Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.02.2023 – 1 CS 22.2511
Titel:

Androhung der Ersatzvornahme

Normenkette:
BayVwVZG Art. 21a, Art. 38 Abs. 1 S. 3
Leitsatz:
Die gesetzliche Wertung nach Art. 21a VwZVG, dass Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung von Gesetzes wegen sofort vollziehbar sind, muss bei der gerichtlichen Entscheidung Berücksichtigung finden. Liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor, so überwiegt grundsätzlich das öffentliche Interesse an der Durchsetzung das Interesse des Vollstreckungsschuldners an der Verhinderung der Vollstreckung. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Androhung einer Ersatzvornahme, Bestandskräftige Beseitigungsanordnung, Androhung der Ersatzvornahme, Verwaltungsvollstreckung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 24.11.2022 – M 11 S 22.3947
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1967

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Androhung einer Ersatzvornahme.
2
Er war bis zur Eintragung der L. Vermögensverwaltungs KG am 8. Juni 2020 im Grundbuch Eigentümer des Grundstücks FlNr. …3, Gemarkung E., und ist nunmehr als einer der Gesellschafter der GmbH als Nießbraucher im Grundbuch eingetragen. Mit Bescheid vom 21. Juli 2022 wurde ihm für den Fall, dass er der Verpflichtung in dem (nach längerem Rechtsstreit seit April 2015) bestandskräftigen Bescheid vom 25. September 2007, das Hauptgebäude (sog. W.-Hütt) auf dem Grundstück FlNr. …3 zu beseitigen, nicht fristgerecht nachkommt, die Ersatzvornahme angedroht. Zwei Zwangsgeldandrohungen waren zuvor erfolglos geblieben. Die Zwangsgelder wurden fällig gestellt.
3
Die von der Gemeinde E. am A.see am 7. Februar 2017 zur nachträglichen Legalisierung des Gebäudes beschlossene und am 28. September 2017 bekannt gemachte Außenbereichssatzung „Südlicher K.anger“, in deren Umgriff auch das zu beseitigende Gebäude lag, hat der Senat mit Urteil vom 11. August 2020 (1 N 17.1389) für unwirksam erklärt. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Dezember 2020 zurückgewiesen. Bereits am 4. August 2020 hatte die Gemeinde die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Südlicher K.anger“ für das Grundstück des Antragstellers beschlossen. Das Bebauungsplanverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Das Landratsamt hatte zunächst der L. Vermögensverwaltungs KG mit Bescheid vom 27. August 2020 die Ersatzvornahme angedroht. Dieser Bescheid wurde wegen fehlerhafter Störerauswahl wieder aufgehoben.
4
Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid vom 21. Juli 2022 Klage, über die noch nicht entschieden ist. Seinen Antrag, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. November 2022 ab. Der Bescheid vom 21. Juli 2022 sei voraussichtlich rechtmäßig. Die Androhung der Ersatzvornahme zur Durchsetzung der bestandskräftigen Beseitigungsanordnung sei zulässig, da die beiden Zwangsgeldandrohungen im Ausgangsbescheid vom 25. September 2007 und im Bescheid vom 15. Juni 2016 den Antragsteller nicht veranlasst hätten, der Beseitigungsanordnung nachzukommen. Die Störerauswahl sei nicht zu beanstanden. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. An der bauplanungsrechtlichen Situation habe sich durch das Petitionsverfahren nichts geändert. Auch reichten jedenfalls bloße vage Aussichten auf eine dem Betroffenen günstige zukünftige Rechtsentwicklung – wie hier das Bebauungsplanverfahren – nicht aus, um von einer weiteren Zwangsvollstreckung verschont zu bleiben. Dem Antragsteller gehe es offensichtlich nicht um die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, sondern darum, das Gebäude überhaupt nicht beseitigen zu müssen.
5
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass das Gebäude im Falle einer Ersatzvornahme unwiederbringlich beseitigt und der historische Baubestand vernichtet werde. Eine Stattgabe hätte nur das öffentliche Interesse am Vollzug aufgeschoben und ihm Gelegenheit zur nachträchtigen Legalisierung des Bauvorhabens sowie der freiwilligen Möglichkeit des Rückbaus gegeben.
6
Der Antragsgegner beantragt
die Zurückweisung der Beschwerde.
7
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
8
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
9
Die vom Antragsteller dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO) zu Recht abgelehnt, weil die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben wird, sodass das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners nachrangig ist. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen:
10
Mit dem Vortrag, das Verwaltungsgericht habe sich nur mit den voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache beschäftigt und dabei nicht berücksichtigt, dass im Falle einer Ersatzvornahme das Gebäude unwiederbringlich beseitigt und der „historische Baubestand“ vernichtet werde, wendet sich der Antragsteller gegen die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts. Dabei verkennt er, dass sich die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eigenständige Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts vorrangig an der Frage orientiert, ob sich bei der gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids offensichtlich erkennen lässt. Ist der angefochtene Bescheid – wie hier – voraussichtlich rechtmäßig, ist für eine Vollzugsfolgenabwägung kein Raum. Darüber hinaus muss die gesetzliche Wertung, dass Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung nach Art. 21a VwZVG von Gesetzes wegen sofort vollziehbar sind, bei der gerichtlichen Entscheidung Berücksichtigung finden (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 87). Liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor, so überwiegt grundsätzlich das öffentliche Interesse an der Durchsetzung das Interesse des Vollstreckungsschuldners an der Verhinderung der Vollstreckung, weil nur so Anordnungen effektiv durchgesetzt werden können.
11
Das Beschwerdevorbringen zeigt im Übrigen nicht auf, welche darüberhinausgehenden privaten Interessen des Antragstellers zu seinen Gunsten hätten berücksichtigt werden müssen. Soweit er die Beseitigung des Gebäudes in Frage stellt, wendet er sich gegen die Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Grundverfügung vom 25. September 2007 und nicht gegen die Androhung der Ersatzvornahme. Ist die Androhung eines Zwangsmittels – wie hier – nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden und ist dieser unanfechtbar geworden, so kann sie gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG nur angefochten werden, soweit eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf 50-VI-05 – juris Rn. 46; BayVGH, B.v. 8.7.2021 – 15 CS 21.1642 – BayVBl 2022, 341). Die Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Beseitigungsanordnung kann daher nicht erneut zur Überprüfung gestellt werden. Unabhängig davon handelt es sich nicht um ein schützenswertes Gebäude, nachdem die Baumaßnahmen des Antragstellers angesichts des weitgehenden Verlusts der alten Bausubstanz einem Neubau gleichkommen (vgl. BayVGH, U.v. 22.5.2014 – 1 B 14.196 – juris Rn. 26).
12
Im Übrigen hat sich das Verwaltungsgericht mit den geltend gemachten nachträglichen Veränderungen der Sach- und Rechtslage – die vom Antragsteller eingereichte Petition sowie dem in Aufstellung befindlichen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, mit dem eine nachträgliche Legalisierung des Bauvorhabens bezweckt wird – auseinandergesetzt (vgl. BA Rn. 41). Mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich aufgrund der Behandlung der Petition die bauplanungsrechtliche Situation nicht geändert habe und jedenfalls eine bloße vage Aussicht auf eine für den Antragsteller günstige Rechtsentwicklung nicht ausreiche, um von einer weiteren Zwangsvollstreckung verschont zu bleiben, setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht auseinander. Unabhängig davon dürften nach Auffassung des Senats dem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan gewichtige öffentliche Belange entgegenstehen.
13
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.