Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 06.06.2023 – W 1 K 22.50348
Titel:

Unzulässiger Asylantrag wegen Verlängerung der Überstellungsfrist bei Flüchtigsein

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 34a
AufenthG § 11
Dublin-III-VO Art. 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 29 Abs. 2 S. 2
Leitsatz:
Ein Asylantragsteller ist flüchtig iSd Art. 29 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 Dublin-III-VO, wenn ihm der festgesetzte Überstellungstermin nach Österreich gegen Empfangsbestätigung konkret mitgeteilt und er darauf hingewiesen wurde, dass er sich aus diesem Grunde an dem genannten Tag in einem bestimmten 1,5 stündigen Zeitraum am frühen Morgen in dem ihm zugewiesenen Zimmer aufhalten muss, er gleichwohl entgegen dieser Aufforderung während des bekanntgegebenen Zeitraums die ihm zugewiesene Unterkunft verlassen hat, ohne die zuständigen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dublin-Verfahren, Österreich, rechtmäßig verlängerte Überstellungsfrist wegen Flüchtigsein, Abwesenheit bei einer konkret angekündigten Überstellung, alleinstehender Mann, nicht vulnerabel, keine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh aufgrund der Verhältnisse in Österreich, kein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen, hier: Hepatitis B und psychische Erkrankung, Asyl, Dublin, Überstellungsfrist, Flüchtigsein, Hepatitis B
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19553

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

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1. Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am … … 1995 geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volks- und islamisch-sunnitischer Glaubenszugehörigkeit. Er hat Afghanistan am 10. August 2021 verlassen, ist zunächst durch Pakistan, Iran und die Türkei, sodann durch verschiedene Länder Europas, u.a. Österreich, gereist, und schließlich am 21. Juni 2022 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Dort hat er ein Asylgesuch geäußert, das dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) am 22. Juni 2022 schriftlich zur Kenntnis erlangt ist. Am 24. August 2022 stellte der Kläger einen förmlichen Asylantrag.
2
Anhand eines Eurodac-Treffers der Kategorie 1 vom 22. Juni 2022 wurde festgestellt, dass der Kläger bereits am 9. Juni 2022 in Österreich einen Asylantrag gestellt und seine Fingerabdrücke abgegeben hatte. Am 16. August 2022 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 – Dublin III-Verordnung – an Österreich. Die österreichischen Behörden lehnten mit Schreiben vom 18. August 2022 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags mit Verweis auf Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO ab. Aufgrund eines vom Bundesamt am 1. September 2022 an Österreich gerichteten Remonstrationsschreibens erklärten sich die österreichischen Behörden am 2. September 2022 für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO zuständig.
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Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt bestätigte der Kläger die bereits aktenkundigen Angaben zu seinem Reiseweg und der Abgabe von Fingerabdrücken in Österreich und gab darüber hinaus an, dass er in Österreich in einer Unterkunft gewesen sei und dort vom österreichischen Staat etwas zu essen und zu trinken bekommen habe. Einen Antrag auf internationalen Schutz habe er nicht gestellt. Er habe in Deutschland einen Cousin, mit dem er seit Kindertagen befreundet sei. In Österreich habe er niemanden. Er wolle in Deutschland bleiben. Er leide an Hepatitis B und sei deswegen in W… in ärztlicher Behandlung. Er nehme keine Medikamente ein.
4
Der Kläger legte zudem eine Erklärung über das Vorliegen einer Hepatitis B-Infektion, ausgestellt am 8. Juli 2022 vom Gesundheitsamt im Landratsamt S… vor, auf die Bezug genommen wird.
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Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19. September 2022 wurde der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Die Abschiebung nach Österreich wurde angeordnet (Ziffer 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen, § 77 Abs. 3 AsylG.
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2. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 27. September 2022 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht W… erhoben und geltend gemacht, dass bei ihm eine Hepatitis B-Erkrankung festgestellt worden sei. Medizinische Unterlagen und eine ausführliche Begründung reiche er nach. Zudem sei er psychisch erkrankt.
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Der Kläger hat daher zuletzt beantragt,
Der Bescheid des Bundesamtes vom 19. September 2022 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet ein Asylverfahren nach nationalem Recht durchzuführen.
Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
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Eine Vertreterin der Beklagten hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezog sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
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3. Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2023 teilte das Bundesamt dem Gericht mit, dass die für den 2. Februar 2023 vorgesehene Rücküberstellung des Klägers nach Österreich gescheitert sei, da dieser in seiner Unterkunft zu dem ihm angekündigten Termin nicht angetroffen wurde. Der Kläger sei daher flüchtig i.S.v. 29 Abs. 2 Dublin III-VO, die Überstellungsfrist ende nunmehr mit Ablauf des 2. März 2024.
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4. Durch Beschluss des Gerichts vom 24. März 2023 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, § 76 Abs. 1 AsylG.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie die dem Gericht vorliegende Akte des Bundesamtes und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Einzelrichterin kann trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten rechtzeitig und ordnungsgemäß und unter Hinweis auf die Folge ihres Ausbleibens geladen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Denn der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 19. September 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat daher keinen Anspruch auf Durchführung eines nationalen Asylverfahrens. Er hat ebenfalls keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Österreich (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Das Gericht verweist zunächst auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides vom 19. September 2022 und macht sich diese vollumfänglich zu eigen, § 77 Abs. 3 AsylG. Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:
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1. Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides ist rechtmäßig. Die Beklagte hat insoweit zu Recht entschieden, dass der Asylantrag unzulässig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-Verordnung sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
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So liegt der Fall hier. Denn nach den nicht zu bezweifelnden Erkenntnissen aus der Eurodac-Datenbank hat der Kläger am 9. Juni 2022 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Dass der Kläger die aus dem Eurodac-System ersichtliche Asylantragstellung gegenüber dem Bundesamt pauschal bestritten hat, ist nach Überzeugung der erkennenden Einzelrichterin asyltaktisch bedingt, um die gewünschte Durchführung seines Asylverfahrens in Deutschland zu erreichen, zumal der Kläger seinen Aufenthalt in Österreich sowie die dortige Abgabe von Fingerabdrücken ausdrücklich gegenüber dem Bundesamt bestätigt hat.
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Das Wiederaufnahmeverfahren ist vom Bundesamt mit Schreiben vom 16. August 2022 auch rechtzeitig, d.h. innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung vom 22. Juni 2022 (Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO) eingeleitet worden. Zwar lehnten die österreichischen Behörden mit Schreiben vom 18. August 2022 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers zunächst ab. Nachdem die österreichischen Behörden mit Schreiben vom 2. September 2022 jedoch – fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Antwortfrist (Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Dublin-Durchführungsverordnung 1560/2003 – Dublin-DVO) – die vom Bundesamt mit Schreiben vom 1. September 2022 innerhalb von drei Wochen, mithin ebenfalls fristgemäß eingeleitete Remonstration (Art. 5 Abs. 2 Satz 1, 2 Dublin-DVO) positiv beantwortet hatten, ging die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers schließlich auf Österreich nach Maßgabe des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO über.
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Über Vorstehendes hinaus hat Deutschland als Zweitantragsstaat im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens – wie vorliegend – die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens nicht weiter zu prüfen, denn es ist der Erstantragsstaat, hier Österreich, der das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren durchzuführen und im Falle einer Weiterwanderung nach der Rückführung des Betroffenen fortsetzen muss, außer er hatte das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren bereits beendet und sich für zuständig erklärt. Denn einer erneuten Prüfung der Zuständigkeitsfrage im Zweitantragsstaat steht der „effet utile“ des Dublin-Systems entgegen (vgl. EUGH, U.v. 02.04.2019, Rs C-582/17 – H und R; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 29 AsylG Rn. 28).
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Eine vorrangige Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus Art. 9-11 Dublin III-Verordnung, da der vom Kläger im Rahmen seiner Befragung beim Bundesamt genannte Cousin – ungeachtet seines Aufenthaltsstatus im Einzelnen – kein Familienangehöriger im Sinne von Art. 2g) Dublin III-Verordnung darstellt. Auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 16 Dublin III-Verordnung ist vorliegend nichts erkennbar.
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Ebenso wenig ergibt sich schließlich eine Zuständigkeit der Beklagten aus Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-Verordnung, da die dort geregelte 6-monatige Überstellungsfrist nach Österreich (Fristablauf – zunächst – mit Ablauf des 02.03.2023) gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung vom Bundesamt rechtskonform auf 18 Monate verlängert wurde, da der Kläger zum Zeitpunkt der ihm angekündigten Überstellung nach Österreich flüchtig war. Dies ergibt sich aus nachfolgenden Erwägungen:
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Dem Kläger wurde vorliegend mit Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 20. Januar 2023 mitgeteilt, dass er am 2. Februar 2023 nach Österreich überstellt werden solle. Er solle sich an diesem Tag ab 6:00 Uhr bis 7:30 Uhr zur Abholung durch die Polizei in seinem Zimmer in der ihm zugewiesenen Unterkunft mit seinem Gepäck zur Abholung bereithalten. Dieses Schriftstück wurde dem Kläger am 24. Januar 2023 gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt. Zwar verweigerte der Kläger die Unterschrift, ausweislich der nicht anzuzweifelnden Stellungnahme des Landratsamts A… vom 24. Januar 2023 wurde das oben genannte Schreiben aber an den Kläger persönlich ausgehändigt und auch dessen Inhalt erklärt. Gleichwohl wurde der Kläger zu dem ihm mitgeteilten Termin durch die Polizei nicht angetroffen, sodass die geplante Abschiebung gemäß E-Mail der Regierung von Unterfranken vom 2. Februar 2023 nicht durchgeführt werden konnte. Das Bundesamt hat den österreichischen Behörden daraufhin mit Schreiben vom gleichen Tage mitgeteilt, dass der Kläger flüchtig ist und infolgedessen nunmehr die 18-monatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung mit einem Fristende am 2. März 2024 gilt. Bei der geschilderten Sachlage ist die Beklagte in rechtmäßiger Weise davon ausgegangen, dass der Kläger flüchtig ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Kläger flüchtig i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-Verordnung, wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln. Damit setzt der Begriff „flüchtig“ objektiv voraus, dass sich der Kläger den zuständigen nationalen Behörden entzieht und die Überstellung hierdurch tatsächlich (zumindest zeitweise) unmöglich macht; das Verhalten des Klägers muss kausal dafür sein, dass er nicht an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden kann. Subjektiv ist erforderlich, dass sich der Kläger gezielt und bewusst den nationalen Behörden entzieht und seine Überstellung vereiteln will. Ein Flüchtigsein kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Kläger die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten, den Beweis für die innere Tatsache der Entziehungsabsicht zu führen und um das effektive Funktionieren des Dublin-Systems zu gewährleisten, darf aus dem Umstand des Verlassens der zugewiesenen Wohnung, ohne die Behörden über die Abwesenheit zu informieren, zugleich auf die Absicht geschlossen werden, sich der Überstellung zu entziehen, sofern der Betroffene ordnungsgemäß über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde (vgl. EuGH, U.v. 19.03.2019 – C-163/17, Jawo).
23
So liegt der Fall hier. Dem Kläger wurde vorliegend der festgesetzte Überstellungstermin nach Österreich gegen Empfangsbestätigung konkret mitgeteilt. Er wurde in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass er sich aus diesem Grunde an dem genannten Tag in einem bestimmten 1,5 stündigen Zeitraum am frühen Morgen in dem ihm zugewiesenen Zimmer aufhalten muss. Der Kläger hat gleichwohl entgegen dieser Aufforderung während des bekanntgegebenen Zeitraums die ihm zugewiesene Unterkunft verlassen, ohne die zuständigen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren, wobei sich eine Unterrichtung über die Pflicht zur Information der Behörden bei Abwesenheit bei einem angekündigten Überstellungstermin hinlänglich aus der Natur der Sache des Ankündigungsschreibens selbst ergibt. Der Kläger hat hier – anders als im Falle eines Verstoßes gegen eine sog. Selbstgestellungsaufforderung – nicht nur gegen eine Mitwirkungspflicht verstoßen, was allein nicht zur Annahme eines Flüchtigseins i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung ausreicht (vgl. BVerwG, U.v. 17.08.2021 – 1 C 26/20 – juris). Denn vorliegend war – anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall – der Aufenthalt des Klägers den die Abschiebung durchführenden Behörden gerade nicht bekannt, zumal er sich eben nicht in dem ihm zugewiesenen Zimmer aufgehalten hat, die Vollzugsbehörde hatte bereits explizit Vorsorge für eine begleitete Überstellung getroffen und es war ihr aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Klägers nicht möglich, eine Überstellung unter Anwendung unmittelbaren Zwangs jederzeit durchzuführen. Bei der Aufforderung, sich in einem vorher definierten zumutbaren Zeitraum in der zugewiesenen Unterkunft zur Abholung bereitzuhalten, handelt es sich zudem gerade nicht um eine Pflicht zur Selbstgestellung. Vielmehr wird hierdurch die im Dublinwie im Asylverfahren bestehende Residenzpflicht in zumutbarer Weise räumlich und zeitlich zur Durchführung der Überstellung konkretisiert (so auch: VG Würzburg, U.v. 12.10.2022 – W 1 K 22.50269; U.v. 29.06.2022 – W 1 K 22.50139; B.v. 14.12.2020 – W 9 E 20.50314). Damit hat sich der Kläger objektiv den für die Abschiebung zuständigen nationalen Behörden entzogen und die Überstellung hierdurch tatsächlich (zumindest zeitweise) unmöglich gemacht. Dass sich der Kläger überdies gezielt und bewusst den nationalen Behörden entzogen hat, hat er auch selbst eingeräumt. So hat er auf entsprechende Nachfrage der Einzelrichterin in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich erklärt, er habe nicht nach Österreich überstellt werden wollen. Er habe sich versteckt. Unter Berücksichtigung dieser eindeutigen Aussage des Klägers vermag daran vorliegend auch nicht der Umstand etwas zu ändern, dass die Einsatzkräfte laut Aktenvermerk der Polizeiinspektion A… vom 2. Februar 2023 das Objekt bereits um 4:00 Uhr, mithin zwei Stunden vor dem dem Kläger benannten Zeitfenster betreten haben. Denn vorliegend hat sich der Kläger gerade in Kenntnis einer konkret und unmittelbar bevorstehenden Überstellung nicht in der ihm zugewiesenen Wohnung aufgehalten und ist damit nach voller Überzeugung der Einzelrichterin gezielt abgetaucht und – nachdem die Polizei unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen musste spätestens am 13. Februar 2023 (vgl. E-Mail des Klägers vom 13. Februar 2023) – wiederaufgetaucht. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger, der sich nach der in der Gerichtsakte befindlichen Aussage des Mitbewohners abends noch zum Schlafen gelegt hat, zwar um 4:00 Uhr unterwegs gewesen war, sich aber ab 6:00 Uhr (wieder) in der ihm zugewiesenen Unterkunft zur Abholung durch die Polizei bereitgehalten hätte, um eine Rückführung zu ermöglichen, sind vor dem Hintergrund der klägerischen Einlassung, er habe sich versteckt, da er nicht nach Österreich zurückkehren wolle, sind nach Auffassung der Einzelrichterin nicht erkennbar.
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Nach alledem wurde die Überstellungsfrist rechtmäßig auf den 2. März 2024 verlängert, sodass diese im entscheidungserheblichen Zeitpunkt, § 77 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. AsylG, noch nicht abgelaufen ist.
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Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrages des Klägers zuständig. Denn es sind keine hinreichenden Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Rn. 106) bzw. dem übereinstimmenden Art. 3 EMRK (vgl. NdsOVG, U.v. 09.04.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 26) bei einer Rückkehr des Klägers nach Österreich aufgrund systemischer Mängel im Asylverfahren oder in den dortigen Aufnahmebedingungen feststellbar. Bei der Prüfung, ob ein Mitgliedsstaat hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzsuchenden gegen Art. 3 EMRK bzw. gegen Art. 4 GRC verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (NdsOVG, U.v. 09.04.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Denn nach dem Konzept, welches Art. 16a Abs. 2 GG und §§ 26a, 29 Abs. 1, 34a AsylG zu Grunde liegt, ist davon auszugehen, dass unter anderem in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist und daher dort einem Schutzsuchenden keine politische Verfolgung droht sowie keine für Schutzsuchende unzumutbare Bedingungen herrschen („Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“, vgl. auch EuGH, U.v. 19.03.2019 – C-173/17 – juris Rn. 82, und U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, NVwZ 2012, 417; BVerwG, U.v. 09.01.2019 – 1 C 36.18 – juris Rn. 19; NdsOVG, U.v. 09.04.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (ABl. 2013, L 180/96), die Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU (ABl. 2011, L 337/9) oder die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU (ABl. 2013, L 180/60) genügen, um die Überstellung eines Schutzsuchenden an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (BVerwG, B.v. 06.06.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 5; NdsOVG, U.v. 09.04.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Kann einem Mitgliedstaat hingegen nicht unbekannt sein, dass die systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende in dem zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass ein Kläger tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden, hat eine Überstellung zu unterbleiben (vgl. EuGH, U.v. 19.03.2019 – C-163/17 – juris Rn. 85; vgl. auch BVerwG, B.v. 06.06.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 5; NdsOVG, U.v. 09.04.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Systemische Schwachstellen erreichen allerdings erst dann die besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, U.v. 19.03.2019 – C-163/17 – juris Rn. 92). Das Gericht muss auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte (in einem Klageverfahren) feststellen, dass dieses Risiko für diese Kläger gegeben ist, weil sie sich im Fall der Überstellung unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befänden (EuGH, U.v. 19.03.2019 – C-163/17 – juris Rn. 98). Der Nachweis obliegt den Schutzsuchenden (vgl. EuGH, U.v. 19.03.2019 – C 163/17 – juris Rn. 95).
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Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im österreichischen Asylsystem (vgl. hierzu etwa VG München, B.v. 25.05.2023 – M 19 S 23.50285 – juris, VG München, B.v. 23.08.2022 – M 5 S 22.50459 – juris; VG Augsburg, U.v. 21.06.2022 – Au 6 K 22.50123 – juris, VG Chemnitz, B.v. 30.12.2021 – 6 L 496/21.A – juris; VG Aachen, B.v. 24.09.2018 – 6 L 1643/18.A – juris; VG Greifswald, B.v. 09.11.2017 – 4 B 2196/17 As HGW – juris; VG München, U.v. 15.03.2017 – M 9 K 17.50031 – juris; US Department of State, Austria 2022 Human Rights Report, 20.03.2023; Aida, Country Report Austria, 2021 Update, 22.04.2022).
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Der Kläger selbst, der sich nach eigenen Angaben nur fünf Tage in Österreich aufgehalten hat, hat solche Mängel auch nicht substantiiert dargetan. Vielmehr hat er im Wesentlichen pauschal behauptet, in Österreich unmenschlich behandelt worden zu sein und keine adäquate medizinische Versorgung erhalten zu haben, was in Anbetracht der vorgenannten aktuellen Erkenntnismittellage und des Fehlens jeglicher konkreter sowie substantiierter Angaben diesbezüglich bereits nicht glaubhaft ist. Jedenfalls genügt das diesbezügliche Vorbringen des Klägers auch bei Wahrunterstellung nicht, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh im vorgenannten Sinne zu begründen. Es handelt sich nach dem Dafürhalten der erkennenden Einzelrichterin vielmehr um asyltaktischen Vortrag, um nicht nach Österreich zurückkehren zu müssen, zumal der Kläger bereits im Rahmen der Anhörung gegenüber dem ausdrücklich erklärt hat, dass er in Österreich niemanden kenne, hingegen in Deutschland sein Cousin lebe und er in Deutschland bleiben wolle.
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Soweit der Kläger daneben angibt, er habe sich in Österreich zwangsweise erkennungsdienstlichen Maßnahmen unterziehen müssen, indem er – allerdings ohne Anwendung körperlicher Gewalt durch die österreichischen Behörden – Fingerabdrücke abgeben musste, vermag dieser Vortrag ebenfalls keine systemischen Mängel im österreichischen Asylsystem zu begründen. Vielmehr besteht gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) 603/2013 (Eurodac-Verordnung; ABl. 2013, L 180/1) eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Personen ab 14 Jahren, die internationalen Schutz beantragen, umgehend die Fingerabdrücke abzunehmen. Für den Kläger handelt es sich bei der Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen um eine zumutbare und zur Behandlung seines Asylantrags erforderliche Mitwirkungspflicht. Wenn sich ein Ausländer der Abnahme von Fingerabdrücken im Rahmen seiner Registrierung widersetzt, kann zudem auch die Anwendung angemessener Zwangsmaßnahmen geboten sein. Dass die österreichischen Behörden dabei über das zumutbare Maß hinausgegangen seien oder dass die Asylantragstellung in Österreich auf rechtserheblichen Willensmängeln beruhen würde, hat der Kläger, auch in der mündlichen Verhandlung, nicht substantiiert und glaubhaft geltend gemacht.
29
Sofern der Kläger mit Schriftsatz vom 6. April 2023 sowie in der mündlichen Verhandlung außerdem vorträgt, dass er Afghanistan verlassen habe, da er von einer anderen Familie wegen einer Grundstücksangelegenheit massiv bedroht worden sei und mittlerweile zwei Brüder dieser Familie in Österreich lebten und der Kläger befürchte, dass diese ihm Gewalt antun würden, so ist dieser Vortrag für die erkennende Einzelrichterin bereits nicht glaubhaft. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 15. September 2022 führte der Kläger in erster Linie aus, dass er niemanden in Österreich habe, in Deutschland aber sein Cousin lebe, mit dem er seit Kindertagen befreundet sei. Eine von zwei mit ihm verfeindeten Bekannten ausgehende persönliche Bedrohung wurde hingegen in keiner Weise angedeutet. Diese kam erstmals in dem an das Gericht gerichtete Schreiben vom 6. April 2023 zur Sprache. In der Gesamtschau ist daher von der Unglaubhaftigkeit des Vortrags und einer asyltaktisch motivierten Steigerung des bisherigen Vorbringens auszugehen.
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Im Ergebnis kommt es jedoch auf die Glaubhaftigkeit des klägerseitigen Vortrags nicht an. Denn auch bei Wahrunterstellung ergibt sich hieraus nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung. Anhaltspunkte, dass die beiden Bekannten des Klägers in der Lage wären, den Kläger in Österreich ausfindig zu machen, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht plausibel und zur Überzeugung der erkennenden Einzelrichterin vorgetragen. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die beiden besagten Bekannten des Klägers von dessen Rückkehr nach Österreich Kenntnis erlangen sollten, wenn dieser sie nicht davon in Kenntnis setzt. Sofern der Kläger befürchtet, von den beiden Bekannten über die social media-Plattform „facebook“ ausfindig gemacht zu werden, so ließe sich dies bereits dadurch vermeiden, dass der aktuelle Aufenthaltsort dort nicht öffentlich gemacht wird. Weiterhin handelt es sich bei den geschilderten (angeblichen) Bedrohungen um kriminelles Unrecht, dass dem Kläger theoretisch in jedem Mitgliedsstaat widerfahren kann – so wäre auch eine Weiterreise der beiden Bekannten nach Deutschland denkbar – und bezüglich dessen er sich auf den Schutz durch die nationalen Sicherheitsbehörden verweisen lassen muss. Dabei ist grundsätzlich auch von der Schutzbereitschaft und -fähigkeit der österreichischen Behörden auszugehen.
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Der Kläger hat im Übrigen nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Dublin-Regelungen kein Wahlrecht, sich den Mitgliedsstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft oder nach Ablehnung eines Asylantrags in einem Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat weiterzureisen, um eine weitere Prüfung seines Asylantrags mit einem für ihn günstigen Ergebnis zu erreichen. Relevant sind allein die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates nach der Dublin III-Verordnung (ebenso VG Aachen, B.v. 28.01.2019 – 6 L 1826/18.A – juris).
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Auch die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden, insbesondere seine Hepatitis B-Infektion sowie die geltend gemachten psychischen Beschwerden, sind in Österreich behandelbar; Asylbewerber haben dort – entgegen des oberflächlichen und nicht glaubhaften Vorbringens des Klägers – ausweislich der aktuellen Erkenntnismittellage auch Zugang zu einer erforderlichen ärztlichen Versorgung, vgl. unter 2.b).
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Des Weiteren fehlt es – unter Berücksichtigung des weiten Ermessens der Beklagten, ohne dass hier eine Ermessensreduzierung auf Null ersichtlich wäre – auch an sonstigen außergewöhnlichen Umständen, welche ausnahmsweise eine Pflicht der Beklagte zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung begründen könnten.
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2. Die Feststellung der Beklagten, dass im Falle des Klägers keine zielstaats-bezogenen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Österreich bestehen, ist zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) ebenfalls nicht zu beanstanden.
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a) Insbesondere hat der Kläger individuell nichts vorgetragen, was das Bestehen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Österreich nahelegen könnte. Auch insoweit nimmt das Gericht auf die Ausführungen in der Begründung des Bescheids Bezug (§ 77 Abs. 3 AsylG) und macht sich diese zu Eigen. Ebenso wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 1. vollumfänglich verwiesen.
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b) Schließlich liegt auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur dann vor, wenn der Kläger unter einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Die Erkrankung muss nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG durch Vorlage einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung glaubhaft gemacht werden.
38
Zu seiner Gesundheit hat der Kläger im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ausgeführt, dass er mit Hepatitis B infiziert und psychisch erkrankt sei. Medikamente nehme er aktuell keine. Nähere Angaben zu konkreten Beschwerden und gegenwärtigen Symptomen machte der Kläger nicht. Ausweislich der Klageschrift hat der Kläger wegen seiner Hepatitis B-Infektion einen Termin in der Tropenklinik in Würzburg gehabt, den er aber wegen eines Termins beim Bundesamt nicht habe wahrnehmen können. Er warte auf einen neuen Termin. Weiterhin sei er psychisch krank. Auch diesbezüglich warte er noch auf Termine. Unterlagen werde er nachreichen. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 16. Februar 2023 eine Erklärung über das Vorliegen einer Hepatitis B-Infektion, ausgestellt am 8. Juli 2022 vom Gesundheitsamt im Landratsamt S… vorgelegt, wonach bei dem Kläger eine Hepatitis B-Infektion festgestellt worden ist. Dieser Befund wurde noch einmal bestätigt durch das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben des Landratsamts A… vom 5. April 2023. Darüber hinaus legte der Kläger keine medizinischen Unterlagen oder ärztlichen Atteste vor.
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Dies zugrunde gelegt ist nicht erkennbar, dass der Kläger an einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die sich durch seine Abschiebung nach Österreich wesentlich verschlechtern würde. Ein dem entgegenstehendes ärztliches Attest hat der Kläger – trotz Ankündigung – auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt, weshalb nach § 60a Abs. 2c) Satz 1 AufenthG vermutet wird, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen.
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Überdies sind die vorgenannten gesundheitlichen Beschwerden angesichts des hohen Niveaus des österreichischen Gesundheitssystems ohne weiteres auch dort behandelbar. Nach der überzeugenden Erkenntnismittellage haben Asylbewerber in Österreich erforderlichenfalls auch tatsächlichen Zugang zu medizinischer Versorgung. Im laufenden Asylverfahren erhalten Asylbewerber eine Grundversorgung, die auch eine Krankenversicherung beinhaltet. Behandlungen, die nicht von den Leistungen der Krankenversicherung umfasst sind, können auf Antrag vom Staat übernommen werden. Auch wenn ein Asylbewerber nach negativem Abschluss des Asylverfahrens keinen Anspruch auf Grundversorgung mehr hat, ist eine entsprechende Notversorgung sichergestellt (Aida, Country Report: Austria, 2021 Update, 22.04.2022, S. 124 ff.; VG Magdeburg, G.v. 10.04.2017 – 9 A 24/17 – juris Rn. 25).
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3. Auch die in Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides verfügte Abschiebungsanordnung nach Österreich ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt dann, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesem Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist vorliegend entsprechend obiger Ausführungen unter 1. bezüglich Österreich der Fall.
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Weiterhin ist kein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis vorgetragen oder ersichtlich, welches im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ebenfalls zum Prüfungsumfang des Bundesamts und demzufolge auch des Verwaltungsgerichts gehört (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris m.w.N.). Insbesondere ist eine gesundheitlich bedingte Reiseunfähigkeit des Klägers weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar.
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Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung ergibt sich – mit Blick auf den vom Kläger genannten Cousin – auch nicht aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK. Wie gewichtig der aus Art. 6 GG folgende Schutz der Familie jeweils ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere vom Alter der Kinder, von der Intensität der familiären Beziehungen oder auch der Betreuungsbedürftigkeit einzelner Familienmitglieder (vgl. OVG RhPf, B.v. 24.08.2021 – 7 B 10843/21 – juris). Die Eröffnung des Schutzbereichs des Familienlebens nach Art. 8 EMRK setzt ein wirklich geführtes Familienleben mit anderen Familienmitgliedern voraus, die sich in dem Staat rechtmäßig aufhalten. Der Schutz ist in der Regel auf einen Kernbereich der Familie beschränkt. Beziehungen zwischen Erwachsenen genießen nicht ohne weiteres den Schutz von Art. 8 EMRK, wenn keine zusätzlichen Elemente einer Abhängigkeit bestehen, die über die übliche gefühlsmäßige Bindung hinausgehen (vgl. Meyer-Ladewig/Nettesheim in HK-EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 8 Rn. 56-61, 76-88; Hofmann in BeckOK Ausländerrecht, Art. 8 EMRK, 37. Edition, Stand: 01.07.2022, Rn. 16-19.3).
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Gemessen daran stehen Art. 6 GG, Art. 8 EMRK einer Überstellung nach Österreich hier nicht entgegen, da es sich bei dem Kläger und seinem Cousin zum einen um erwachsene Personen handelt und zum anderen ein Angewiesensein auf gegenseitige Unterstützung nicht substantiiert nachgewiesen wurde.
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4. Auch das in Ziffer 4 getroffene Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist rechtmäßig. Das Verbot ist nach dem Gesetzeswortlaut zwingend anzuordnen. Die Festsetzung der Frist erfolgt nach § 11 Abs. 3 AufenthG im Ermessenswege. Die Beklagte hat ihr Ermessen vorliegend auch ausgeübt. Dass die festgesetzte Frist von 12 Monaten ab dem Tag der Abschiebung vorliegend ermessensfehlerhaft wäre, ist nicht erkennbar, zumal der Kläger bei seiner Befragung beim Bundesamt keine durchgreifenden schutzwürdigen Belange geltend gemacht hat und solche auch darüber hinaus nicht erkennbar sind. Der Kläger hat zwar angegeben, dass sich sein Cousin in Deutschland aufhalte. Dieser gehört jedoch ersichtlich weder zu seinen Familienangehörigen im Sinne von Art. 2g) Dublin III-Verordnung noch ist zwischen dem volljährigen Kläger und seinem Cousin eine Beistands- oder Verantwortungsgemeinschaft substantiiert vorgetragen oder ersichtlich. Rechtsfehler sind vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.
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5. Schließlich ist auch der gestellte Hilfsantrag auf die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1
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AufenthG unbegründet. Insoweit wird vollumfänglich auf die obigen Ausführungen unter 1. und 2. verwiesen.
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6. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b Abs. 1 AsylG.