Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 27.07.2023 – AN 3 S 23.1132
Titel:

Erfolgloser Eilantrag der Nachbarn gegen Änderung der LKW-Ausfahrt von Lebensmitteleinzelhandel

Normenketten:
VwGO § 80a
BauGB § 212a
BImSchG § 3, § 22
Leitsätze:
1. Ist die einer Änderungsgenehmigung zu Grunde liegende Erstgenehmigung bereits unanfechtbar, können und müssen die erstmalig zur Genehmigung gestellten Änderungen isoliert betrachtet werden, da die Bestandskraft insoweit eine rechtliche Zäsur darstellt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes wäre es inakzeptabel, wenn eine unanfechtbare Baugenehmigung im Falle (kleinerer) Änderungen erneut in vollem Umfang überprüft werden kann bzw. muss. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens hat die Baugenehmigungsbehörde für die Einhaltung der aus § 3, § 22 BImSchG folgenden Verpflichtung, das Vorhaben so zu errichten und zu betreiben, dass von ihm keine das zulässige Maß überschreitenden schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, zu sorgen. Dabei können auch Auflagen, die für den Betrieb der genehmigten Anlage die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte anordnen, ausreichend sicherstellen, dass die zugelassene Nutzung keine für die Nachbarschaft unzumutbaren Lärmimmissionen hervorruft. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baurecht, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Änderungsgenehmigung, Lieferverkehr Lebensmittelmarkt, Gebot der Rücksichtnahme (Lärmimmissionen), TA Lärm, Bestandskraft, Vertrauensschutz, schädliche Umwelteinwirkungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19903

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen durch den Antragsgegner erteilten Baugenehmigung für die Änderung der Ausfahrtssituation der Lkw bei der Belieferung eines von der Beigeladenen betriebenen …-Markts.
2
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … (nachfolgend wird auf die Angabe der Gemarkung verzichtet; alle erwähnten Flurnummern beziehen sich auf die Gemarkung …*). Das Grundstück ist mit einem eingeschossigen Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss bebaut. Im Erdgeschoss wird das Gebäude als Ladengeschäft, im Dachgeschoss zu Wohnzwecken genutzt. Das Grundstück grenzt in nordöstlicher Richtung an die … und in südöstlicher Richtung an die … an. In nordwestlicher und südwestlicher Richtung schließen sich die Grundstücke FlNrn. … und … an das Grundstück der Antragsteller an.
3
Die Beigeladene betreibt auf den Grundstücken FlNrn. …, …, …, … und … ein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft (* …*) mit Kfz-Parkplätzen. Die Grundstücke sind von der … (westlich), der … (südöstlich) und der … (nordöstlich) umgeben. In nördlicher Richtung schließt sich auf dem Grundstück FlNr. … ein Drogeriemarkt (* …*) sowie auf dem Grundstück FlNr. … ein weiteres Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft (* …*) an.
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Der von der Beigeladenen betriebene …-Markt wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2000 genehmigt.
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Die Baugenehmigung enthält u.a. folgende Auflagen:
A262: Lärmerzeugende Anlagen bzw. Anlagenteile (z.B. Be- und Entlüftungsanlagen, Antriebsmotoren, Kühlmaschinen, Kompressoren, Lautsprecher und Verstärkeranlagen etc.) sind so zu errichten und zu betreiben, dass die Immissionsrichtwerte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts (am Einwirkungsort 0,50 m vor dem geöffneten Fenster des zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Gebäudes gemessen) nicht überschritten werden. Die Summeneinwirkung aller auf den Einwirkungsort einwirkenden Geräusche ist entsprechend der TA Lärm zu berücksichtigen. Die Nachtzeit beginnt um 22:00 Uhr und endet um 06:00 Uhr. Die Ladenöffnungszeiten sind auf den Zeitraum zwischen 7:00 Uhr und 20:00 Uhr zu beschränken.
A270: Vorgenannte Immissionsrichtwerte gelten auch für sonstige Tätigkeiten im Freien einschl. des Fahrverkehrs auf dem Baugrundstück.
A271: Die Warenanlieferung mittels Lkw ist maximal sechsmal täglich zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr gestattet. Während der Fahrzeugentladung sind die Lkw-Kühlaggregate abzuschalten. Unnötiges Laufen lassen der Motoren ist durch organisatorische Maßnahmen (z.B. Beschilderung) zu unterbinden.
A275: Das schalltechnische Gutachten des Ing.-Büro … vom 05.12.2000 ist Teil der genehmigten Bauvorlagen.
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Das in Auflage A275 erwähnte schalltechnischen Gutachten wurde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erstellt und hatte die immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen des Vorhabens zum Gegenstand.
7
Es wurde dabei – entsprechend der ursprünglichen Planung – zugrunde gelegt, dass südlich des …-Markts auf den heutigen Grundstücken FlNrn. … und … ein Futtermittelmarkt sowie insgesamt 86 Pkw-Stellplätze errichtet werden sollten. Als einer der maßgebenden Immissionsorte wurde das Gebäude der Antragsteller benannt und hinsichtlich der Schutzwürdigkeit von einem Mischgebiet ausgegangen. Aufgrund der bestehenden bzw. möglichen Lärmvorbelastung wurde dem Bauvorhaben seitens der Antragsgegnerin lediglich ein um 5 dB(A) reduzierter Immissionsrichtwert in Höhe von 55 dB(A) zugestanden. Bei der Begutachtung wurden folgende Anlagenteile und Schallquellen berücksichtigt: Pkw-Parkplatz mit 86 Stellplätzen für beide Märkte, Lkw-Fahrten (Fahrstrecke von der nördlichen Zufahrt bis zur südlich gelegenen Ausfahrt von bzw. auf die …*) und Lkw-Geräusche bei der Anlieferung und Entladung hinsichtlich beider Märkte. Hinsichtlich der Frequentierung wurde von 500 bis 600 Kunden des Lebensmittelmarkts und von 200 bis 300 Kunden pro Tag für den Futtermittelmarkt ausgegangen. Bei der Anlieferung wurden vier Anlieferungen zur Tageszeit und evtl. eine Nachtanlieferung des …-Markts und zwei Anlieferungen zur Tageszeit für den Futtermittelmarkt zugrunde gelegt. Es wurde davon ausgegangen, dass die Lkw-Kühlaggregate bei der Anlieferung ausnahmslos abgeschaltet werden. Ein Leergutlager wurde nicht berücksichtigt, nachdem sich dieses im Gebäudeinneren befinden sollte. Hinsichtlich der Bewegungshäufigkeit pro Stellplatz wurde von 0,82 bis 1,05 (zugrunde gelegt wurden letztlich 1,05) pro Beurteilungsstunde ausgegangen. Der Gutachter wich diesbezüglich von den Vorgaben der Parkplatzlärmstudie für Einkaufszentren mit eingeschränktem Warenangebot (2,1) bzw. für Einkaufszentren mit normalem Warenangebot (1,6) ab und begründete dies damit, dass eigene Erfahrungen gezeigt hätten, dass die pauschalen Werte der Parkplatzlärmstudie, welche Maximalwerte darstellen würden, unrealistisch hoch seien. Bezüglich der Lkw-Fahrten wurde von sechs Fahrten tagsüber und von maximal einer Fahrt nachts ausgegangen.
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Der Gutachter errechnete anhand dieser Ausgangsdaten am Immissionsort auf dem Grundstück der Antragsteller einen Beurteilungspegel von 58,1 dB(A) tags und 43,7 dB(A) nachts. Neben dieser Berechnung wurden noch weitere Varianten mit verschiedenen Lärmschutzmaßnamen begutachtet. Hinsichtlich der letztlich umgesetzten Maßnahme (Errichtung einer 1,8 m hohen Lärmschutzwand entlang der nördlichen und westlichen Grenze des Grundstücks der Antragsteller) wurde ein Beurteilungspegel von 56,4 dB(A) tags und 43,7 dB(A) nachts ermittelt. Bei der Untersuchung des Spitzenpegelkriteriums wurde ein Spitzenpegel von 75 dB(A) errechnet.
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Der Gutachter kam zu dem Fazit, dass die tagsüber verbleibende Restüberschreitung von maximal 1,4 dB(A) im Hinblick auf die Realisierbarkeit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch weitergehender Schallschutzmaßnahmen bzw. -auflagen toleriert werden könne. Es sei dabei zu beachten, dass der prognostizierte Beurteilungspegel des Vorhabens den benachbarten Gewerbebetrieben bis zu einer Ausschöpfung des in der Summe geltenden Immissionsrichtwerts von 60 dB(A) noch einen enormen Pegelspielraum von mindestens 57,5 dB(A) zur Verfügung stelle. Bei einer Betrachtung der örtlichen Situation sei dieser Spielraum zweifellos nicht gefährdet, weil maßgebliche zusätzliche anlagenbezogene Geräusche am Immissionsort auf dem Grundstück der Antragsteller lediglich von dem auf dem Grundstück FlNr. … ansässigen Autohaus hervorgerufen werden könnten, was jedoch aufgrund der Betriebscharakteristik und der Entfernung von mehr als 40 m mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Eine nächtliche Belieferung des Markts sei mit den ermittelten Beurteilungspegeln jedoch nicht vereinbar, sodass die Lieferzeiten auf den Tageszeitraum zu beschränken seien.
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Ausweislich eines vom Antragsteller zu 1) unterschriebenen Aktenvermerks fand am 25. April 2001 ein Ortstermin am Bauvorhaben statt, bei welchem zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Beigeladenen in beiderseitigem Einverständnis vereinbart wurde, dass die zur Auflage gemachte Schallschutzwand von der … aus gesehen um 5,5 m gekürzt werden solle. Es wurde außerdem vermerkt, dass die geänderte Ausführung auf ausdrücklichen Wunsch des Antragstellers zu 1) erfolge.
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Mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 wurde der Beigeladenen eine Baugenehmigung für den Neubau einer Leergut-Rückgabestation erteilt. Die Leergut-Station wurde auf dem Grundstück FlNr. … östlich des bestehenden Marktes errichtet.
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Mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 wurde der Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Vergrößerung der Leergut-Rückgabestation erteilt. Hinsichtlich der Benutzung der Leergut-Rückgabestation wurde mittels einer Auflage festgelegt, dass die Immissionsrichtwerte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts nicht überschritten werden dürfen. Die Betriebszeit wurde auf die Zeit zwischen 7 Uhr und 20 Uhr beschränkt. Im Übrigen wurde auf die Auflagen aus der Baugenehmigung vom 20. Dezember 2000 verwiesen. Eine gegen die Baugenehmigung durch den Antragsteller zu 1) erhobene Klage (AN 3 K 05.03932) und ein gestellter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (AN 3 S 05.03931) blieben jeweils erfolglos.
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Mit Antrag vom 20. Oktober 2022 begehrte die Beigeladene von der Antragsgegnerin die Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben „Änderung zur bestehenden Baugenehmigung zur Nutzung der Ausfahrt auf die … für Lkw“.
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Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt, dass in der gültigen Baugenehmigung vom 20. Dezember 2000 und dem zugehörigen schalltechnischen Gutachten vorgegeben wurde, dass die Lkws das Grundstück über die … befahren und verlassen müssten. Aus logistischer Sicht sei eine Ausfahrt über die … jedoch deutlich einfacher. Diese Situation sei durch ein Ingenieurbüro begutachtet worden. Das Ergebnis zeige, dass es durch die geplante Ausfahrtssituation nicht zu einer bemerkbaren Verschlechterung komme. Die Differenz der Beurteilungspegel betrage lediglich 3 dB(A) und liege weit unter den zulässigen Immissionswerten.
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Dem Bauantrag wurde eine schallimmissionsschutztechnische Untersuchung des Ingenieurbüros … vom 16. August 2022 beigelegt.
16
Im Rahmen der Vorbemerkungen führte der Gutachter aus, dass die im schalltechnischen Gutachten vom 5. Dezember 2000 berücksichtigten Betriebsdaten und Vorgänge – mit Ausnahme des geplanten Futtermittelmarkts – abstimmungsgemäß für die Untersuchung der geplanten Ausfahrtsituation übernommen und an die bestehende Betriebssituation angepasst worden seien. Der Gutachter wies außerdem auf die bestehende Lärmschutzwand mit einer Höhe von 1,8 m entlang des Grundstücks der Antragsteller hin und gab an, dass diese bei der Begutachtung berücksichtigt worden sei. Als maßgeblicher Immissionsort wurde das Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller bestimmt. Des Weiteren ging der Gutachter von einer nicht näher bekannten Vorbelastung durch bestehende Anlagen aus. Gemäß den Vorgaben der Antragsgegnerin im Ausgangsgutachten sei daher erneut ein um 5 dB(A) reduzierter Immissionsrichtwertanteil zugrunde zu legen. Im Rahmen der Berechnungseingangsdaten (Kap. 2.3) führte der Gutachter aus, dass die Berechnungsansätze für die Warenanlieferungen dem Ausgangsgutachten entnommen worden seien. Hiernach seien vier Lkws und Ladevorgänge während der Tageszeit zugrunde zu legen. Die Ladetätigkeiten fänden an einer offenen Rampe an der Nordwestseite des Marktgebäudes statt. Hinsichtlich der einzelnen Betriebsvorgänge bei den Warenanlieferungen verwies der Gutachter auf die zugehörige Anlage 2. Dort wurde ausgeführt, dass zum einen Lkw-Fahrbewegungen und zum anderen Ladegeräusche berücksichtigt wurden.
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Der Gutachter errechnete anhand der genannten Ausgangsdaten einen Beurteilungspegel am Immissionsort in Höhe von 43 dB(A) im Vergleich zum Bestand von 40 dB(A). Hinsichtlich des Spitzenpegels wurde ein Wert von 76 dB(A) im Vergleich zum Bestand von 72 dB(A) prognostiziert. Zusammenfassend würden die anzustrebenden Immissionsrichtwertanteile sowie das Spitzenpegelkriterium sowohl mit der bestehenden als auch mit der geplanten Ausfahrtsituation eingehalten. Die berechneten Beurteilungspegel würden den anzustrebenden Immissionsrichtwertanteil für den Gesamtbetrieb des Markts um mindestens 12 dB(A) unterschreiten. Der zulässige Immissionsrichtwert für Mischgebiete werde um mindestens 17 dB(A) unterschritten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Lieferverkehre bei beiden Ausfahrtssituationen keinen schallpegelrelevanten Anteil am maßgeblichen Immissionsort haben bzw. durch die geplante Ausfahrtssituation die bestehende Schallimmissionssituation nicht verschlechtert werde.
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Mit Bescheid vom 27. April 2023 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die begehrte Baugenehmigung.
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Die Baugenehmigung enthält unter anderem folgende Auflagen und Hinweise:
A161 Das schalltechnische Gutachten vom 16.08.2022 der Fa. …, Bericht-Nr. …, wird Bestandteil der Baugenehmigung. Die im Abschnitt 2.3 genannten Berechnungsgrundlagen müssen beim Betrieb des Vorhabens detailliert berücksichtigt und umgesetzt werden.
H162 Die Auflagen A262 und A270 bis A275 der Baugenehmigung Az. … vom 20.12.2000 sind weiterhin zu beachten, wobei abweichend dazu maximal viermal täglich zwischen 06:00 und 22:00 Uhr die Warenanlieferung gestattet ist.
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Die Antragsteller haben am 2. Juni 2023 Klage gegen diesen Bescheid erhoben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass weder das schalltechnische Gutachten vom 5. Dezember 2000 noch die schallimmissionsschutztechnische Untersuchung vom 16. August 2022 berücksichtige, dass anstelle des Futtermittelmarktes, welcher nicht realisiert worden sei, zusätzliche Kundenparkplätze errichtet worden seien. Außerdem sei die Schallschutzwand zur südöstlichen Seite um 5 m eingerückt und zur nordwestlichen Seite ebenfalls verkürzt worden. Das Baugrundstück sei zudem um bis zu 1,7 m aufgefüllt worden, sodass die wirksame Höhe der Schallschutzwand, welche am tiefsten Punkt stehe, im Bereich der Fahrbahn etwa 1,2 m über der Geländeoberkante und im Bereich der Stellplätze zwischen 0,7 m und 1,4 m über der Geländeoberkante betrage. Überdies sei auf Wunsch des Auftraggebers in dem Gutachten aus dem Jahr 2000 eine sehr niedrige Kundenfrequenz von 700 bis 900 und eine Bewegungshäufigkeit von 0,82 bis 1,05 je Stellplatz und Beurteilungsstunde zugrunde gelegt worden. Diese Werte lägen weit unter der Planungsempfehlung der Parkplatzlärmstudie für Einkaufszentren. Hinzu komme, dass der durch Einkaufswägen verursachte Lärm nicht berücksichtigt worden sei. Die Einkaufswägen stünden seit der Änderungsgenehmigung zum Anbau einer Leergutstation in einer Einhausung mit Öffnung zum Hauptimmissionspunkt. Letztlich sei durch weitere Änderungsgenehmigungen im Jahr 2003 und 2005 die Marktfläche vergrößert worden, wodurch sich die Kundenfrequenz und die Lärmimmissionen erhöht hätten.
22
Wenn der Gutachter im Rahmen der schallimissionsschutztechnischen Untersuchung vom 16. August 2022 eine Immissionsbelastung von 43 dB(A) errechne, so sei dies nicht mit dem rechnerischen Ergebnis von 56,4 dB(A) im Ausgangsgutachten in Einklang zu bringen. Dieser massive Unterschied hätte der Antragsgegnerin auffallen müssen, zumal mehrere Fachabteilungen beteiligt gewesen seien. Diese große Diskrepanz zwischen den Werten könne nur damit erklärt werden, dass der Gutachter in der aktuellen Untersuchung die oben aufgezählten Aspekte unberücksichtigt und zusätzlich die Lkw-Entladetätigkeit außer Acht gelassen habe.
23
Die Antragsteller beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage ist wiederherzustellen.
24
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
25
Die Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
26
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt sei. Durch die genehmigte Änderung der Ausfahrtssituation der anliefernden Lkw finde keine (akustisch wahrnehmbare) Veränderung oder gar Verschlechterung der Immissionssituation zulasten der Antragsteller statt. Die angenommene Diskrepanz zwischen den Gutachten bestehe nicht. Die Untersuchung vom 16. August 2022 betrachte im Wesentlichen die „Geräusche durch Lkw-Fahrverkehre und Einzelereignisse“, weil nur mit Blick darauf eine Veränderung durch die streitgegenständliche Baugenehmigung ausgelöst und legitimiert werden könne. Insoweit sei das Gutachterbüro zu der Feststellung gelangt, dass sich der Beurteilungspegel durch die veränderten Lkw-Ausfahrbewegungen von 40 dB(A) auf 43 dB(A) erhöhe. Dieser Beurteilungspegel unterschreite den regulären Immissionsrichtwert eines Mischgebiets um 17 dB(A) und den hier reduzierten Immissionsrichtwert um die beschriebenen 12 dB(A). Die Beurteilungspegel von 40 dB(A) und 43 dB(A) stünden nicht in Widerspruch zu dem ursprünglich berechneten Pegel von 56,4 dB(A), weil damals vor dem Hintergrund einer Neubebauung des Vorhabengrundstücks eine Gesamtbelastung berechnet worden sei. Dafür habe beim streitgegenständlichen Vorhaben indes keine Veranlassung bestanden, weil nach der aktuellen fachlichen Einschätzung die – durch die Baugenehmigung nicht tangierte – Stellplatzanlage des …-Lebensmitteldiscounters allein pegelbestimmend sei, zumal der Wert von 43 dB(A) im Vergleich zu dem (reduzierten) Mischgebietsimmissionsrichtwert der Irrelevanzregelung nach Ziffer 3.2.1 Satz 3 der TA Lärm 2017 unterfalle.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten auch zu den Verfahren AN 3 K 23.1133 und AN 3 K 21.02189 Bezug genommen.
II.
28
Der Antrag ist nach entsprechender Auslegung zulässig, aber nicht begründet.
29
1. Der Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
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Insbesondere ist der Antrag – nach entsprechender Auslegung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – statthaft, da der am 2. Juni 2023 erhobenen Anfechtungsklage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
32
Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung also als rechtswidrig im Hinblick auf nachbarschützende Vorschriften, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen. Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist dies im Rahmen der Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung. Bei offenen Erfolgsaussichten findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris; B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – juris).
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Nach diesen Grundsätzen hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage der Antragsteller keinen Erfolg. Im vorliegenden Fall überwiegen die Interessen der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der ihr erteilten Baugenehmigung gegenüber dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, da die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 27. April 2023 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
34
Die zulässige Anfechtungsklage ist voraussichtlich unbegründet. Die von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung verletzt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach die Antragsteller nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei können die Antragsteller die streitgegenständliche Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, welche auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und Gegenstand des vorliegenden Baugenehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 BayBO sind.
35
Die streitgegenständliche Baugenehmigung erweist sich nach summarischer Prüfung nicht als rücksichtlos gegenüber den Antragstellern. Die Kammer kann keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme erkennen, nachdem es jedenfalls durch die geänderte Ausfahrt für die Lkw nicht zu einer unzumutbaren Lärmbelastung am Gebäude der Antragsteller kommen wird.
36
a) Der Prüfungsgegenstand für die Kammer ist dabei grundsätzlich das (Gesamt-)Vorhaben in seiner durch streitgegenständlichen Bescheid vom 27. April 2023 geänderten Form, was jedoch nicht bedeutet, dass die zuvor erteilten Baugenehmigungen aus den Jahren 2000, 2003 und 2005, die gegenüber den Antragstellern bestandskräftig sind, ohne weiteres gegenstandslos geworden sind und dass eine die Änderung gestattende Genehmigung sich stets auf alle bebauungsrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens erstrecken muss (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.2000 – 4 B 106.99 – juris Rn. 2). Es ist Sache des Bauherrn, innerhalb der aus technischen oder rechtlichen Gründen gezogenen Grenzen einer Zusammenfassung oder Trennung durch den Bauantrag den Gegenstand des Genehmigungsverfahrens festzulegen. Bei einer Änderung einer genehmigten baulichen Anlage kann sich die baurechtliche Prüfung auf die Änderung beschränken, wenn eine isolierte Beurteilung möglich ist. Ist die der Änderungsgenehmigung zu Grunde liegende Erstgenehmigung bereits unanfechtbar, können und müssen die erstmalig zur Genehmigung gestellten Änderungen isoliert betrachtet werden, da die Bestandskraft insoweit eine rechtliche Zäsur darstellt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes wäre es inakzeptabel, wenn eine unanfechtbare Baugenehmigung im Falle (kleinerer) Änderungen erneut in vollem Umfang überprüft werden kann bzw. werden muss (so auch VG München, B.v. 9.6.2009 – M 8 SN 09.1600 – juris Rn. 35 bestätigt durch BayVGH, B.v. 29.3.2010 – 2 CS 09.1505 – juris Rn. 12 f.).
37
b) Eine Verletzung des hier einzig in Betracht kommenden Gebots der Rücksichtnahme liegt voraussichtlich nicht vor.
38
Das Gebot der Rücksichtnahme ist kein generelles Rechtsprinzip des öffentlichen Baurechts und verkörpert auch keine allgemeine Härteregelung, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht. Es ist vielmehr Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 74.78 – BVerwGE 68, 58, 60) und als solches in den Tatbestandsmerkmalen der §§ 30 bis 35 BauGB und des § 15 Abs. 1 BauNVO enthalten (BVerwG, U.v. 30.9.1983 a.a.O.). Es ist gegenüber anderen (ausdrücklich und von vornherein) nachbarschützenden Vorschriften subsidiär (BVerwG, U.v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – juris Rn. 10).
39
Im unbeplanten Innenbereich ergibt sich das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (im Falle der Wirksamkeit der Baugenehmigung), aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (im Falle eines sog. „faktischen Baugebiets“) oder über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB (im Falle einer sog. „Gemengelage“) (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523).
40
Nach gefestigter Rechtsprechung hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (BayVGH, B.v. 30.7.2021 – 1 CS 21.1506 – juris Rn. 10). Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11).
41
Soweit – wie vorliegend – ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2019 – 15 ZB 17.2529 – juris Rn. 15 m.w.N.). Bei der Beurteilung einer Lärmbelastung kommt der TA Lärm als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit diese für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 15 CE 18.2652 – juris Rn. 26 m.w.N.). Für die Einhaltung der aus §§ 3, 22 BImSchG folgenden Verpflichtung, das Vorhaben so zu errichten und zu betreiben, dass von ihm keine das zulässige Maß überschreitenden schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, hat die Baugenehmigungsbehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu sorgen. Dabei können auch Auflagen in einer Baugenehmigung, die für den Betrieb der genehmigten Anlage die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte anordnen, ausreichend sicherstellen, dass die zugelassene Nutzung keine für die Nachbarschaft unzumutbaren und damit gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßenden Lärmimmissionen hervorruft (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11).
42
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die genehmigte geänderte Ausfahrt der Lkw bei summarischer Prüfung nicht als rücksichtslos gegenüber den Antragstellern.
43
Die streitgegenständliche Baugenehmigung verweist (H162) auf die Auflagen der ursprünglichen Baugenehmigung vom 20. Dezember 2000 mit der Einschränkung zugunsten der Antragsteller, dass die Warenanlieferung nunmehr nur noch maximal viermal statt sechsmal täglich gestattet ist. In der Baugenehmigung vom 20. Dezember 2000 wurde unter anderem festgelegt, dass am Immissionsort auf dem Grundstück der Antragsteller 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts nicht überschritten werden dürfen (A262) und dass das schalltechnische Gutachten vom 5. Dezember 2000 Teil der Baugenehmigung ist (A275).
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Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm nicht überschreitet. Wird in der angefochtenen Baugenehmigung ein von Nr. 6 TA Lärm abweichender bzw. reduzierter Immissionsrichtwert mittels Auflage bestimmt, so hat der Nachbar auch einen Anspruch auf die Einhaltung dieses Richtwerts und kann nicht auf die Richtwerte der TA Lärm verwiesen werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1968 – I C 29.67 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 18.8.2004 – 26 B 00.1126 – juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 30.1.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 47; OVG NRW, U.v. 15.5.2013 – 2 A 3010/11 – juris Rn. 68 ff.; OVG NRW, B.v. 12. 2.2013 – 2 B 1336/12 – juris Rn. 16 ff.). Dieser Grundsatz lässt sich auch aus der Rechtsprechung über die „zielorientierte Festlegung des Lärmschutzes“ ableiten (vgl. beispielsweise BayVGH, B.v. 7.2.2013 – 15 CS 12.743 – juris Rn. 19; B.v.18.10.2017 – 9 CS 16.883 – juris Rn. 26; SächsOVG, B.v. 13.2.2020 – 1 B 283/19 – juris Rn. 28).
45
Ob der von der Beigeladenen betriebene …-Markt als Gesamtvorhaben die in der Baugenehmigung vom 20. Dezember 2000 festgelegten Immissionsgrenzwerte einhält, muss im hiesigen Verfahren nicht entschieden werden und kann dahinstehen, nachdem die Baugenehmigung für den …-Markt bereits bestandskräftig ist und im Rahmen der Nachtrags-/Änderungsgenehmigung nur die zusätzliche Immissionsbelastung durch die geänderte Lkw-Ausfahrt geprüft und genehmigt wurde. Hinsichtlich dieser kommt es zu keiner Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, da der im Rahmen der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung vom 16. August 2022 prognostizierte Beurteilungspegel in Höhe von 43 dB(A) unter die Irrelevanzklausel der TA Lärm (Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm) fällt.
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Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm schreibt vor, dass die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden darf, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm ist dabei auch bei Änderungen einer Anlage auf die von der Änderung ausgehende Geräuschbelastung anwendbar, wobei die bisherige Anlage als Vorbelastung angesehen wird (Feldhaus/Tegeder in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, B 3.6, Nr. 3 Rn. 30; a.A. Hansmann in Landmann/Rohmer UmweltR, 100. EL Januar 2023, TA Lärm 3 Rn. 17).
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Der von der geänderten Ausfahrt der Lkw ausgehende Immissionsrichtwertanteil unterschreitet bei prognostizierten 43 dB(A) den in der Baugenehmigung vom 20. Dezember 2000 festgesetzten maßgeblichen Grenzwert von 55 dB(A) um 12 dB(A) und ist daher als irrelevant anzusehen.
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Die schallimmissionsschutztechnische Untersuchung vom 16. August 2022 ist bei summarischer Prüfung aus Sicht der Kammer auch belastbar. Die Antragsteller vermochten es mit ihren Einwendungen nicht, das Gutachten in Zweifel zu ziehen.
49
Zunächst ist klarzustellen, dass die Untersuchung vom 16. August 2022 – anders als das Gutachten vom 5. Dezember 2000 – nicht die Gesamtbelastung der vom …-Markt ausgehenden Immissionen zum Gegenstand hatte, sondern isoliert der auf die geänderte Ausfahrt der Lkw entfallende Immissionsrichtwertanteil berechnet wurde. Es existiert folglich auch keine Diskrepanz zwischen den beiden Untersuchungen. Während im ursprünglichen Gutachten ein Immissionsrichtwertanteil von 40 dB(A) für die Lkw-Bewegungen und Entladetätigkeit errechnet wurde, so kommt das aktuelle Gutachten – wie aufgrund der näher rückenden Emissionsquelle zu erwarten gewesen war – auf einen moderat höheren Wert von 43 dB(A). Eine Untersuchung des gesamten Betriebs wurde im aktuellen Gutachten explizit nicht vorgenommen.
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Der Einwand der Antragsteller, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass der Futtermittelmarkt nicht realisiert und stattdessen weitere Kundenparkplätze errichtet wurden, geht fehl. Das aktuelle Gutachten berücksichtigt, dass der Futtermittelmarkt nicht errichtet wurde. Dies ergibt sich aus den Vorbemerkungen zum Gutachten (S. 3 des Gutachtens). Dass hier nunmehr weitere Kundenparkplätze errichtet wurden, ist wiederum für die Begutachtung der Ausfahrtsituation der Lkw irrelevant.
51
Auch die Ausführungen zur Lärmschutzwand gehen ins Leere. Das Gutachten geht vom Vorhandensein einer 1,8 m hohen Lärmschutzwand aus, wie es das ursprüngliche Gutachten vorsah. Wenn die Antragsteller nun darauf verweisen, dass die Lärmschutzwand nicht bis zur … fortgeführt ist, so ist dies rechtsmissbräuchlich und kann nicht zum Erfolg der Klage bzw. des Antrags führen, nachdem dies auf ihren eigenen Wunsch hin so umgesetzt wurde. Dass die Mauer auch in nordwestlicher Richtung verkürzt sein soll, wurde von den Antragstellern lediglich behauptet, ohne dies näher zu belegen oder zu substantiieren. Jedenfalls wäre dies als ein Verstoß gegen die Auflagen der ursprünglichen Baugenehmigung im hiesigen Verfahren irrelevant. Gleiches gilt für die angebliche mangelnde Höhe der Lärmschutzwand.
52
Soweit die Antragsteller auf die fehlerhafte Annahme der Kundenfrequenz und Parkbewegungen pro Stellplatz im Ausgangsgutachten verweisen, so verkennen sie auch hier, dass dies für das aktuelle Gutachten nicht von Relevanz ist und auch überhaupt nicht untersucht wurde. Gegenstand der Untersuchung war lediglich die geänderte Ausfahrtsituation der Lkw. Auch auf die von den Einkaufswägen ausgehenden Emissionen kommt es daher nicht an.
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Die Lkw-Entladetätigkeiten wurden im Gutachten berücksichtigt (vgl. Anlage 2 zum Gutachten, „Ladegeräusche“), sodass die Antragsteller auch mit diesem Einwand nicht durchdringen können.
54
Nach alldem war der Antrag mangels Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage abzulehnen.
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3. Die Kostenpflicht der Antragsteller ergibt sich aus § 154 Abs. 1, 159 VwGO. Es entspricht auch der Billigkeit, dass die Antragsteller gemäß § 162 Abs. 3 VwGO die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen, nachdem sich diese mittels Antragstellung (§ 154 Abs. 3 VwGO) einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.