Inhalt

VG München, Urteil v. 27.06.2023 – M 5 K 20.30108
Titel:

offensichtlich unbegründete Asylklage (Uganda)

Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Das Abschiebungsverbot stellt den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher; es dient gerade nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Uganda, Asylklage, Völlig unplausibel, offensichtlich unbegründet, Angebliche Flucht aus Bordell in Oman, Angebliche Drohungen von Zuhältern in Uganda, Oman, Prostitution, Menschenhandel, unglaubhafter Vortrag
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19467

Tenor

I.    Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

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Die 1995 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige, reiste am 8. Mai 2019 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 28. Mai 2019 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung am 26. Juni 2019 trug sie vor, dass sie ausgereist sei, da sie im Oman Opfer von Menschenhandel geworden sei. Eine Tante habe sie überredet einen Job im Oman anzunehmen. Dort habe sie sich prostituieren müssen. Durch Unterstützung einer Kollegin habe sie am 4. Dezember 2018 nach Uganda zurückkehren dürfen. In Uganda hätten die Menschenhändler die Klägerin angerufen und hätten Geld von ihr zurückverlangt. Sie sei bereit gewesen, das Geld zurückzuzahlen, sie hätten das aber abgelehnt und ihre Rückkehr gefordert. Die Polizei hätte ihr auch in ihrer Situation nicht helfen können.
3
Mit Bescheid vom 9. Januar 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Klagepartei hat am 20. Januar 2020 zur Niederschrift Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Januar 2020, wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen.
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3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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4. Weiter hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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5. Weiter hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 27. Juni 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 27. Juni 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.
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1. Die Klage ist offensichtlich unbegründet.
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Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte (Art. 16a GG) wie auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) liegen offensichtlich nicht vor.
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a) Der Kernvortrag der Klägerin – sie sei aus der Prostitution in Oman nach Uganda zurückgekehrt und werde von Menschenhändlern verfolgt – ist völlig unplausibel und daher völlig unglaubhaft. Ihre Darstellung, sie habe in Oman aus der Prostitution durch die Hilfe eines unbekannten Mannes, dem sie sich anvertraut habe, nach Uganda zurückkehren können, ist völlig unrealistisch und wirkt frei erfunden. Denn es ist unlogisch, warum und wie ein unbekannter Mann ihr und zwei anderen Mädchen aus der Prostitution geholfen haben und hierfür erhebliche finanzielle Mittel aufgebracht haben soll. Die Angaben der Klägerin hierzu – der Unbekannte habe die Pässe von den Leuten besorgt, die sie gehabt hätten und habe sie an einen anderen Ort gebracht, wo die Tickets organisiert worden seien – sind auch äußerst oberflächlich und vage. Schließlich ist auch die Angabe hinsichtlich der angeblichen Drohungen durch die Menschenhändler in Uganda widersprüchlich. Beim Bundesamt hatte die Klägerin noch angegeben, dass sie das Geld, das diese Leute von ihr verlangt haben, vielleicht zurückzahle, das sei aber nicht akzeptiert worden, sie solle in den Oman zurückkommen. In der mündlichen Verhandlung hat sie angegeben, dass sie kein Geld gehabt habe und dass deshalb ihre Rückkehr gefordert worden sei. Wenn die Klägerin auf Vorhalt vorträgt, dass die Leute mehr Geld hätten haben wollen, bedingt das nichts Anderes, da das ihre beim Bundesamt angegebene grundsätzliche Zahlungsbereitschaft – die in der mündlichen Verhandlung gerade nicht angegeben wurde – nicht in Frage stellt.
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b) Ungeachtet der Unglaubhaftigkeit ihres Vortrags handelt es sich bei den von der Klägerin vorgetragenen Umständen um eine private – kriminelle – Verfolgung. Es ist darauf hinzuweisen, dass der ugandische Staat grundsätzlich schutzbereit und -fähig ist (Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017, S, 7 ff. – trotz Korruption). Der ugandische Staat duldet die von der Klägerin geschilderten – angeblichen – Übergriffe nicht und geht auch dagegen vor. Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017 (S. 6 f.) kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden.
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c) Das Bundesamt hat vor diesem Hintergrund im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) abgelehnt.
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d) Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG liegen nicht vor.
20
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erkrankungsbedingtes Abschiebungshindernis nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Die Gefahr muss zudem konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – BVerwGE 142, 179, juris Rn. 34 m.w.N.; U.v. 25.11.1997 – 9 C 58/96 – juris). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes liegt nicht schon dann vor, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist (OVG NRW, B.v. 15.9.2003 – 13 A 3253/03.A – juris). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat gleichwertig ist mit derjenigen in der Bundesrepublik Deutschland (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
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Nach einem inoffiziellen Befundbericht eines Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 25. Mai 2019 leidet die Klägerin sehr wahrscheinlich an einer Traumafolgestörung mit Hyperarousal, Schlafstörungen, depressiver Symptomatik. Nach der fachärztlichen Stellungnahme vom 4. Dezember 2019 leidet die Klägerin unter leicht gedrückter Stimmung, Schlafstörungen und Appetitmangel. Anamnestisch wurden innere Anspannung, Erregungszustände und Alpträume angegeben. Aus beiden ärztlichen Attesten folgt weder eine schwerwiegende noch lebensbedrohliche Erkrankung. Auf ausdrückliche Nachfrage hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keine aktuell behandlungsbedürftigen Beschwerden angegeben.
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Im Übrigen ist eine Behandlungsmöglichkeit für psychische Erkrankungen in Uganda grundsätzlich gegeben. In Uganda wird ein großer Teil der psychiatrischen Versorgung durch die beiden Referenzkliniken in Kampala gewährleistet. Im Universitätskrankenhaus Mu. (50 Betten) und im psychiatrischen Krankenhaus Butabika (550 Betten) werden Patienten ambulant und stationär versorgt. Des Weiteren gibt es 13 regionale Referenzkrankenhäuser mit einer Kapazität von 337 Betten für die psychiatrische Versorgung. Daneben gibt es eine Reihe ambulanter Behandlungseinrichtungen. Die Abgabe von Medikamenten ist seit 2001 im staatlichen Gesundheitssystem kostenfrei. Allerdings werden Medikamente häufig im Krankenhaus „unter der Hand“ an Patienten verkauft. In kirchlichen Einrichtungen sind Medikamente weiterhin kostenpflichtig. Patienten kaufen Medikamente auch privat in Apotheken (vgl. zum Ganzen: Rukat, Diagnostische Praxis und Verschreibungsmuster in psychiatrischen Kliniken in Uganda, Dissertation, Berlin 2015, S. 6 – 11, im Internet allgemein verfügbar unter: https. …d-nb.info/1075493366/34)
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e) Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom 30. April 2020 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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2. Die Unbegründetheit der Klage liegt auf der Hand. Es sind keine Gesichtspunkte denkbar, die nach dem Vortrag der Klägerin irgendeinen Anhalt für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte oder die Zuerkennung des internationalen Schutzes sprechen könnten. Vielmehr ist der Vortrag der Klägerin – wie oben dargelegt – völlig realitätsfern und wirkt frei erfunden. Es ist völlig unplausibel, wirkt abstrus und entgegen der Lebenswirklichkeit, dass ein „unbekannter Mann“, dem sie sich anvertraut haben will, die Reisepässe für drei Frauen von einer Zuhälterbande erhält und die Ausreise unter Aufbringung der Mittel hierfür organisiert. Daher ist die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes/AsylG).
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
27
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
28
Nach § 78 Abs. 1 Satz VwGO ist dieses Urteil unanfechtbar.
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