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VG München, Beschluss v. 28.07.2023 – M 1 S 22.3391
Titel:

Baukontrolle, Duldungsanordnung, Planabweichende Bauausführung, Einbau einer Wohnung in eine landwirtschaftliche Halle

Normenkette:
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 4
Schlagworte:
Baukontrolle, Duldungsanordnung, Planabweichende Bauausführung, Einbau einer Wohnung in eine landwirtschaftliche Halle
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20295

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen eine Duldungsanordnung zum Betreten seines Grundstücks zum Zwecke der Baukontrolle.
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Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 204 Gem. …, für das ihm mit Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2009 die Baugenehmigung zur Errichtung einer landwirtschaftlichen Halle (Haltung von …*) erteilt wurde. Aufgrund einer Anzeige eines Bürgers, im Obergeschoss der Halle sei angeblich eine Wohnung ausgebaut worden, nahm der Antragsgegner Kontakt mit dem Antragsteller auf, um einen Termin für eine Baukontrolle zu vereinbaren, was dieser jedoch unter Hinweis auf erst kürzlich stattgefundene Begehungen durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) sowie den Bürgermeister der Gemeinde verweigerte. Zudem habe sich der Anzeigeerstatter im Vorfeld an die Gemeinde gewandt, von dort aus seien die Beschwerden zurückgewiesen worden.
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Daher erließ der Antragsgegner unter dem 14. Juni 2022 den streitgegenständlichen Bescheid, mit welchem der Antragsteller verpflichtet wird, das Betreten und Begehen seines Grundstücks FlNr. 204 Gem. … zum Zwecke einer Baukontrolle zu dulden (Nr. 1) und bis drei Tage nach Zustellung des Bescheids dem Landratsamt einen Termin für eine Begehung mitzuteilen (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 3). Hinsichtlich der Duldungsverfügung in Nr. 1 wurde zudem ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro angedroht. Das Landratsamt habe Grund zur Annahme, dass die Halle planabweichend genutzt werde. Zur Durchführung einer Baukontrolle sei ein Betretungsrecht nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO gegeben, und auch verhältnismäßig. Insbesondere sei ein milderes Mittel nicht ersichtlich. Die sofortige Vollziehbarkeit werde im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet, die Abwägung der Interessen des Eigentümers hätten hinter dem öffentlichen Interesse zurückzustehen, ein Abwarten der Entscheidung in einem möglichen Klageverfahren sei angesichts der konkreten Lage nicht vertretbar.
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Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am *. Juli 2022 Klage (M 1 K 22.3380) erhoben, zugleich beantragt er im Wege des Eilrechtsschutzes
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die Aussetzung des Sofortvollzugs und die aufschiebende Wirkung der Klage.
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Er verweist auf die mehrfache Besichtigung der Halle durch Vertreterinnen des AELF, die in der näheren Vergangenheit stattgefunden hätten, welche stets die ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung der Halle bestätigt hätten, beispielsweise am *. November 2020 durch Frau M. und am … November 2021 durch Frau L. und deren Kolleginnen. Auch seien der erste Bürgermeister im Jahr 2021 und der stellvertretende Landrat am *. Juni 2022 zur Besichtigung der Halle vor Ort gewesen. Die Befragung dieser Personen sei daher als milderes Mittel ersichtlich. Ohnehin gäbe es keine konkreten Anschuldigungen gegen ihn, welche eine nicht landwirtschaftliche Nutzung belegen würden. Die Anordnung sei daher willkürlich.
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Der Antragsgegner beantragt
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die Ablehnung des Antrags.
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Die Anordnung sei rechtmäßig, insbesondere sei das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Volllziehung gegeben.
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In der Folge erließ der Antragsgegner unter dem 21. Juni 2023 einen Ergänzungsbescheid, in dem Nr. 1 des Bescheids vom 14. Juni 2022 neu gefasst wurde. Zusätzlich zur Duldung des Betretens und Begehens des Grundstücks FlNr. 204 Gem. … wird in diesem Bescheid die Verpflichtung angeordnet, das Betreten und Begehen der bestehenden landwirtschaftlichen Halle und einer vermeintlich im Obergeschoss ausgebauten Wohnung durch beauftragte Vertreter des Landratsamts zum Zwecke einer Baukontrolle zu dulden. Der Bescheid wurde dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde am 23. Juni 2023 zugestellt und ist inzwischen bestandskräftig geworden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auch im Hauptsacheverfahren M 1 K 22.3380, sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
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1. Der zulässige Antrag, im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers verstanden als Antrag gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom *. Juli 2022 (M 1 K 22.3380) gegen die in Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete Duldungsanordnung sowie Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das in Nr. 4 angedrohte Zwangsgeld gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VwGO, hat in der Sache keinen Erfolg.
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Streitgegenständlich ist allein die mit Bescheid vom 14. Juni 2022 angeordnete Duldung des Betretens und Begehens des Grundstücks FlNr. 204 Gem. … Die in der Folge mit Bescheid vom 21. Juni 2023 angeordnete Duldung des Betretens und Begehens der bestehenden landwirtschaftlichen Halle und einer vermeintlich im Obergeschoss eingebauten Wohnung hingegen ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Bescheid ist mangels Einlegung von Rechtsbehelfen bestandskräftig.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen bzw. wiederherstellen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die aufschiebende Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Neben den formellen Anforderungen an die Anordnung des Sofortvollzugs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sind im Rahmen der Interessenabwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall nur die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos.
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Danach ist der Antrag unbegründet. Die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ergibt, dass die Anfechtungsklage vom *. Juli 2022 (M 1 K 22.3380) keinen Erfolg haben wird, weil der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Duldungsanordnung ist rechtmäßig. Sie stützt sich auf Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO. Gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO sind alle mit dem Vollzug der Bauordnung beauftragten Personen, mithin auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bauaufsichtsbehörde berechtigt, in Ausübung ihres Amtes Grundstücke und Anlagen einschließlich der Wohnungen zu betreten, das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) wird insoweit eingeschränkt.
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Das Betretungsrecht nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO umfasst die Befugnis der mit dem Vollzug der Bayerischen Bauordnung beauftragten Personen, Grundstücke und bauliche Anlagen auch gegen den Willen der Betroffenen zu betreten und (schlicht) in Augenschein zu nehmen. Sinn des Betretungsrechts ist es zu prüfen, ob die für die Bauaufsicht maßgebenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten sind. Das Betretungsrecht erstreckt sich auf bebaute und unbebaute Grundstücke, Anlagen und Wohnungen. Für die Überprüfung muss ein sachlicher Grund vorliegen, der sich allgemein daraus ergibt, dass bauliche Anlagen so zu errichten, zu ändern oder instand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden (Art. 3 BayBO). Das Betretungsrecht steht den berechtigten Personen „in Ausübung ihres Amtes“ zu. Damit macht das Gesetz deutlich, dass dieses Recht nicht nur im Rahmen der bauaufsichtlichen Aufgaben und Befugnisse gem. Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO besteht, sondern ganz allgemein, wenn der Vollzug des Baurechts – insbesondere für die Prüfung von Bauanträgen und von bauaufsichtlichen Maßnahmen (Art. 54 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4, Art. 74 ff. BayBO) sowie allgemein für die Bauüberwachung (Art. 77, 78 BayBO) – gewährleistet werden muss. Den Berechtigten soll mit dem Betretungsrecht die Möglichkeit eröffnet werden, durch Inaugenscheinnahme die zur Bauüberwachung notwendigen Erkenntnisse zu ermitteln resp. sich eine Meinung darüber zu bilden, ob die baurechtlichen Vorschriften eingehalten sind. Eine konkrete Gefahr wird nicht vorausgesetzt (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 16.8.2021 – 15 CS 21.2022).
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Der streitgegenständliche Bescheid beachtet die gesetzlichen Anforderungen. Aufgrund der Anzeige durch einen Bürger, wonach im Obergeschoss eine Wohnung eingebaut worden sein soll, besteht ein sachlicher Grund für eine Überprüfung, ob das als landwirtschaftliche Halle baurechtlich genehmigte Gebäude den formellen und materiellen baurechtlichen Anforderungen entspricht. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die Bauaufsichtsbehörde für die Duldungsanordnung bereits nachweist, dass baurechtswidrige Zustände oder eine konkrete Gefahr bestehen. Sie muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass Vertreterinnen und Vertreter anderer Behörden die Halle bereits besichtigt und hierbei keinen Verstoß festgestellt hätten, zumal es sich bei den vom Antragsteller benannten Personen nicht um solche gehandelt hat, welche mit dem Vollzug der Bauordnung betraut sind. Es steht schließlich auch nicht entgegen, dass der stellvertretende Landrat am *. Juni 2022 „zur Besichtigung der Halle vor Ort“ gewesen sein soll. Es ist schon nicht vorgetragen, dass es sich hierbei um eine Baukontrolle gehandelt haben soll, eine solche ist zudem nicht aktenkundig geworden.
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2. Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO hat der Antragsteller als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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3. Die Festsetzung des Streitwertes erfolgte gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Halbierung des Regelstreitwerts angemessen war.