Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen die Anforderung eines Masernschutznachweises und die Androhung eines Zwangsgeldes
Normenkette:
IfSG § 20 Abs. 9 S. 1, Abs. 12 S. 1 Nr. 1, Abs. 13 S. 1
Leitsätze:
1. § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG begründet nicht nur eine Vertretung des Kindes durch den Personensorgeberechtigten, sondern eine Übertragung der Verpflichtung auf den Sorgeberechtigten selbst (Anschluss an BayVGH BeckRS 2021, 33604). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern handelt es sich um eine rechtlich nur gemeinschaftlich ausübbare und in diesem Sinne gesamthandsähnliche Pflicht, sodass beide Sorgeberechtigte Vollstreckungsschuldner sein können. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erfolgloser Eilantrag, Nachweis eines ausreichenden Masernschutzes bei Schülern, Medizinische Kontraindikation, Masernschutz, Impfung, Nachweis, Kontraindikation, Sorgeberechtigte, Vollstreckungsschuldner
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.09.2023 – 20 CS 23.1432
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20284
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich im Rahmen des Eilrechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Anordnung zur Vorlage von Nachweisen nach dem Masernschutzgesetz.
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Mit Schreiben der Grundschule M* … F* … Straße … vom … Oktober 2020 wurde der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass für den am … August 2012 geborenen Sohn der Antragsteller § 20 Abs. 9 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht als erfüllt bewertet werden könne, da kein entsprechender Nachweis vorgelegt worden sei.
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Mit Schreiben vom … Juni 2022 wurden die Antragsteller gebeten, bis zum 11. August 2022 einen Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 IfSG vorzulegen.
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Mit Schreiben vom … September 2022 wurden die Antragsteller erneut gebeten, nun bis zum 24. Oktober 2022 einen entsprechenden Nachweis vorzulegen.
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Mit Schreiben per E-Mail vom … Oktober 2022 bat die Antragstellerin zu 1) um einen Termin für ein Impfberatungsgespräch. Der von der Antragsgegnerin vorgeschlagene Termin am 5. Dezember 2022 wurde von der Antragstellerin zu 1) wegen eines anderen Termins abgelehnt.
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Mit Schreiben vom … Januar 2023 wurden die Antragsteller zum Erlass einer zwangsgeldbewehrten und gebührenpflichtigen Anordnung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG angehört. Zugleich wurden sie gebeten, die geforderten Nachweise bis 14. Februar 2023 vorzulegen.
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Am … Februar 2023 bat die Antragstellerin zu 1) um einen persönlichen Termin und teilte mit, dass sie eine Impfunverträglichkeit bei ihrem Sohn vermute, die aber derzeit nicht ärztlich bestätigt sei.
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Mit Schreiben vom … Februar 2022 teilte die Antragstellerin zu 1) mit, dass sie selbst seit ihrem siebten Lebensjahr nach einer Impfung an schweren, teilweise unerträglichen Kopfschmerzen leide und dies ihrem Sohn nicht zumuten könne und wolle. Ein Arzttermin für eine Familienanamnese sei verschoben worden, da sie die langen Wartezeiten von einem halben Jahr abgeschreckt hätten. Aus den veröffentlichten Masernfallzahlen des Robert Koch – Instituts (RKI) und den Todesfallzahlen des Paul Ehrlich – Instituts (PEI) ergebe sich, dass die Impfung mindestens fünf Mal gefährlicher sei als die Masernerkrankung. Wie sie von anderen Eltern wüssten, akzeptierten die Gesundheitsämter in ganz Deutschland nach Absprache keine Atteste oder Impfunfähigkeitsbescheinigungen mehr. Sofern sie noch einen Arzt fänden, der bereit sei, eine Familienanamnese durchzuführen, so würde dieses Attest nicht anerkannt werden.
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Am … Februar 2023 sprachen die Antragsteller persönlich bei der Antragsgegnerin vor. Dabei gaben sie an, ein schriftlicher Nachweis zur Impfunfähigkeit oder zu Kontraindikationen liege nicht vor, da der Kinderarzt keine ausführliche Anamnese durchführe und daher auch keinen Nachweis ausstelle. Der Bruder des Sohnes der Antragsteller sei an einem Weichgewebstumor verstorben, die Antragsteller wollten mögliche Komplikationen auch in Verbindung mit einer Masernimpfung ausschließen lassen. Es gebe Wartezeiten bis zu einem Jahr, um einen Arzt zu finden, der ein entsprechendes Attest ausstelle. Im Attest seien aus Sicht der Antragsteller keine genauen medizinischen Angaben zu machen. Die Antragstellerin zu 1) wies darauf hin, dass in den in Deutschland vertriebenen Impfstoffen Bestandteile enthalten seien, die möglicherweise Zellveränderungen auslösten.
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Mit Schreiben vom 15. März 2023 wurde den Antragstellern eine Frist bis 14. April 2023 zur Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG gesetzt.
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Mit Schreiben vom … April 2023 wiesen die Antragsteller darauf hin, dass ihrer Bitte um Auflistung sämtlicher Kontraindikationen sowie der in den Impfstoffen verwendeten Inhaltsstoffen nicht vollständig nachgekommen worden sei. Die Antragsgegnerin werde daher aufgefordert, eine entsprechende Auflistung vorzulegen. Zudem werde eine Fristverlängerung gefordert, bis die geforderte Auflistung durch die Antragsgegnerin vorgelegt werde, und zusätzlich eine Fristverlängerung um vier Monate zur Vereinbarung eines Arzttermins für die erforderliche ausführliche Familienanamnese und spezielle diagnostische Abklärung beim Sohn der Antragsteller.
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Mit Bescheid vom 3. Mai 2023, zugestellt am 6. Mai 2023, wurden die Antragsteller unter Ziffer 1 aufgefordert, bis zum 2. Juni 2023 einen der folgenden Nachweise für ihr Kind vorzulegen:
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- eine Impfdokumentation nach § 22 Abs. 1 und 2 IfSG oder ein ärztliches Zeugnis, auch in Form einer Dokumentation nach § 26 Abs. 2 Satz 4 SGB V als Nachweis darüber, dass insgesamt zwei Masern-Schutzimpfungen durchgeführt wurden oder
14
- ein ärztliches Zeugnis über eine (labordiagnostizierte) Immunität gegen Masern oder
15
- ein ärztliches Zeugnis darüber, dass aus medizinischen Gründen nicht oder erst später geimpft werden kann (Kontraindikation mit Angabe der Dauer) oder
16
- eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer zuvor besuchten, nach § 20 Abs. 8 IfSG betroffenen Einrichtung darüber, dass ein entsprechender Nachweis dort bereits vorgelegt wurde.
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Nach Ziffer 2 des Bescheides ist die Anordnung unter Ziffer 1 kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Für den Fall, dass die Antragsteller der Anordnung aus Ziffer 1 nicht spätestens bis 2. Juni 2023 nachkommen, wurde unter Ziffer 3 ein Zwangsgeld in Höhe von 400,00 EUR angedroht und sofort fällig gestellt. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens (Ziffer 4), für die Anordnung wurde eine Gebühr in Höhe von 120,00 EUR festgesetzt, die Auslagen betragen 2,49 EUR.
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Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass der Antragsgegnerin gemeldet worden sei, dass der Einrichtung, in der der Sohn der Antragsteller betreut werde, kein schriftlicher Nachweis vorgelegt wurde, dass ein ausreichender Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern vorliegt oder eine Immunität oder Kontraindikation vorliegt, aufgrund derer ein Masernimpfschutz nicht gegeben werden darf. Seit dem Beginn des Verfahrens seien keine ärztlichen Nachweise vorgelegt worden, die einen ausreichenden Masernimpfschutz oder eine von den Antragstellern vermutete Kontraindikation begründeten. Unter Würdigung aller Angaben seien keine Gründe ersichtlich, die eine erneute Fristverlängerung rechtfertigen würden. Der Sohn der Antragsteller besuche eine Gemeinschaftseinrichtung im Sinne des § 33 Nr. 1 bis 4 IfSG und zähle demnach, soweit bei ihm keine medizinische Kontraindikation vorliegt, zum Personenkreis, der nach § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG einen altersgerechten, ausreichenden Impfschutz bzw. eine Immunität gegen Masern aufzuweisen habe. Die Anforderung zur Vorlage des Nachweises nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG ergehe nach pflichtgemäßem Ermessen und sei verhältnismäßig. Zweck der Vorlagepflicht sei, dem Gesundheitsamt eine Kontrolle der Einhaltung der Pflichten aus § 20 Abs. 8-11 IfSG zu ermöglichen, um über zukünftige Maßnahmen entscheiden zu können und letztendlich Masern als übertragbare Krankheit beim Menschen vorzubeugen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern.
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Gegen diesen Bescheid ließen die Antragsteller mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 24. Mai 2023 Klage erheben und beantragten zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes,
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die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, dies insbesondere insoweit, als diese sich gegen die Zwangsgeldandrohung gemäß Bescheid der Beklagten vom 03.05.2023 richtet.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Antragsteller aufgrund eines staatlichen Strafverfolgungsszenarios, das dazu führe, dass praktisch sämtliche Ärzte aus Angst vor Strafverfolgung wegen der Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse die Bescheinigung über das Vorliegen einer Kontraindikation verweigern würden, ein entsprechendes Attest nicht beibringen könnten. Die Anordnung der Antragsgegnerin laufe auf eine Impfanordnung hinaus, weil Masern in Deutschland in den letzten Monaten und Jahren kaum aufgetreten seien und daher eine natürliche Immunität nicht nachgewiesen werden könne. Der medizinisch notwendige Ausschluss einer Kontraindikation vor Erlass einer Impfanordnung sei von der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden. Eine verbindliche Vorlageaufforderung mit entsprechender Rechtsfolgenandrohung habe nicht ausgesprochen werden dürfen. Dabei sei gleichgültig, ob auf eine fehlende Verwaltungsaktkompetenz der erlassenden Behörde oder auf den Inhalt der Vorlageaufforderung abgestellt werde. Die Zwangsgeldandrohung in Bezug auf einen Corona-Impfnachweis sei von der Rechtsprechung als rechtswidrig klassifiziert worden. Die Antragsgegnerin habe einen Nachweis anfordern können, jedoch nicht im Sinne einer verbindlichen Anordnung, sondern allein im Sinne einer informatorischen Aufforderung, um das weitere Verfahren entsprechend gestalten zu können. Der Sohn der Antragsteller sei bereits 10 Jahre alt, so dass er eine natürliche Einsichtsfähigkeit besitze und körperliche Eingriffe gegen seinen Willen nicht ohne weiteres zulässig seien. Die Entscheidung über die Verfassungsgemäßheit des § 20 IfSG im Bereich der Schulpflicht sei bislang keiner Entscheidung zugeführt worden. Nach dem Beschluss OVG Magdeburg vom 21. Oktober 2021 (3 M 134/21) bestehe wegen der immer denkbaren gesundheitlichen Folgen und Irreversibilität des Eingriffs regelmäßig ein überwiegendes Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage. Die gesetzgeberische Grundentscheidung der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs begegne angesichts einer nur minimalen Masern-Inzidenz und der Irreversibilität des Eingriffs mit Rücksicht auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes erheblichen Bedenken. Die Antragsteller könnten derzeit kein ärztliches Attest für ihren Sohn erhalten, weil die ihrer Meinung nach zu einer Kontraindikation führenden Umstände nicht in der Liste der gültigen Kontraindikationen des Robert Koch – Instituts (RKI) erscheinen würden, wobei das Paul Ehrlich – Institut (PEI) in anderen Fällen bestätigt habe, dass die Beurteilung über das Vorliegen einer Kontraindikation im Einzelfall dem Arzt obliege und somit nicht standardmäßig nach Liste erfolgen könne. Nahezu alle ärztlichen Atteste über das Vorliegen von Kontraindikationen würden von der Antragsgegnerin und zahlreichen anderen Gesundheitsämtern meist ohne ärztliche Untersuchung mit Begutachtung nach Aktenlage verworfen. Da in verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren aus Zeitgründen keine medizinischen Gutachten zur Klärung der Situation eingeholt werden können, sei fraglich, wie vorliegend effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden könne. Angesichts der Betonung der Freiwilligkeit der Impfentscheidung und der Ablehnung eines Impfzwangs durch das Bundesverfassungsgericht sei offenkundig, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Bürger als Grundrechtssubjekt ein Weg offenstehen müsse, die Freiwilligkeit der Impfentscheidung umzusetzen. Vorliegend sei dies nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides unter der Prämisse einer geltenden Schulpflicht nicht mehr der Fall, die Anordnung zur Vorlage in Bescheidform sei daher offensichtlich rechtswidrig.
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Mit Schreiben vom 15. Juni 2023 beantragte der Antragsgegner,
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den Antrag abzuweisen.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletzte die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung überwiege das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Der Antragsgegnerin fehle nicht die Kompetenz zum Erlass der Anordnung. Mit Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 17. September 2022 sei der gesetzliche angeordnete Sofortvollzug in § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG auf die Nachweisanforderung ausgedehnt worden. Der Gesetzgeber mache damit seine Intention deutlich, dass es sich bei der Anordnung nicht um eine vorbereitende Verfahrenshandlung handele. Die konsequente Kontrolle der Nachweisvorlage wäre bei Schulpflichtigen anderweitig nicht möglich. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 33 Nr. 3 IfSG i.V.m. § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG lägen unstrittig vor. Die streitgegenständliche Anordnung sei nach pflichtgemäßem Ermessen ergangen und sei verhältnismäßig. Es sei den Antragstellern zumindest nicht unmöglich, ihr Kind jederzeit ärztlich begutachten zu lassen. Inwieweit die von den Antragstellern geltend gemachte Impfunfähigkeit den Anforderungen des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG entspreche bzw. ob und wie verbindlich sich eine Plausibilitätskontrolle an den Empfehlungen des RKI sowie der Ständigen Impfkommission (STIKO) orientieren dürfe, sei derzeit nicht entscheidungserheblich, da der Antragsgegnerin bisher keine solche Bescheinigung zur Prüfung vorgelegt worden sei. Auch die Möglichkeit eines Beratungsgesprächs mit der zuständigen Amtsärztin sei nicht wahrgenommen worden. Die verpflichtende Nachweisvorlage sei erforderlich, da der Nachweispflicht bisher nicht nachgekommen worden sei und bei Schülerinnen und Schülern kein Betretungsverbot ausgesprochen werden könne. Auch die Androhung des Zwangsgeldes sei rechtmäßig, sie diene der unmittelbaren Durchsetzung der Nachweispflicht.
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Mit Schreiben vom 20. Juni 2023 vertiefte die Bevollmächtigte der Antragsteller ihre Ausführungen. Die Antragsgegnerin sei um Mitwirkung gebeten worden, wie der Begriff der Kontraindikation zu verstehen sei. Bereits im Gesetzgebungsverfahren habe es massive Kritik gegeben, dass der Begriff der Kontraindikation nicht gesetzlich näher definiert worden sei. Es handele sich um eine gewollte Unklarheit, die vorliegend dazu geführt habe, dass die Antragsteller bislang kein Attest beibringen konnten. Es fehle dem streitgegenständlichen Bescheid an der notwendigen Bestimmtheit, weil nicht ausreichend festgelegt sei, was die Antragsteller zu tun haben. Es sei nicht möglich, durch gewissenhafte Voruntersuchungen vorherzusagen, wer in besonderem Maß Gefahr laufe, eine mittelgradige oder schwere Impfnebenwirkung bis hin zu einem Impfschaden zu erleiden. Es sei unklar, ob auch psychische Sonderumstände sowie eine in Rede stehende genetische Sonderdisposition, die bei den Antragstellern bereits zum krankheitsbedingten Verlust eines Kindes geführt hat, eine Rolle spielen würden. Der ICD-Code lege nahe, dass auch psychische Faktoren einen Krankheitswert haben, vorliegend seien diese aber nicht in der RKI-Liste der Kontraindikationen erfasst. Für bereits durch den Tod eines Kindes traumatisierte Eltern mit einhergehenden Verlustängsten bedeute die in unklarer medizinischer Situation selbstredend massiv angstbesetzte Impfung des verbleibenden Kindes eine weitere Traumatisierung und wirke sich bei den Eltern selbstverständlich gesundheitsschädlich aus. Denn sollte auch dieses Kind erkranken, werde sich im Nachhinein niemals ausschließen lassen, dass es einen Zusammenhang mit der stattgebenden Impfung gab. Die Antragsteller und ihr Sohn befänden sich im Zusammenhang mit dem Tod des anderen Kindes in psychologischer Betreuung. Eine Retraumatisierung durch eine medizinische Behandlung, insbesondere eine solche mit Spritzen, könne beim Sohn der Antragsteller nicht ausgeschlossen werden. Er stehe auch selbst der Masernimpfung ablehnend gegenüber, zumal er erfahren musste, dass die behandelnden Mediziner seinen Bruder trotz aller Bemühungen und Interventionen nicht retten konnten. Die Antragsteller wüssten bis heute nicht, ob die Sondersituation, in der sie sich befinden, eine Kontraindikation begründen könne und welche (immunologischen) Gründe zum Tod ihres jüngeren Sohnes geführt hätten. Ärzten, die aus Sorge vor Strafverfolgung keine Atteste ausstellten, erginge es genauso. Das Bundesverfassungsgericht habe wegen der Ausgangslage für Schulkinder bislang keine Entscheidung über die Verfassungsgemäßheit der Masern-Impfnachweispflicht getroffen und betone, im Grundsatz solle die freie Entscheidung bei den Eltern verbleiben. Die Antragsteller wären gerne bereit, ihre Bemühungen um die Ausstellung eines gültigen Attestes zu belegen, zu einer Masernimpfung ihres Sohnes sind sie unter keinen Umständen bereit. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung werde beanstandet, dass diese zu unbestimmt sei, da ein Zwangsgeld höchstpersönlichen Charakter habe und der Bescheid nicht deutlich mache, ob beide Eltern zusammen oder jeder einzeln bei Nichtvorlage jeweils 400,00 EUR Zwangsgeld zu zahlen habe.
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Mit Schreiben vom 19. Juli 2023 ließen die Antragsteller durch ihre Bevollmächtigte mitteilen, dass der Antragsteller zu 2) kürzlich einen Nervenzusammenbruch nebst einhergehender Panikattacken erlitten habe, er befinde sich in entsprechend fachärztlicher Akutbetreuung. Einer der wesentlich beitragenden Belastungsfaktoren sei die Ungewissheit über den Ausgang des hiesigen Verfahrens sowie die Verlustängste, die der Antragsteller zu 2) im Sinne einer Retraumatisierung nach dem Tod des jüngeren Sohnes im Zusammenhang mit einer Masernimpfung sowie dem staatlichen Zwangsszenario erlebe.
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Mit Schreiben vom 31. Juli 2023 übersandte die Bevollmächtigte der Antragsteller ein Attest des …Klinikums M* … über einen stationären Aufenthalt des Antragstellers zu 2) in der Psychiatrie im Zeitraum vom … Juli 2023 bis … Juli 2023. Zugleich wurde eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zu 2) vorgelegt, wonach die Zwangsgeldforderung des Antragsgegners die Antragsteller in eine ähnliche Situation bringe wie die Krebserkrankung des jüngeren Sohnes. Zusätzlich zu Trauer und Verlust habe Ohnmacht und Kontrollverlust zur Entwicklung eines Traumas geführt. Die aktuelle Ohnmachtssituation aufgrund der Sorge um die Gesundheit des Sohnes, das Gefühl der Abhängigkeit vom Gesundheitsamt, der Rechtsanwältin und dem Gericht und die Sorge vor dem finanziellen Ruin aufgrund des Zwangsgeldes oder der Alternative, ohne vorherige ärztliche Abklärung einen Impfnachweis vorzulegen, habe das alte Trauma wieder ausgelöst.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
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1. Der als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellte Antrag ist nach § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auszulegen und insoweit zulässig, insbesondere statthaft nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG, Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
31
Bei der Anordnung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 3. Mai 2023 handelt es sich – jedenfalls seit der Neufassung des § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG vom 16.09.2022, gültig ab dem 17.09.2022 (BGBl. I S. 1454), – um einen Verwaltungsakt, der durch Verwaltungsvollstreckungsrecht durchgesetzt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris, Rn. 9 mit Verweis auf Gerhardt, 6. Aufl. 2022, IfSG § 20 Rn. 124; a.A. BeckOK InfSchR/Aligbe, 16. Ed. 8.4.2023, IfSG § 20 Rn. 259c). Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung vom 16.09.2022 ausweislich der Gesetzesbegründung erreichen wollte, dass künftig auch die Nachweisanforderung des Gesundheitsamtes sofort vollziehbar sein soll (BT-Drs. 20/3328, S. 14). Eine solche Regel zur sofortigen Vollziehbarkeit einer Anordnung bzw. zur aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen die Anordnung macht aber nur dann Sinn, wenn es sich bei der Nachweisanforderung um einen Verwaltungsakt handelt.
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Die Klage gegen diese Anordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Nach § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach § 20 Abs. 12 Satz 1 oder Satz 2 IfSG erlassene Anordnung (oder ein von ihm nach § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG erteiltes Verbot) keine aufschiebende Wirkung. Da die in Nr. 1 des Bescheides vom 29. März 2023 angeordnete Nachweispflicht auf der Rechtsgrundlage des § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 und Abs. 13 IfSG erfolgte, ist diese Anordnung kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) sofort vollziehbar.
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Der Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die angeordnete Vorlage eines entsprechenden Nachweises steht auch nicht § 44a VwGO entgegen. Nach § 44a Satz 1 VwGO – der auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gilt – können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden, wobei dies nicht gilt, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können (vgl. § 44a Satz 2 VwGO). Vorliegend wurden die Antragsteller verpflichtet, für ihren schulpflichtigen Sohn einen Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen. Dabei handelt es sich – anders als in dem vom BayVGH mit Beschluss vom 29.12.2021 – 20 CE 21.2778 – juris entschiedenen Verfahren – vorliegend nicht um eine unselbständige Verfahrenshandlung, sondern um einen eigenständigen Verwaltungsakt. Seitens des BayVGH wurde in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass in jedem Einzelfall zu klären sei, ob es sich bei einer zur gerichtlichen Überprüfung gestellten behördlichen Handlung um eine Verfahrenshandlung oder um eine verfahrensbeendende Sachentscheidung handelt (BayVGH, B. v. 29.12.2021 – 20 CE 21.2778 – juris Rn. 6). Da im vorliegenden Verfahren im Hinblick auf den schulpflichtigen Sohn der Antragsteller bei Nichtvorlage eines Nachweises ein Verbot, die Schule zu betreten, nach § 20 Abs. 12 Satz 5 IfSG als anschließende verfahrensbeendende Sachentscheidung nicht in Betracht kommt, ist bereits die Anordnung der Vorlage eines entsprechenden Nachweises als eine mit Klage und Eilverfahren anfechtbare Sachentscheidung anzusehen. Das gilt vorliegend umso mehr, als dass die Antragsteller im Laufe des Verwaltungsverfahrens beginnend mit Schreiben vom 29. Juni 2022 wiederholt auf die Nachweispflicht hingewiesen und wiederholt aufgefordert wurden, einen entsprechenden Nachweis über den Masernschutz für ihren Sohn vorzulegen.
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2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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2.1 Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall eines gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen (beispielsweise BVerwG B.v. 25.3.1993 – 1 ER 301/92 – NJW 1993, 3213, juris Rn. 3). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, weil er zulässig und begründet ist, so wird im Regelfall nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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2.2 Nach diesen Maßstäben ist der Antrag, die aufschiebenden Wirkung der Klage anzuordnen, abzulehnen, da der Bescheid vom 3. Mai 2023 voraussichtlich rechtmäßig ist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), so dass die in der Hauptsache zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
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2.2.1 Die unter Ziffer I verfügte „Nachweispflicht“ erweist sich bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig.
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2.2.1.1 Rechtsgrundlage für die Anforderung eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG ist § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG. Danach haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen (§ 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG). Soweit – wie hier – die verpflichtete Person minderjährig ist, hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht (§ 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG). Dabei hat der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG nicht nur eine Vertretung des Kindes durch den Personensorgeberechtigten, sondern eine Übertragung der Verpflichtung auf den Sorgeberechtigten statuiert (BayVGH, B.v. 6.10.2021 – 25 CE 21.2383 – juris Rn. 8).
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2.2.1.2 Bei summarischer Prüfung liegen die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 13 Satz 1 IfSG vor.
40
(1) Der Sohn der Antragsteller besucht eine Grundschule in M* … und wird daher in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 3 IfSG (Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen) im Bezirk der Antragsgegnerin betreut.
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(2) Einen Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG haben die Antragsteller nicht vorgelegt. Unstreitig wurde weder eine Impfdokumentation nach § 22 Abs. 1 und 2 IfSG oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass beim Sohn der Antragsteller ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, noch ein ärztliches Zeugnis darüber, dass eine Immunität gegen Masern vorliegt oder der Sohn der Antragsteller aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann, vorgelegt. Auch eine Bestätigung einer staatlichen Stelle, dass entsprechende Nachweise bereits vorgelegt wurden, ist nicht ersichtlich.
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(3) Der Vortrag der Antragsteller, dass ein ärztliches Zeugnis über das Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation nicht vorgelegt werden könne, führt nicht dazu, dass die Nachweispflicht entfällt.
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Die Antragsteller machen geltend, dass aufgrund der Krebserkrankung des jüngeren Sohnes, in deren Folge dieser verstorben ist, eine Familienanamnese erforderlich sei. Ein entsprechender Termin dazu hat jedoch bislang nicht stattgefunden und es wurde nicht vorgetragen, dass ein solcher vereinbart wurde. Vielmehr hätten die langen Wartezeiten die Antragsteller davor abgeschreckt, einen entsprechenden Termin überhaupt zu vereinbaren. Da nicht ersichtlich war, dass die Antragsteller einen Termin für eine ärztliche Untersuchung als Voraussetzung für die Vorlage eines Nachweises für eine medizinische Kontraindikation überhaupt konkret in Erwägung ziehen, war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, weiter abzuwarten. Zudem ist aus dem Vortrag der Antragsteller bislang nicht ersichtlich, inwiefern die Krebserkrankung des jüngeren Sohnes mit einer Impfung in Zusammenhang steht und woraus sich in diesem Zusammenhang eine medizinische Kontraindikation für die Impfung gegen Masern hinsichtlich des älteren Sohnes ergeben könnte. Auch, dass die Antragstellerin zu 1) nach einer Impfung im Kindesalter über lange Zeit schlimme Kopfschmerzen gehabt habe, führt nicht zum Beleg dafür, dass der Sohn der Antragsteller nicht gegen Masern geimpft werden kann, da dieser Aspekt nicht im Zusammenhang mit der persönlichen gesundheitlichen Disposition des Sohnes steht. Sofern vorgetragen wurde, dass der Sohn der Antragsteller aufgrund der Erkrankung und des Todes seines Bruders durch eine ärztliche Behandlung mit einer Spritze retraumatisiert werden könnte, liegen hierzu bislang keine Nachweise im Sinne ärztlich-psychologischer Gutachten vor. Die geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen der Antragsteller durch die Impfung des Sohnes stellen bereits keine medizinische Kontraindikation dar, aufgrund derer der Sohn der Antragsteller nicht geimpft werden kann.
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Soweit die Antragsteller vortragen, dass sie ein Attest über eine medizinische Kontraindikation nicht beibringen könnten, da Ärzte aufgrund von staatlichen Strafverfolgungsszenarien entsprechende Atteste nicht ausstellten, ist diese Behauptung für das Gericht nicht erwiesen. Die Antragsteller haben nicht vorgetragen, dass konkret Ärzte das Ausstellen eines Attestes verweigert hätten. Vielmehr wurde nur vorgebracht, dass der Kinderarzt der Familie die gewünschte Familienanamnese nicht durchführt. Des Weiteren haben es die Antragsteller bislang auch unterlassen, zumindest Atteste darüber vorzulegen, welche gesundheitlichen Einschränkungen bei ihrem Sohn vorliegen, die aus ihrer Sicht zu einer medizinischen Kontraindikation führen. Ohne entsprechende Anhaltspunkte dazu, welche konkreten gesundheitlichen Einschränkungen beim Sohn der Antragsteller vorliegen, war auch die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, sich näher mit einer medizinischen Kontraindikation zu befassen und zum Beispiel Listen möglicher Kontraindikationen vorzulegen. Es ist nicht ersichtlich, wie eine Liste möglicher Kontraindikationen dazu führen kann, dass der Sohn der Antragsteller dann einen Nachweis über die bei ihm vorhandene Kontraindikation führen kann. Vielmehr müsste zunächst nachgewiesen werden, welche gesundheitlichen Einschränkungen vorhanden sind.
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Da bislang kein Attest vorgelegt wurde, verfängt auch der Vortrag nicht, dass dieses nicht anerkannt werden würde. Ein Nachweis für diese Behauptung ist nicht ersichtlich.
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Auch war die Antragsgegnerin vor Bescheiderlass nicht verpflichtet, die Inhaltsstoffe der Impfungen vorzulegen, da die Antragsteller die Möglichkeit haben, sich diese Informationen selbst z.B. über den Arzt oder die Apotheke zu beschaffen.
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(4) Auch gegen die Frist zur Vorlage eines Nachweises bestehen angesichts der mehrfach erfolgten Aufforderung zur Vorlage eines entsprechenden Nachweises im vorangegangenen Verwaltungsverfahren keine rechtlichen Bedenken. Dem Antrag der Antragsteller auf Fristverlängerung vom … April 2023 musste die Antragsgegnerin nicht nachkommen, da sie – wie oben dargelegt – nicht verpflichtet war, eine Liste der Kontraindikationen oder Inhaltsstoffe der Impfstoffe vorzulegen. Hinsichtlich der beabsichtigten Durchführung einer Familienanamnese hatten die Antragsteller seit Beginn des Verwaltungsverfahrens keinen Termin vereinbart, so dass nicht absehbar war, ob überhaupt und ggf. wann ein solcher stattfinden würde.
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Die unter Ziffer I des Bescheides angeordnete Nachweispflicht ist daher im Eilverfahren rechtlich nicht zu beanstanden.
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2.2.2 Die unter Ziffer III erfolgte Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 36 i.V.m. Art. 31 VwZVG für die nicht fristgerechte Erfüllung der Nachweispflicht ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
50
Der Rechtmäßigkeit der Ziffer III des Bescheids vom 3. Mai 2023 steht insbesondere nicht entgegen, dass ein einheitliches Zwangsgeld in Höhe von 400,00 EUR angedroht wurde. Die Zwangsgeldandrohung ist dennoch hinreichend bestimmt und verstößt nicht gegen § 36 Abs. 5 VwZVG bzw. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Vorliegend handelt es sich um einen an beide Antragsteller als Eltern gerichteten Bescheid mit dem – ausweislich der Adressierung und Tenorierung – beide Antragsteller als Vollstreckungsschuldner herangezogen werden. Obwohl lediglich ein Betrag (400,00 EUR) genannt wird, ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ein ggf. fällig werdendes Zwangsgeld zweimal, nämlich jeweils von der Antragstellerin zu 1 und vom Antragsteller zu 2, fordern will. Vielmehr ist in der vorliegenden Konstellation von einer Gesamtschuld auszugehen, da auch die zugrundeliegende Grundverfügung (Erfüllung der Nachweispflicht) gem. § 20 Abs. 13 IfSG an beide Antragsteller als sorgeberechtigte Personen gerichtet ist. Es handelt sich mithin um eine von den Eltern rechtlich nur gemeinschaftlich ausübbare und in diesem Sinne gesamthandsähnliche Pflicht, die Ausfluss des gem. § 1629 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BGB beiden Elternteilen gemeinschaftlich zustehenden Sorgerechts ist (vgl. VG München, B.v. 10.2.2022 – M 3 S 22.567 – juris Rn. 40; VG Bayreuth B.v. 14.11.2022 – 7 S 22.1038, BeckRS 2022, 36782, Rn. 40).
51
Die Androhung des Zwangsgeldes stellt sich auch nicht als unverhältnismäßig dar. Sie dient der unmittelbaren Durchsetzung der Nachweispflicht nach § 20 Abs. 9 IfSG, der auch auf andere Weise als durch eine Impfung nachgekommen werden kann, und bei der es sich – auch nach dem Willen des Gesetzgebers – um eine durch Verwaltungsvollstreckungsrecht und insbesondere mit Zwangsgeld durchsetzbare Pflicht handelt (BT-Drs. 19/13452, S. 30). Davon unberührt bleibt die in § 20 Abs. 8 IfSG geregelte Verpflichtung, einen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern aufweisen zu müssen, die hingegen nicht durch unmittelbaren Zwang durchgesetzt werden kann (BT-Drs. 19/13452, S. 27). Vor diesem Hintergrund steht auch der momentane Gesundheitszustand des Antragstellers zu 2) der Zwangsgeldandrohung nicht entgegen, weil diese – wie dargelegt – vorliegend nicht der zwangsweisen Durchsetzung einer Impfung, sondern der Durchsetzung der Vorlage eines in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 3. Mai 2023 geforderten Nachweises dient.
52
Nach alledem war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage mangels Aussicht auf Erfolg abzulehnen.
53
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 159 VwGO.
54
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m.
Nr. 1.1.3 und Nr. 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im Hinblick darauf, dass die Antragsteller untereinander familiär verbunden sind und den streitgegenständlichen Bescheid vom 3. Mai 2023, der beide Antragsteller als Adressaten ausweist, als Rechtsgemeinschaft bekämpfen, ist der für den Streitgegenstand angemessene Streitwert von 2.500,00 EUR nur einmal zu berücksichtigten (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 25 CE 21.2628 – juris Rn. 4).