Inhalt

VGH München, Beschluss v. 01.02.2023 – 15 NE 23.56
Titel:

Erfolgreicher Normenkontrolleilantrag gegen Bebbauungsplan - Ermittlungsdefizit zum Verkehrslärm

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
BauGB § 2 Abs. 3
Leitsätze:
1. Zur Abschätzung, ob die Schwelle der Abwägungsrelevanz erreicht ist oder nicht bzw. mit welchem Gewicht eine zu prognostizierende Belastung in die Abwägung einzustellen ist, muss der Satzungsgeber klare Vorstellungen von den immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen seiner Planung haben. (Rn. 36)
2. Die Anforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB erlauben nur dann, auf die Ermittlung konkret zu erwartender Immissionswerte zu verzichten, wenn schon nach der Zahl der täglich zu erwartenden Kraftfahrzeugbewegungen im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls keine Belästigungen zu besorgen sind, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. (Rn. 36)
Schlagworte:
Normenkontrolleilantrag, Ermittlungsdefizit, zusätzlich zu erwartender Verkehrslärm, Recht auf gerechte Abwägung, Abwägungsrelevanz, Immissionsgutachten, Geringfügigkeitsgrenze, Schaffung vollendeter Tatsachen
Fundstellen:
NVwZ-RR 2023, 356
DÖV 2023, 486
BeckRS 2023, 1979
LSK 2023, 1979

Tenor

I. Der am 16. August 2022 bekannt gemachte Bebauungsplan Nr. … „H.“ der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan Nr. … „H.“ der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 16. August 2022.
2
Am 13. Februar 2019 beschloss die Antragsgegnerin, eine 2014 eingeleitete Planung nicht mehr weiterzuverfolgen und den Bebauungsplan Nr.  … „H.“ im beschleunigten Verfahren aufzustellen. Ziel der Planung ist die Deckung des Bedarfs an Wohnbauflächen für Ein- und Zweifamilienhäuser im Gebiet der Antragsgegnerin. Das 14.909 m2 große, zum planungsrechtlichen Außenbereich gezählte Plangebiet liegt als überwiegend unbebaute, teils land-, teils forstwirtschaftlich genutzte Fläche nördlich der E. Straße mit an diese südlich daran anschließender Wohnbebauung. Unmittelbar angrenzend an das Plangebiet befindet sich dort auch das mit einem Wohnhaus bebaute und im Eigentum des Antragstellers liegende Grundstück FlNr. … der Gemarkung R. Im Westen des Plangebiets befindet sich die Straße Zum Burgstall mit im Anschluss landwirtschaftlichen Flächen sowie der Ausflugsgaststätte „H.“ im Nordwesten. Im Norden grenzen Waldflächen des F. und im Osten einzeilige Wohnbebauung entlang der E. Straße an das Plangebiet an.
3
Im Bauleitplanverfahren hat der Antragsteller mit Schriftsätzen vom 6. Juni 2021, 28. Dezember 2021, 28. Januar 2022 und 6. Juni 2022 Einwendungen erhoben. Die Antragsgegnerin beschloss am 25. Juli 2022 über die fristgerecht eingegangenen Stellungnahmen und den Bebauungsplan als Satzung. Der Bebauungsplan Nr. … „H.“ wurde am 5. August 2022 ausgefertigt und am 16. August 2022 sowohl im Amtsblatt als auch durch Anschlag an die Amtstafel bekannt gemacht.
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Bereits am 17. Juli 2022 erhob der Antragsteller persönlich Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgericht Regensburg, das diesen mit Beschluss vom 26. August 2022 an den Verwaltungsgerichtshof verwies. Mit Schriftsatz vom 5. September 2022 bestellten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers und begründeten die beantragte Unwirksamerklärung des Bebauungsplans Nr.… „H.“ im Normenkontrollverfahren (15 N 22.1975), über die noch nicht entschieden ist.
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Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2023 hat der Antragsteller mit einem Normenkontrolleilantrag vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller sei als unmittelbar südlich an das Plangebiet angrenzender Grundstückseigentümer in abwägungserheblichen Belangen betroffen. Der Eilantrag sei dringend geboten, um vollendete Tatsachen zu verhindern, weil die Antragsgegnerin mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen habe. Bei Aufhebung des Bebauungsplans drohe dadurch ein erheblicher finanzieller Schaden für die Allgemeinheit. Auch wenn kein schwerer Schaden angenommen werde, sei die Aussetzung jedenfalls aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten, weil der Bebauungsplan offensichtlich fehlerhaft sei.
6
Der Bebauungsplan sei bereits formell fehlerhaft, denn der Bebauungsplan habe nicht im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden dürfen. Das Baugebiet grenze zu zwei Drittel an den Außenbereich an, so dass nicht von einem Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil ausgegangen werden könne. Zudem seien die gesetzlichen Flächenvorgaben nicht eingehalten. Im Zeitpunkt der Auslegung habe weder der geotechnische Bericht vom 19. August 2021 noch die schalltechnische Untersuchung vom 5. Januar 2022 vorgelegen und die Begründung sei nicht ordnungsgemäß unterzeichnet.
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Materiell-rechtlich verletze der Bebauungsplan das Abwägungsgebot, da eine massive und unzumutbar hohe Bebauung mit bis zu 20 m ermöglicht werde. Daraus resultiere eine erdrückende und abriegelnde Wirkung. Durch die hohe Verdichtung komme es zu einem unerträglich hohen Verkehrsaufkommen. Das Baugebiet sei unzumutbaren Lärmeinwirkungen aus dem Straßenverkehr, Belästigungen durch einen Verkehrslandeplatz, Geruchsbelästigungen durch einen Schweinestall sowie Lärmbelästigungen durch die Ausflugsgaststätte „H.“ sowie einen Weinhof ausgesetzt. Dadurch werde auch das Trennungsgebot verletzt. Schließlich sei die Planung nicht erforderlich, da lediglich eine Gefälligkeitsplanung für einen Investor vorliege.
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Der Antragsteller beantragt,
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den Bebauungsplan Nr. … „H.“ der Antragsgegnerin vom 5. August 2022 durch Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag des Antragstellers außer Vollzug zu setzen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie ist der Ansicht, der Antrag sei bereits unzulässig, da eine Rechtsverletzung des Antragstellers offensichtlich ausscheide. Eine erdrückende Wirkung scheide aufgrund der räumlichen Anordnung und Höhenstaffelung der Baukörper aus. Bei der maximal zulässigen Wandhöhe der Mehrfamilienhäuser in zweiter Reihe sei zudem zu berücksichtigen, dass zur Bestimmung der Wandhöhe der Tiefpunkt im Plangebiet festgesetzt worden sei. Die zu erwartende Verkehrszunahme in der E. Straße beschränke sich auf den Anliegerverkehr. Dieser lasse kein unerträglich hohes Verkehrsaufkommen erwarten, denn die schalltechnische Untersuchung komme zu dem Schluss, dass auch ohne Erhebung der Verkehrsdaten und expliziter Berechnung aus dem Straßenverkehr keine Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung zu erwarten seien. Anregungen zu sonstigen Immissionen (Geruchs-, Straßenverkehrs- oder Luftverkehrsimmissionen) hätten sich aus den Stellungnahmen der beteiligten Träger öffentlicher Belange nicht ergeben. Die außerhalb des Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangene Stellungnahme des Antragstellers vom 28. Januar 2022 enthalte keine abwägungsrelevanten Aspekte; solche mussten sich der Antragsgegnerin auch nicht aufdrängen.
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Im Übrigen sei der Bebauungsplan rechtmäßig. Das Baugebiet habe im beschleunigten Verfahren ausgewiesen werden dürfen, da es sich nicht um einen neuen Siedlungsansatz handle. Das Baugebiet grenze im Osten und Nordwesten an bestehende Wohnbebauung an und im Süden verlaufe auf 150 m die E. Straße mit daran anschließender Bebauung. Maßgeblich für die Flächenberechnung sei die Grundfläche nach § 19 Abs. 2 BauNVO, die unter Berücksichtigung der festgesetzten Grundflächenzahl bei 4.900,8 m2 liege. Die Gutachten seien im Rahmen der erneuten Auslegung ins Verfahren eingebracht worden. Der Wohnflächenbedarf sei ausführlich dargestellt worden, so dass der Bebauungsplan erforderlich sei. Die Abwägung sei fehlerfrei erfolgt. Es liege keine erdrückende Wirkung vor und auch kein unerträglich hohes zu erwartendes Verkehrsaufkommen. Schließlich seien auch keine Nachteile zu erwarten, die eine Aufschiebung rechtfertigen könnten; Schadensersatzansprüche des Investors seien durch einen städtebaulichen Vertrag ausgeschlossen.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Planaufstellungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
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Der Antrag auf einstweilige Anordnung hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
18
a) Der Antrag ist nach § 47 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 10 Abs. 1 BauGB statthaft. Er richtet sich gegen den zum Zeitpunkt der Erhebung des Normenkontrolleilantrags bereits bekannt gemachten und in Kraft getretenen Bebauungsplan Nr.… „H.“ der Antragsgegnerin.
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b) Der Antragsteller ist antragsbefugt.
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Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Normenkontroll(eil)antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer – möglichen – Rechtsverletzung sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Ausreichend ist, wenn der jeweilige Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird. Ist im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan – wie hier – der Betroffene nicht Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB folgen. In diesem Fall hat ein Antragsteller aufzuzeigen, dass seine aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB) folgenden Rechte verletzt sein können. Das setzt voraus, dass die Planung einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers berührt. Abwägungserheblich sind private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An Letzterem fehlt es etwa bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – juris Rn. 16 m.w.N.; B.v. 8.7.2021 – 15 N 20.1810 – juris Rn. 19).
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Hiervon ausgehend ist der Antragsteller hier im Hinblick auf eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms antragsbefugt. Eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms gehört auch unterhalb der Grenzwerte (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – juris Rn. 13) für lärmbetroffene Grundstücke außerhalb des Plangebiets zu den abwägungserheblichen Belangen bei der Aufstellung eines Bebauungsplans (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – juris Rn. 6). Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig oder wirkt er sich nur unwesentlich (d.h. nicht über eine vernachlässigenswerte Bagatellgrenze hinaus) auf das Nachbargrundstück aus, so muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden und die Antragsbefugnis entfällt (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 a.a.O.). Ob vermehrte Verkehrslärmbeeinträchtigungen mehr als geringfügig zu Buche schlagen, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen. Insbesondere lässt sich die Schwelle der Abwägungsrelevanz bei Verkehrslärmerhöhungen nicht alleine durch einen Vergleich von Lärmmesswerten bestimmen. Es bedarf stets einer einzelfallbezogenen wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der Vorbelastung und Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets (BVerwG, B.v. 12.1.2015 – 4 BN 18.14 – juris Rn. 23 m.w.N.; BayVGH, B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – juris Rn. 17).
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Insofern fehlt es hier aber bislang an jeglichen Ermittlungen und Bewertungen der Antragsgegnerin in Bezug auf die Belastung des Wohngrundstücks des Antragstellers durch die künftige Nutzung der E. Straße in Folge der durch die Ausweisung des Baugebiets neu hinzukommenden Verkehrs-(Lärm-) Belastung. Die Antragsgegnerin führt zwar aus, die schalltechnische Untersuchung des Dipl.-Ing. (FH) A. … vom 5. Januar 2022 habe festgestellt, dass in der E. Straße und der Straße Zum Burgstall kein relevanter Durchgangsverkehr vorliege und auch ohne explizite Berechnung davon ausgegangen werden könne, dass sich aus dem Verkehr auf den beiden Straßen keine Überschreitungen der Orientierungswerte aus dem Beiblatt zur DIN 18005 (vgl. Nr. 1.1.2, S. 5) bzw. der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (Nr. 2, S. 8 und Nr. 5.2, S. 25 – dort allerdings zu einer im Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht existenten Straße) ergäben. Die Aussagen beziehen sich jedoch der Formulierung nach auf den vorhandenen Verkehr, nicht jedoch auf den durch das Baugebiet zu erwartenden Verkehr. Denn weder in der schalltechnischen Untersuchung vom 5. Januar 2022 noch in der Begründung zum Bebauungsplan finden sich Ausführungen dazu, von welchem zusätzlichen Verkehrsaufkommen überhaupt ausgegangen wird. Angaben zur Zahl der im künftigen Baugebiet maximal möglichen Wohneinheiten oder der zu erwartenden Kraftfahrzeugbewegungen, die Rückschlüsse auf eine Abwägungserheblichkeit zuließen, finden sich in den Planunterlagen nicht. Zwar sind die Zahl der Wohneinheiten in Einzelhäusern und Doppelhaushälften gem. § 7 der textlichen Festsetzungen auf maximal zwei Wohneinheiten beschränkt. Aufgrund der im Plangebiet neben Einzel- und Doppelhäusern mit bis zu vier Vollgeschossen zulässigen Mehrfamilienhausbebauung ist es aber nicht ohne Weiteres möglich, hinreichend sicher zu beurteilen, ob eine abwägungsrelevante Lärmbelastung vorliegt (vgl. zur Irrelevanz oder Bagatellgrenze: BayVGH, U.v. 16.5.2017 – 15 N 15.1485 – juris Rn. 23). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung für die Entscheidung über die Antragsbefugnis kommt nicht in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2015 – 4 BN 30.14 – juris Rn. 3). Es kann deshalb hier nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die planbedingte Zunahme des Verkehrslärms am Antragstellergrundstück südlich der E. Straße nur geringfügig ist.
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2. Der Eilantrag ist auch begründet.
24
Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab bei Bebauungsplänen sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinn von § 47 Abs. 6 VwGO geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass dessen Vollzug suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Weg einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten in der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 13.12.2021 – 15 NE 21.2427 – juris Rn. 15 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hier dringend geboten.
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a) Der Normenkontrollantrag ist in der Hauptsache zulässig.
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aa) Dem Antrag in der Hauptsache fehlt hier nicht deswegen die Statthaftigkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, weil zum Zeitpunkt der Erhebung des Normenkontrollantrags durch den Antragsteller am 17. Juli 2022 der Bebauungsplan Nr. … „H.“ noch nicht bekannt gemacht war.
27
Der angegriffene Bebauungsplan wurde von der Antragsgegnerin am 16. August 2022 sowohl im Amtsblatt als auch durch Aushang an der Amtstafel bekannt gemacht. Zwar weist der Bevollmächtigte des Antragstellers darauf hin, dass die Verfügung der Bekanntmachung bereits am 5. August 2022 durch den Bürgermeister Wildenauer unterzeichnet wurde, ausweislich der Eintragungen auf dieser Verfügung erfolgte der Aushang aber auch erst am 16. August 2022 und wurde am 19. September 2022 abgenommen. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Normenkontrollklage durch den Antragsteller am 17. Juli 2022 war der Bebauungsplan Nr. … … … „H.“ damit noch nicht bekannt gemacht und der Antrag nicht statthaft (vgl. BayVGH, U.v. 9.7.2019 – 9 N 16.1228 – juris Rn. 17).
28
Der am 17. Juli 2022 erhobene Normenkontrollantrag ist auch nicht durch die nachträgliche Bekanntmachung und das hierdurch bewirkte Inkrafttreten des Bebauungsplans statthaft geworden. Denn der Gegenstand, der mit einem Rechtsbehelf angegriffen wird, muss bereits im Zeitpunkt der Einlegung dieses Rechtsbehelfs rechtlich existieren. Insoweit handelt es sich um eine „echte“ Zugangsvoraussetzung, deren Fehlen nicht bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts geheilt werden kann (OVG RhPf, B.v. 6.7.2017 – 6 B 11128/17 – juris Rn. 3 f. m.w.N.).
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Aus prozessökonomischen Gründen ist hier jedoch ausnahmsweise ein nachträgliches „Hineinwachsen“ in die Zulässigkeit angemessen. Denn der Antragsteller hat den Normenkontrollantrag durch Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 12. Dezember 2022 innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO begründen und durch (erneute) Antragstellung deutlich machen lassen, dass er sein Antragsbegehren (auch) nach Bekanntmachung des Bebauungsplans weiterverfolgen will (vgl. BayVGH, U.v. 3.11.2010 – 15 N 08.185 – juris Rn. 13). Damit kommt ausreichend deutlich zum Ausdruck, dass der – (zunächst) unzulässig erhobene – Normenkontrollantrag sich auf den zwischenzeitlich in Kraft getretenen Bebauungsplan erstrecken soll (vgl. BayVGH, U.v. 9.7.2019 – 9 N 16.1228 – juris Rn. 19).
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bb) Der Antragsteller ist – aus den bereits im Eilverfahren angeführten Gründen – auch im Normenkontrollhauptsacheverfahren antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Selbst wenn im weiteren Verlauf des Hauptsacheverfahrens eine sachverständige Fachexpertise eine tatsächliche Lärm- (Zusatz-) Belastung feststellen sollte, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im nicht abwägungsrelevanten Bagatellbereich läge, so dass sich ein entsprechender Ermittlungsfehler ggf. nicht gem. § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB auswirken würde, könnte dies im Nachhinein für das noch anhängige Hauptsacheverfahren die Antragsbefugnis nicht mehr nachträglich in Frage stellen (vgl. BVerwG, B.v. 1.7.2020 – 4 BN 49.19 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 15 N 15.1201 – juris Rn. 34 m.w.N.).
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cc) Der Antrag wurde auch fristgerecht erhoben.
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Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Anfechtung des am 16. August 2022 bekannt gemachten Bebauungsplans Nr. … … … „H.“ läuft erst am 16. August 2023 ab (§ 57 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Der Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 12. Dezember 2022 ist innerhalb dieser Frist eingegangen. Der zunächst beim Verwaltungsgericht ohne Prozessbevollmächtigten erhobene Normenkontrollantrag ist insoweit nicht relevant, würde im Übrigen aber trotz fehlender Postulationsfähigkeit (§ 67 Abs. 4 Satz 1, 3 VwGO) einer Einhaltung der Frist auch nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.2019 – 7 C 12.18 – juris Rn. 15).
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dd) Für den Fortgang des vom Verwaltungsgericht an den Verwaltungsgerichtshof verwiesenen Normenkontrollverfahrens sind die dort geltenden Verfahrensvorschriften zu beachten (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.2019 – 7 C 12.18 – juris Rn. 14). Der Antragsteller hat hier allerdings innerhalb der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO einen zur Vertretung nach § 67 Abs. 4 Sätze 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 VwGO befugten Bevollmächtigten bestellt (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.2019 a.a.O. Rn. 16; BayVGH, U.v. 20.4.2022 – 9 N 19.2349 – juris Rn. 4 – zu einem Fall verspäteter Bestellung).
34
b) Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, leidet der Bebauungsplan Nr. … „H.“ an einem Ermittlungs- und Bewertungsdefizit gemäß § 2 Abs. 3 BauGB. Dieser Mangel ist nach der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Sach- und Rechtslage derzeit auch als beachtlich anzusehen, weil sich weder aus den Planunterlagen noch aus den Stellungnahmen der Antragsgegnerin Angaben ergeben, die den Schluss rechtfertigen, dass der Abwägungsfehler nicht gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB auf das Ergebnis des Planungsverfahrens von Einfluss gewesen ist. Nach gegenwärtiger Beurteilungsgrundlage dürfte der Normenkontrollantrag des Antragstellers daher voraussichtlich zur Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen.
35
Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot, um die Verfahrensanforderung (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange in wesentlichen Punkten (zutreffend) zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln und zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – juris Rn. 12). Für die Abwägung ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend.
36
Hier hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend ermittelt, welche Verkehrslärmauswirkungen die künftige Bebauung des Plangebiets und die Nutzung der E. Straße nördlich des Antragstellergrundstücks auf dessen Wohngrundstück überhaupt hat. Erst wenn die Gemeinde klare Vorstellungen von den immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen ihrer Planung hat, kann sie abschätzen, ob die Schwelle der Abwägungsrelevanz erreicht ist oder nicht bzw. mit welchem Gewicht eine zu prognostizierende Belastung in die Abwägung einzustellen ist. Verfügt sie insoweit nicht selbst über eine zuverlässige Datenbasis, so muss sie sich die erforderlichen Kenntnisse anderweitig verschaffen. Die Einholung eines Immissionsgutachtens bietet sich als ein für diesen Zweck geeignetes Mittel an (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.2003 – 4 BN 51.03 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 27.4.2016 – 9 N 13.1408 – juris Rn. 23). Die planende Gemeinde muss aber nicht stets umfangreiche gutachterliche Ermittlungen anstellen (lassen), um die konkrete Größenordnung der planbedingten Lärmauswirkungen exakt zu bestimmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon eine grobe Abschätzung eindeutig erkennen lässt, dass wegen des ersichtlich geringen Ausmaßes zusätzlicher planbedingter Verkehrsbewegungen beachtliche nachteilige Lärmbeeinträchtigungen offensichtlich ausscheiden. Allerdings muss eine ermittelte Prognose hinreichend aussagekräftig sein, um die konkrete Planungssituation abwägungsgerecht beurteilen zu können. Der Satzungsgeber muss sich als Grundlage seiner Abwägungsentscheidung in einer Weise mit den zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen vertraut machen, die es ihm ermöglicht, hieraus entstehende Konflikte umfassend in ihrer Tragweite zu erkennen. Nur wenn dies der Fall ist, kann er zu einer sachgerechten Problembewältigung im Rahmen der Abwägung überhaupt in der Lage sein (vgl. BayVGH, U.v. 27.4.2016 – 9 N 13.1408 – juris Rn. 24; B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – juris Rn. 26 m.w.N.). Die Anforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB erlauben nur dann, auf die Ermittlung konkret zu erwartender Immissionswerte zu verzichten, wenn schon nach der Zahl der täglich zu erwartenden Kraftfahrzeugbewegungen im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls keine Belästigungen zu besorgen sind, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. Allerdings wird auch die Einschätzung, ob die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wird, regelmäßig nicht ohne sachverständige Grobabschätzung der zu erwartenden Immissionen möglich sein (vgl. VGH BW, U.v. 24.7.2015 – 8 S 538/12 – Rn. 40 m.w.N.).
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Gemessen hieran liegt ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB vor. Die Antragsgegnerin hat hier weder die Zahl der infolge der künftigen Bebauung vom Baugebiet zu erwartenden Kraftfahrzeugbewegungen noch die konkrete Zahl der maximal zu erwartenden Wohneinheiten ermittelt. Entsprechendes lässt sich auch nicht der schalltechnischen Untersuchung vom 5. Januar 2022 entnehmen. Aussagen zu dem zu erwartenden Verkehrslärm infolge der Baugebietsausweisung und zu dem vom geplanten Wohngebiet ausgehenden Verkehrslärm finden sich dort – mit Ausnahme einer Würdigung der festgesetzten Parkplatzflächen – nicht. Die Ausführungen in der schalltechnischen Untersuchung vom 5. Januar 2022, wonach in der E. Straße und der Straße Zum Burgstall „kein relevanter Durchgangsverkehr“ vorliege (Nr. 1.1.2, S. 5; Nr. 2, S. 8; Nr. 5.2, S. 25), zielen ihrer Formulierung nach auf die vorhandene Verkehrsbelastung und nicht auf den – infolge der Baugebietsausweisung – zusätzlich zu erwartenden Verkehr. Es finden sich insoweit keine Angaben zu dem zu erwartenten Verkehrsaufkommen oder der Zahl erwarteter Kraftfahrzeugbewegungen. Insofern liegt auch keine Grobabschätzung vor, auf Basis derer auf (weitere, umfangreiche) gutachterliche Ermittlungen hätte verzichtet werden können (vgl. OVG NW, B.v. 21.7.2014 – 2 B 301/14.NE – juris Rn. 86 ff.). Dem abschließend über den Satzungsbeschluss entscheidenden Gremium der Antragsgegnerin war auf es dieser defizitären Ermittlungsbasis somit nicht möglich, alle unter Lärmgesichtspunkten relevanten Gesichtspunkte sachgerecht abzuwägen bzw. eindeutig abzuschichten, ob die zu erwartende Lärmbelastung für Nachbarn des Plangebiets oder Anlieger der E. Straße einen abwägungserheblichen Belang darstellt oder nicht.
38
Zwar haben weder die Träger öffentlicher Belange noch der Antragsteller im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung hierzu Einwendungen erhoben. Die Antragsgegnerin konnte auf entsprechende Ermittlungen aber gleichwohl nicht verzichten, weil es sich bei der Ermittlung von Verkehrslärmauswirkungen infolge neuer Baulandausweisung um regelmäßig zum Gegenstand der Bauleitplanung auch im Allgemeinwohl liegende Belange gem. § 1 Abs. 6 Nr. 1 und 9 BauGB handelt. Dies musste sich der Antragsgegnerin auch aufdrängen bzw. sich ihr als zwingender Belang bekannt sein, zumal es aufgrund der vorgesehenen Bebauung mit – entsprechend der vorgesehenen Baufenster mehreren möglichen – Mehrfamilienhäusern mit bis zu vier Vollgeschossen gerade nicht von vornherein „auf der Hand liegt“, dass die zusätzliche Lärmbelastung im abwägungsunerheblichen Bagatell- bzw. Irrelevanzbereich liegen werde (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – juris Rn. 26).
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Der Ermittlungsmangel ist nach derzeitigem Stand des gerichtlichen Verfahrens gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB als relevant anzusehen. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften des Baugesetzbuchs für die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans nur beachtlich, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne ihn die Planung anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 30.1.2016 – 4 B 21.15 – juris Rn. 10). Es kann im gegenwärtigen Zeitpunkt der Entscheidung – mangels belastbarer Daten über die durch das neue Baugebiet zu erwartende Verkehrsbelastung und die hieraus für den Antragsteller folgende Lärmbelastung nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin in jedem Falle den Satzungsbeschluss mit demselben Inhalt erlassen hätte. Damit fehlt es jedenfalls momentan an jeder Basis, die den Schluss zuließe, dass der Satzungsgeber denselben Bebauungsplan bei Kenntnis der entsprechenden Datenlage beschlossen hätte. Es ist auch nicht Sache des Normenkontrollgerichts, etwa über ein Sachverständigengutachten selbst zu ermitteln, ob sich eine potenzielle zusätzliche Belastungswirkung in einem Marginalbereich bewegt, der die Unbeachtlichkeit des Ermittlungsdefizits der Kommune gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB zur Folge haben könnte (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – juris Rn. 42). Das gilt erst recht im Eilverfahren gem. § 47 Abs. 6 VwGO.
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c) Die nach summarischer Prüfung der (gegenwärtigen) Sach- und Rechtslage zu prognostizierenden positiven Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache indizieren einen wichtigen Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S. von § 47 Abs. 6 VwGO (vgl. BVerwG, B.v. 16.9.2015 – 4 VR 2.15 – juris Rn. 4). Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist auch dringend geboten, weil – unabhängig von einer nach dem städtebaulichen Vertrag vom 5. Juli 2022 ausgeschlossenen – Schadensersatzpflicht der Antragsgegnerin durch die fortschreitende Errichtung der Erschließungsanlagen die Schaffung vollendeter Tatsachen droht. Ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung wird der Vorhabensträger zu weiteren Investitionen und zur weiteren Umsetzung des hinsichtlich seiner Wirksamkeit bedenklichen Bebauungsplans herausgefordert. Ob es ohne weiteres möglich wäre, alle Baumaßnahmen wieder rückgängig zu machen, falls sich der Bebauungsplan nach Abschluss der Hauptsache endgültig als unwirksam herausstellen sollte, erscheint unsicher. Sollte sich der Bebauungsplan endgültig als unwirksam erweisen und das Plangebiet mithin weiterhin als bauplanungsrechtliche Außenbereichslage verbleiben, drohte bei Verlust einer (bislang wohl landwirtschaftlich genutzten) Grünfläche der dauerhafte Bestand eines „Erschließungsanlagentorsos“, der womöglich nicht mehr oder jedenfalls nicht zeitnah beseitigt werden würde. Zudem dürfte bei einer beabsichtigten Fertigstellung der Erschließungsanlagen ggf. noch vor einer mündlichen Verhandlung in der Hauptsache Baugenehmigungsverfahren bzw. Freistellungsverfahren für die Umsetzung des Bebauungsplans auf den einzelnen Bauflächen zu erwarten sein (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – juris Rn. 32).
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3. Auf die vom Antragsteller weiter vorgebrachten Einwendungen, insbesondere fehlender Voraussetzungen einer Planung im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB, fehlender Erforderlichkeit der Planung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und Abwägungsfehler nach § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB im Hinblick auf eine geltend gemachte erdrückende Wirkung, Lärmimmissionen seitens der Gaststätte „H.“, des Weinhandels P. sowie des Verkehrslandeplatzes W. und auf Geruchsbelästigungen eines westlich gelegenen Schweinestalles, kommt es im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes damit nicht an. Nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht jedoch einiges dafür, dass die Einwendungen des Antragstellers insoweit erfolglos bleiben dürften.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 8, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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In entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat die Antragsgegnerin Nummer I der Entscheidung in derselben Weise zu veröffentlichen wie den angegriffenen Bebauungsplan (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 1 NE 16.2191 – juris Rn. 17).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).