Titel:
erfolglose Asylklage (Uganda)
Normenkette:
AsylG § 3
Leitsatz:
Die politische Lage in Uganda kann als relativ stabil bezeichnet werden; der ugandische Staat ist grundsätzlich schutzbereit und schutzfähig. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Ugander, Unglaubhaft, Verfolgung durch Private, Garant für einen Beschuldigten, Polizei schutzbereit und –fähig, Uganda, unglaubhafter Vortrag, Formular „RELEASE ON BOND“,
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19469
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der 1983 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger, reiste am 10. Dezember 2018 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 12. Februar 2019 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung am 14. März 2019 trug er vor, dass er Uganda verlassen habe, da er für die Freilassung eines Freundes aus der Haft gebürgt habe. Der Freund habe homosexuelle Handlungen mit dem Sohn eines Generals ausgeführt. Der Kläger sei verpflichtet worden, seinen Freund zu überwachen und ihn zum nächsten Termin am 16. November 2018 mitzubringen. Sein Freund sei aber untergetaucht. Am nächsten Tag sei der General mit fünf anderen Männern bei ihm erschienen und hätte ihn wegen des Verschwindens seines Freundes bedroht. Er solle seinen Freund binnen drei Wochen ausfindig machen, ansonsten würde man ihn in ein Gefängnis bringen und verschwinden lassen. Der Kläger habe den Vorfall bei der Polizei angezeigt. Nachbarn hätten den Kläger damit konfrontiert, dass er selbst homosexuell sei, da er einen Homosexuellen unterstützt habe. Die Polizei habe den Nachbarn jedoch gesagt, dass das nicht zutreffe. Der Kläger habe sein Heimatdorf verlassen. Der General habe den Kläger noch einmal aufgesucht und an die Frist erinnert. Er habe den Kläger noch dreimal angerufen. Da der General sehr einflussreich sei, sei ein Umzug innerhalb Ugandas nicht sinnvoll gewesen.
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Mit Bescheid vom 27. Dezember 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Klagepartei hat am 1. März 2019 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Dezember 2019, mir zugestellt am 3. Januar 2020, wird in den Ziffer 1 und in Ziffer 3 bis 6 aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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4. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und beantragt,
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Am 27. Juni 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift vom 27. Juni 2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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a) Der vom der Kläger geschilderte Vortrag, er sei als Bürge für seinen Freund von dem Vater des Opfers der angeblichen Straftat – einem General der Armee – bedroht worden, ist unglaubhaft.
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So hat der Kläger das zentrale Element seiner Verfolgungsgeschichte, in keiner Weise nachvollziehbar und realitätsnah geschildert. Denn wenn der Kläger einerseits wusste, dass sein Freund eines angeblich schweren Vergehens beschuldigt worden sein soll, wobei der Vater des Opfers ein General der Armee gewesen sein soll, war ihm die „Brisanz“ der Angelegenheit bewusst. Das gilt erst recht mit Blick darauf, dass man ihm – so sein ausdrücklicher Vortrag in der mündlichen Verhandlung – auf der Polizeistation ausdrücklich klargemacht hatte, dass er die „Konsequenzen tragen“ müsse, wenn „der Junge (sein Freund) verschwindet“. Angesichts dessen ist eine Risikoabwägung, ob der Kläger angesichts der dargestellten Umstände für seinen Freund bürgt oder nicht, auch nicht ansatzweise vorgetragen. Die Erklärung, dass er seinem langjährigen Freund vertraut habe und er angesichts dessen Verschwindens von ihm enttäuscht sei, klingt oberflächlich und platt. Schließlich sind auch ernstere Vorkehrungen, dass sein Freund auch tatsächlich verfügbar bleibt, nicht ersichtlich. So drängt es sich nahezu auf, dass der Kläger seinen Freund bis zum Termin am 16. November 2018 bei sich aufgenommen hätte, um sich dessen Anwesenheit zu vergewissern. Jedenfalls die Vereinbarung eines Treffens alle 24 Stunden klingt realitätsfern und erfunden.
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Schließlich ist in dem Formular „RELEASE ON BOND“ noch eine weitere Person als Bürge aufgenommen. Das ist bereits im Bescheid des Bundesamtes bemerkt. Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Wenn eine weitere Person genannt ist, erscheint es merkwürdig, warum gerade der Kläger massiv bedroht worden sein soll. Die Unglaubhaftigkeit des Vortrags des Klägers wird auch dadurch unterstrichen, dass der Kläger beim Bundesamt überhaupt nicht vorgetragen hat, dass ihm ein Kunde seiner Bank bei der Ausreise geholfen haben will. Es sind keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich, warum der Kläger diesen Komplex beim Bundesamt nicht vorgetragen hat. Schließlich hat der Kläger von dem Überfall und der dabei stattfindenden Misshandlung in der Nacht auf den 17. November 2018 auffällig teilnahmslos und distanziert berichtet. Der Vortrag wirkt „auswendig gelernt“ und nicht wie der Bericht über ein selbst erlebtes Geschehen.
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Aus dem vorgelegten Formular „RELEASE ON BOND“, das die Bürgschaft des Klägers für seinen Freund bestätigen soll, folgt nichts Anderes. Denn diesem Dokument kann keine Authentizität beigemessen werden. Neben den im Bescheid des Bundesamtes vom 27. Dezember 2019 aufgeführten Auffälligkeiten ist bei der zu hinterlegenden Kautionssumme angegeben „AS COURT SHALL DECIDE“. Es macht aber keinen Sinn, in einem Formular die Höhe einer Kautionssumme durch das Gericht festlegen zu lassen, wenn in diesem Formular die Freilassung bis zu einem weiteren Termin auf Kaution bestätigt werden soll. Damit ist das Formular nicht stimmig ausgefüllt und wirkt gefälscht. Das zeigt, dass das Dokument nicht authentisch ist, da es in zentralen Punkten nicht sinngemäß ausgefüllt ist und damit den Erklärungszweck nicht erfüllen kann.
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Aus der vor Gericht nicht wiederholten, nur vor dem Bundesamt angegebenen angeblichen Bezichtigung von Dorfbewohnern, der Kläger sei selbst homosexuell, kann keine asylerhebliche Verfolgungsgefahr abgeleitet werden. Denn Polizisten selbst hätten den Leuten gesagt, dass das nicht zutreffe. Weitere Maßnahmen der Leute aus dem Dorf hat der Kläger nicht vorgetragen, nachdem sich die Nachbarschaft beruhigt habe.
20
b) Soweit eine private – kriminelle – Verfolgung vorliegen würde, was aber aufgrund der massiven Widersprüchlichkeiten unglaubhaft ist, ist darauf zu verweisen, dass der ugandische Staat grundsätzlich schutzbereit und -fähig ist (Länderinformationsblatt Uganda des Ö. Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017, S, 7 ff. -trotz Korruption). Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Ö. Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017 (S. 6 f.) kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden.
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c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) abgelehnt.
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d) Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG liegen nicht vor.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erkrankungsbedingtes Abschiebungshindernis nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Die Gefahr muss zudem konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – BVerwGE 142, 179, juris Rn. 34 m.w.N.; U.v. 25.11.1997 – 9 C 58/96 – juris). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes liegt nicht schon dann vor, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist (OVG NRW, B.v. 15.9.2003 – 13 A 3253/03.A – juris). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat gleichwertig ist mit derjenigen in der Bundesrepublik Deutschland (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
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Rechtlich ausschlaggebend ist, ob eine Behandlungsmöglichkeit im Grundsatz besteht. Das ist für psychische Erkrankungen in Uganda grundsätzlich gegeben. In Uganda wird ein großer Teil der psychiatrischen Versorgung durch die beiden Referenzkliniken in K. gewährleistet. Im Universitätskrankenhaus M. (50 Betten) und im psychiatrischen Krankenhaus B. (550 Betten) werden Patienten ambulant und stationär versorgt. Des Weiteren gibt es 13 regionale Referenzkrankenhäuser mit einer Kapazität von 337 Betten für die psychiatrische Versorgung. Daneben gibt es eine Reihe ambulanter Behandlungseinrichtungen. Die Abgabe von Medikamenten ist seit 2001 im staatlichen Gesundheitssystem kostenfrei. Allerdings werden Medikamente häufig im Krankenhaus „unter der Hand“ an Patienten verkauft. In kirchlichen Einrichtungen sind Medikamente weiterhin kostenpflichtig. Patienten kaufen Medikamente auch privat in Apotheken (vgl. zum Ganzen: Rukat, Diagnostische Praxis und Verschreibungsmuster in psychiatrischen Kliniken in Uganda, Dissertation, Berlin 2015, S. 6 – 11, im Internet allgemein verfügbar unter: https. …d-nb.info/107..../ 34).
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Die vom Kläger erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Dokumente können berücksichtigt werden, da deren Zulassung zu keiner verzögerten Erledigung des Rechtsstreits führt (§ 87b Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Aus dem Arztbrief eines Facharztes für Innere Medizin/Kardiologie vom 22. Juni 2022 folgt gerade kein Anhaltspunkt für eine Erkrankung des Klägers. Im vorläufigen Arztbrief des Klinikums W. vom 13. April 2021 ist von Schmerzen wechselnder Lokalisation berichtet, für die keine organische Ursache habe eruiert werden können. Am ehesten sei eine Somatisierungsstörung anzunehmen, die medikamentös behandelt werde. Damit ist bereits keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung festgestellt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine medizinische Behandlungsmöglichkeit psychischer Erkrankungen in Uganda – wie oben dargelegt – grundsätzlich besteht.
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e) Es sind daher auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnten. Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid vom 27. Dezember 2019 verwiesen (§ 77 Abs. 2 Asylgesetz/AsylG).
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2. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
28
Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
30
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.