Titel:
erfolglose Asylklage mangels glaubhaften Vortrags
Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3
Leitsatz:
Die Anbindung an eine Organisation, die homosexuelle Menschen betreut und berät, kann nicht davon befreien, die eigene Homosexualität glaubhaft darzulegen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Uganda, Asylklage, Homosexualität (lesbisch), Unglaubhaft, Diebstahlsanzeige, Keine drohende Haft, unglaubhafter Vortrag, Kaution als „State Bond“
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19468
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die 1986 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige, reiste am 28. November 2018 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 21. Dezember 2018 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung am 30. Januar 2019 trug sie vor, dass sie ausgereist sei, da sie mit einem deutlich älteren Mann zwangsverlobt worden sei. Der habe sie immer schlecht behandelt, sie zum Sex gezwungen und geschlagen. Sie sei lesbisch. Das habe sie im Jahr 2005 gemerkt. Sie habe das akzeptiert und ausgelebt. Das habe sie aber immer im Geheimen getan. Sie sei im Oktober 2017 vom Bruder ihres Mannes beim Sex mit ihrer Freundin erwischt worden. Ihr Verlobter habe sie darauf geprügelt und zum Sex gezwungen. Im Juni 2018 sei sie schwanger geworden. Ihr Mann habe darauf sein Verhalten zum Positiven verändert. Eine Organisation zur Unterstützung homosexueller Menschen habe ihr gesagt, dass sich das nach der Geburt des Kindes wieder ändern werde. Darauf habe sie gebeten, dass man ihr bei der Ausreise behilflich sein solle. Sie habe erfahren, dass ihr Mann sie wegen angeblichen Diebstahls bei der Polizei angezeigt habe.
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Mit Bescheid vom 18. März 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Dieser Bescheid wurde der Klägerin am 14. Mai 2020 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
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Die Klagepartei hat am 20. Mai 2020 zur Niederschrift Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. März 2020, zugestellt am 14. Mai 2020, wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, mich als Asylberechtigte anzuerkennen.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet mir die Füchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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4. Die Beklagte wird verpflichtet mir den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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5. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 27. Juni 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 27. Juni 2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes/GG), ebenso keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG).
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a) Die Klägerin hat kein Verfolgungsschicksal geschildert, dass einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 GG) wie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) rechtfertigen würde.
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Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei lesbisch und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda.
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Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden und Ausleben der eigenen lesbischen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat die Klägerin nichts Überzeugendes vorgetragen. Insgesamt wirkt der Vortrag der Klägerin zu ihrer angeblichen Homosexualität sehr knapp, oberflächlich und aufgesetzt. Die Angabe, dass sie sich ihrer sexuellen Orientierung im Alter von 19 bewusst geworden sei, wirkt oberflächlich und aufgesetzt. Angesichts der Rahmenbedingungen, wonach gerade in einer diese Form der Sexualität ablehnenden Gesellschaft wie der in Uganda eine lesbische Beziehung einen Verstoß gegen die Regeln darstellt, muss wenigstens ein Erkennen der Grundproblematik des Dilemmas zwischen gesellschaftlichen Konventionen und dem Erkennen der eigenen sexuellen Orientierung angegeben werden. Hierzu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen. Die Angabe, dass der erst sexuelle Kontakt mit ihrer Cousine „etwas ganz Besonderes“ gewesen sei, dass sie „so etwas noch nie gefühlt habe“, blendet aus, dass diese Form der Sexualität in Uganda gesellschaftlich abgelehnt wird. Hierzu hat die Klägerin überhaupt nichts vorgetragen. Angesichts ihres Alters mit zu diesem Zeitpunkt 19 Jahren und ihrer gehobenen Bildung ist ein entsprechendes Erkennen der Grundproblematik zu fordern.
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Erst recht gilt das für das angeblich spätere Ausleben ihrer homosexuellen Veranlagung mit einer weiteren Freundin. Wenn die Klägerin vorträgt, dass sie ihre sexuelle Orientierung nur im Geheimen ausgelebt habe, und sie sei damit „ihrer Natur und ihrem Wesen gefolgt“, sie „sei so einfach“, „über Gefühle könne man nicht entscheiden“, wirkt das oberflächlich und platt. Ein „inneres Ringen“ zwischen den von ihr erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht ansatzweise vorgetragen worden. Ein solcher Prozess drängte sich geradezu auf, nachdem sich die Klägerin entsprechenden Erwartungen der Gesellschaft gegenübersah. Zum Zwiespalt zwischen den nach außen erwarteten Konventionen gegenüber der eigenen sexuellen Veranlagung, hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.). Wenn die Klägerin sinngemäß wiederholt betont hat, dass sie nur Frauen liebe und das eben ihr Wesen, ihre Natur sei, sie habe das nur im Geheimen, nicht öffentlich gemacht, so stellt das keine Auseinandersetzung zwischen ihrer homosexuellen Orientierung und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Uganda dar, die ihr mit fortschreitendem Lebensalter immer deutlicher vor Augen geführt wurden, insbesondere durch die angeblich erfolgte Zwangsverlobung. Gerade nach der Verlobung und dem Zusammenleben mit einem Mann drängt sich eine Auseinandersetzung zwischen ihrer sexuellen Orientierung und der von ihr erwarteten Rolle als Partnerin eines Mannes auf. Dazu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen. Es drängt sich geradezu auf, sich in dieser zugespitzten Situation Gedanken zu machen, die neben der Beziehung mit ihrem Verlobten bestehende homosexuelle Beziehung weiter auszuleben. Hierzu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise irgendwelche Gedanken angegeben.
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Unterstrichen wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin durch den Umstand, dass sie in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass ihr der Bruder ihres Mannes bei der Ausreise geholfen habe, indem er sich als ihr Ehemann ausgegeben habe, um so an eine gefälschte Heiratsurkunde zu kommen. Bei der Anhörung beim Bundesamt hat sie das aber nicht angegeben. Vielmehr hat sie dort angegeben, dass ihr eine Hilfsorganisation für homosexuelle, lesbische oder bisexuelle Menschen letztlich das Visum organisiert habe. Wenn die Klägerin hierzu angibt, dass sie Angst gehabt habe, der Name ihres Bruders habe nicht genannt werden dürfen, ist das kein nachvollziehbarer Grund. Denn sie hat in der mündlichen Verhandlung kurz zuvor vorgetragen, sich gegen eine Rückkehr nach Uganda und einen Asylantrag in Deutschland entschieden zu haben, da sie hier in Sicherheit und Freiheit leben könne. Daher ist nicht nachvollziehbar, dass sie trotz entsprechender Belehrung ihren Vortrag bei der Anhörung vor dem Bundesamt nicht vollständig angegeben hat. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Angaben vor dem Bundesamt in Uganda bekannt werden könnten.
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Auch der Umstand, dass sich die Klägerin in der Beratung und Betreuung von LeTRa befindet, kann an der Bewertung des Vortrags als unglaubhaft nichts ändern. Die Anbindung an eine Organisation, die homosexuelle Menschen betreut und berät, kann die Klägerin nicht davon befreien, ihre lesbische Veranlagung glaubhaft darzulegen. Das hat die Klägerin nicht getan. Angesichts der oben dargelegten Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin, insbesondere zu ihrer angeblichen lesbischen Veranlagung, kann der Kontakt zu LeTRa die massiven Umstände, die gegen die Glaubhaftigkeit sprechen, nicht ins Gegenteil verkehren.
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Auch die Behauptung der Klägerin, hier in Deutschland ihre Neigung ausgelebt zu haben, aber derzeit keine Partnerin zu haben, bedingt nichts Anderes. Denn das Gericht hält den Grundvortrag der Klägerin, sie sei homosexuell und die darauf aufbauende Verfolgungsgeschichte nicht für glaubhaft.
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b) Soweit gegen die Klägerin ein Strafverfahren wegen Diebstahls von Haushaltsgegenständen in Uganda anhängig ist (siehe hierzu Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. August 2022) so stellt das keine an asylerhebliche Merkmale anknüpfende staatliche Verfolgung dar. Durch die Entlassung der Beschuldigten durch Übernahme der Kaution als „State Bond“ wird auch deutlich, dass es sich bei der angezeigten Straftat – so das Auswärtige Amt – um eine geringfügige Straftat handelt.
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c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten. Für eine akut bestehende Erkrankung der Klägerin ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
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Wie bereits angegeben, stellt der der Klägerin in Uganda zur Last gelegte Diebstahl von Haushaltsgegenständen eine geringfügige Straftat dar. Ein Risiko einer Inhaftierung besteht nicht. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin unmittelbar nach der Anzeige von der Polizeistation entlassen wurde (durch Übernahme der Kaution als „State Bond“). Das wäre nicht erfolgt, wenn die Beschuldigte mit einer Inhaftierung rechnen müsste.
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Da die Klägerin vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein. Da ihr Vortrag unglaubhaft ist, dass sie angeblich lesbisch veranlagt sei, kann sie ihren Lebensunterhalt erwirtschaften. Im Übrigen kann sie hierfür – landesüblich – auch auf die Hilfe ihrer Familie verwiesen werden.
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2. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom 18. März 2020 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.