Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 03.03.2023 – 16 U 174/20
Titel:

Kein Schadensersatzanspruch in Dieselfall wegen Verstoßes gegen EG-Typengenehmigungsrecht

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2
Typgenehmigungsverfahrens-RL Art. 18 Abs. 1, Art. 26
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2
Leitsatz:
Selbst wenn den Bestimmungen des EG-Typgenehmigungsrechts (auch) eine gewisse drittschützende Wirkung (zugunsten der Fahrzeugerwerber) innewohnen sollte, fehlt es an einer tragfähigen Argumentation in die Richtung, dass ihnen – weitergehend – ein umfassender Schutzgesetzcharakter nach inländischem Recht positiv zugeschrieben werden müsste. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schutzgesetz, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Typgenehmigung, Fahrzeugemissionen, Schutzzweck
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 05.12.2019 – 10 O 7843/18
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19532

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.12.2019, Aktenzeichen 10 O 7843/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Regensburg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.12.2019 sowie den vom Senat erteilten Hinweis vom 26.01.2023 Bezug genommen.
2
Die Klagepartei beantragt in der Berufungsinstanz zuletzt.
3
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
4
Der Senat hat am 26.01.2023 einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilt. Beide Parteien haben mit Schriftsätzen vom 27.02.2023 Stellung genommen.
II.
5
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.12.2019, Aktenzeichen 10 O 7843/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
6
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
7
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
8
Die Gegenerklärung erschöpft sich weitgehend in Darstellungen und Überlegungen, die von der Klagepartei im Verfahren bereits vorgetragen wurden und die der Senat geprüft und behandelt hat. Der Senat nimmt zur Kenntnis, dass die Klagepartei den Ausführungen des Senats ihre eigenen – abweichenden – Schlussfolgerungen und Bewertungen entgegensetzt; er hält jedoch an den im Hinweis dargelegten und begründeten Standpunkten fest.
9
Der Senat hat in seinem Hinweis insbesondere bereits ausgeführt, dass und warum eine Einstufung der von der Beklagten implementierten Steuerungsfunktion(en) als europarechtlich unzulässige Abschalteinrichtung(en) für sich genommenen nicht den Schluss auf das Vorliegen einer haftungsbegründenden sittenwidrigen Schädigung im Sinne der §§ 826, 31 BGB erlaubt, weil der Vorwurf der Sittenwidrigkeit – der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgend – nur bei Hinzutreten „weiterer Umstände“ gerechtfertigt wäre, die das zu beurteilende Geschehen erst als besonders verwerflich qualifizieren könnten. Hieran ändert auch das zwischenzeitliche Anhörungsverfahren beim KBA im Jahr 2023 nichts, weil Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln der Beklagten schon angesichts der jahrelangen Verneinung der Unzulässigkeit durch das KBA fehlen.
10
Mit den Ausführungen des Generalanwalts Rantos vom 2. Juni 2022 in der beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Rechtssache C-100/21 hat sich der Senat in seinem Hinweis umfassend auseinandergesetzt. Der Senat nimmt wiederum zur Kenntnis, dass die Klagepartei den Ausführungen des Senats ihre eigenen – abweichenden – Schlussfolgerungen und Bewertungen entgegensetzt; er hält jedoch auch insoweit an den im Hinweis dargelegten und begründeten Standpunkten fest. Eine den Standpunkten des Senats entgegenstehende Rechtsprechung des BGH ist nicht ersichtlich; eine solche wird insbesondere auch nicht durch eine – in der Sache ohnehin nicht eindeutige – bloße Pressemitteilung oder durch das – nicht näher begründete – Absetzen von Verhandlungsterminen begründet. Eine Aussetzungsentscheidung des BGH im Hinblick auf die anstehende Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21 existiert – anders als von der Klagepartei formuliert und anders als in der Vergangenheit zu europarechtlichen Fragen vom BGH praktiziert (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022, Az: VIII ZR 149/21) – nicht. Auch mit Blick auf den Verkündungstermin des EuGH in der Rechtssache C-100/21 bleibt es dabei, dass der Senat auch bei Unterstellung der Auffassung des Generalanwaltes und einer Übernahme der Rechtsauffassung durch den EuGH nicht zu einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB gelangen kann, was im Hinweis ausführlich begründet wurde. Selbst wenn den Bestimmungen des EG-Typgenehmigungsrechts (auch) eine gewisse drittschützende Wirkung (zugunsten der Fahrzeugerwerber) innewohnen sollte, fehlt es an einer tragfähigen Argumentation in die Richtung, dass ihnen – weitergehend – ein umfassender Schutzgesetzcharakter nach inländischem Recht positiv zugeschrieben werden müsste (vgl. Riehm ZIP 2022, 2309 ff., Grigoleit ZIP 2023, 221, 230 ff., jeweils m.w.Nw.). Und selbst wenn die bestehenden Rechtsfolgen – wie nicht – als unzureichend angesehen würden, obläge die Schaffung weiterer Sanktionen ausschließlich dem deutschen Gesetzgeber (Riehm ZIP 2022, 2309, 2319, Grigoleit ZIP 2023, 221, 234). Mangels Vorgreiflichkeit ist eine Aussetzung des Verfahrens nicht veranlasst.
III.
11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
12
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
13
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.
14
Maßgeblich ist das aus der Gesamtschau (Gestaltung der Anträge; etwaige eigene ausdrückliche Wertangaben) ersichtliche subjektive Rechtsschutzziel der Klagepartei (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2021 – VII ZR 206/21, Rn. 6 ff. bei juris, insbesondere zu Anlass und Umfang der Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung, die als möglicher Abzugsposten in das Ermessen des Gerichts gestellt wird), wobei maßgeblich der die Instanz einleitende Antrag ist (§ 40 GKG). gez.