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FG München, Urteil v. 21.06.2023 – 4 K 1639/21
Titel:

Schenkungsteuerrechtliche Steuerbefreiung als Familienheim auch bei Erwerb von Gesamthandseigentum

Normenketten:
FGO § 47 Abs. 1 S. 1
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1
BGB § 718, § 719 Abs. 1
Leitsatz:
Im Fall einer von einem Ehepaar zu eigenen Wohnzwecken genutzten, jedoch zunächst allein der Ehefrau gehörenden Immobilie ist die schenkungsteuerliche Steuerbefreiung als Familienheim für den Ehemann nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ehefrau die Immobilie unentgeltlich in das Gesellschaftsvermögen einer zuvor gemeinsam mit ihrem Ehemann gegründeten GbR eingebracht hat.
Schlagwort:
Schenkungsteuer
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – II R 18/23
Fundstellen:
UVR 2023, 329
EFG 2023, 1411
StEd 2023, 521
ErbStB 2023, 284
BeckRS 2023, 20147
ZEV 2023, 777
NZM 2023, 896
RNotZ 2024, 274
LSK 2023, 20147

Tenor

1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 4. November 2021 wird dahingehend geändert, dass die Schenkungsteuer des Klägers auf 0,- € herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Fall einer von einem Ehepaar zu eigenen Wohnzwecken genutzten, jedoch zunächst allein der Ehefrau gehörenden Immobilie die schenkungsteuerliche Steuerbefreiung als Familienheim für den Ehemann deshalb ausgeschlossen ist, weil die Ehefrau die Immobilie unentgeltlich in das Gesellschaftsvermögen einer zuvor gemeinsam mit ihrem Ehemann gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingebracht hat.
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F, die Ehefrau des Klägers, war ursprünglich Miteigentümerin zu ½ der beiden benachbarten und jeweils bebauten Grundstücke in der Gemarkung X mit den Flurstücknummern 1 … und 2 … Die weiteren Miteigentümer/Miteigentümerinnen dieser Grundstücke zu je 1/6 waren die drei Kinder des Klägers und seiner Ehefrau, … Das auf dem Grundstück 1 stehende Wohnhaus wurde vom Kläger und seiner Ehefrau zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Mit Urkunde des Notars …, vom 6. August 2020 (Urkundenrolle Nr. …) kaufte die Ehefrau des Klägers die Miteigentumsanteile ihrer drei Kinder an den genannten beiden Grundstücken zum Preis von insgesamt dreimal 600.000 € mit dem Ziel, Alleineigentümerin der Grundstücke zu werden. In der notariellen Urkunde war außerdem die rechtliche Vereinigung beider Grundstücke unter gleichzeitiger Beibehaltung der getrennten Flurstücknummern bestimmt. Mit weiterer Urkunde desselben Notars vom 6. August 2020 (Urkundenrolle Nr. …) traf die Ehefrau des Klägers mit letzterem eine Reihe von Vereinbarungen. Zum einen errichteten der Kläger und seine Ehefrau unter der Bezeichnung „F & E G. GbR“ eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit paritätischer Beteiligung. Zum anderen vereinbarten die beiden als Gesellschafter die Einbringung des (nunmehr rechtlich vereinigten) bebauten Grundstückes in das Gesellschaftsvermögen der GbR. Die hierdurch zugunsten des Klägers bewirkte sachenrechtliche Berechtigung an dem Grundstück bezeichneten die Vertragschließenden ausdrücklich als unentgeltliche ehebedingte Zuwendung an den Kläger. Schließlich wurde in der letztgenannten notariellen Urkunde die unmittelbare Eintragung der GbR als Grundstückseigentümerin bestimmt und auf die Voreintragung der Ehefrau des Klägers bezüglich des käuflich erworbenen Grundstücksanteiles verzichtet. Die GbR wurde am 4. September 2020 unter zusätzlicher Nennung des Klägers und seiner Ehefrau als deren Gesellschafter im Grundbuch eingetragen.
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Mit Schreiben vom 28. September 2020 beantragte der Kläger beim Beklagten wegen der fortgesetzten Nutzung des Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken für den schenkungsteuerrechtlichen Erwerb die Gewährung der Steuerbefreiung als sogenanntes Familienheim und gab für den Hälfteanteil des bebauten Grundstückes einen Verkehrswert von 1,8 Mio. € an. In seiner Schenkungsteuererklärung vom 20. Januar 2021 an den Beklagten erklärte er unter Berufung auf die oben genannte Steuerbefreiung eine festzusetzende Schenkungsteuer von 0,- €. Der Beklagte hingegen hielt wegen der Eigentumsübertragung auf die GbR die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Steuerbefreiung nicht für gegeben und setzte mit Schenkungsteuerbescheid vom 2. Februar 2021 die Schenkungsteuer des Klägers auf 247.000 € fest. Als Wert des schenkungsteuerrechtlichen Erwerbes ging der Beklagte von dem erklärten Betrag in Höhe von 1.800.000 € aus, brachte den persönlichen Freibetrag des Klägers in Höhe von 500.000 € hiervon in Abzug und ermittelte die festgesetzte Schenkungsteuer unter Anwendung eines Steuersatzes von 19% nach Steuerklasse I. Der mit Schreiben des Klägers vom 5. Februar 2021 hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos und wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 25. Juni 2021 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2021 erhob der Kläger hiergegen die vorliegende Klage. Nach Aufforderung durch den Beklagten stellte das hierfür zuständige Finanzamt M mit Bescheid vom 7. Oktober 2021 den Grundbesitzwert des gesamten (rechtlich vereinigten) Grundstückes auf den Stichtag des 6. August 2020 auf 3.564.852 €, sowie den dem Kläger zugerechneten Hälfteanteil hieran auf 1.782.426 € fest. Infolge der Verminderung des Grundbesitzwertes setzte der Beklagte durch geänderten Schenkungsteuerbescheid vom 4. November 2021 die Schenkungsteuer des Klägers auf 243.656 € herab. Den gegen den vorgenannten Feststellungsbescheid des Finanzamts M zunächst am 11. Oktober 2021 eingelegten Einspruch nahm der Kläger mit Wirkung zum 17. November 2021 zurück, sodass der Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes bestandskräftig wurde.
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Der Kläger begründet seine Klage im Wesentlichen wie folgt:
„Die Festsetzung von Schenkungsteuer durch den Beklagten sei rechtswidrig, weil dem Kläger für den Erwerbsvorgang die Steuerbefreiung für ein sogenanntes Familienheim zustehe. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung seien erfüllt, weil er aufgrund des notariellen Vertrages vom 6. August 2020 von seiner Ehefrau unentgeltlich Eigentum an der bislang und auch weiterhin für eigene Wohnzwecke genutzten Wohnung erworben habe. Der Umstand, dass das bebaute Grundstück Gesellschaftsvermögen der gemeinsam mit seiner Ehefrau gegründeten GbR geworden ist, schließe die Steuerbefreiung nicht aus. Zu dem für die Steuerbefreiung geltenden Eigentumsbegriff zähle auch das Gesamthandseigentum im Rahmen einer Personengesellschaft. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) werde die unentgeltliche Einbringung eines Vermögensgegenstandes in das Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft durch einen der Gesellschafter als Schenkung zu Gunsten der übrigen Gesellschafter angesehen, obwohl der Personengesellschaft in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung eine gewisse Rechtsfähigkeit zugesprochen wird. Führte demnach die Übertragung eines Vermögensgegenstandes auf die Personengesellschaft zum Erwerb und zur Bereicherung des an dem Vermögensgegenstand bislang noch nicht berechtigten Gesellschafters, müsse dieser Erwerbsbegriff auch für den Steuerbefreiungstatbestand gelten.“
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Der Kläger beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid vom 4. November 2021 dahingehend zu ändern, dass die Schenkungsteuer des Klägers auf 0,- € herabgesetzt wird,
hilfsweise den Schenkungsteuerbescheid vom 4. November 2021 sowie den vorausgegangenen Schenkungsteuerbescheid vom 2. Februar 2021 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Nach seiner Ansicht sei der Schenkungsteuerbescheid vom 4. November 2021 rechtmäßig. Dem Kläger stehe die für den Erwerb des Familienheims geltende Steuerbefreiung nicht zu. Da die Ehefrau des Klägers durch den notariellen Vertrag vom 6. August 2020 die ihr allein gehörende Immobilie ausdrücklich auf die zuvor gemeinsam mit dem Kläger gegründete GbR übertragen hat, sei der Kläger am Gesellschaftsvermögen der GbR lediglich als Gesamthänder berechtigt. Insbesondere habe er an der Immobilie keinen Eigentumsanteil erworben. Der Steuerbefreiungstatbestand setze demgegenüber jedoch den Erwerb von entweder Eigentum oder Miteigentum an einer für eigene Wohnzwecke genutzten Wohnung voraus. Dies sei im Streitfall nicht erfüllt.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die den Kläger betreffende Behördenakte und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1.) Die Klage ist zulässig.
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Insbesondere ist die Klage fristgerecht erhoben (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO). Gegenstand der Anfechtungsklage ist gemäß § 68 Satz 1 FGO der geänderte Schenkungsteuerbescheid vom 4. November 2021.
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2.) Die Klage ist auch begründet.
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a) Der Schenkungsteuer unterliegen die Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung -ErbStG-). Als solche gilt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht nach Vorschriften des ErbStG steuerbefreit ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG, auf die sich im Streitfall der Kläger beruft, setzt voraus, dass ein Ehegatte dem anderen Ehegatten als freigebige Zuwendung das Eigentum oder Miteigentum an einem unter anderem im Inland belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) verschafft, soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (Familienheim).
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat der Beklagte zwar zutreffend die aufgrund des notariellen Vertrages vom 6. August 2020 bewirkte Übertragung des Eigentums der Ehefrau des Klägers an dem bebauten Grundstück in ... als eine freigebige Zuwendung an den Kläger im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG angesehen, ihm jedoch die Gewährung der in Rede stehenden Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG zu Unrecht versagt.
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aa) Im Streitfall steht jedenfalls nach dem Wortlaut des notariellen Vertrages vom 6. August 2020 fest, dass die Ehefrau des Klägers das in Rede stehende bebaute Grundstück in ... ohne Gegenleistung in das Gesellschaftsvermögen der gemeinsam mit dem Kläger neu gegründeten GbR eingebracht hat und die Vertragschließenden die Übertragung des (zivilrechtlichen) Eigentums auf die GbR vereinbart haben. Eine freigebige, d. h. unentgeltliche, Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegt immer dann vor, wenn auch die zivilrechtlichen Voraussetzungen einer Schenkung nach § 516 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erfüllt sind. Der Besteuerungstatbestand deckt sich allerdings in objektiver Hinsicht nicht immer vollständig mit dem zivilrechtlichen Schenkungsbegriff (vgl. Fischer in Fischer/Pahlke/Wachter ErbStG 8. Aufl. 2023 § 7 Rdn. 12ff). So muss der durch den Vermögensübergang bereicherte schenkungsteuerrechtliche Erwerber (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) nicht in jedem Fall mit der Person des am zivilrechtlichen Schenkungsvorgang beteiligten Beschenkten identisch sein.
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Wird etwa durch einen Schenkungsvorgang ausdrücklich eine Personengesellschaft (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts) bedacht, so erwirbt diese im Fall einer Sachschenkung aufgrund der ihr zivilrechtlich zugesprochenen Teilrechtsfähigkeit das Eigentum an dem Schenkungsgegenstand. Die Fähigkeit zum eigenständigen Rechtserwerb ergibt sich für eine offene Handelsgesellschaft und eine Kommanditgesellschaft aus den gesetzlichen Vorschriften der § 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB). Für eine rechtsgeschäftlich nach außen auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist deren Fähigkeit zum Rechtserwerb zwar (bislang) nicht gesetzlich in den Vorschriften der §§ 705 ff BGB geregelt, kann aber nach gefestigter zivilgerichtlicher Rechtsprechung als gesichert gelten (vgl. z.B. Bundesgerichtshof -BGH-Urteile vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 und vom 19. November 2013 II ZR 150/12, NJW 2014, 1107). Im Fall eines Grundstückserwerbes – wie der der GbR im Streitfall – ist die Personengesellschaft auch grundbuchrechtlich als Eigentümerin anzusehen (vgl. BGH-Urteile vom 25. September 2006 II ZR 218/05, NJW 2006, 3716 und vom 25. Januar 2008 V R 63/07, NJW 2008, 1378, bzw. Beschluss vom 28. April 2011 V ZB 194/10, BGHZ 189, 274).
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Obwohl im Streitfall die GbR – und nicht deren Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit – zur zivilrechtlichen Empfängerin des Schenkungsgegenstandes „bebautes Grundstück“ bestimmt worden ist, ist die GbR in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht nicht als Erwerberin anzusehen. Die eigenständige – und insoweit abweichende – schenkungsteuerrechtliche Prüfung ergibt nach Ansicht des BFH vielmehr, dass schenkungsteuerrechtlich nicht die im zivilrechtlichen Sinne beschenkte Gesellschaft, sondern vielmehr die einzelnen Gesellschafter (Gesamthänder) durch die freigebige Zuwendung als bereichert anzusehen sind (vgl. etwa BFH-Urteile vom 14. September 1994 II R 95/92, BFHE 176, 44, BStBl II 1995, 81 und vom 5. Februar 2020 II R 9/17, BFHE 267, 511, BStBl II 2020, 658). Der Rechtsansicht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung folgt auch die überwiegende Fachliteratur trotz einer kritischen Betrachtung des offensichtlichen Widerspruchs zwischen dem zivilrechtlichen und dem schenkungsteuerrechtlichen Erwerbsverhältnis (vgl. etwa Meincke/Hannes/Holtz ErbStG 18. Auflage 2021 § 7 Rdn. 81; Gebel in Troll /Gebel/Jülicher/Gottschalk ErbStG § 7 Tz. 185; Götz in Wilms/Jochum ErbStG § 7 Rdn. 29; Fischer in Fischer/Pahlke/Wachter ErbStG 8. Aufl. 2023 § 7 Rdn. 130).
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Der erkennende Senat geht gleichermaßen von der schenkungsteuerrechtlichen Transparenz einer Personengesellschaft mit der Folge des schenkungsteuerrechtlichen Erwerbes durch den jeweiligen Gesellschafter/Gesellschafterin aus. Trotz der Teilrechtsfähigkeit sowie der Grundbuchfähigkeit einer Personengesellschaft – wie im Streitfall der GbR – vermittelt diese das selbst erworbene Eigentum an dem Schenkungsgegenstand lediglich den Gesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit (§ 718 Abs. 1, § 719 Abs. 1 BGB). Schließlich bezweckt die zivilrechtliche Teilrechtsfähigkeit von Personengesellschaften – wie im Streitfall die der GbR – nur die Erleichterung im Geschäftsverkehr. Eine strikte Trennung der rechtlichen Ebene der Gesellschaft von der der Gesellschafter, wie bei juristischen Personen wie etwa einer Kapitalgesellschaft, ist hierdurch nicht gewollt. Die Stellung des Klägers als Gesamthänder des Gesellschaftsvermögens in Gestalt der besagten Immobilie wird durch die Annahme der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft nicht beeinträchtigt. In schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht ist aus diesen Erwägungen allein von einer Bereicherung und einem steuerbaren Erwerb des Klägers nach § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG auszugehen. Schenkungsteuerrechtlicher Erwerber ist im Streitfall in Bezug auf die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück durch die Ehefrau des Klägers nicht die GbR selbst, sondern der Kläger im Umfang der ihm infolge der Einbringung der Immobilie in das Gesellschaftsvermögen der GbR unentgeltlich eingeräumten gesamthänderischen Berechtigung hieran.
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bb) Zwischen den Beteiligten ist im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der im Streitfall maßgeblichen Steuerbefreiung lediglich streitig, ob die Ehefrau des Klägers durch die Übertragung des Eigentums an dem bebauten Grundstück in ... auf die GbR dem Kläger im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG „Eigentum oder Miteigentum“ an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung verschafft hat. Die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung sind nach übereinstimmender und zutreffender Ansicht der Beteiligten erfüllt.
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(1) Soweit der Kläger die Anwendbarkeit der hier in Rede stehenden Steuerbefreiung damit begründet, dass der schenkungsteuerrechtliche Begriff des Erwerbes bzw. des Erwerbers in der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit dem in der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG deckungsgleich sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass der schenkungsteuerrechtliche Begriff des Erwerbes bzw. des Erwerbers durch die Steuerbefreiungsvorschrift nicht noch ein weiteres Mal definiert, sondern bereits begrifflich vorausgesetzt wird. Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG verlangt lediglich, dass dem erwerbenden Ehegatten durch den bereits nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorab als schenkungsteuerrechtlichen Erwerb (der Immobilie) identifizierten Vorgang „Eigentum oder Miteigentum“ hieran verschafft wird.
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(2) Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist auch der Erwerb von Gesamthandseigentum an einem Grundstück im Rahmen einer GbR von der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG umfasst.
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Der Begriff des „Eigentums“ oder des „Miteigentums“ in § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG deckt sich nach Ansicht des erkennenden Senats mit dem zivilrechtlichen Begriffsverständnis nach dem BGB. Der Begriff des „Eigentums“ in § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG ist daher nicht auf sogenanntes Alleineigentum beschränkt. Das bürgerliche Recht enthält keine Legaldefinition des Begriffs Eigentum, sondern regelt lediglich die Befugnisse und Ansprüche des Eigentümers (vgl. § 903, §§ 985 ff BGB). Dennoch ist es völlig unumstritten, dass das Eigentum an Sachen im Sinne der §§ 90 ff BGB – von einzelnen Ausnahmen wie beispielsweise dem Wohnungseigentum oder dem Teileigentum nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht abgesehen – hauptsächlich in den drei Formen des Alleineigentums, des Miteigentums oder des Gesamthandseigentums erscheint (vgl. Grüneberg/Herrler BGB 82. Auflage 2023, § 903 Rdn. 3). Dem Umstand, dass der Gesetzgeber in die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG neben dem Begriff des Eigentums auch den Begriff des Miteigentums aufgenommen hat, ist deshalb nur eine bekräftigende, deklaratorische Bedeutung beizumessen, weil das Miteigentum lediglich eine besondere Ausformung des Eigentums darstellt. Alleineigentum im oben genannten Sinne bedeutet die Eigentümerstellung einer einzigen (natürlichen oder juristischen) Person, Miteigentum ist die Eigentumsberechtigung mehrere Personen nach (ideellen) Bruchteilen im Sinne der §§ 1008 ff BGB im Rahmen einer Gemeinschaft nach §§ 741 ff BGB und Gesamthandseigentum ist eine besondere gemeinschaftliche Berechtigung mehrerer Personen im Rahmen einer Personengesellschaft (GbR, offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft), einer Erbengemeinschaft oder einer ehelichen Gütergemeinschaft. So ist der Gesellschafter einer GbR Gesamthandseigentümer in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen (§ 718 BGB). Ihm steht jedoch weder eine anteilige (ideelle) Berechtigung am Gesellschaftsvermögen noch eine solche an einzelnen Gegenständen desselben zu (§ 719 Abs. 1 BGB). Der Gesellschafter einer GbR ist daher Eigentümer des gesamten Gesellschaftsvermögens, beschränkt durch die Eigentumsrechte der weiteren Mitgesellschafter. Die Gesellschafter einer GbR sind gemeinsam Eigentümer des Gesellschaftsvermögens. Daher fällt nach Auffassung des erkennenden Senats die Rechtsstellung eines Gesamthandseigentümers im Rahmen einer GbR ebenfalls unter den Begriff des „Eigentums“ in § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG. Dies hat im Streitfall auch für den Kläger zu gelten. Der Kläger hat demnach – ungeachtet der Teilrechtsfähigkeit der GbR – gesamthänderisch gebundenes Eigentum an dem streitbefangenen bebauten Grundstück erworben.
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cc) Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers in demselben notariellen Vertrag vom 6. August 2020, durch den zum einen die GbR gegründet und zum anderen das Eigentum an der besagten Immobilie auf die neu gegründete GbR übertragen worden ist, die beiden zunächst rechtlich getrennten Grundstücke mit den Flurstücknummern 1 und 2 sachenrechtlich vereinigt hat, bleibt für den Streitfall im Ergebnis aus den nachfolgenden Erwägungen ohne schenkungsteuerrechtliche Auswirkung.
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(1) Insoweit das für die Feststellung des Grundbesitzwertes zuständige Finanzamt M im Feststellungsbescheid vom 7. Oktober 2021 zum Stichtag des 6. August 2020 von einer (einzigen) wirtschaftlichen Einheit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BewG der beiden zuvor rechtlich getrennten Grundstücke ausgegangen ist, ist die Feststellung für den Beklagten auch in dieser Hinsicht bindend (BFH-Urteil vom 23. Februar 2021 II R 29/19, BFHE 272, 497, BStBl II 2023,191, Vorinstanz FG München Urteil vom 5. April 2018, 4 K 2568/16, EFG 2019, 453). So hat der Beklagte infolge des Feststellungsbescheides vom 7. Oktober 2021 für die Festsetzung der Schenkungsteuer des Klägers zum Bewertungsstichtag des 6. August 2020 (§ 11 ErbStG) zwingend von einer wirtschaftlichen Einheit beider ehemals selbständiger Grundstücke auszugehen gehabt.
24
(2) Schließlich ist in der vertraglichen Vereinbarung vom 6. August 2020, durch die an ein und demselben Tag sowohl die Eigentumsübertragung beider ehemals selbständigen Grundstücke als auch deren rechtliche Vereinigung bestimmt worden ist, keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung derart zu sehen, dass ein eigenständiges unbebautes Grundstück zu Unrecht in die schenkungsteuerrechtliche Steuerbefreiung miteinbezogen worden wäre. Unbebaute Grundstücke sind zwar nicht durch die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG begünstigt, selbst wenn sie mit einem bebauten Grundstück, auf das die besagte Steuerbefreiungsvorschrift Anwendung findet, in einem gewissen räumlichen Zusammenhang stehen (vgl. oben FG München Urteil vom 5. April 2018, 4 K 2568/16, EFG 2019, 453). Der Kläger hat auf richterliche Anordnung vom 24. Mai 2023 dem Gericht mit Schriftsatz vom 30. Mai 2023 jedoch dargelegt und belegt, dass das ursprünglich rechtlich selbstständige Grundstück mit der Flurstücknummer 2 bereits seit Erwerb durch die Ehefrau und deren Kinder im Jahre 1998, und damit auch schon vor dem 6. August 2020, stets gemeinsam mit dem Grundstück Flurstücknummer 1 als „Familienheim“ genutzt worden und auch nur über letzteres überhaupt zugänglich war. Dem seitens des Klägers vorgelegten Luftbild des Areals ist zu entnehmen, dass die Grundstücksfläche der Flurstücknummer 2 im Verhältnis zu der der Flurstücknummer 1 ein Hinterliegergrundstück ohne eigenen Zufahrtsweg zur …(Straße) oder einer anderen öffentlichen Straße darstellt. Es kann daher letztlich dahingestellt bleiben, ob die beiden Grundstücksflächen auch bereits vor dem 6. August 2020 materiellrechtlich eine wirtschaftliche Einheit nach § 2 Abs. 2 BewG gebildet hatten. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung im Hinblick auf den gegenständlichen Umfang der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG sind jedenfalls nicht ersichtlich.
25
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
26
4.) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und des Vollstreckungsschutzes folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1, Abs. 3 FGO in Verbindung mit den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften des § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung -ZPO- (vgl. zur Anwendung des § 708 Nr. 10 ZPO im finanzgerichtlichen Verfahren: Finanzgericht -FGMünchen Urteil vom 20. Januar 2005, 3 K 4519/01, EFG 2005, 969; FG Hamburg Urteil vom 23. Juli 2017, 3 K 287/14, EFG 2017, 1064).
27
5.) Die Revision wird zugelassen, weil die Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG in dem hier entscheidungserheblichen Punkt grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FGO).