Inhalt

VGH München, Beschluss v. 31.01.2023 – 13 AE 23.9
Titel:

Fehlender Anspruch auf Ungültigkeitserklärung einer Vorstandswahl nach Flurbereinigungsrecht

Normenkette:
FlurbG § 17 Abs. 1
Leitsatz:
Einzelne haben keinen Anspruch gegen die Flurbereinigungsbehörde, dass diese aufsichtsbehördlich  gegenüber der Teilnehmergemeinschaft nach § 17 Abs. 1 FlurbG einschreitet (vgl. VGH München BeckRS 2021, 18510 Rn. 16). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweilige Anordnung, Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten (verneint), Passivlegitimation einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Vorstandswahl, Dringlichkeit (verneint), Flurbereinigung, Teilnehmergemeinschaft, Vorstandswahl
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1975

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 15 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist Teilnehmer des mit Flurbereinigungsbeschluss des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 9. Juni 1969 angeordneten Flurbereinigungsverfahrens L. Dieses wurde mit Schlussfeststellung der Flurbereinigungsdirektion W. vom 13. März 1985 abgeschlossen. Die Teilnehmergemeinschaft (TG) blieb jedoch gemäß § 151 Satz 1 FlurbG über die Schlussfeststellung hinaus bestehen.
2
Am 16. September 2021 wurde der Vorstand der TG neu gewählt. Der Antragsteller machte im Wahltermin mündlich und schriftlich geltend, zur Stimmabgabe dürften nur Personen zugelassen werden, die ihre Wahlberechtigung durch einen höchstens vier Wochen alten Grundbuchauszug nachweisen. Mit Schreiben vom 17. September 2021 an das Amt für Ländliche Entwicklung U. (ALE) verfolgte er sein Anliegen weiter und trug unter anderem vor, sollte die Wahl trotz fehlendem Nachweis durchgeführt worden sein, sei diese als nichtig anzusehen. Das ALE teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 22. November 2021 unter anderem mit, es sei nicht vorgeschrieben, dass sich die Teilnehmer bei der Vorstandswahl mit einem Grundbuchauszug oder durch andere schriftliche Nachweise als wahlberechtigt ausweisen. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Vorstandswahl hätten nicht festgestellt werden können.
3
Am 2. Januar 2023 hat sich der Antragsteller wegen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gegen das ALE an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – Flurbereinigungsgericht – gewandt. Das ALE sei die Aufsichtsbehörde über die TG. Die am 16. September 2021 durchgeführte Vorstandswahl sei von Amts wegen aufzuheben. Da niemand einen höchstens vier Wochen alten Grundbuchauszug als Wahlberechtigungsnachweis vorgelegt habe, sei die Vorstandswahl für ungültig zu erklären. Es bestehe Eilbedürftigkeit, da die Vorstandswahl ohne Nachweis der Wahlberechtigung durchgezogen worden sei.
4
Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,
5
den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, die Vorstandswahl der Teilnehmergemeinschaft L. am 16. September 2021 für ungültig zu erklären.
6
Der Antragsgegner hat beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
8
Als Rechtsgrundlage für das begehrte aufsichtsbehördliche Vorgehen komme allenfalls die in § 17 Abs. 1 FlurbG verankerte allgemeine Aufsichtsbefugnis des ALE über die TG in Frage. Allerdings habe der einzelne Teilnehmer aus § 17 Abs. 1 FlurbG keinen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten. Im Übrigen bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorstandswahl vom 16. September 2021 unwirksam sein könne. Die Satzung der TG mache keine Vorgaben, wie die Stimmberechtigung zu überprüfen sei. Der Antragsteller habe auch nicht dargelegt, dass nicht wahlberechtigte Personen an der Wahl teilgenommen hätten und dass deren Teilnahme ggf. Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt habe. Im Übrigen bestehe unter Berücksichtigung des bisherigen Zeitablaufs keine Eilbedürftigkeit.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
10
Über das Begehren des Antragstellers entscheidet der Senat in der Besetzung ohne die ehrenamtlichen Richter im Sinn des § 139 Abs. 3 FlurbG (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
11
Der Antrag nach § 123 VwGO ist jedenfalls unbegründet.
12
Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn der zu sichernde oder zu regelnde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts (sog. Anordnungsanspruch) und die durch § 123 Abs. 1 VwGO normierten Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (im Wesentlichen die Dringlichkeit, sog. Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
13
Vorliegend hat der Antragsteller nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner, dass dieser die Vorstandswahl der TG am 16. September 2021 für ungültig erklärt, nicht glaubhaft gemacht.
14
Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 17 Abs. 1 FlurbG, wonach die Teilnehmergemeinschaft unter der Aufsicht der Flurbereinigungsbehörde steht. Denn Einzelne haben keinen Anspruch gegen eine Aufsichtsbehörde, dass diese aufsichtsbehördlich einschreitet; dies gilt auch für das aufsichtliche Tätigwerden der Flurbereinigungsbehörde gegenüber der Teilnehmergemeinschaft nach § 17 Abs. 1 FlurbG (BayVGH, B.v. 28.6.2021 – 13 AE 21.711 – juris Rn. 16; U.v. 10.10.1980 – 13 A 80A.467 – RzF 5 zu § 17 Abs. 1 FlurbG; Wingerter in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Auflage 2018, § 17 Rn. 1).
15
Ein Anspruch gegen den Antragsgegner folgt auch nicht daraus, dass einzelne Teilnehmer die Wahl des Vorstands einer Teilnehmergemeinschaft durchaus mit einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser Wahl angreifen können: Eine solche Klage ist nämlich gegen die Teilnehmergemeinschaft zu richten (Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 21 Rn. 6 m.w.N.). Auch insoweit kommt deshalb von vornherein kein Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner in Betracht.
16
Ist demnach schon kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, kommt es letztlich nicht mehr darauf an, dass auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sein dürfte: Der Antragsteller hat nach der Ablehnung seines Begehrens durch das ALE mit Schreiben vom 22. November 2021 erst am 2. Januar 2023 gerichtlichen Rechtsschutz beantragt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Angelegenheit nunmehr dringlich sein sollte, nachdem der Antragsteller über ein Jahr lang keinen Anlass zu einem gerichtlichen Vorgehen gesehen hat.
17
Nach alledem war der Antrag abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG, § 154 Abs. 1 VwGO.
18
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 13.2.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
19
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 147 Abs. 1 FlurbG, § 152 Abs. 1 VwGO).