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LG München I, Endurteil v. 15.03.2023 – 14 S 14047/22
Titel:

Anforderungen an Feststellung des Nutzungswillens bei einer Eigenbedarfskündigung

Normenkette:
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2
Leitsatz:
Selbst wenn der Nutzungswunsch des Vermieters zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht gegenwärtig ist, muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung jedenfalls feststehen, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist der Eigennutzungswunsch mit einiger Sicherheit eingetreten ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mietvertrag, Kündigung, Eigenbedarf, Nutzungswunsch
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 21.10.2022 – 473 C 44/22
Fundstellen:
LSK 2023, 19891
NJOZ 2024, 526
ZMR 2023, 642
BeckRS 2023, 19891

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.10.2022, Az. 473 C 44/22, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 2 gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.763,24 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Zur Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Zusammenfassend und ergänzend ist das Folgende auszuführen:
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Die Parteien streiten auch in der Berufungsinstanz um die Räumung und Herausgabe der von der Beklagten innegehaltenen Mietwohnung, …, im …
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Die Klägerin ist im Wege der Rechtsnachfolge auf Vermieterseite in den streitgegenständlichen Mietvertrag vom 16.01.1975 eingetreten.
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In § 2 des Mietvertrages ist die Kündigungsfrist vertragslaufzeitabhängig modifiziert. So ist etwa geregelt, dass diese zwölf Monate beträgt, wenn das Mietverhältnis, wie vorliegend, mindestens zehn Jahre gedauert hat.
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Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete betrug zuletzt 480,27 €.
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Mit Schreiben vom 25.01.2021 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis ordentlich wegen Eigenbedarfs zum 31.10.2021. Die vorstehende Kündigung wurde damit begründet, dass die Tochter der Klägerin, die Zeugin …, die derzeit zusammen mit zwei Geschwistern, der Klägerin selbst und dem Ehemann der Klägerin in einer Wohnung in der … lebe, einen separaten Hausstand gründen und insoweit selbständig werden wolle. … werde in anderthalb Jahren ihr Studium an der Universität beginnen. Die streitgegenständliche Wohnung sei ideal geschnitten zur Nutzung durch einen Ein-Personen-Haushalt. Gleichwertiger und gleich geeigneter Wohnraum sei nicht verfügbar. Darüber hinaus befinde sich die streitgegenständliche Wohnung in der … in der Nähe der elterlichen Wohnung und in der Nähe der öffentlichen Verkehrsmittel, um die Universität zu erreichen. Eine Alternativwohnung könne nicht angeboten werden (zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Kündigungsschreiben vom 25.01.2021, vorgelegt als Anlage K3, Bezug genommen).
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Außerdem enthielt die Kündigung einen Hinweis auf das Widerspruchsrecht gemäß § 574 BGB und den Fortsetzungswiderspruch nach § 545 BGB.
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Abschließend heißt es im Kündigungsschreiben vom 25.01.2021 wörtlich: „Bis zum 31.10.2021 hat eine Rückgabe der Wohnung in vertragsgerechtem Zustand zu erfolgen […]. Nach dem Mietvertrag haben Sie die Pflicht, Schönheitsreparaturen auszuführen. Diese sind pünktlich vor Auszug zu erledigen. Sollten die vertraglich vereinbarten Schönheitsreparaturen nicht erbracht werden, muss ich diese auf Ihre Kosten durch einen Fachhandwerker ausführen lassen. Sollte die Rückgabe verspätet erfolgen, werde ich gemäß § 546a BGB als Entschädigung die Zahlung der ursprünglich vereinbarten Miete einfordern. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche aufgrund der zu späten Rückgabe behalte ich mir vor. […].“
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Eine Räumung und Herausgabe der Wohnung erfolgte nicht. Die Beklagte trat vielmehr der Kündigung entgegen. So führte sie aus, ein aktuell bestehender Eigenbedarf sei nicht dargelegt. Die Tochter sei nicht Studentin, sondern Schülerin. Sie werde erst noch volljährig. Ob die Tochter in anderthalb Jahren die Voraussetzungen für ein Studium erfülle, sei derzeit nicht bekannt, vielleicht wolle die Tochter dann ja gar nicht mehr studieren, sondern einen anderen Lebensweg einschlagen.
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Des Weiteren machte die Beklagte Härtegründe geltend.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.03.2021 stellte der Klägervertreter klar, dass zutreffenderweise die Kündigungsfrist zwölf Monate betrage, sodass sich die Kündigungsfrist um drei Monate, also bis zum 31.01.2022, verlängere. Damit verlängere sich auch die Frist zur Widerspruchserklärung seitens der Beklagten bis längstens zum 30.11.2021 (zu den diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 02.03.2021, vorgelegt als Anlage K6, Bezug genommen).
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Das Amtsgericht München hat nach durchgeführter Beweisaufnahme der Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Räumung und Herausgabe stattgegeben und sie im Übrigen (Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten) abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, dass die Eigenbedarfskündigung formell und materiell wirksam sei. Das Mietverhältnis sei durch die ordentliche Kündigung vom 25.01.2021 beendet worden. Der geltend gemachte Wohnbedarf der Überlassung an die Tochter stelle einen angemessenen Eigenbedarfsgrund dar, auch liege entgegen der Ansicht der Beklagten keine sog. Vorratskündigung vor. Dagegen sei ein Härtefall seitens der Beklagten zum einen nicht ausreichend dargelegt, zum anderen aber ergebe auch eine Abwägung der Interessen, dass das Mietverhältnis nicht auf bestimmte Zeit verlängert werden könne.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte im Wege der Berufung, welche im Wesentlichen damit begründet ist, dass die Kündigung verfrüht ausgesprochen worden und daher als unzulässige Vorratskündigung zu erachten sei. Außerdem sieht die Berufung eine fehlerhafte Bewertung der Angaben der Zeugin … durch das Erstgericht sowie eine fehlerhafte Bewertung der Härtegründe.
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Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
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I. Unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts München vom 21.10.2022, Az. 473 C 44/22, wird die Klage abgewiesen.
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II. Die Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Die Klägerin beantragt:
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Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Die Kammer hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2023 angehört.
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Im Übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Verhandlungstermins vom 15.03.2023.
II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
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Die klägerseits ausgesprochene Kündigung vom 25.01.2021 hat das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet. Diese Kündigung stellt eine reine sog. Vorratskündigung dar, da die Klägerin die Wohnung zum Ablauf der Kündigungsfrist (31.01.2022) noch nicht benötigte, sondern – selbst unter Wahrunterstellung ihres gesamten Vortrags der ersten Instanz und der Berufungsbegründung – frühestens zum 01.10.2022 einzuziehen beabsichtigte. Eine weitere Kündigung hat die Klägerin nicht ausgesprochen:
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1. Gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter ein Wohnraumverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrages hat. Ein berechtigtes Interesse liegt nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB insbesondere vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushaltes benötigt. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Vermieter „vernünftige, nachvollziehbare Gründe“ für die Annahme von Eigenbedarf haben, was die Instanzgerichte unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls aufgrund tatsächlicher Feststellungen und ohne schablonenhafte Begründung zu entscheiden haben (vgl. namentlich BGH NZM 2015, 378 ff.; BVerfG NJW 1989, 970 [971]). Die Absicht der Nutzung als Wohnung muss hierbei grundsätzlich in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung stehen, eine reine „Vorratskündigung“ ist unzulässig. Insbesondere eine nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht (siehe insbesondere BGH NJW-RR 2017, 75 [76]; BGH NZM 2015, 812 [814]; Staudinger/Rolfs § 573 BGB Rn. 99; BeckOGK/Geib, 01.01.2023, § 573 BGB Rn. 80; Fleindl, NZM 2016, 289 [293]).
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Erforderlich ist hierbei jedenfalls, dass der Eigennutzungswunsch mit einiger Sicherheit und im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf der Kündigungsfrist eintreten wird (vgl. Hinweisbeschl. der Kammer vom 20.08.2018 – 14 S 7937/18, unveröffentlicht). Selbst wenn der Nutzungswunsch des Vermieters zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht gegenwärtig ist, muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung jedenfalls feststehen, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist der Eigennutzungswunsch mit einiger Sicherheit eingetreten ist (vgl. BeckOGK/Geib, 01.01.2023, § 573 BGB Rn. 80; Fleindl, NZM 2016, 289 [293]). Auch wenn man dabei nicht fordern will, dass der beabsichtigte Nutzungswunsch des Vermieters sich zeitlich unmittelbar an das Ende der Kündigungsfrist anschließt (so aber offenbar Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, § 573 BGB Rn. 85), stellt eine Kündigung jedenfalls dann eine unzulässige sog. Vorratskündigung dar, wenn sie für einen Zeitpunkt erklärt wird, zu dem der Nutzungswunsch des Vermieters schon nach dem eigenen Sachvortrag ganz offensichtlich noch nicht besteht (vgl. Hinweisbeschl. der Kammer vom 20.08.2018 – 14 S 7937/18).
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2. Nach dem Kündigungsschreiben der Klägerin vom 25.01.2021 sowie dem gesamten Sachvortrag der ersten Instanz benötigte die Klägerin für die Tochter … die streitgegenständliche Wohnung vorliegend erst zu deren Studienbeginn Anfang Oktober 2022. Die vorgelegte Immatrikulationsbescheinigung stammt vom 21.09.2022. Damit lagen zwischen dem Wirkungszeitpunkt der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung am 31.01.2022 und dem Benötigen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB insgesamt acht Monate, in denen die streitgegenständliche Wohnung seitens der Klägerin für die Tochter … gerade (noch) nicht benötigt wurde. Würde man hier auf die Beendigung der Schulausbildung an der E. Schule München und das Ablegen des Abiturs am 01.07.2022 abstellen – was sich so allerdings nicht aus dem Kündigungsschreiben ergibt – lägen zwischen dem Wirkungszeitpunkt der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung am 31.01.2022 und dem Benötigen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB immer noch (wenigstens) fünf Monate, was wohl ebenfalls zur Annahme einer unwirksamen sog. Vorratskündigung geführt hätte. Dem bereits mehrfach zitierten Hinweisbeschluss der Kammer vom 20.08.2018 – 14 S 7937/18 lag ein – grundsätzlich nicht mehr hinnehmbarer Zeitraum von fünf Monaten zwischen dem Wirkungszeitpunkt der dort verfahrensgegenständlichen Kündigung und dem Benötigen seitens der Eigenbedarfsperson zugrunde.
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Selbst wenn man – richtigerweise – bei der Beurteilung der Frage, ab wann von einer sog. Vorratskündigung ausgegangen werden kann, keine starre Frist annimmt, handelte es sich in diesem Lichte vorliegend um einen mit Sicherheit erst weit (acht Monate) nach Ablauf der Kündigungsfrist entstehenden Bedarf. Für die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung ist aber stets darauf abzustellen, ob die Nutzungsabsicht des Vermieters zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sich dergestalt verdichtet hat, dass sie jedenfalls mit Ablauf der Kündigungsfrist mit einiger Sicherheit feststeht. Eine sich dahingehend nicht verdichtete Eigenbedarfskündigung, die zweifellos eine erst für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht begründen kann, rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung indes noch nicht.
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Der Vermieter ist diesbezüglich grundsätzlich auch nicht schutzwürdig, weil er jederzeit zu einem späteren Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist des § 573c BGB (oder der vertraglich modifizierten Frist, wie hier) eine weitere Kündigung aussprechen kann (siehe etwa Bub/Treier-Fleindl, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap. IV Rn. 119).
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Dies bedeutet vorliegend, dass es der Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen wäre, eine Kündigung erst nach dem 25.01.2021 auszusprechen, so dass diese (erst) zum Zeitpunkt der tatsächlich beabsichtigten Nutzung gewirkt hätte. Es wäre der Klägerin gleichermaßen unbenommen gewesen, die mit Schreiben vom 25.01.2021 ausgesprochene Kündigung erst zu einem späteren Wirkungszeitpunkt zu erklären (vgl. Staudinger/Rolfs § 573 BGB Rn. 65, Fleindl, NZM 2016, 289 [293]). Von diesen zumutbaren Optionen wurde indes kein Gebrauch gemacht.
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Ergänzend ist in Bezug auf den vorliegenden Fall noch anzumerken, dass die Kündigung vom 25.01.2021 ursprünglich bereits zum 31.10.2021 ausgesprochen worden war, was einen – erst recht nicht akzeptablen – Zeitraum von sogar elf Monaten zwischen dem Wirkungszeitpunkt der Kündigung und dem Benötigen bedeutet hätte. Dass die verfahrensgegenständliche Kündigung dann doch erst drei Monate später (zum 31.01.2022) wirksam werden sollte, war allein der Regelung in § 2 des Mietvertrages geschuldet, die die Klagepartei augenscheinlich erst nach Ausspruch der Kündigung zur Kenntnis genommen hatte.
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3. Auch kann dem Kündigungsschreiben vom 25.01.2021 nicht entnommen werden, dass die Klägerin die Wohnung zu einem früheren Zeitpunkt benötigt hätte, etwa um vor Überlassung der Wohnung an die Tochter Renovierungsarbeiten durchführen zu lassen. So wäre grundsätzlich insbesondere dann keine sog. Vorratskündigung anzunehmen, wenn der Vermieter vor dem Bezug der Wohnung noch Sanierungs-, Umbau- oder Renovierungsarbeiten durchzuführen beabsichtigen würde. Es käme dabei in rechtlicher Hinsicht regelmäßig auch nicht darauf an, ob sich die Arbeiten über einen (wesentlich) längeren als den üblichen Zeitraum erstrecken (vgl. BGH NZM 2005, 580 [581]). Dass eine solche Absicht besteht, muss jedoch im Kündigungsschreiben klar zum Ausdruck gebracht werden, § 573 Abs. 3 S. 1 BGB. Dies ist hier aber nicht geschehen – im Gegenteil. Denn die Kündigung enthält – trotz Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel – die ausdrückliche Aufforderung an die Beklagte, die Wohnung in vertragsgerechtem Zustand nach Durchführung von Schönheitsreparaturen zurückzugeben. Damit wurde sogar mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass seitens der Klägerin vor der behaupteten Nutzung durch die Eigenbedarfsperson gerade keine umfassenden Renovierungsarbeiten angestrebt waren.
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4. Auch das klägerseits in der mündlichen Berufungsverhandlung ins Feld geführte Argument, es sei absehbar gewesen, dass die Beklagte die streitgegenständliche Wohnung nicht räumen werde, verfängt nicht.
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Die Beklagte ist im Falle einer wirksamen Kündigung gem. § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet, das Mietobjekt nach Ablauf der Kündigungsfrist zu räumen und an die Vermieterin herauszugeben. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Räumung und Herausgabe entstehen in der Person der Vermieterin ggf. Schadensersatzansprüche nach §§ 546 a Abs. 2, 571 BGB sowie ein Anspruch auf Zahlung einer – regelmäßig erhöhten – Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB. Eine sog. Vorratskündigung kann nicht mit dem Argument begründet werden, der Mieter werde sich (voraussichtlich) vertragswidrig verhalten und seiner Räumungsverpflichtung nicht rechtzeitig nachkommen. Vielmehr verhält sich ein Vermieter selbst vertragswidrig, wenn er bereits zu einem Wirkungszeitpunkt kündigt, zu dem augenscheinlich die Wohnung noch nicht benötigt wird.
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5. Das Schreiben des Klägervertreters an die Beklagte vom 02.03.2022 (Anlage K6) stellt offensichtlich keine erneute Kündigung dar. Vielmehr wurde dort nur mitgeteilt, dass es bei der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung verbleibe. Weiter wurde klargestellt, dass die Kündigungsfrist drei weitere (insgesamt somit zwölf) Monate betrage, und daher die Kündigungsfrist bis zum 31.01.2022 verlängert sei. Damit verlängere sich auch die Frist zur Widerspruchserklärung bis spätestens 30.11.2021, die Kündigung bleibe aber gleichwohl wirksam, so das Schreiben vom 02.03.2022.
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Sämtliche Ausführungen im anwaltlichen Schreiben vom 02.03.2022 bezogen sich damit auf die Kündigung vom 25.01.2021. Die Annahme einer weiteren Kündigungserklärung kommt nach alledem nicht in Betracht.
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Das erstinstanzliche Urteil konnte mithin keinen Bestand haben. Auf die weiteren Angriffe der Berufung kommt es nicht mehr an.
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Das Urteil des Amtsgerichts war aufzuheben und die Klage abzuweisen.