Titel:
Kein Schadensersatzanspruch wegen angeblicher Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung
Normenkette:
BGB § 826
Leitsätze:
1. Bei einer auf dem Prüfstand wie auch im Realbetrieb gleichsam wirkenden Abschalteinrichtung reicht deren Vorhandensein für sich genommen nicht aus, um eine objektive Sittenwidrigkeit des Verhaltens des Fahrzeugherstellers zu begründen. Es bedarf vielmehr weiterer Umstände, die das Verhalten der für den Hersteller handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine unter Beweis gestellte Behauptung ist unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. So liegt es bei Behauptungen zum Vorliegen von unzulässigen Abschalteinrichtungen, die lediglich pauschal und ohne Bezug zum streitgegenständlichen Motor erfolgen. (Rn. 35 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässige Abschalteinrichtung, Porsche Cayenne, Thermofenster, SCR-Katalysator, AdBlue
Vorinstanz:
LG Würzburg, Urteil vom 09.12.2021 – 14 O 1145/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19479
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 09.12.2021, Az. 14 O 1145/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Würzburg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger verlangt Schadensersatz nach dem Erwerb eines Pkws mit Dieselantrieb.
2
Der Kläger kaufte am 01.07.2013 von einem Autohaus den von der Beklagten zu 1) hergestellten Pkw Porsche Cayenne 3.0 l V6 TDI mit einer Leistung von 180 KW (245 PS) zum Preis von … € als Gebrauchtfahrzeug mit einer Laufleistung von 13.600 km. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten zu 2) entwickelten und hergestellten Dieselmotor ausgestattet und unterfällt der Abgasnorm EU 5. In der Motorsteuerungssoftware ist ein Thermofenster vorhanden.
3
Das Fahrzeug ist Teil der freiwilligen Werkstattaktion WKL5 der Beklagten zu 1), die im Zuge des „Nationalen Forums Diesel“ durchgeführt wurde. Die Beklagte zu 1) bot dem Kläger mit Schreiben vom März 2020 (Anl. K2) als Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität in deutschen Städten und zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes das Aufspielen eines freiwilligen Software-Updates auf das Motorsteuergerät an.
4
Der Kläger behauptet, der Motor des Fahrzeugs sei von den Vorständen der Beklagten zu 2) in Kenntnis und Absprache mit den Vorständen der Beklagten zu 1) mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden. Die Beklagte zu 1) habe zudem die von der Beklagten zu 2) gelieferte Software ergänzend bearbeitet und auf die Verwendung für die von ihr gebauten Fahrzeuge hin optimiert. Die Software könne erkennen, ob das Fahrzeug in einem Prüfzyklus oder im Straßenverkehr betrieben werde. Sie ändere je nachdem, wo das Fahrzeug betrieben werde, die Abgasreinigung, so dass die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte nur beim Vorliegen von Bedingungen wie auf dem Prüfstand und nicht bei den im Normalbetrieb auf der Straße hauptsächlich vorherrschenden Bedingungen eingehalten würden. Das Thermofenster sei eine unzulässige Abschalteinrichtung. Zudem komme bei Vorhandensein eines SCR-Katalysators, bei dem AdBlue verwendet werde, eine Software zum Einsatz, bei der im Regelbetrieb eine Reduzierung der Abgasreinigung durch Verringerung der eingespritzten Menge an AdBlue erfolge. Bei der Verwendung von NOx-Speicherkatalysatoren werde im Regelbetrieb auf der Straße durch die Manipulationssoftware der Regenerierungsprozess des Katalysators nur noch teilweise oder gar nicht durchgeführt. ….
5
Der Kläger hat erstinstanzlich die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs und hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm Schadenersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren.
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Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt.
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Die Beklagte zu 1) trägt vor, dass in dem Fahrzeug keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut seien. Das Fahrzeug verfüge über keinen SCR-Katalysator, der mit AdBlue betrieben werde. …. Die Verwendung des Thermofensters sei zulässig und entspreche dem Stand der Technik. Ein verpflichtender Rückruf durch das KBA liege nicht vor. Eine Haftung von ihr scheide schon deshalb aus, weil der Motor nicht von ihr entwickelt und hergestellt worden sei.
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Die Beklagte zu 2) trägt vor, dass es keinen amtlichen, verbindlichen Rückruf des KBA für das Fahrzeug des Klägers gebe. …. Die Verwendung des Thermofensters sei, was das KBA in der vorliegenden Auskunft auch bestätige, rechtlich zulässig. Ansonsten seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorhanden.
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Bezüglich des Sach- und Streitstands im Übrigen sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 09.12.2021, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, sowie die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
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Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch aus § 826 BGB nicht gegeben sei, da ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht vorliege. Das KBA habe in einer amtlichen Auskunft (Anl. B1) dargelegt, dass bei Fahrzeugen mit dem streitgegenständlichen Motor keine unzulässigen Abschalteinrichtungen gefunden worden seien. Die Verwendung des Thermofensters sei nicht sittenwidrig, da es nicht ausschließlich auf dem Prüfstand arbeite und zudem die Frage der rechtlichen Zulässigkeit zum damaligen Zeitpunkt umstritten gewesen sei. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
11
Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen Vortrag aus dem Verfahren erster Instanz. ….
Hilfsweise wird für den Antrag zu Ziffer 2 mit Ziffer 2a beantragt:
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Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das Urteil.
15
Die Beklagte zu 1) trägt ergänzend vor, dass die behaupteten Funktionen der Strategien … nicht vorhanden seien, da in dem Fahrzeug des Klägers kein SCR-Katalysator verbaut sei. Dieser erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte Vortrag und der damit zusammenhängende Vortrag zur … sei verspätet und nicht zuzulassen. Die Behauptungen im Hinblick auf für den amerikanischen Markt produzierte Fahrzeuge seien nicht auf für den europäischen Markt produzierte Fahrzeuge übertragbar, da die technische Konstruktion der jeweiligen Fahrzeuge nicht miteinander vergleichbar sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten zu 1) wird auf die Schriftsätze ihrer Bevollmächtigten vom 11.05.2022 (Bl. 432 ff. d.A.) und vom 20.02.2023 (Bl. 514 ff. d.A.) verwiesen.
16
Die Beklagte zu 2) trägt ergänzend vor, dass in dem Fahrzeug keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden seien, was sich aus der amtlichen Auskunft des KBA vom 09.03.2021 ergebe. Der Kläger habe keine Anhaltspunkte vorgetragen, woraus sich ergebe, dass unzulässige Abschalteinrichtungen vorhanden seien. Die Verwendung des Thermofensters verstoße nicht gegen Vorschriften. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten zu 2) wird auf den Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 14.04.2022 (Bl. 366 ff. d.A.) verwiesen.
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Das Verfahren ist im Hinblick auf die Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Rantos vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 (ECLI:EU:C:2022:420) nicht nach § 148 ZPO analog auszusetzen.
18
Nach der für den Senat verbindlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Vorschriften der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 VO 715/2007/EG, Art. 12, 18 RL Nr. 2007/46/EG im Sinne eines acte clair keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, da das Interesse eines Fahrzeugkäufers, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liegt (vgl. Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 10 ff.; Beschl. v. 07.07.2021 – VII ZR 218/21, Rn. 1 ff.; zuletzt: Urt. v. 13.06.2022 – VIa ZR 680/21, Rn. 24). Soweit der Generalanwalt beim EuGH Rantos in seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 (ECLI:EU:C:2022:420) eine abweichende Ansicht vertritt, ist diese weder für die deutschen Gerichte noch für den Gerichtshof der Europäischen Union rechtsverbindlich. Es besteht daher kein Anlass, die Frage des Drittschutzes dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen oder das Verfahren in Bezug auf das Verfahren des Europäischen Gerichtshof C-100/21 auszusetzen.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, da ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche gegen die beiden Beklagten zustehen.
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1. Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz – von den Beklagten bestritten – vorträgt, dass in dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen in Gestalt einer unzulässigen Aufwärmfunktion (Strategien A bis E) mit einer Akustikfunktion und Prüfzykluserkennung verbaut seien und das OBD-System manipuliert sei, ist dieser Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen.
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Der Kläger trägt nicht vor, weshalb es ihm nicht möglich war, diesen Vortrag bereits in der ersten Instanz zu halten. Er widerlegt daher nicht, dass der Vortrag aus Nachlässigkeit nicht schon in der Instanz vor dem Landgericht gehalten worden ist.
22
2. Selbst wenn der Vortrag (nicht bezogen auf das OBD-System) zuzulassen wäre, geht er ins Leere, da das Fahrzeug des Klägers nicht über einen SCR-Katalysator verfügt.
23
Die behaupteten Abschalteinrichtungen (Strategien A-E mit Aufwärmfunktion) sind nur in Motoren vorhanden, die über einen SCR-Katalysator verfügen, was der Kläger in der Berufungsbegründung selbst vorträgt. Die Beklagten haben bereits in der ersten Instanz und auch in der Berufungsinstanz durchgehend vorgetragen, dass in dem Fahrzeug des Klägers kein SCR-Katalysator verbaut ist und kein AdBlue verwendet wird. Der Kläger, der in der Klage und in allen späteren Schriftsätzen jeweils parallel zum Vorhandensein von Abschalteinrichtungen bei der Verwendung eines SCR-Katalysators und eines NOx-Speicherkatalysators vorträgt – was sich jedoch aus tatsächlichen Gründen ausschließt, da nur eine der beiden möglichen Abgasnachbehandlungen vorliegen kann – hat zu dem substantiierten Vortrag der Beklagten nicht Stellung genommen. Der Vortrag der Beklagten, die als Herstellerin des Fahrzeugs die verwendete Abgasbehandlung kennt, ist daher wegen nicht ausreichenden Bestreitens durch den Kläger gemäß § 138 Abs. 2 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legen.
24
Der Vortrag des Klägers im Zusammenhang mit der Verwendung des SCR-Katalysators und der Art und Weise der Verwendung von AdBlue geht daher ins Leere und ist substanzlos.
25
3. Selbst wenn der Vortrag bezüglich des OBD-Systems zuzulassen wäre, würde dies keinen Schadensersatzanspruch des Klägers begründen.
26
Bei diesem System handelt es sich schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht um ein System, das den Motor steuert bzw. in dessen Systeme eingreift, sondern lediglich um ein Überwachungssystem. Im Übrigen spricht der Umstand, dass das OBD-System keine Fehlermeldung erzeugt, wenn bestimmte Abgasgrenzwerte überschritten werden, nicht zwingend für ein objektiv sittenwidriges Verhalten. Entscheidend ist, dass sämtliche behauptete Abschalteinrichtungen bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise arbeiten (vgl. dazu unten unter II.), weshalb deren Verwendung nicht von vornherein von Arglist geprägt ist und der behaupteten Art und Weise der Verwendung des OBD-Systems kein Indizwert beigemessen werden kann (BGH, Urt. v. 28.10.2021 – III ZR 261/20, Tz. 27; Urt. v. 23.11.2021 – VI ZR 839/20, Tz. 20).
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Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagten kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zusteht, da die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Anspruchs nicht gegeben bzw. nicht hinreichend vorgetragen sind.
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1. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten. Die besondere Verwerflichkeit kann sich zum einen aus einer evidenten Unzulässigkeit der Motorsteuerung – wie sie bspw. für den Fall der „Umschaltlogik“ im Motor EA 189 festgestellt wurde – ergeben (vgl. BGH, Beschl. v. 21.03.2022 – VIa ZR 334/21, Rn. 22). Sie kann sich zum anderen aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rn. 15; Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rn. 14; Urt. v. 13.07.2021 – VI ZR 128/20, Rn. 11; Beschl. v. 21.03.2022 – VIa ZR 334/21, Rn. 18).
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Deshalb reicht bei einer auf dem Prüfstand wie auch im Realbetrieb gleichsam wirkenden Abschalteinrichtung deren Vorhandensein für sich genommen nicht aus, um eine objektive Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu begründen. Es bedarf vielmehr weiterer Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.2021 a.a.O., Rn. 19; Urt. v. 13.07.2021 a.a.O., Rn. 13). Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung einer bestimmten Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2021 a.a.O., Rn. 13; BGH Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 321/20, Rn. 16).
30
2. Nach diesen Maßstäben liegt ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht deshalb vor, weil sie den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (sog. Thermofenster) ausgestattet hat.
31
a) Dabei kann zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist. Denn bei einer auf dem Prüfstand und im Realbetrieb in Grundsatz in gleicher Weise arbeitenden Abschalteinrichtung ergibt sich die besondere Verwerflichkeit nicht bereits aus einer Evidenz der Unzulässigkeit, da eine Prüfstandbezogenheit gerade nicht gegeben ist. Weitere Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen, beispielsweise dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, trägt der Kläger nicht hinreichend vor. Insbesondere ergeben sich aus einer etwaigen unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Selbst wenn die Beklagte, entgegen ihrem Vorbringen, alle zum Genehmigungszeitpunkt geforderten Angaben nach der Beschreibungsmappe gemacht zu haben, im Typgenehmigungsverfahren – weitergehende erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der Abgasrückführung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung zu prüfen (BGH, Beschl. v. 29.09.2021 – VII ZR 126/21, Rn. 20).
32
b) Eine Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB wegen der Verwendung eines Thermofensters kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten vor dem Hintergrund der (zum Genehmigungszeitpunkt) unsicheren Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters nicht vorgelegen hat. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (vgl. BGH Urt. v. 16.09.2021 a.a.O., Rn. 31). Bereits aus der Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 17.12.2020 – C-693/18) in Bezug auf die Unzulässigkeit eines Thermofensters lässt sich entnehmen, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters geführt wurde, welche ein Bewusstsein von der Unzulässigkeit der Verwendung als fernliegend erscheinen lässt. Auch ein Schädigungsvorsatz der Beklagten kann nicht festgestellt werden, denn allein aus der hier zu unterstellenden objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. BGH a.a.O., Rn. 32).
33
Weitergehende greifbare Anhaltspunkte, die den Schluss auf das Bewusstsein von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters bei der Beklagten erlauben könnten, sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Eine nur fahrlässige, selbst grob fahrlässige Verkennung der Rechtslage, die ggf. später von der Rechtsprechung als nicht mögliche Auslegung der Abgasnormen gewürdigt wird, kann ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht begründen.
34
3. Vorstehendes gilt sinngemäß auch für sämtliche weitere behauptete Abschalteinrichtungen, soweit sie sich nicht auf das Verwenden eines SCR-Katalysators, der nicht vorhanden ist, beziehen. Da der Kläger ausdrücklich vorträgt, dass sämtliche der behaupteten Abschalteinrichtungen dauerhaft, d.h. auch wenn die Bedingungen des NEFZ nicht gegeben sind, arbeiten würden, ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers, dass die von ihm behaupteten Abschalteinrichtungen auf dem Prüfstand und im Realbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise arbeiten. Gleiches ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, der ein Eingreifen der behaupteten Abschalteinrichtungen gekoppelt an Parameter behauptet, welche in der Prüfstandssituation und im Realbetrieb gleichermaßen vorkommen. Da der Kläger auch hinsichtlich dieser behaupteten Abschalteinrichtungen greifbare Anhaltspunkte, die den Schluss auf das Bewusstsein von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Beklagten erlauben könnten, nicht ausreichend vorträgt und solche auch nicht sonst ersichtlich sind, ist schon ein hinreichender substantiierter Vortrag nicht gegeben.
35
4. Schließlich fehlt es – mit Ausnahme des Thermofensters – für das Vorhandensein sämtlicher behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtungen (…) an greifbaren Anhaltspunkten.
36
a) Der Senat verkennt dabei nicht, dass eine unter Beweis gestellte Behauptung erst dann unbeachtlich ist, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können. Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH, Beschl. v. 28.01.2020 – VIII ZR 57/19, Rn. 7 f.; Urt. v. 13.07.2021 a.a.O., Rn. 20 ff.).
37
b) Jedoch ist auch nach diesen Maßstäben der Sachvortrag des Klägers im vorliegenden Fall nicht hinreichend substantiiert.
38
Das KBA hat für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp weder einen verpflichtenden Rückruf noch ein verpflichtendes Softwareupdate angeordnet. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten zu 2) vorgelegten amtlichen Auskunft des KBA vom 09.03.2021 (Anl. BE4), die ein Fahrzeug betrifft, das mit dem Fahrzeug des Klägers typengleich ist und über die gleiche Motorisierung verfügt. Darin erklärt das KBA, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissionsverhaltens bei der Prüfung festgestellt wurde. Es wird weiter ausgeführt, dass deshalb weder behördliche Anordnungen von Nebenbestimmungen noch ein Rückruf für diese Fahrzeuge angeordnet wurden. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Er legt auch keinen für sein Fahrzeug, dass er seit Juli 2013 in Besitz hat, angeordneten Rückruf vor.
39
Vor diesem Hintergrund reichen die vom Kläger vorgetragenen Umstände für die substantiierte Darlegung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht aus. Die Behauptungen des Klägers zum Vorliegen von unzulässigen Abschalteinrichtungen erfolgen lediglich pauschal und ohne Bezug zum streitgegenständlichen Motor und damit ersichtlich ins Blaue hinein.
40
Das vom Kläger als Anlage K2 vorgelegte Schreiben des KBA vom März 2020 in Verbindung mit dem Schreiben der Beklagten zu 1) vom März 2020 ist kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden ist, da es sich auf eine freiwillige Werkstattaktion WKL5 bezieht, welche die Beklagte zu 1) in Absprache mit dem KBA im Rahmen des „Nationalen Forums Diesel“ durchgeführt hat. Aus dem Schreiben ist erkennbar, dass die Automobilhersteller in diesem Zusammenhang freiwillig zugesagt haben, dass zur Verbesserung der Luftqualität in deutschen Städten ein Software-Update zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes entwickelt und aufgespielt wird. Dies wird auch durch die von der Beklagten zu 2) vorgelegten amtlichen Auskunft des KBA vom 09.03.2021 bestätigt. Das KBA bestätigt darin weiter, dass freiwillige Maßnahmen nur bei Fahrzeugen durchgeführt werden, bei deren amtlicher Untersuchung keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde.
41
Soweit sich der Kläger auf die vorgelegten Auskünfte des KBA vom 08.12.2017 und vom 20.01.2018 bezieht, betreffen diese Fahrzeuge (…), deren Motoren unter die Abgasklasse Euro 6 fallen und daher nicht mit dem Fahrzeug des Klägers, das einen unter die Abgasklasse Euro 5 fallenden Motor hat, vergleichbar sind. Aus dem Inhalt der Auskünfte lassen sich daher keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem von der Beklagten zu 2) hergestellten Motor entnehmen.
42
An einer fehlenden Vergleichbarkeit fehlt es auch, soweit sich der Kläger auf Feststellungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen beruft, die für den amerikanischen Markt produziert wurden. Diese sind technisch nicht mit den Fahrzeugen vergleichbar, die für den europäischen Markt produziert werden, weil insoweit völlig unterschiedliche Emissionsvorschriften gelten und zu beachten sind. Die für das NEFZ-Verfahren maßgeblichen Werte bei Fahrzeugen sind nicht mit den im Realbetrieb auf der Straße gemessenen Werten vergleichbar, weshalb die klägerseits vorgetragenen Abgaswerte aus verschiedensten Messungen, die im Realbetrieb im Straßenverkehr vorgenommen wurden, nicht als Anhaltspunkt für die Richtigkeit der klägerischen Behauptungen heranziehbar sind. Sie besitzen vielmehr keinerlei Aussagekraft.
43
5. Eine Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB wegen der Verwendung der behaupteten Abschalteinrichtungen, selbst wenn sie nachgewiesen wären, kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten vor dem Hintergrund der (zum Genehmigungszeitpunkt) unsicheren Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen nicht vorgelegen hat. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2021, a.a.O., Rn. 31). Bereits aus der Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 17.12.2020 – C-693/18) in Bezug auf die Unzulässigkeit eines Thermofensters lässt sich entnehmen, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen allgemein geführt wurde, welche ein Bewusstsein von der Unzulässigkeit der Verwendung als fernliegend erscheinen lässt. Eine nur fahrlässige, selbst grob fahrlässige Verkennung der Rechtslage, die ggf. später von der Rechtsprechung als nicht mögliche Auslegung der Abgasnormen gewürdigt wird, kann ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht begründen. Auch ein Schädigungsvorsatz der Beklagten kann nicht festgestellt werden, denn allein aus einer etwaigen objektiven Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. BGH a.a.O., Rn. 32).
44
Auch sonstige Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger nicht zu.
45
1. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 263 StGB, 31 BGB scheitert bereits an einer Täuschungshandlung durch verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten und jedenfalls an fehlender Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 18 ff.).
46
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 VO 715/2007/EG oder Art. 12, 18 RL Nr. 2007/46/EG zu. Es kann insoweit auf die Ausführungen unter B. verwiesen werden.
47
3. Entgegen der Ansicht des Klägers scheiden schließlich auch Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Vorschriften des Kartellrechts aus.
48
Hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche fehlt es bereits an einem schlüssigen Vortrag hinsichtlich des dadurch verursachten Schadens. Verstöße gegen das Kartellrecht können nicht zu einem Schaden führen, wie ihn der Kläger geltend macht. Diese Rechtsvorschriften schützen nicht die freie Willensentscheidung des Klägers im Hinblick auf den Abschluss eines Kaufvertrags über das Fahrzeug. Ein Schaden könnte allenfalls in einer Vermögensschädigung liegen, wenn der Kläger aufgrund des behaupteten Verstoßes gegen Regelungen des Kartellrechts in Bezug auf das konkret gekaufte Fahrzeug einen zu hohen Kaufpreis gezahlt hätte, als er nach den Marktgegebenheiten ansonsten hätte verlangt werden können. Dieser Schaden kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht vorliegen, da der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtfahrzeug von einer Privatfirma und nicht vom Hersteller gekauft hat. Der Kläger hat daher den Preis bezahlt, den der Privathändler nach seinen Kalkulationen entsprechend der damaligen Marktgegebenheiten bestimmt hat.
49
1. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
50
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
51
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.
52
Die streitgegenständlichen Rechtsprobleme im Zusammenhang mit dem sogenannten „Dieselskandal“ sind zwischenzeitlich durch den BGH rechtskräftig entschieden worden. Insoweit wird auf die oben genannten Urteile hingewiesen.