Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.02.2023 – 8 CS 22.2481
Titel:

Drittanfechtung einer Befreiung von einem wasserrechtlichen Verbot durch privaten öffentlichen Wasserversorger

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 146
WHG § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 S. 1, § 52 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 60
WSG-VO § 4
Leitsätze:
1. Weder § 52 Abs. 1 S. 2 und S. 3 WHG noch § 4 WSG-VO lässt sich eine drittschützende Wirkung für begünstigte Träger der öffentlichen Wasserversorgung entnehmen. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob ein Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines Gewässers bewirken kann, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und nicht nach dem strengen Maßstab des objektivrechtlichen Besorgnisgrundsatzes des § 48 Abs. 1 S. 1 WHG; eine Verschlechterung des Grundwassers muss daher nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sicher zu erwarten sein. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutz, Drittanfechtung eines privaten örtlichen Wasserversorgers, Befreiung vom Verbot einer Wasserschutzgebietsverordnung, baurechtlich nicht genehmigte Hütte in der engeren Schutzzone, Errichtung und Betrieb einer abflusslosen Grube, Verletzung drittschützender Normen (verneint), Beschwerde, einstweiliger Rechtsschutz, privater öffentlicher Wasserversorger, Verbot, Wasserschutzgebietsverordnung, Befreiung, Schutzzone, Drittanfechtung, abflusslose Grube, Errichtung, Betrieb, drittschützende Normen
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 08.11.2022 – M 31 S 22.5152
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1996

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, eine private örtliche Wasserversorgerin, wendet sich gegen die dem Beigeladenen erteilte Befreiung von dem Verbot, in der engeren Schutzzone eines Wasserschutzgebiets Aufschlüsse der Erdoberfläche vorzunehmen.
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1. Die Antragstellerin betreibt eine öffentliche Wasserversorgung für Anwesen in einem Teil der Gemeinde R. Sie nutzt hierfür die F.- und R.quelle, die an einem Berghang östlich der Ortsbebauung liegen. Die Quellen werden durch die Verordnung des Landratsamts M. über das Wasserschutzgebiet in der Stadt T. und in der Gemeinde R. (Landkreis Miesbach) für die öffentlichen Wasserversorgungen der Stadt T. (T.quelle), des Wasserversorgungsvereins H. (R.quelle) und der Wasserversorgungsgemeinschaft R. (R.- und F.quelle) vom 8. Dezember 1982 geschützt (im Folgenden: WSG-VO).
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2. Der Beigeladene ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung T., das nordöstlich oberhalb der R.- und F.quelle liegt und mit einer baurechtlich nicht genehmigten, von der Bauaufsichtsbehörde seit Jahrzehnten geduldeten Hütte bebaut ist, die nach den Plänen des Beigeladenen an höchstens 32 Wochenenden im Jahr genutzt wird. Das Anwesen ist ca. 260 m bzw. 300 m (Luftlinie) von der R.- bzw. F.quelle entfernt. Das Grundstück liegt in der engeren Schutzzone der o.g. Wasserschutzgebietsverordnung vom 8. Dezember 1982. Die Verordnung verbietet dort u.a. Veränderungen und Aufschlüsse der Erdoberfläche, selbst wenn Grundwasser nicht aufgedeckt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2.1 WSG-VO).
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Die Hütte des Beigeladenen war seit dem Jahr 1966 mit einer Kleinkläranlage ausgestattet, seit dem Jahr 2005 mit einer nachgeschalteten biologischen Reinigungsstufe. Das gereinigte Abwasser wurde in das Grundwasser eingeleitet. Im Jahr 2016 wurde die Kleinkläranlage außer Betrieb genommen, nachdem u.a. im Wasser der Antragstellerin mikrobielle Verunreinigungen festgestellt worden waren. Die Nutzung von Anwesen und Kleinkläranlage (ab 5.12.2017: nur Kleinkläranlage) wurde untersagt. Das Landratsamt M. erließ eine Abkochverfügung und verpflichtete die Antragstellerin, ihre Wasserversorgung vorübergehend auf einen Notverbund umzustellen.
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Auch nach der Nutzungseinstellung der Kleinkläranlage des Beigeladenen im Jahr 2017 wurden wiederholt bakteriologische Belastungen des Rohwassers festgestellt.
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3. Unter dem 17. Mai 2022 beantragte der Beigeladene, ihm für die Errichtung einer abflusslosen Grube eine Befreiung von Verboten der Wasserschutzgebietsverordnung zu erteilen. Zur Speicherung des Abwassers soll ein doppelwandiger PE-HD-Behälter verwendet werden, der regelmäßig geleert werden soll; eine Einleitung von Abwasser in das Grundwasser ist nicht vorgesehen. Der Behälter soll in die frühere 3-Kammer-Versitzgrube eingebracht werden; der Anschluss an die ca. 15 m lange Abwasserleitung vom Haus zur Grube soll mittels Handschachtung bis zu einer Tiefe von 70 cm erfolgen.
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Das Wasserwirtschaftsamt (WWA, Stellungnahme vom 6.9.2022) und der Fachbereich Gesundheit des Landratsamts (Stellungnahme vom 2.6.2022) stimmten der Erteilung einer Befreiung für das Umbauvorhaben unter Auflagen bzw. Bedingungen zu.
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Mit Bescheid vom 15. September 2022, berichtigt mit Schreiben vom 24. Oktober 2022, erteilte das Landratsamt M. dem Beigeladenen eine Befreiung vom Verbot von Erdaufschlüssen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2.1 WSG-VO unter verschiedenen Auflagen (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Befreiung wurde angeordnet (Nr. 3.3 des Bescheids). Zudem wurde für die Errichtung und den Betrieb der abflusslosen Grube, die im Wasserschutzgebiet nicht verboten sei, die Beachtung der Anforderungen des Arbeitsblatts DWA-A 142 („Abwasserleitungen und -kanäle in Wassergewinnungsgebieten“, Januar 2016) sowie die hierzu ergangenen Anwendungshinweise im Merkblatt Nr. 4.3/16 des Bayerischen Landesamts für Umwelt (März 2017) angeordnet (Nr. 3.1.1 des Bescheids). Die abflusslose Grube ist u.a. doppelwandig mit Leckageerkennung und Füllstandsmessung auszuführen (Nr. 3.1.2).
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4. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht München (Az. M 31 K 22.5101), über die noch nicht entschieden ist. Am 19. Oktober 2022 beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
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Das Verwaltungsgericht München hat den Eilantrag mit Beschluss vom 8. November 2022 abgelehnt. Der angegriffene Bescheid verletze voraussichtlich nicht die Rechte der Antragstellerin; auf dessen objektive Rechtmäßigkeit komme es nicht an. § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG und § 4 WSG-VO seien in Bezug auf den Träger der öffentlichen Wasserversorgung nicht drittschützend. Eine Verschlechterung des Zustands des Grundwasserkörpers sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Die von der Antragstellerin vorgelegte privatgutachterliche Stellungnahme vom 17. Oktober 2022 erschöpfe sich in der Skizzierung eines nur theoretischen Risikoszenarios und könne die Annahme des Wasserwirtschaftsamts, das dem Vorhaben zugestimmt habe, nicht entkräften.
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5. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben. Die Befreiung verletze sie in ihren Rechten als Trägerin der öffentlichen Wasserversorgung, weil sie sicherstellen müsse, dass das Wasser den Qualitätsanforderungen entspricht. Das Vorhaben verstoße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot. Das Landratsamt habe es versäumt, den vom Wasserwirtschaftsamt empfohlenen Einbau eines elektronischen Leckagewächters anzuordnen. Während der Bauzeit bestehe ein Restrisiko für ihre Wasserversorgung. Der Erdaufschluss sei ohne erneute Beteiligung des Wasserwirtschaftsamts bis zu einer Tiefe von 70 cm (vorher nur 25 cm) erlaubt worden. Im (wahrscheinlichen) Fall der Undichtigkeit der bestehenden Abwasserleitung müsse diese ebenfalls aufgegraben werden. Der Bescheid vom 15. September 2022 sei auch deshalb rechtswidrig, weil es das Landratsamt versäumt habe, weitere erforderliche Befreiungen von Verboten der Wasserschutzverordnung zu erteilen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. November 2022 (Az. M 31 S 22.5152) aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage in der Hauptsache gegen den Bescheid des Landratsamts Miesbach vom 15. September 2022 (Az. 32-6420 ke) wiederherzustellen.
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6. Der Antragsgegner und der Beigeladene beantragen,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigen den angegriffenen Beschluss.
II.
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A. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Bescheid vom 15. September 2022 (i.d.F.v. 24.10.2022) gerichteten Klage im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
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In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Bei offenen Erfolgsaussichten sind die für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen abzuwägen (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 80 VwGO Rn. 373b).
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Nach diesem Maßstab überwiegt das Vollzugsinteresse des Beigeladenen, weil die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 15. September 2022 (i.d.F.v. 24.10.2022) voraussichtlich erfolglos bleibt. Die Annahmen des Verwaltungsgerichts, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Befreiung von dem Verbot in § 3 Abs. 1 Nr. 2.1 WSG-VO sei formell ordnungsgemäß erfolgt (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) und die erteilte Befreiung verletze keine subjektiven Rechte der Antragstellerin (§ 113 Abs. 1 VwGO), treffen voraussichtlich zu.
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I. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet (vgl. Bescheid, Gründe Nr. II.2.5 S. 9 f.; Beschlussabdruck [BA] des Verwaltungsgerichts Rn. 16 ff.).
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Hierfür bedarf es einer schlüssigen, konkreten und substanziierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches oder privates Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 8 CS 18.2411 – NuR 2019, 787 = juris Rn. 8). Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung kommt es nicht an, weil § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine formelle und keine materielle Voraussetzung normiert (vgl. BVerwG, B.v. 4.12.2020 – 4 VR 4.20 – juris Rn. 10; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55).
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Das Landratsamt hat das überwiegende Interesse des Beigeladenen darauf gestützt, dass sich dieser seit 5 ¾ Jahren einer ungeklärten Abwassersituation gegenübersehe und in der Folge sein Wochenend- und Ferienhaus nicht nutzen könne. Zudem sei bis heute nicht nachgewiesen, dass die im Jahr 2016 im Trinkwasser festgestellten coliformen Bakterien auf dessen Kleinkläranlage zurückzuführen seien. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin sei geringer zu bewerten, weil das Risiko einer Trinkwasserverunreinigung durch den per Handschachtung ausgeführten Erdaufschluss unter Einhaltung aller Auflagen so gut wie nicht gegeben sei (vgl. Bescheid S. 9 f.).
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Diese Ausführungen werden der Informationsfunktion, die dem Begründungserfordernis im Hinblick auf den Adressaten, insbesondere im Interesse der Einschätzung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten zukommt, ebenso gerecht wie der Warnfunktion gegenüber der Behörde selbst, durch die ihr der Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung vor Augen geführt wird (vgl. BVerwG, B.v. 4.12.2020 – 4 VR 4.20 – juris Rn. 10). Der Vorhalt der Antragstellerin, das Landratsamt habe wörtlich die Begründung des Antrags des Beigeladenen (Schriftsatz vom 20.6.2022) übernommen, trifft so nicht zu, auch wenn einzelne Passagen gleichlauten. Vielmehr belegen Abweichungen in der Formulierung zu wesentlichen Punkten (z.B. zum Risiko einer Trinkwassergefährdung: „durch den per Handschachtung ausgeführten Erdaufschluss unter Einhaltung aller Auflagen so gut wie nicht gegeben ist“ [vgl. Bescheid S. 10] im Gegensatz zu „durch die geplante abflusslose Grube auszuschließen ist“ [vgl. Antrag vom 20.6.2022 S. 3]; zur Nutzung als Wochenend- und Ferienhaus: fehlender Zusatz „obwohl es bestandskräftig genehmigt ist“ [vgl. Bescheid S. 10; Antrag S. 2]), dass das Landratsamt das Vorbringen des Beigeladenen nicht ungeprüft übernommen, sondern sich selbst ein Bild gemacht und eine eigene Abwägung vorgenommen hat.
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Das Beschwerdevorbringen, das Landratsamt habe verkannt, dass die streitbefangene Befreiung die Beigeladene nicht dazu berechtige, die abflusslose Grube zu errichten oder zu betreiben, weil weitere erforderliche Befreiungen von Verboten der Wasserschutzgebietsverordnung noch fehlten, betrifft die im Rahmen des formellrechtlichen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. oben Rn. 22) unmaßgebliche Frage, ob die Begründung die Anordnung des Sofortvollzugs inhaltlich trägt. Dasselbe gilt für den Vorhalt, das Landratsamt habe es unterlassen, die gegenläufigen Interessen im Hinblick auf die maximal zulässige Grabungstiefe von 70 cm erneut zu abzuwägen.
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II. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 15. September 2022 (i.d.F.v. 24.10.2022) voraussichtlich erfolglos bleiben wird.
27
1. Die Ausgangsentscheidung entnimmt weder § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG noch § 4 WSG-VO eine drittschützende Wirkung für begünstigte Träger der öffentlichen Wasserversorgung (vgl. BA Rn. 19 ff.). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1590 – juris Rn. 32 f.; vgl. auch BVerwG, U.v. 11.3.1970 – IV C 59.67 – DVBl 1970, 580 = juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 18.5.1990 – 22 B 88.763 – NVwZ 1990, 998). Soweit sich die Antragstellerin auf die Entscheidung des Senats vom 20. Februar 2015 (Az. 8 CS 14.2590 – juris Rn. 12) beruft, kann sie nicht durchdringen. Dieser Beschluss, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen ist und – nicht entscheidungstragend – Erwägungen anführt, die für ein Abwehrrecht des Trägers einer öffentlichen Wasserversorgung gegen eine Befreiung von Verboten einer Wasserschutzgebietsverordnung sprechen können, ist durch das in der Hauptsache ergangene Urteil vom 20. Mai 2021 (a.a.O.) überholt. Im Übrigen hat die Rechtsfrage, ob öffentliche Wasserversorgungsträger aus § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG eigene Rechte herleiten können, an praktischer Bedeutung verloren, seit höchstrichterlich geklärt ist, dass sich unmittelbar betroffene legitime Grundwassernutzer auf das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot (§ 47 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der RL 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik – Wasserrechtsrahmenrichtlinie [WRRL]) berufen können (vgl. BVerwG, U.v. 30.11.2020 – 9 A 5.20 – BVerwGE 170, 378 = juris Rn. 43 ff.; EuGH, U.v. 28.5.2020 – C-535/18 – NVwZ 2020, 1177 = juris Rn. 132; U.v. 3.10.2019 – C-197/18 – NVwZ 2019, 1587 = juris Rn. 32).
28
Für § 52 Abs. 1 Satz 3 WHG, auf den das Landratsamt die Befreiung ebenfalls gestützt hat (vgl. Bescheid vom 15.9.2022 S. 9), gilt nichts Anderes.
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2. Die verwaltungsgerichtliche Wertung, das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot aus § 47 Abs. 1 WHG sei durch das Vorhaben des Beigeladenen nicht verletzt, erweist sich auch im Hinblick auf die Beschwerdebegründung als zutreffend.
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a) Soweit die Beschwerde vorbringt, eine Verletzung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots könne nicht „ausgeschlossen“ werden und ein „Restrisiko“ thematisiert, verkennt sie den anzuwendenden (gerichtlichen) Prüfungsmaßstab.
31
Ob ein Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines Gewässers bewirken kann, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und nicht nach dem strengen Maßstab des objektivrechtlichen Besorgnisgrundsatzes des § 48 Abs. 1 Satz 1 WHG, den der private Gutachter der Antragstellerin aber anwendet (vgl. Stellungnahmen Dr. D. Grundwasser …büro vom 17.10.2022 S. 6 f. und vom 13.6.2022 S. 6 ff.). Eine Verschlechterung des Grundwassers muss daher nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sicher zu erwarten sein (vgl. BVerwG, U.v. 4.6.2020 – 7 A 1.18 – NuR 2020, 709 = juris Rn. 113; U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 u.a. – BVerwGE 158,1 = juris Rn. 480; BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – KommJur 2021, 272 = juris Rn. 62).
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Abgesehen davon kann sich die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg auf die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 22. April 2017 berufen, wonach das von einer „mobilen“ Übergangslösung (IB-Container) ausgehende Restrisiko nur ausgeschlossen werden kann, wenn die betroffenen Wasserfassungen während der Vorhabendauer nicht zur Trinkwassergewinnung genutzt werden (vgl. dort S. 6). Die Stellungnahme bewertete ein andersartiges Vorhaben; eine solche Vorsorgemaßnahme wurde im vorliegenden Fall nicht verlangt (vgl. WWA, Stellungnahme vom 6.9.2022).
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b) Soweit die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit des Bescheids auf das Fehlen einer Verpflichtung stützt, die Leckageerkennung mit einer Datenfernübertragung auszustatten, richtet sich ihr Vorbringen nicht gegen die Befreiung vom Verbot von Erdaufschlüssen nach § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG, sondern gegen Modalitäten der Errichtung und des Betriebs der abflusslosen Grube, die vom Landratsamt als nicht wasserrechtlich genehmigungspflichtig betrachtet (vgl. § 60 WHG) und mit Auflagen nach § 100 Abs. 1 WHG geregelt wurden (vgl. auch OVG LSA, B.v. 26.9.2018 – 2 M 78/18 – W+B 2019, 60 = juris Rn. 12 ff.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 100 Rn. 55).
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Dem Beigeladenen wurde aufgegeben, die abflusslose Grube u.a. mit Leckageerkennung auszuführen (vgl. Bescheid Tenor Nr. 3.1.2). Die Antragsunterlagen sehen den Einbau einer Leckagesonde vor, die eine optische Warnmeldung ausgeben kann (vgl. Behördenakte S. 143 ff.). Die zusätzliche Ausstattung mit einer Datenfernübertragung hat das Wasserwirtschaftsamt in seiner Stellungnahme vom 6. September 2022 nicht (mehr) verlangt (vgl. dort S. 8 f.); dass dies in der Stellungnahme vom 17. November 2021 zu einem anderen Antrag vorgesehen war (vgl. dort S. 4 Nr. 1.3.2), ist nicht maßgeblich. Das Schutzkonzept für die Abwasseranlage sieht stattdessen eine monatliche Kontrolle vor Ort vor (vgl. Bescheid, Tenor Nr. 3.1.11); der Beigeladene hatte hierzu angeführt, Leckagewächter mit Datenfernübertragungsmöglichkeit seien am Markt nicht ohne Weiteres verfügbar (vgl. Behördenakte S. 152). Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb das vom Wasserwirtschaftsamt gebilligte Schutzkonzept zum Betrieb der Abwasseranlage unzureichend sein sollte; allein der Umstand, dass Verantwortliche über Zwischenfälle nicht „automatisch“ verständigt werden, impliziert dies nicht.
35
c) Die „Berichtigung“ des Bescheids vom 15. September 2022, mit der klargestellt werden sollte, dass der Boden zum Anschluss der Abwasserleitung an den Sammelbehälter ca. 70 cm tief aufgegraben werden darf (vgl. Antragsunterlagen, Plan „Abwicklung Schmutzwasser“, Maßlinie A, Behördenakte S. 152), führt zu keiner Verletzung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots zulasten der Antragstellerin.
36
Das Beschwerdevorbringen, das Wasserwirtschaftsamt habe in seiner Stellungnahme vom 6. September 2022 nur eine Grabungstiefe von bis zu 25 cm begutachtet, ist überholt. Nach der ergänzenden Aussage des Wasserwirtschaftsamts ist wasserwirtschaftlich unerheblich, ob die Handschachtung zur Freilegung der Anschlussstelle bis in eine Tiefe von 25 cm oder 70 bis 75 cm ausgeführt wird. Die Schutzfunktion des Bodens werde nur in einem sehr eng begrenzten Bereich und nur kurzzeitig verringert. Nach ordnungsgemäßer Wiederverfüllung des Grabens mit dem ursprünglichen Aushub sei der Ausgangszustand wiederhergestellt (vgl. WWA, Stellungnahme vom 19.1.2023).
37
Im Übrigen war das Wasserwirtschaftsamt anlässlich der „Berichtigung“ des Bescheids vom Landratsamt informiert worden, dass die Grabungstiefe bei 70 cm liegt. Dagegen hatte es nichts eingewandt, solange die Grube nicht über mehrere Wochen oder während des Winters offenstehe (vgl. E-Mail vom 24.10.2022, Behördenakte S. 206).
38
d) Die Annahme der Antragstellerseite, die vorhandene Abwasserleitung sei „wahrscheinlich“ undicht, sodass Grabungsarbeiten auf einer Länge von 15 m in einer Tiefe von mehr als 70 cm notwendig werden dürften, ist spekulativ.
39
Das Wasserwirtschaftsamt hat die weitere Nutzung der (einwandigen) Bestandsleitung – nach einer Dichtheitsprüfung vor der Inbetriebnahme und danach in 2,5 jährlichem Turnus – für vertretbar erachtet. Diese Wertung wurde insbesondere darauf gestützt, dass häusliches Abwasser nur periodisch und in relativ geringen Mengen anfällt; zudem sollten Bodeneingriffe weitestgehend vermieden werden (vgl. Stellungnahme vom 6.9.2022 S. 5). Aus dem letztgenannten Aspekt hat das Wasserwirtschaftsamt aber nicht gefolgert, dass etwaige zur Wiederherstellung der Dichtigkeit notwendige Grabungsarbeiten mit unvertretbaren Gefahren für das Grundwasser verbunden wären. Im Gegenteil hat es ergänzend erläutert, dass Aufgrabungen des außerhalb des Gebäudes verlaufenden Leitungsabschnitts (ca. 7 m) wasserwirtschaftlich verantwortbar wären; bei etwaigen Schäden der unter dem Gebäude verlaufenden Grundleitung (Länge von ca. 7,6 m) wäre eine Sanierung ohnehin ohne Aufgrabung (durch „Inlinerverfahren“) durchzuführen (vgl. WWA, Stellungnahme vom 19.1.2023 Nr. 1b).
40
Im Übrigen spielt die von der Antragstellerseite angeführte mangelnde Frostsicherheit der bestehenden Leitung aus Sicht des Wasserwirtschaftsamts keine Rolle, da es sich um eine Freispiegelleitung handle, in der kein stehendes Wasser zu erwarten sei und Abwasser nur periodisch anfalle (vgl. WWA, Stellungnahme vom 19.1.2013 Nr. 1c).
41
3. Ob dem Beigeladenen zur Errichtung und zum Betrieb der abflusslosen Grube – wie die Beschwerde unterstellt – weitere Befreiungen von Verboten des § 3 Abs. 1 WSG-VO zu erteilen wären, kann dahinstehen. Selbst wenn man dies annähme, führte das Fehlen solcher Befreiungen nicht zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids und zu einer Verletzung der Antragstellerin in subjektiven Rechten.
42
4. Soweit die Beschwerde die verwaltungsgerichtliche Annahme, auf die objektive Rechtmäßigkeit des Bescheids komme es nicht an (vgl. UA Rn. 19), mit einer vollumfänglichen Bezugnahme auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19. Oktober 2022 angreifen will, verfehlt sie bereits die Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO (vgl. nur Redeker/von Oertzen, VwGO, 17. Aufl. 2022, § 146 Rn. 21). Im Übrigen trifft die Annahme des Erstgerichts bei der hier vorliegenden Drittanfechtung zu (vgl. BayVGH, U.v. 16.8.2022 – 8 B 22.1073 – juris Rn. 57 m.w.N.). Die baurechtliche Situation der Hütte, der die geplante Abwasseranlage dient, ist deshalb vorliegend nicht entscheidungserheblich.
43
III. Ein besonderes Vollziehungsinteresse liegt vor. Die Nutzung der Hütte des Beigeladenen wurde im Interesse eines vorsorgenden Grundwasserschutzes für die ortsnahe öffentliche Wasserversorgung (vgl. § 50 Abs. 2 WHG; BT-Drs. 14/8668 S. 7) seit ca. sechs Jahren untersagt bzw. eingeschränkt. Die seitdem durchgeführten Untersuchungen erbrachten keinen Nachweis, dass die (frühere) Nutzung des Beigeladenen für die im Rohwasser festgestellten mikrobiellen Verunreinigungen (mit) verantwortlich ist; andere Ursachen, insbesondere ein durch die engere Schutzzone verlaufender Wanderweg, kommen ernsthaft in Betracht (vgl. WWA, Stellungnahme vom 19.1.2023 Nr. 3). Dieses Vollziehungsinteresse muss vorliegend – ungeachtet der überragenden Bedeutung des Grundwasserschutzes für die öffentliche Wasserversorgung – nicht hinter das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zurücktreten, weil eine Verunreinigung des Grundwassers durch die erlaubten kurzzeitigen Erdaufschlüsse fachgutachterlich als sehr gering bewertet wird; diese Einschätzung wurde im Beschwerdeverfahren nochmals bestätigt (vgl. WWA, Stellungnahme vom 19.1.2023).
44
Das Vollziehungsinteresse des Beigeladenen entfiele auch dann nicht, wenn die Errichtung und der Betrieb der Abwasseranlage – wie die Antragstellerseite behauptet – zusätzliche Befreiungen von weiteren Verboten nach § 3 Abs. 1 WSG-VO erforderte. Dass die erteilte Befreiung nutzlos wäre, ist nicht erkennbar, zumal das Landratsamt als zuständige Behörde die Erteilung weiterer Befreiungen nicht für notwendig hält.
45
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der unterlegenen Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 Satz 1 Alt. 1 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.4.2022 – 8 CS 21.2389 – juris Rn. 29); sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
47
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).