.2846 – juris Rn. 10 f.).
37
Ein solches Verfahren erscheint – zumindest für die vorliegende Beteiligung freier Träger an der Wahrnehmung „anderer“ Aufgaben im Sinne der §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 3 und § 76 SGB VIII – zulässig.
38
Gemäß § 3 Abs. 3 SGB VIII werden „andere Aufgaben“ der Jugendhilfe von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen. Soweit dies ausdrücklich bestimmt ist, können Träger der freien Jugendhilfe diese Aufgaben wahrnehmen oder mit ihrer Betreuung betraut werden. § 76 SGB VIII stellt eine solche gesetzliche Regelung für die Aufgaben nach § 42 und § 42a SGB VIII dar um die es sich vorliegend – wie sich aus der Konzeptbeschreibung eindeutig ergibt – ausschließlich handelt.
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Anders als bei der Erbringung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 SGB VIII nimmt der freie Träger bei der Beteiligung nach § 3 Abs. 3 SGB VIII keine originäre, sondern die öffentlich-rechtliche Aufgabe im Auftrag des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe aufgrund öffentlich-rechtlicher Beleihung durch Beteiligung oder Übertragung von Aufgaben wahr (BeckOGK/Herbe, 1.4.2023, SGB VIII § 3 Rn. 27). Sie sind Erfüllungsgehilfen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (BeckOK SozR/Winkler, 69. Ed. 1.6.2023, SGB VIII § 3 Rn. 8; Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII § 3 Rn. 17).
40
Die Antragsgegnerin beabsichtigt für Aufgaben nach § 42 und § 42a SGB VIII die Übertragung auf einen freien Träger durch Abschluss eines öffentlichen Vertrags. Zwar dürfte – entgegen den Ausführungen der Parteien – vorliegend der Verweis auf eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII fehlerhaft sein, da dieser ausschließlich für Verträge über ambulante Leistungen einschlägig ist (vgl. BeckOGK/Janda, 1.6.2023, SGB VIII § 77 Rn. 15). Die Beteiligung von freien Trägern nach § 76 SGB VIII erfolgt vielmehr über den Abschluss eines koordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrages nach §§ 53 ff. SGB X (BeckOGK/Janda, 1.6.2023, SGB VIII § 76 Rn. 21; LPK-SGB VIII/Helmut Schindler/Edda Elmauer, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 76 Rn. 8; Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, SGB VIII § 76 Rn. 2, beck-online). Zu einem solchen Vertragsschluss – der eine exklusive Anbieterauswahl bereits denklogisch voraussetzt – ist die Antragsgegnerin gemäß § 76 SGB VIII ausdrücklich berechtigt, was der Bevollmächtigte des Antragstellers vollständig außer Acht lässt.
41
Zudem liegt es im Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, ob und in welchem Umfang er freie Träger an der Wahrnehmung „anderer“ Aufgaben mitwirken lässt. Insoweit besteht daher bereits kein eingeschränkter Konkurrenzschutz zugunsten anerkannter freier Träger gemäß § 4 Abs. 2 SGB VIII. Vielmehr muss der Träger der öffentlichen Jugendhilfe lediglich die für Ermessensentscheidungen allgemein geltenden Grundsätze beachten, d.h. seine Entscheidung muss dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechen und darf nicht gegen allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts und gegen höherrangiges Recht wie z.B. den Grundsatz der Gleichbehandlung oder das Grundrecht auf freie Ausübung des Berufs verstoßen (LPK-SGB VIII/Helmut Schindler/Edda Elmauer, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 76 Rn. 7; BeckOGK/Janda, 1.6.2023, SGB VIII § 76 Rn. 16; Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, SGB VIII § 76 Rn. 3, beck-online; Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 76 SGB VIII (Stand: 01.08.2022), Rn. 47, 50).
42
Unabhängig von der (umstrittenen) Frage, ob eine subjektive Rechtsposition anerkannter freier Träger im Rahmen der Beteiligung nach § 76 SGB VIII überhaupt begründet werden kann (vgl. hierzu: Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3.Aufl., § 76 SGB VIII (Stand: 01.08.2022), Rn. 50), sind vorliegend für das Gericht keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Antragsgegnerin mit den von ihr angelegten Vorgaben und Auswahlkriterien im Rahmen ihrer nachfolgenden Ermessensentscheidung gegen die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts bzw. höherrangiges Recht verstoßen könnte (vgl. OVG Hamburg, B.v. 9.5.2023 – 4 Bs 157/22 – juris Rn. 27 ff.) Zwar hat die Antragsgegnerin im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens die von ihr bei der zukünftigen Ermessensentscheidung anzulegenden Kriterien bereits benannt, unabhängig davon verbleibt ihr hierdurch jedoch insbesondere in Bezug auf das Kriterium des „Gesamtkonzepts“ ein ausreichender Spielraum um eine sachgerechte Ermessensentscheidung zu treffen und daran anschließend eine individuelle Vertragsformulierung mit dem ausgewählten Anbieter zu erarbeiten. Zudem ist die Antragsgegnerin auch nicht per se daran gehindert, den Durchschnittspreis (neben dem Gesamtkonzept) als gleichrangiges Kriterium heranzuziehen. Die Antragsgegnerin ist zu einer sparsamen Haushaltsführung verpflichtet und hat dies auch bei der Beauftragung von Dritten nach § 76 SGB VIII – wie vorliegend beabsichtigt – zu berücksichtigen. Die Ausführungen des Antragstellers verkennen auch insoweit, dass es vorliegend nicht um die Auswahl eines freien Träger im Rahmen der Erbringung einer Jugendhilfeleistung geht, sondern um die Beteiligung eines solchen an einer anderen Aufgabe gemäß § 76 SGB VIII.
43
Durch die Übertragung einzelner „anderer“ Aufgaben an freie Träger gemäß § 76 SGB VIII kann im Übrigen auch nicht – wovon offenbar der Antragsteller ausgeht – per se ein Verstoß gegen § 79 SGB VIII angenommen werden. Auch wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung sämtlicher seiner Aufgaben die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung trägt und zur Wahrung eines pluralen Angebots verpflichtet ist (BayVGH, B.v. 6.12.2021 – 12 CE 21.2846 – juris LS 5), führt dies nicht zu einem Verbot, nach einer ermessensgerechten Auswahlentscheidung einzelne „andere“ Aufgaben durch öffentlich-rechtlichen Vertrag an freie Träger zu vergeben.
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Im Übrigen geht auch der Verweis des Bevollmächtigten des Antragstellers auf die einzuhaltenden Grundsätze für die Verhandlungen von Entgelt-, Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen fehl. Denn die §§ 78a ff. SGB VIII finden auf Inobhutnahmen nach § 42 und 42a SGB VIII keine Anwendung. Auch eine entsprechende landesrechtliche Regelung (§ 78 Abs. 2 SGB VIII) besteht in Bayern hierzu nicht.
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Der Antrag war daher abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.