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VG Würzburg, Urteil v. 03.07.2023 – W 8 K 22.1366
Titel:

Kampfhundesteuer, Wesenstest, Negativzeugnis, Rückwirkung, keine erdrosselnde Wirkung

Normenketten:
GG Art. 105 Abs. 2a
KAG Art. 3 Abs. 1
HStS § 5
KampfhundeVO § 1
Schlagworte:
Kampfhundesteuer, Wesenstest, Negativzeugnis, Rückwirkung, keine erdrosselnde Wirkung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19555

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin wehrt sich gegen die Heranziehung zur Hundesteuer mit einem erhöhten Steuersatz für Kampfhunde durch die Beklagte.
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1. Die Klägerin ist Halterin eines C… C… (S…) namens „D…“.
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Mit Bescheid vom 8. Dezember 2021 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin unter anderem eine jährliche Kampfhundesteuer in Höhe von 610,00 EUR fest und erhob diese zunächst für das Jahr 2022.
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Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 ließ die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid einlegen, soweit eine Hundesteuer i. H. v. 610 EUR festgesetzt wurde, und zur Begründung hierbei und mit weiteren Schreiben vom 11. Januar und 24. März 2022 im Wesentlichen vortragen, dass gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 der Hundesteuersatzung der Beklagten (in der Folge: HStS) Kampfhunde alle in § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (in der Folge: KampfhundeVO) genannten Rassen und Gruppen von Hunden seien. In § 1 KampfhundeVO werde zwischen Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzungen, bei denen stets die Eigenschaft als Kampfhund vermutet werde und solchen, bei denen diese Eigenschaft nur so lange vermutet werde bis ein Nachweis darüber vorliege, dass keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren bestehe, unterschieden. Es könne daher auch nach der HStS bei Vorlage eines solchen Negativattestes nicht von einem Kampfhund ausgegangen werden. Dem streitgegenständlichen Hund sei nach Durchführung eines Wesenstests die Unbedenklichkeit bescheinigt worden, wie dem vorgelegten Wesensgutachten vom 28. April 2019 entnommen werden könne. Er gelte daher nicht mehr als Listenhund, sodass die für ihn zu entrichtende Hundesteuer anzupassen sei. Die Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn am 31. März 2022 dem Landratsamt zur Entscheidung vor.
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Das Landratsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2022 zurück (Nr. 1). Die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden der Klägerin auferlegt (Nr. 2) und eine Gebühr in Höhe von 87,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,68 EUR festgesetzt (Nr. 3). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die HStS beruhe auf der Ermächtigungsgrundlage des Art. 105 Abs. 2 a GG i.V. m. Art. 3 Abs. 1 KAG und überschreite die Grenzen der hiernach zulässigen Aufwandsteuer nicht. Die Staffelung der Hundesteuer sei rechtmäßig. Das Abstellen auf ein Negativzeugnis bilde keinen Anspruch auf Ermäßigung, da § 5 Abs. 2 HStS auf alle der in § 1 KampfhundeVO genannten Hunde gerichtet sei und damit lediglich die Zuordnung zu einer dort genannten Rasse bei der Festsetzung der Hundesteuer durch die Beklagte ausschlaggebend sei. Gem. § 5 HStS betrage die Steuer für Kampfhunde 610,00 EUR. Kampfhunde seien Hunde, bei denen aufgrund rassenspezifischer Merkmale, Zucht und Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren auszugehen sei. Kampfhunde im Sinne dieser Vorschrift seien alle in § 1 KampfhundeVO genannten Rassen und Gruppen von Hunden. Der Hund „D…“ der Klägerin sei ein Hund der Rasse „C… C…“ und daher nach § 5 Abs. 2 HStS i.V. m. § 1 Abs. 2 KampfhundeVO ein Kampfhund. Die Beklagte habe bei der Auswahl der als abstrakt gefährlich eingeschätzten Hunde einen beträchtlichen Einschätzungs- und Prognosespielraum und verfüge hinsichtlich Typisierungen und Pauschalierungen über weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie habe in § 5 Abs. 2 HStS eine Verweisung auf die KampfhundeVO gewählt. Dies sei, jedenfalls so lange es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gebe, dass die zugrundeliegenden Erkenntnisse offensichtlich überholt sind, rechtlich zulässig. Auch hinsichtlich des erhöhten Steuersatzes für Kampfhunde habe die Beklagte einen relativ großen Spielraum. Dieser werde erst überschritten, wenn die Steuer eine erdrosselnde Wirkung habe. Die Kampfhundesteuer der Beklagten sei unter Berücksichtigung der Kosten der Haltung eines Hundes (laufende Unterhaltskosten, einmalig anfallende Kosten sowie besondere Kosten im Zusammenhang mit der Kampfhundeeigenschaft), der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen im Gemeindegebiet und im Vergleich zum Steuersatz für Nicht-Kampfhunde, nicht derart erhöht, dass sie faktisch einem Verbot, Kampfhunde zu halten, gleichkomme und habe daher objektiv betrachtet keine erdrosselnde Wirkung. Für Hunde, die zum Zeitpunkt der Satzungsänderung bereits vorhanden gewesen seien, gebe es keinen Vertrauensschutz. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 73 Abs. 3 Satz 3 VWGO i.V.m. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG. Die Höhe der Gebühr ergebe sich aus Art. 11 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 KG. Die Höhe der Auslagen ergebe sich aus Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
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2. Am 2. September 2022 ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben und zur Begründung am 30. März 2023 im Wesentlichen das im Widerspruchsverfahren Vorgetragene wiederholen und weitergehend ausführen, der erhöhte Steuersatz solle für die gelisteten Hunde in Ansatz gebracht werden, die abstrakt als gefährlich angesehen und als sogenannte Kampfhunde bezeichnet würden. Sinn und Zweck sei, dass die Gemeinde die Möglichkeit haben solle, hierdurch die Haltung von als gefährlich eingestuften Hunden einzugrenzen. Dieser Zweck werde durch die Haltung von Hunden, die nachweislich keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit besäßen, nicht gefährdet. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Haltung solcher Hunde, welche diesbezüglich nicht mit Kampfhunden gleichzusetzen seien, mit einem höheren Steuersatz belegt werden sollten. Darüber hinaus sei in der Satzung nicht eindeutig geregelt, welche sachlichen Gründe die Beklagte dazu bewogen hätten, gerade für diesen Hund eine erhöhte Steuer anzusetzen. Es werde insoweit auf die Entscheidung des BayVGH vom 14. Dezember 2015, Az. 4 ZB 15.1351 verwiesen.
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Mit Schriftsätzen vom 14. November 2022 und 2. Mai 2023 ließ die Beklagte im Wesentlichen erwidern, dass der streitgegenständliche Hundesteuerbescheid vom 8. Februar 2021 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 1. August 2022 rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze. Die Beklagte müsse Hunde, für die ein Negativattest vorgelegt werde, nicht von der höheren Besteuerung als Kampfhund ausnehmen. Die Beklagte habe die Differenzierung des § 1 KampfhundeVO zwischen Hunden, welche stets als Kampfhunde gälten und solchen, deren Kampfhundeeigenschaft widerleglich vermutet werde, im Wortlaut der HStS nicht übernommen. Damit würden eindeutig auch Hunde, welche unter § 1 KampfhundeVO fielen und für die nachgewiesen werde, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufwiesen, als Kampfhunde definiert. Der Satzungsgeber sei bei der Definition des Steuertatbestandes und des Begriffs des Kampfhundes nicht an den Kampfhundebegriff der KampfhundeVO gebunden, er könne im Rahmen seiner Satzungskompetenz aus § 13 KAG den Steuertatbestand eigenständig definieren. Er könne daher auch auf Verweisungen in andere Normen zurückgreifen und hierbei diese Verweisung einschränken. Die streitgegenständliche, dynamische Verweisung in § 5 HStS auf die KampfhundeVO, sei daher jedenfalls so lange rechtlich zulässig, wie es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gebe, dass die zugrundeliegenden Erkenntnisse offensichtlich überholt seien. Die Einordnung eines „C* … C* …“ als abstrakt gefährlichen Hund sei dabei nicht zu beanstanden. Auch die Staffelung und die Höhe der Hundesteuer seien nicht zu beanstanden. Dass Hunde, bei denen nachgewiesen sei, dass sie keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufwiesen, unter den erhöhten Hundesteuersatz fielen, stehe auch nicht im Widerspruch zum Lenkungsziel oder der Lenkungseignung der Kampfhundesteuer, die Haltung abstrakt gefährlicher und nicht lediglich konkret gefährlicher Hunde einzudämmen. Auch komme der festgesetzten Jahressteuer für einen Kampfhund i.H.v. 610,00 EUR weder eine erdrosselnde Wirkung zu, noch sei sie unverhältnismäßig. Soweit die Klägerin davon ausgehe, dass in der Satzung nicht eindeutig geregelt sei, welche sachlichen Gründe die Beklagte dazu bewogen hätten, gerade für den streitgegenständlichen Hund eine erhöhte Steuer anzusetzen, sei dies unerheblich, da die streitgegenständliche HStS keine Regelung enthalte, nach der bei bestimmten Rassen von Hunden die Eigenschaft als Kampfhunde nur vermutet werde, solange nicht der zuständigen Behörde für den einzelnen Hund nachgewiesen werde, dass dieser keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweise.
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3. Im Rahmen der der mündlichen Verhandlung am 3. Juli 2023 beantragte der Klägerbevollmächtigte:
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Der Bescheid der Gemeinde G… vom 8. Dezember 2021 über die Festsetzung und Erhebung der Hundesteuer in Form des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Aschaffenburg vom 2. August 2022 wird aufgehoben, soweit er Kampfhundesteuern festsetzt, welche einen Betrag von 40,00 EUR jährlich überschreiten.
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Der Beklagtenbevollmächtigte beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 3. Juli 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes Aschaffenburg vom 2. August 2022 ist im angegriffenen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Beklagte konnte die Hundesteuer für den von der Klägerin gehaltenen Hund auf 610,00 EUR jährlich festsetzen und für das Jahr 2022 erheben, wie das Landratsamt Aschaffenburg bereits im Widerspruchsbescheid vom 2. August 2022 in der Sache zutreffend ausgeführt hat, worauf im Einzelnen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Das Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren und der mündlichen Verhandlung führt zu keiner abweichenden Sichtweise.
Im Einzelnen:
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Die Klägerin ist zur Zahlung einer jährlichen Hundesteuer von 610,00 EUR verpflichtet.
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Der Hundesteuerbescheid findet seine ausreichende Rechtsgrundlage in §§ 1, 5 Abs. 1, 2 HStS.
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Nach § 1 HStS ist die Hundehaltung steuerpflichtig. Steuerschuldner ist nach § 3 Abs. 1 HStS der Hundehalter. § 5 Abs. 1 HStS legt als Steuermaßstab eine Steuer pro Hund fest, wobei der Steuersatz 40,00 EUR für jeden Hund und 610,00 EUR für jeden Kampfhund beträgt. Nach § 5 Abs. 2 HStS sind Kampfhunde Hunde, bei denen aufgrund rassespezifischer Merkmale, Zucht und Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist. Kampfhunde i.S. dieser Vorschrift sind alle in § 1 KampfhundeVO genannten Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzung untereinander oder mit anderen Hunden.
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Die in Bezug genommene KampfhundeVO enthält in ihrem § 1 Abs. 1 eine Aufzählung von Hunderassen, für welche die Eigenschaft als Kampfhunde stets vermutet wird und in ihrem § 1 Abs. 2 eine Aufzählung von Hunderassen, für welche die Eigenschaft als Kampfhund vermutet wird, solange nicht der zuständigen Behörde für die einzelnen Hunde nachgewiesen wird, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen. Unter Abs. 2 werden unter anderem C* … C* … aufgeführt.
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Gegen die Wirksamkeit der Hundesteuersatzung bestehen keine durchgreifenden Bedenken (1.). Weiterhin wurde die Satzung von der Beklagten im Einzelfall auch rechtmäßig angewandt (2.).
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1. Die Beklagte konnte die Hundesteuersatzung auf der gesetzlichen Grundlage des Art. 105 Abs. 2a GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) erlassen. Die Grenzen der hiernach zulässigen Aufwandsteuer werden durch die Hundesteuersatzung der Beklagten nicht überschritten.
22
Bei der Hundesteuer handelt es sich um eine traditionelle örtliche Aufwandsteuer, denn das Halten eines Hundes geht über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert einen – wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen – zusätzlichen Vermögensaufwand. Definitionsgemäß verfolgt die Steuer den Zweck der Einnahmenerzielung (vgl. § 3 Abs. 1 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 b KAG). Der Satzungsgeber kann daneben mit der Steuer jedoch auch Lenkungswirkungen als Haupt- oder Nebenzweck verfolgen (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2000 – 11 C 8/99 – BVerwGE 110, 265, juris Rn. 27 m.w.N.). Vorliegend verfolgt die HStS, indem sie über den Verweis in ihrem § 5 Abs. 2 auf § 1 KampfhundeVO die Haltung aller Hunde der dort aufgeführten Hunderassen mit einem erhöhten Steuersatz belegt, das zulässige lenkende Ziel, die Haltung von abstrakt als gefährlich angesehenen Hunden, aufgrund der mit ihr verbundenen Beeinträchtigungen der Allgemeinheit, einzudämmen (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2017 – 4 CS 17.1894 – juris Rn. 7; B.v. 13.12.2012 – 4 B 12.567 – juris Rn. 29). Denn § 1 KampfhundeVO enthält eine Aufzählung abstrakt gefährlicher Hunderassen (vgl. BayVerfGH, U.v. 12.10.1994 – Vf. 16-VII-92 – BayVerfGHE 47, 207).
23
Dabei musste die Beklagte auch nicht diejenigen Hunde von der höheren Besteuerung ausnehmen, für die ein Nachweis i. S. d. § 1 Abs. 2 KampfhundeVO darüber, dass sie keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen, vorgelegt wird.
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Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte dadurch, dass sie in § 5 Abs. 2 Satz 2 HStS alle Hunde der in § 1 KampfhundeVO genannten Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzung untereinander oder mit anderen Hunden als Kampfhunde i. S. d. HStS definiert, die Differenzierung des § 1 KampfhundeVO zwischen Hunden, welche stets als Kampfhunde gelten (§ 1 Abs. 1 KampfhundeVO), und solchen, deren Kampfhundeeigenschaft widerleglich vermutet wird (§ 1 Abs. 1 KampfhundeVO), nicht übernimmt, eindeutig auch Hunde, welche unter § 1 KampfhundeVO fallen und für die nachgewiesen wird, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen, als Kampfhunde definiert (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2012 – 4 B 12.567 – juris; VG Bayreuth, GB. v. 16.1.2020 – juris Rn. 22). Dem steht nicht entgegen, dass § 5 Abs. 2 Satz 1 HStS zunächst Kampfhunde abstrakt als Hunde definiert, bei denen auf Grund rassenspezifischer Merkmale, Zucht und Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist und hierdurch auf die individuelle Gefährlichkeit des konkreten Hundes unabhängig von seiner Rasse abstellt. Denn dies steht nicht im Widerspruch zur Konkretisierung der Kampfhundedefinition durch den Verweis des § 5 Abs. 2 Satz 2 HStS auf die Hunderassenlisten des § 1 KampfhundeVO und dem damit einhergehenden Abstellen auf die abstrakte Gefährlichkeit der Hunde dieser Rassen. Satz 1 hat den Zweck zusätzlich zu den Hunden der abstrakt als gefährlich geltenden Hunderassen auch Hunde anderer Züchtungen, welche nicht in der KampfhundeVO aufgeführt sind, wie z. B. ausländische Kampfhunderassen, welche ebenfalls Hunde hervorgebracht haben, die mit einem nicht zu unterschätzenden Aggressionspotential ausgestattet sind, als Kampfhunde zu definieren (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2000 – 11 C 8/99 – BVerwGE 110, 265, juris Rn. 52; VG Würzburg, U.v. 22.9.2004 – W 2 K 03.892 – juris Rn. 41 ff.). Er kommt nur zur Anwendung, wenn nicht bereits seine Konkretisierung in Satz 2 greift, da diese naturgemäß enger gefasst ist. Würde es lediglich auf die abstrakte Definition des Satz 1 ankommen, wäre die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 HStS wirkungslos und mithin überflüssig.
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Der Satzungsgeber ist bei der Definition des Steuertatbestandes und mithin vorliegend des Begriffs des Kampfhundes nicht an den Kampfhundebegriff der KampfhundeVO gebunden. Das Negativzeugnis nach § 1 Abs. 2 KampfhundeVO lässt nur die gem. Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG bestehende, sicherheitsrechtliche Erlaubnispflicht für die Haltung von Kampfhunden entfallen, bindet den kommunalen Satzungsgeber jedoch nicht an seine Definitionen. Vielmehr kann der Satzungsgeber im Rahmen seiner Satzungskompetenz aus § 13 KAG den Steuertatbestand und mithin den Begriff des Kampfhundes eigenständig definieren. Hierbei verfügt er hinsichtlich Typisierungen und Pauschalierungen über weitgehende Gestaltungsfreiheit und hat daher bei der Auswahl der als abstrakt gefährlich eingeschätzten Hunde einen beträchtlichen Einschätzungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2000 – 11 C 8.99 – juris). Er kann daher auf (dynamische) Verweisungen in andere Normen zurückgreifen und hierbei diese Verweisung einschränken. Die streitgegenständliche, dynamische Verweisung in § 5 HStS auf die KampfhundeVO, ist daher jedenfalls so lange rechtlich zulässig, wie es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, dass die zugrundeliegenden Erkenntnisse offensichtlich überholt sind (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.2005 – 10 B 34.05 – juris). Die Einordnung eines C* … C* … als abstrakt gefährlichen Hund ist dabei nicht zu beanstanden. Entgegenstehende neuere Erkenntnisse wurden von der Klägerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
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Dass Hunde, bei denen nachgewiesen ist, dass sie keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen, unter den erhöhten Hundesteuersatz fallen, steht auch nicht im Widerspruch zum Lenkungsziel oder der Lenkungseignung der Kampfhundesteuer.
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Zunächst ist das Lenkungsziel die Eindämmung der Haltung abstrakt gefährlicher und nicht lediglich konkret gefährlicher Hunde. Auch Hunderassen nach § 1 Abs. 2 KampfhundeVO sind Hunde, bei denen aufgrund ihrer Rassemerkmale von einer abstrakten Gefährlichkeit auszugehen ist. Die ordnungsrechtliche Erlaubnis zum Halten gefährlicher Hunde, welche den Nachweis der Zuverlässigkeit und Sachkunde des Halters oder einen positiven Wesenstest des Hundes voraussetzt, lässt die abstrakte Gefährlichkeit der jeweiligen Hunderasse nicht entfallen. Auch zielt der Lenkungszweck von vornherein auf einen deutlich größeren Kreis von Fällen – nämlich die potentiellen Halter solcher Hunde – als die ordnungsrechtliche Pflicht zur Eignungsprüfung und zum Wesenstest. Letztere betrifft nur die Halter, die sich ungeachtet der erhöhten Besteuerung zur Anschaffung eines nach Maßgabe der Rasseliste als gefährlich vermuteten Hundes entschlossen haben. Das Abstellen auf individuelle Auffälligkeit würde das sonst vorbeugende Element der Lenkungsabsicht verfehlen und die Steuer dann ihre Lenkungswirkung gar verlieren (vgl. BVerwG, B.v. 28. Juni 2005 – 10 B 22/05 – juris Rn. 9 f.). Die unwiderlegliche Vermutung der Gefährlichkeit ist auch in besonderer Weise dazu geeignet, das Lenkungsziel zu erreichen. Müssten in bestimmten Einzelfällen Ausnahmen von der höheren Besteuerung gewährt werden, würde dies dem steuerlichen Lenkungszweck, den Bestand an potentiell gefährlichen Hunden möglichst gering zu halten, gerade zuwiderlaufen (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2000 – 11 C 8/99 – BVerwGE 110, 265). Überdies ist die Anknüpfung an das abstrakte Gefahrenpotential sachgerecht, da aus der abstrakten Gefährlichkeit bei Hinzutreten anderer Faktoren jederzeit eine akute Gefährlichkeit erwachsen kann (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 8/13 – BVerwGE 150, 225; BayVGH, B.v. 13.12.2012 – 4 B 12.567 – juris Rn. 29; 4.2.2019 – 4 ZB 18.399 – juris Rn. 8).
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Ferner war die Beklagte auch nicht dazu verpflichtet, die Kampfhunde, welche bereits vor Einführung des erhöhten Steuersatzes auf ihrem Gebiet gehalten wurden, auszunehmen. Denn auch die erhöhte Besteuerung dieser Hunde ist dazu geeignet, die Kampfhundepopulation in der Gemeinde niedrig zu halten. Die bereits auf dem Gemeindegebiet gehaltenen Kampfhunde sind Teil der ins Auge gefassten Kampfhundepopulation. Wenn aufgrund des erhöhten Steuersatzes bisherige Halter auf die weitere Haltung der Kampfhunde verzichten, trägt dies ebenso wie der Verzicht auf die Anschaffung eines solchen Hundes zu einer niedrigen Kampfhundepopulation bei und hat somit Lenkungseignung (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.2018 – 9 BN 1/18 – juris Ls.).
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Eine Nichtigkeit der Hundesteuersatzung ist auch nicht unter dem Aspekt der erdrosselnden Wirkung erkennbar.
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Der Satzungsgeber hat auch bezüglich der Höhe des Kampfhundesteuersatzes einen relativ großen Spielraum. Dieser wird erst überschritten, wenn die Steuer „erdrosselnde Wirkung“ hat, mithin, wenn sie so ausgestaltet ist, dass sie die Erfüllung des Steuertatbestandes praktisch unmöglich macht, also im Ergebnis einem Verbot der Kampfhundehaltung gleichkäme. Denn dann würde die Aufwandsteuer unzulässigerweise nicht mehr zur Einnahmeerzielung erhoben (vgl. VG München U.v. 27.9.2012 – M 10 K 11.6018 – juris Rn. 31) und für ein sicherheitsrechtliches Verbot fehlt der Beklagten die Regelungskompetenz (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2012 – 4 B 12.567 – juris Rn. 39 m.w.N.). Hinsichtlich der Verbotswirkung ist auf den durchschnittlichen Steuerpflichtigen im Gemeindegebiet und nicht auf den individuellen Steuerpflichtigen – hier die Klägerin – abzustellen. Denn ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (BVerwG, B.v. 31.11.1990 – 8 B 72/90 – juris Rn. 2; BVerfG, B.v. 6.12.1983 – 2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325, 348). Da der Maßstab für die Bemessung der Hundesteuer als Aufwandsteuer die in der Vermögensaufwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit ist, ist zur Feststellung, ob der Steuer eine Verbotswirkung zukommt, die Höhe des Steuersatzes auch ins Verhältnis zum durchschnittlichen Haltungsaufwand für Kampfhunde zu stellen (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 8/13 – juris Rn. 29). Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird ein durchschnittlicher Steuerpflichtiger sich den besteuerten Aufwand, hier die Anschaffung bzw. Haltung eines Kampfhundes, nicht mehr leisten, wenn die Steuer außer Verhältnis zu dem Aufwand steht (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 8/13 – juris Rn. 29). Bei dem vorliegenden Steuersatz von 610,00 EUR für einen Kampfhund pro Jahr ist hiervon nicht auszugehen, da er unter dem Haltungsaufwand liegt. Der Haltungsaufwand setzt sich durch die laufenden Unterhaltskosten, wie Futter, Versicherungen, Zubehör, Tierarztkosten etc., einmalig anfallende Kosten, wie Anschaffungs- und Bestattungs- bzw. Tierkörperbeseitigungskosten sowie besondere Kosten im Zusammenhang mit der Kampfhundeeigenschaft, wie Kosten für den Wesenstest, die Gebühr für das Negativzeugnis sowie gegebenenfalls Kosten für sicherheitsrechtliche Auflagen wie Maulkorb oder Zwinger zusammen (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 8/13 – juris Rn. 30). 2006 belief sich der durchschnittliche Jahresaufwand für die Hundehaltung eines normalen Hundes auf 900,00 bis 1.000,00 EUR (vgl. Ohr/ Zeddies: Ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland 2006, https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/acc4738b75a72a7c8fc9fbd5f9a59f78.pdf/Abschlussbericht%2520freigegeben.pdf, S. 26, zuletzt aufgerufen am 10.7.2023). Es ist davon auszugehen, dass der Aufwand für Kampfhunde dies übersteigt (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 8/13 – juris Rn. 32) sowie dass er sich seit 2006 erhöht hat (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2019 – 4 ZB 18.399 – juris Rn. 9). Der Steuersatz liegt daher unverkennbar unter dem Haltungsaufwand eines Kampfhundes und steht mithin nicht außer Verhältnis zu diesem.
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Der Kampfhundesteuersatz in Höhe von 610,00 EUR ist auch nicht angesichts der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen im Gemeindegebiet unverhältnismäßig. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das durchschnittliche Einkommen im Gemeindegebiet der Beklagten auffällig niedrig ist. Nach der kommunalen Statistik für die Beklagte aus dem Jahr 2021 (https://www.statistik.bayern.de/mam/produkte/statistik_kommunal/2021/09671120.pdf, zuletzt abgerufen am 14.7.2023) betrug der Gesamtbetrag der Einkünfte je Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen der Beklagten im Jahr 2017 durchschnittlich 94.559 EUR. Eine besonders schlechte wirtschaftliche Situation lässt sich diesen Zahlen nicht entnehmen. Einem Steuersatz von 610,00 EUR kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt keine Verbotswirkung zu.
32
Auch aus der Relation des Kampfhundesteuersatzes zum Steuersatz für die anderen Hunde (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.144 – juris; VG Bayreuth, G. v. 16.1.2020 – juris Rn. 22) ergibt sich keine Unverhältnismäßigkeit der Kampfhundesteuer. Vorliegend beträgt die Höhe der Steuer für einen Kampfhund das 15,25-fache der Steuer für einen anderen Hund und bewegt sich im Rahmen dessen, was bisher in der Rechtsprechung als zulässig erachtet wurde (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2019 – 4 ZB 18.399 – juris Rn. 9; B.v. 13.12.2012 – 4 B 12.567 – juris Rn. 27 ff.; VG Bayreuth G.v. 16.1.2020 – B 4 K 18.1164 – juris Rn. 23; OVG RhPf U.v. 17.1.2017 – 6 A 10616/16 – juris Rn. 33 f.) Angesichts des Lenkungszweckes, die Population von Kampfhunden niedrig zu halten, ist dies auch im vorliegenden Fall angemessen.
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Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Steuersatz durch seine Höhe dazu geeignet ist, jemanden von der Haltung eines Kampfhundes abzuhalten. Dies führt gerade zur Erfüllung des verfolgten Lenkungszwecks. Demjenigen, der trotzdem einen solchen Hund halten möchte, wird dies wie erläutert nicht wegen der zusätzlichen steuerlichen Belastung unmöglich gemacht.
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Ferner kommt der Einführung der höheren Besteuerung auch für bereits gehaltene Kampfhunde keine unzulässige Rückwirkung zu (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2000 – 11 C 8/99 – BVerwGE 110, 265). Zunächst liegt schon keine echte Rückwirkung vor, da diese eine Rückwirkung von Rechtsfolgen für bereits abgeschlossene Tatbestände voraussetzt. Vorliegend liegt jedoch kein abgewickelter, der Vergangenheit angehörender Tatbestand vor, in den nachträglich ändernd eingegriffen wird. Die Anschaffung eines Hundes ist typischerweise eine auf Dauer angelegte Entscheidung des Hundehalters, weshalb bei der Hundehaltung ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt, der sich nicht in nach Steuerjahren gegliederte Abschnitte zerlegen lässt. Bei der Besteuerung handelt sich daher um eine unechte Rückwirkung. Diese ist grundsätzlich zulässig, sofern nicht überwiegende Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Einzelfall ihre Unzulässigkeit ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2000 -11 C 8/99 – BVerwGE 110, 265-277, 270). Das Vertrauen der Kampfhundehalter, für bereits gehaltene Hunde werde die Steuer nicht erhöht, wird rechtlich nicht geschützt. Die Erwartung, der bisherige steuerliche Zustand werde jedenfalls im Großen und Ganzen unverändert bleiben, reicht für einen Vertrauenstatbestand nicht aus. Der Gesetzgeber hat einen weitgehenden Gestaltungsspielraum, bestehende Gesetze zu ändern und neue Pflichten zu begründen. Dementsprechend darf der Bürger nur bei besonderen Vertrauenstatbeständen erwarten, dass die Gesetzeslage unverändert bestehen bleibt. Dies gilt auch für die Schaffung einer zusätzlichen (kommunalen) Steuer und die Änderung eines (kommunalen) Steuertarifs (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2000 -11 C 8/99 – BVerwGE 110, 265, 270). Ein solcher besonderer Vertrauenstatbestand ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich.
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2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Bescheid auch materiell rechtmäßig, da der Wesenstest nicht dazu führt, dass für ihren C* … C* … nur noch die Hundesteuer für Nichtkampfhunde erhoben werden kann. Nach §§ 1, 5 HStS unterliegt das Halten eines über vier Monate alten Kampfhundes im Gemeindegebiet einer gemeindlichen Jahresaufwandsteuer in Höhe von 610,00 EUR. Gem. § 3 Abs. 1 HStS ist der Halter des Hundes Steuerschuldner. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 HStS sind alle in § 1 KampfhundeVO aufgeführten Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden unwiderleglich Kampfhunde i. S. d. HStS. Da C* … C* … § 1 Abs. 2 KampfhundeVO unterfallen, ist der Hund der Klägerin ein Kampfhund im Sinne der HStS. Die Klägerin hält den 2017 geworfenen und damit über vier Monate alten Hund auch auf dem Gebiet der Gemeinde.
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Damit konnte die Beklagte den erhöhten Kampfhundesteuersteuersatz trotz Negativattests festsetzen und für 2022 erheben.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.