Inhalt

VG München, Urteil v. 25.05.2023 – M 17 K 21.1509
Titel:

Geeignetheitsvorbehalt einer Rahmenvorgabe bei Einführung einer gelben Tonne

Normenketten:
VerpackG § 14 Abs. 1, § 22 Abs. 2
KrWG § 7 Abs. 4 S. 2
BayVwVfG Art. 37
Leitsätze:
1. § 22 Abs. 2 VerpackG enthält eine ausdrückliche Regelungsbefugnis hinsichtlich der Art des Sammelsystems (Hol-, oder Bringsystem), der Bestimmung von Art und Größe der Sammelbehältnisse, sowie der Leerungshäufigkeit und -zeiten. Sie stellt eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme zum geltenden Kooperationsprinzip und der Gleichordnung von Entsorgungsträgern und Systemen dar und ist daher auf die Ausnahmetatbestände des § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 VerpackG beschränkt. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die streitgegenständliche Rahmenvorgabe ist sowohl geeignet, um eine möglichst effektive, als auch umweltverträgliche Erfassung der Abfälle aus privaten Haushalten sicherzustellen (Geeignetheitsvorbehalt). Die Vorgaben müssen gerade nicht erforderlich sein, um eine Erhöhung der getrennt erfassten Menge an wertstoffhaltigen Abfällen zu erreichen oder um durch die Sammlung regelmäßig verursachte Umweltbelastungen, zum Beispiel Emissionen oder Standortverschmutzungen, zu verringern. Wollte man sie zusätzlich an das Kriterium der „Erforderlichkeit“ binden, würde man kommunale Optionen einengen, ohne dass dies durch das gesetzgeberische Ziel geboten wäre, und zudem erhöhter Rechtsunsicherheit aussetzen. Die Vielzahl absehbarer Rechtsstreitigkeiten würde die Regelung praxisuntauglich machen. (Rn. 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar geht die Vorschrift ausweislich ihres Wortlauts über die bloße Eignung der Rahmenvorgabe hinaus, indem sie zusätzlich eine „möglichst“ effektive und umweltverträgliche Regelung verlangt. Das Adverb „möglichst“ bedeutet „das Beste im Rahmen der Möglichkeiten“, es muss also nicht nur irgendein, sondern das optimale Ziel erreicht werden (vgl. VG Oldenburg BeckRS 2022, 27529). (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht anzustellen, sondern es reicht aus, aufgrund nachvollziehbarer Tatsachengrundlagen zu bestimmten Umweltaspekten eine Eignung der Rahmenvorgabe zur Förderung der Effektivität und Umweltverträglichkeit im Vergleich zur bestehenden Situation (hier „Bringsystem“) darzulegen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
5. Von einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Umsetzung der Rahmenvorgabe zusätzliche Kosten verursachen würde, die außer Verhältnis zu den Kosten stehen, welche das mit den Systemen bisher abgestimmte Sammelsystem verursacht. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abfallrecht, Rahmenvorgabe, Einführung einer gelben Tonne., wirtschaftliche Unzumutbarkeit, Sammelsystem, Umweltverträglichkeitsprüfung, Bringsystem, LVP-Sammlung, Geeignetheitsvorbehalt, Holsystem, Kooperationsprinzip
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.09.2023 – 12 ZB 23.1587
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19453

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer Rahmenvorgabe des Beklagten.
2
Die Klägerin betreibt eines von aktuell zwölf bundesweit genehmigten Systemen zur regelmäßigen Abholung von als Abfall anfallenden restentleerten Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher (vgl. § 3 Abs. 16 VerpackG). Aufgabe der Systembetreiber ist die flächendeckende Organisation und Durchführung der Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verkaufsverpackungen.
3
Der Beklagte ist öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für die in seinem Gebiet anfallenden überlassungspflichtigen Abfälle. Für die Sammlung von Restabfällen werden in einem Holsystem jedem Haushalt Müllgroßbehälter (MGB) mit einem Volumen von 80 l, 120 l, 240 l und 1.100 l zur Verfügung gestellt. Auf Antrag werden Müllsäcke in grauer Farbe mit 70 l Volumen für Anschlusspflichtige, deren Grundstücke außerhalb der geschlossenen Ortschaften und nicht unmittelbar an den Abfuhrwegen der Müllfahrzeuge liegen, zur Verfügung gestellt. Bei verstärktem Restmüllabfall können die Anschlusspflichtigen zur Verfügung gestellte Müllsäcke in grauer Farbe mit 70 l Volumen neben den zugelassenen Müllgroßbehältern zur Abholung bereitstellen. Die Restabfallsammelbehältnisse werden im Rhythmus von 14 Tagen entleert.
4
Bisher erfolgt die Sammlung restentleerter Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen (Leichtverpackungen – LVP) bei privaten Haushalten über die Wertstoffhöfe der Beklagten im Bringsystem. Die Bürger geben gefüllte gelbe Säcke selbstständig dort ab und erhalten neue bzw. zusätzliche Säcke. Zusätzlich werden Dosen (Metallverpackungen) über Depotcontainer erfasst. Hierdurch wurden im Gebiet der Beklagten im Jahr 2019 insgesamt 2.280 t LVP erfasst, was einem Wert von ca. 18 kg/Einwohner im Jahr entspricht. Die durchschnittliche Sammelmenge in der Bundesrepublik Deutschland betrug ca. 30 kg/Einwohner im Jahr (Bl. 27 der Behördenakte – BA).
5
Im Jahr 2020 verhandelte der Beklagte mit dem gemeinsamen Vertreter der Dualen Systeme über den Abschluss einer Abstimmungsvereinbarung für den (teils bereits zurückliegenden) Zeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021. Unstimmigkeiten bestanden bei der Erhöhung der für die Mitbenutzung der Wertstoffhöfe zu entrichtende Entgelte (Bl. 10 ff., 19 ff. der BA). Im Jahr 2021 wurde sich auf eine Mitbenutzung der Wertstoffhöfe des Beklagtes zu einem Entgelt von 2,20 €/Einwohner/Jahr geeinigt. Die in der Abstimmungsvereinbarung 2019-2021 befindliche Auflistung beiliegender Anlagen enthält bei der Anlage über die Mitbenutzung der Wertstoffhöfe den Zusatz „entfällt ab 1.1.2022“.
6
Mit E-Mail vom 25. Februar 2020 wies ein Vertreter der Dualen Systeme den Beklagten darauf hin, „dass sich das aktuelle Erfassungssystem als ineffizient erwiesen hat und die Recyclingvorgaben des Verpackungsgesetzes bezogen auf den Landkreis […] bei weitem nicht erreicht sind. […] Insofern werden in Ihrem Landkreis 17 kg Leichtverpackungen pro Einwohner und Jahr weniger erfasst. […] Die dualen Systeme müssen gemäß VerpackG hohe Recyclingquoten auf alle beteiligten und gesammelten Verkaufsverpackungen erfüllen und nachweisen und sind deshalb auf jede korrekt vom Bürger gesammelte Verpackung angewiesen. Gemäß dem seit 1. Januar 2019 gültigen Verpackungsgesetz liegt die mindestens zu erreichende Recyclingquote für Weißblech und Aluminium bei 80%, für Getränkekartons bei 75% und für sonstige Verbunde bei 55%. Kunststoffverpackungen sind zu mindestens 90% einer Verwertung zuzuführen, wobei wiederum mindestens 65% dieser auferlegten Quote werkstofflich verwertet werden müssen. Alle per Gesetz geforderten Recyclingquoten erhöhen sich ab dem … … … nochmals deutlich.“
7
Der Kreistag des Beklagten beschloss am 26. Oktober 2020 die Einführung der gelben Tonne im Holsystem ab frühestens … … … (Bl. 26 der BA). Hierüber wurde die Klägerin informiert.
8
Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Januar 2021 zum Erlass einer Rahmenvorgabe nach § 22 Abs. 2 VerpackG an (Bl. 68 ff. der BA).
9
Am 15. Februar 2021 fand zwischen den Parteien eine Videokonferenz statt. Hierbei brachte die Klägerin zum Ausdruck, dass sie die Einführung eines Holsystems mittels Gelber Tonne ablehne.
10
Mit Bescheid vom … … … erließ der Beklagte für das Gebiet des Landkreises … … … … eine Rahmenvorgabe für die Sammlung restentleerter Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen aus privaten Haushalten nach § 22 Abs. 2 VerpackG. Er ordnete gegenüber der Klägerin in Ziff. 1 an, dass diese die Sammlung von LVP bei privaten Haushalten ab dem … … … wie folgt durchzuführen habe: „Die Sammlung ist als Behältersammlung („gelbe Tonne“) im Holsystem durchzuführen (Ziff. 1a). Die Sammlung ist grundsätzlich mit Müllgroßbehältern (MGB) mit einem Volumen von 240 l durchzuführen. Bei Mehrfamilienhäusern mit mehr als 20 Personen hat die Klägerin MGB mit einem Volumen von 1.100 l zu verwenden (Ziff. 1b). Die eingesetzten MGB müssen aus schwarzem Kunststoff (Korpus) und gelbem Kunststoff (Deckel) bestehen (Ziff. 1c). Die eingesetzten MGB sind im 14-täglichen Entsorgungsrhythmus zu entleeren (Ziff. 1d). Ausgenommen von den obenstehenden Vorgaben sind bis zu 13 Haushalte, deren Grundstücke von Müllfahrzeugen nicht angefahren werden können (sogenannte „Einöden“). Eine aktualisierte Adressliste mit den Adressen der Einöden wird der Klägerin rechtzeitig (mindestens drei Monate) vor Beginn der Erfassung im Holsystem vom Landkreis Pfaffenhofen übermittelt (Ziff. 1e).“ In Ziff. 2 ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 an. In Ziff. 3 droht der Beklagte für den Fall, dass die Klägerin der Verpflichtung aus Ziffer 1 nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkommt, ein Zwangsgeld i.H.v. 50.000,00 € an. In Ziff. 4 wurden der Klägerin die Kosten für den Bescheid auferlegt.
11
Zur Begründung des Bescheids führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass nur durch eine Umstellung von einem Bringauf ein Holsystem die Menge der erfassten LVP signifikant erhöht werden könne. Über das bestehende Bringsystem sei in den letzten Jahren regelmäßig weniger als 18 kg/EW/a LVP erfasst worden. Dies liege über 12 kg/EW/a unter dem Bundesdurchschnitt. Die ab 2022 erhöhten Quoten des Verpackungsgesetzes seien hiermit nicht zu erfüllen. Bei einer Umstellung auf ein Holsystem sei aufgrund der Erfahrungen in anderen Gebietskörperschaften mit mindestens einer Verdoppelung der LVP-Menge zu rechnen. Der Großteil des Anstiegs werde nicht aus Fehlwürfen bestehen, sondern aus LVP, die bislang noch falsch über die Restmülltonne entsorgt würden. Es würden CO₂-Emissionen vermieden, da im Landkreis 20 v.H. der Anlieferer nur wegen der Abgabe der LVP die Wertstoffhöfe besuchen würden. Im Vergleich zu einem Holsystem mit dem Gelben Sack biete die Tonne den eindeutigen Vorteil, dass zusätzliche Umweltverschmutzungen durch das Aufreißen der Säcke unterbunden würden. Tonnen böten zudem einen sicheren Schutz gegen Tierverbiss und vor Verwehungen. Schließlich werde die ständige Neuproduktion von Einwegkunststoffen vermieden. Die Tonne biete gegenüber dem Gelben Sack einen höheren Entsorgungskomfort und fördere die Bereitschaft zur korrekten Abfalltrennung in der Bevölkerung, da beispielsweise Bürger Konservendosen nicht mehr aus Sorge vor zerreißenden Säcken in die Restmüllabfalltonne würfen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit sei beim Vergleich von bestehendem System und der Rahmenvorgabe zu beachten, dass sich die zukünftigen Wertstoffhofmitbenutzungskosten der Klägerin erhöhten und die Kosten des Individualverkehrs miteinzubeziehen seien. Es sei bereits fraglich, ob die Kosten eines Holsystems über Gelbe Tonnen überhaupt wesentlich höher lägen als die zukünftigen Kosten des bestehenden Bringsystems. Jedenfalls stünden diese nicht außer Verhältnis zu den Kosten des bisherigen Sammelsystems. In die Beurteilung seien ökologische Erwägungen einzubeziehen. Kostensteigerungen, die der Umweltverträglichkeit und Effektivität der LVP-Erfassung im Sinne einer „bestmöglichen Entsorgung“ dienten, seien grundsätzlich hinzunehmen, sofern diese nicht den eingerichteten und ausgeübten Betrieb des Systems in seiner Eigentumsfreiheit unverhältnismäßig beeinträchtigten. Im Rahmen des Ermessens führt der Beklagte aus, dass das Interesse an einer dem kommunalen Sammelsystem angepassten sowie ökologischen Aspekten genügenden LVP-Erfassung deutlich höher wiege als die mit einer Umstellung auf ein Holsystem verbundenen Kosten. Die Anordnung sei notwendig, um die durch das VerpackG vorgegebenen Verwertungs- und Recyclingquoten zu erreichen. Die Höhe von 50.000,00 € des angedrohten Zwangsgelds orientiere sich an der sachlich und wirtschaftlich wichtigsten Verpflichtung, nämlich der der Rahmenvorgabe entsprechende Ausschreibung und Vergabe des Sammelauftrags durch die Klägerin als Ausschreibungsführerin. Der Beklagte sei bei der Berechnung davon ausgegangen, dass der Ausschreibungsführer einen Vertrag über drei Jahre abschließe. Bereits beim bestehenden Bringsystem liege das Gesamtvolumen bei mindestens 1,23 Mio €. Bei einem Verstoß gegen andere Verpflichtungen mit geringerer wirtschaftlicher Bedeutung werde der Beklagte das Zwangsgeld ggfs. entsprechend niedriger festsetzen.
12
Am 26. April 2021 veröffentlichte die Klägerin die Ausschreibungsunterlagen für den Entsorgungsauftrag LVP im Gebiet des Beklagten ab … … … Mit Verweis auf den anhängigen Rechtsstreit wird die LVP-Erfassung in zwei alternativen Losen ausgeschrieben. Die Laufzeit beträgt in beiden Fällen grundsätzlich drei Jahre. Das Los 1 „Wertstoffhof-Erfassung“ sieht die Beibehaltung der gegenwärtigen Systemausgestaltung über den … … … hinaus vor. Der Erfassungsvertrag beinhaltet eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit zum 31. Dezember 2023. Das Los 2 „Behältersammlung“ sieht die Einführung der Behältersammlung ab dem … … … vor. Der Zuschlag wird abhängig von der gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz erteilt.
13
Am 18. März 2021 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag,
14
den Bescheid vom … … … Az.: … aufzuheben.
15
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sie bei einer Videokonferenz mit dem Beklagten am 15. Februar 2021 die Verwendung von Gelben Säcken im Rahmen eines Holsystems angeboten habe. Die Rahmenvorgabe sei zur Sicherstellung einer effektiven und umweltverträglichen Erfassung nicht geeignet. Der Beklagte habe nicht dargelegt oder geprüft, dass es zu einer Verringerung von Umweltbelastungen kommen werde. Es werde nur pauschal behauptet, dass es bei gelben Säcken zu zusätzlichen Umweltverschmutzungen durch aufgerissene und herumfliegende Säcke komme. Dies könne aber auf falschem Befüllen der Säcke beruhen oder darauf, dass die Gelben Säcke zu früh zur Sammlung bereitgestellt würden. Diese nicht in der Sphäre der Klägerin liegende Umstände kämen im Übrigen in Einzelfällen in nahezu jedem Entsorgungsgebiet vor und machten Gelbe Säcke nicht zu einem „ungeeigneten“ Erfassungssystem. Die ständige Neuproduktion von Einwegkunststoffen gehe nicht zurück. Die meisten Haushalte würden die anfallenden LVP zunächst in einem Kunststoffsack sammeln und anschließend in der Gelben Tonne entsorgen. Bei der Sammlung mit Gelben Tonnen käme es aufgrund der zeitintensiveren Schüttung in das Müllfahrzeug auch zu erheblich längerem Fahrzeugeinsatz und höheren Kosten. Es sei wahrscheinlich, dass dies zu einer höheren Emissionsbelastung führe. Weiter käme es nicht zu einer Erhöhung der getrennt erfassten Mengen. Gelbe Tonnen böten nur ein beschränktes Erfassungsvolumen. Die Fehlwurfquote würde erheblich ansteigen. Bei einer LVP-Sammlung mittels transparenter gelber Säcke könnten fehlbefüllte Säcke von der Müllabfuhr stehen gelassen werden. Ausweislich einer Studie des Bundesumweltamtes sei der Fehlwurfanteil bei einer Sammlung per Sack „hoch“, bei einer Sammlung per Tonne dagegen „sehr hoch“. Selbst wenn man von einer Erhöhung der Mengen an getrennt erfassten wertstoffhaltigen Abfällen ausginge, ginge dies aufgrund der erheblich höheren Fahrzeugemissionen zu Lasten des anderen Ziels. Weiter sei die Befolgung der Rahmenvorgabe wirtschaftlich unzumutbar. Die Heranziehung etwaig höherer zukünftiger Kosten der Wertstoffhofmitbenutzung durch den Beklagten sei in der Gesetzesbegründung nicht vorgesehen. Die Kosten des Individualtransports der Bürger seien nicht maßgeblich, da der Gesetzeswortlaut auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Systeme abstelle. Mit der Einführung eines Holsystems mittels Gelber Tonne käme es im Vergleich zum bisherigen Bringsystem aufgrund Anschaffung und Wartung der Tonnen, Kosten für die Leerung der Tonnen und Transport der LVP zu einer Vervierfachung der Kosten. Schließlich sei die Jahresfrist des § 22 Abs. 2 Satz 4 VerpackG missachtet worden. Diese gelte mit Blick auf die Vorlaufzeit für notwendige Ausschreibungen auch bei einer erstmaligen Rahmenvorgabe. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit handle es sich bei der in der Rahmenvorgabe vorgesehenen Regelung nicht um das mildeste Mittel. So hätte geprüft werden können, ob durch die Einführung stärkerer Materialien die vom Beklagte vorgebrachten Verschmutzungen bei Gelben Säcken unterbunden werden könnten. Bei einem Vergleich der sich durch die Rahmenvorgabe ergebenden Mehrkosten und nur „ungewissen Verbesserungen“ bei Einführung der Gelben Tonne sei die Rahmenvorgabe nicht angemessen. Die Zwangsgeldandrohung sei schon aufgrund der Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts rechtswidrig. Daneben genüge sie nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz, da unklar bleibe, ob das einheitliche Zwangsgeld bereits dann verhängt werde, wenn nur gegen eine oder einige Verpflichtungen verstoßen werde oder wenn keine der Verpflichtung erfüllt werde. Die Klägerin werde die Entsorgungsleistung in zwei alternativen Losen ausschreiben und je nach Ausgang des gerichtlichen Verfahrens im Eilrechtsschutz vergeben. Die durch das Verpackungsgesetz vorgegebene Verwertungs- und Recyclingquote treffe allein die Systeme. Es sei nicht Sache der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, diese einzuhalten.
16
Demgegenüber beantragte der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Dies begründete er mit Schriftsatz vom 3. Mai 2021 im Wesentlichen damit, dass die Klägerin die alternative Verwendung von Säcken im Holsystem erst bei einer Videokonferenz am 26. Februar 2021 auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vorgebracht habe. Eine kumulative Förderung der Ziele, möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung, sei nicht erforderlich. Die Klägerin beschränke sich überdies auf einen Vergleich von Holsystem in Säcken gegenüber Holsystem in Tonnen. Es unterbleibe die Einbeziehung der Vorteile, die die Umstellung des Bringauf das Holsystem mit sich bringe. Eine Studie des Umweltbundesamts empfehle, Holsystemen grundsätzlich den Vorzug zu geben. Ein Wertstoffhofsystem erziele nur geringe Sammelmengen und erzeuge hohe Aufwendungen für den Individualverkehr. Ein Holsystem mit Gelber Tonne weise die höchste Sammelmenge auf. Da der Gesetzgeber ausdrücklich von „Effektivität“ der Sammlung und nicht „Effizienz“ spreche, stehe die Erhöhung der Fehlwurfquote dem Ziel nicht entgegen. Auch weise die Sammlung durch Gelbe Säcke eine „hohe“ Fehlwurfquote auf. Außerdem sei der im ursprünglichen Gesetzesentwurf enthaltene „Erforderlichkeitsvorbehalt“ durch einen „Geeignetheitsvorbehalt“ ersetzt worden. Die sich durch die Rahmenvorgabe ergebenden Vorteile würden nicht durch CO₂-Emissionen aufgewogen. Anderenfalls wäre jede Umstellung von einer Sacksammlung auf eine Sammlung durch Tonnen in Frage gestellt. Es sei zu bezweifeln, dass es tatsächlich zu längeren Fahrzeugeinsätzen komme. Insbesondere das Reißen von Säcken bei der Sammlung und das dadurch notwendige Aufsammeln und Beseitigen von LVP-Abfällen verlängere den Fahrzeugeinsatz. Tonnen würden für einen Nutzungszeitraum von rund 15 Jahren einmalig angeschafft, wohingegen Gelbe Säcke jährlich angeschafft und ausgeliefert werden müssten. Dies führe zu höheren CO₂-Emissionen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ergebe sich durch Auslegung der relevanten EU-Gesetzgebung, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, alle erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung eines Systems zur Rücknahme von verbrauchten Verpackungen einzurichten mit dem Ziel einer bestmöglichen Entsorgung. Auch erhebliche Kosten seien vom Gesetzgeber bei dem Erlass einer Rahmenvorgabe akzeptiert und als zulässig erachtet worden. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung werde durch § 22 Abs. 2 Satz 1 HS 2 VerpackG konkretisiert. Es müsse hinsichtlich der Effektivität und Umweltverträglichkeit gerade nicht das mildeste Mittel gewählt werden. Die Jahresfrist sei für die erstmalige Vorgabe einer Rahmenvorgabe nicht anwendbar. Die Klägerin sei darüber hinaus nicht an Erfassungsverträge gebunden, auf deren Restlaufzeit Rücksicht zu nehmen gewesen sei. Die Zwangsgeldandrohung sei bestimmt genug. Es handle sich um eine einheitliche Handlungspflicht, die nicht in verschiedene Ge- oder Verbote untergliedert werden könne. Das Zwangsgeld diene folglich nicht der Durchsetzung mehrerer selbstständiger Verpflichtungen. Zudem habe man sich ein vorzeitiges Kündigungsrecht einräumen lassen. Die Anschaffungskosten für die Gelben Tonne träfen daneben nicht die Klägerin selbst, sondern deren Auftragnehmer.
18
Mit Schriftsätzen vom 25. Mai 2021, 24. Juni 2021 und 29. Juli 2021 ergänzte und vertiefte die Klägerin ihren Vortrag. Sie habe die Verwendung von Gelben Säcken im Rahmen eines Holsystems bereits bei einem Gesprächstermin am 2. Juni 2020 angeboten. Dieser Vorschlag sei seitens des Beklagten abgelehnt und die Ablehnung bei einem Telefonat mit der Klägerin am 18. August 2020 bekräftigt worden. Die Klägerin könne die im Wege der verfahrensgegenständlichen Rahmenvorgabe beabsichtigte Systemumstellung angreifen, ohne sich hierbei darauf verweisen lassen zu müssen, dass die LVP-Erfassung bislang im Bringsystem praktiziert worden sei. Durch die höhere Fehlwurfquote bei einer Tonnensammlung sei diese weniger effektiv, da gesetzgeberisches Ziel die Erhöhung der getrennt erfassten Mengen an wertstoffhaltigen Abfällen sei. Dies sei nicht gleichzusetzen mit der reinen Erhöhung der Sammelmenge. Die Gelben Säcke seien recyclebar. Die nach Auffassung des Beklagtes bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit zu berücksichtigenden „ökologischen Erwägungen“ hätten weder im Gesetz noch in der Begründung des Gesetzesentwurfs Niederschlag gefunden. Die Kosten für die Anschaffung der Tonnen werde der Entsorger infolge der nur dreijährigen Laufzeit des Vertrags mehr oder weniger vollumfänglich in die Erfassungspreise gegenüber den Systemen einpreisen. Die Abschreibung erfolge damit über drei Jahre und der Klägerin entstünden im Entsorgungsgebiet des Beklagtes Kosten von jährlich 378.000,00 €. Bei der bisherigen Sammelmenge von 18 kg und dem bestehenden Bringsystem entstünden den Systemen jährlich Kosten i.H.v. 410.000,00 €. Diese würden bei einer Umstellung auf ein Holsystem mittels Tonnen auf 1.005.000,00 € und damit um ca. 145% steigen. Für die Klägerin allein bedeute dies eine Steigerung von ca. 327.000,00 € jährlich. Unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Sammelmenge von 35 kg ergebe sich für die Systeme eine Kostensteigerung von ca. 279% auf ca. 1.553.000,00 €. Die Mehrkosten für die Klägerin betrügen dann ca. 628.000,00 € jährlich. In anderen Landkreisen, in denen eine derartige Umstellung erfolgt sei, sei es zu tatsächlichen Preissteigerungen von 100% bis 266% gekommen. Zudem führten sehr hohe Fehlwurfquoten zu erhöhten Kosten an den Abfallumschlagplätzen sowie erhöhten Sortierkosten. Zudem ergebe sich ein erhöhter Personalaufwand. Künftige Kosten des bisher abgestimmten Sammelsystems seien im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ausweislich der Gesetzesbegründung nicht zu berücksichtigen. Im Rahmen der Jahresfrist sei zu berücksichtigen, dass den an der Ausschreibung teilnehmenden Entsorgungsunternehmen noch ausreichende Zeit zur Verfügung stehen müsse, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung werde in § 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG lediglich näher konkretisiert. Ein Absenken der allgemeinen Voraussetzungen ergebe sich hieraus nicht. Auch durch die Ersetzung des Begriffs „Erforderlichkeit“ durch
„Eignung“ habe der Gesetzgeber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht relativieren wollen. Vielmehr habe der Gesetzgeber die allgemeinen Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betonen oder sogar anheben wollen.
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Mit Schriftsätzen vom 16. Juni 2021 und 13. Juli 2021 ergänzte und vertiefte der Beklagte seinen Vortrag. Weder bei dem Gespräch am 2. Juni 2020 noch am 18. August 2020 sei von der Klägerin ein Holsystem mit Gelben Sack vorgeschlagen worden. Gegenüber dem Beklagten habe die Klägerin mitgeteilt, dass das Scheitern der Rahmenvorgabe darauf zurückzuführen sei, dass das Kostenclearing zwischen den Dualen Systemen nicht zu einem Konsens geführt habe. Die Vorteilhaftigkeit des Holsystems mittels Gelber Tonne gegenüber einem Holsystem mittels Gelbem Sack mit Blick auf die möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der streitgegenständlichen LVP-Abfälle ergebe sich aus der Studie des Umweltbundesamts und werde zudem im Positionspapier „Gelbe Tonne versus Gelber Sack: Vergleich von Effektivität und Umweltverträglichkeit“ des Verbandes kommunaler Unternehmen e.V. vom Juli 2021 bestätigt. Hinsichtlich der Standortverschmutzungen könne auf andere Kommunen sowie die auf den Wertstoffhöfen des Beklagten stattfindenden Verwehungen verwiesen werden. Auch die Gelben Säcke befänden sich aufgrund ihres Fassungsvolumens nicht in den Küchen der Bürger, sodass insofern hinsichtlich des Verbrauchs zusätzlich kleiner Müllbeutel kein Unterschied bestehe. Aus der Studie des Bundesumweltsamts ergebe sich, dass auch unter Berücksichtigung der Störstoffe die Menge der wertstoffhaltigen Abfälle bei der Sammlung in Tonnen höher sei. Die jährlichen Kosten für die Behälter beliefen sich bei einem Abschreibungszeitraum von acht Jahren auf ungefähr 139.650,00 €, bei drei Jahren auf 372.400,00 €, wovon die die Klägerin lediglich etwas mehr als 50% als Ausschreibungsführerin und entsprechend ihrem Marktanteil übernehmen müsste. Erheblich höhere Sortierkosten bei der Gelben Tonne seien nicht lebensnah, da eine Sortierung des LVP-Sammelgemischs in jedem Fall stattzufinden habe. Bei einer Betrachtung des bisherigen Sammelsystems sei zu berücksichtigen, dass für die Mitbenutzung der Wertstoffhöfe von den Systemen ab dem Jahr 2022 Entgelte in Höhe von mindestens 755.000 € jährlich zu entrichten seien. Eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung sei nicht angezeigt, da ansonsten die besonderen Voraussetzungen des konkretisierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz umgangen würden. Bereits im Juni 2020 habe man über die Einführung eines Holsystems mittels Gelber Tonne gesprochen, was eine ausreichende Vorlaufzeit darstelle. Zwischen den Parteien hätten enge Abstimmungen stattgefunden.
20
Mit Beschluss vom 9. September 2021 stellte das Verwaltungsgericht München auf Antrag der Klägerin vom 1. April 2021 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 18. März 2021 hinsichtlich der Ziff. 1a bis 1e des Bescheids vom … … … wieder her und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Ziff. 3 und 4 des Bescheids an. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen (VG München, B. v. 9.11.2021 – M 17 S …*). Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zurück (BayVGH, B. v. 15.11.2021 – 12 CS …*).
21
Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2023 teilte der Beklagte mit, dass den Systemen die Mitbenutzung der Wertstoffhöfe bis zum 31. Dezember 2023 gewährt worden sei.
22
Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2023 vertiefte die Klägerin ihren Vortrag weiter und führte im Wesentlichen aus, dass der Entsorgungsstandard des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Gesetz lediglich in § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG in Form einer „Obergrenze“ seinen Niederschlag gefunden habe. Die Rahmenvorgabe diene nicht als Instrument, um einseitig Anordnungen zu treffen, mit denen sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger in den Verhandlungen über eine zu treffende Abstimmungsvereinbarung nicht habe durchsetzen können. Die Rahmenvorgabe sei daher bereits aufgrund ihrer Zielsetzung rechtswidrig. Es sei nicht ausreichend dargelegt worden, dass die Einführung einer gelben Tonne zu einer Verringerung von Umweltbelastungen führen werde. Die Qualität der Sammlung im Tonnensystem sei deutlich geringer, als bei einer Sammlung im Sacksystem. Eine Sacksammlung sei jedenfalls das mildere Mittel, im Vergleich zur angeordneten Tonnensammlung. Der Beklagte genüge auch seiner Beweislast für die Tatsachen, die Voraussetzung für die belastende Rechtsfolge seien, nicht. Der Beklagte habe zudem die Jahresfrist des § 22 Abs. 2 Satz 4 VerpackG missachtet. Unabhängig vom Wortlaut der Vorschrift sei zu beachten, dass der Gesetzgeber in der Begründung erwähnt habe, dass Änderungen von Rahmenvorgaben mit einem angemessenen zeitlichen Vorlauf, mindestens jedoch ein Jahr vor dem Wirksamwerden bekannt gegeben werden müssten. Dadurch solle den dualen Systemen Zeit gegeben werden, sich auf die Änderungen einzustellen.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte im Eilverfahren (M 17 S …*) und in diesem Verfahren sowie die vorgelegte Behördenakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2023 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die streitgegenständlichen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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I. Die gemäß § 22 Abs. 2 VerpackG erlassene Rahmenvorgabe des Beklagten vom … … … begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Gemäß § 22 Abs. 2 VerpackG kann ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger durch schriftlichen Verwaltungsakt gegenüber den Systemen festlegen, wie die nach § 14 Abs. 1 durchzuführende Sammlung der restentleerten Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen bei privaten Haushalten hinsichtlich
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1. der Art des Sammelsystems, entweder Holsystem, Bringsystem oder Kombination aus beiden Sammelsystemen,
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2. der Art und Größe der Sammelbehälter, sofern es sich um Standard-Sammelbehälter handelt, sowie
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3. der Häufigkeit des Zeitraums der Behälterleerungen
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auszugestalten ist, soweit eine solche Vorgabe geeignet ist, um eine möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle aus privaten Haushaltungen sicherzustellen, und soweit deren Befolgung den Systemen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz nicht technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist (Rahmenvorgabe). Die Rahmenvorgabe darf nicht über den Entsorgungstandard hinausgehen, welchen der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger der in seiner Verantwortung durchzuführenden Sammlung der gemischten Siedlungsabfälle aus privaten Haushalten zugrunde legt. Rahmenvorgaben können frühestens nach Ablauf von drei Jahren geändert werden. Jede Änderung ist mit einem angemessenen zeitlichen Vorlauf, mindestens jedoch ein Jahr vor ihrem Wirksamwerden den Systemen bekannt zu geben.
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§ 22 Abs. 2 VerpackG stellt dabei eine taugliche Rechtsgrundlage dar (1.). Die streitgegenständliche Rahmenvorgabe ist geeignet, um eine möglichst effektive (2.1.) und umweltverträgliche (2.2.) Erfassung der Abfälle aus privaten Haushalten sicherzustellen. Sie ist der Klägerin weder wirtschaftlich unzumutbar bzw. technisch unmöglich (2.3.) noch geht sie über den Standard des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers hinaus (2.4.). Die Jahresfrist des § 22 Abs. 2 S. 4 VerpackG ist nicht einschlägig (2.5.). Zudem erweist sich die Rahmenvorgabe als ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig (3.).
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1. § 22 Abs. 2 VerpackG erweist sich als taugliche Rechtsgrundlage zur Erlass der streitgegenständlichen Rahmenvorgabe.
34
Die Vorschrift enthält eine ausdrückliche Regelungsbefugnis hinsichtlich der Art des Sammelsystems (Hol-, oder Bringsystem), der Bestimmung von Art und Größe der Sammelbehältnisse, sowie der Leerungshäufigkeit und -zeiten. Sie stellt eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme zum geltenden Kooperationsprinzip und der Gleichordnung von Entsorgungsträgern und Systemen dar und ist daher auf die Ausnahmetatbestände des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VerpackG beschränkt.
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Die streitgegenständliche Rahmenvorgabe sieht eine Sammlung LVP-Abfälle in einem reinen Holsystem mittels Müllgroßbehältern vor. Eine über die Rechtsgrundlage hinausgehende Anordnung zur näheren Gestaltung des Holsystems enthält die Rahmenvorgabe nicht. Insbesondere liegt hier kein sog. Vollservice-System vor, bei welchem die Mülltonnen von einem gemeinsamen Stellplatz auf dem Grundstück des Anschlusspflichtigen in bis zu 15 m Entfernung zum Fahrbahnrand kostenlos abgeholt werden müssen (vgl. Zur Rechtswidrigkeit eines solchen Systems: Nds. OVG, B. v. 31.8.2020 – 7 ME 81/20 – juris Rn. 8 ff.; VG Göttingen, U. v. 17.11.2022 – 4 A 1/20 -
V. n. b.; VG Würzburg, B. v. 23.3.2021 – W 10 S 21.60 – juris Rn. 74 ff.).
36
Ferner sind auch die Anordnung eines 14- täglichen Entsorgungsrhythmus und die Verwendung von Müllgroßbehältern sowie deren äußere Gestaltung mit gelbem Kunststoff (Deckel) und schwarzem Kunststoff (Korpus) von § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 VerpackG gedeckt.
37
Die weiteren Einwände der Klägerin zur Rechtsgrundlage greifen nicht durch. Eine darüberhinausgehende rechtswidrige Zielsetzung der Rahmenvorgabe erkennt die Kammer nicht.
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2. Die streitgegenständliche Rahmenvorgabe ist sowohl geeignet, um eine möglichst effektive, als auch umweltverträgliche Erfassung der Abfälle aus privaten Haushalten sicherzustellen. Ihre Befolgung ist der Klägerin bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem VerpackG weder technisch unmöglich noch wirtschaftlich unzumutbar. Zudem geht die Rahmenvorgabe nicht über den Entsorgungsstandard hinaus, den der Beklagte als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger bei der Sammlung gemischter Abfälle aus privaten Haushalten zugrunde legt.
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Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf mussten Rahmenvorgaben erforderlich sein, um eine möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle aus privaten Haushaltungen sicherzustellen. Die Vorgaben mussten also erforderlich sein, um eine Erhöhung der getrennt erfassten Menge an wertstoffhaltigen Abfällen zu erreichen (Effektivität) oder um durch die Sammlung regelmäßig verursachte Umweltbelastungen, zum Beispiel Emissionen oder Standortverschmutzungen, zu verringern (Umweltverträglichkeit) (BT-Drs. 18/11274, S. 110). Dieser zunächst vorgesehene „Erforderlichkeitsvorbehalt“ wurde im Gesetzgebungsverfahren durch einen „Geeignetheitsvorbehalt“ ersetzt. Auch der Ausschuss des Bundesrats regte an, „erforderlich“ mit „geeignet“ auszutauschen, was er wie folgt begründete: „Die gewollten autonomen kommunalen Steuerungsmöglichkeiten bei der Erfassung erfordern eine vollzugstaugliche Ausgestaltung. Die vom Gesetzgeber verfolgte Harmonisierung des dualen mit dem öffentlich-rechtlichen Erfassungssystem unter Wahrung der ökologischen Aspekte setzt Rahmenvorgaben voraus, die geeignet sind, diese Zielstellung zu fördern. Wollte man sie zusätzlich an das Kriterium der „Erforderlichkeit“ binden, würde man kommunale Optionen einengen, ohne dass dies durch das gesetzgeberische Ziel geboten wäre, und zudem erhöhter Rechtsunsicherheit aussetzen. Die Vielzahl absehbarer Rechtsstreitigkeiten würde die Regelung praxisuntauglich machen“ (BR-Drs. 797/1/16, S. 15).
40
Die Rahmenvorgabe muss nun nicht mehr das mildeste Mittel zum Erreichen der vorgegebenen Ziele enthalten, sondern lediglich einen Beitrag zur Sicherstellung einer möglichst effektiven und umweltverträglichen LVP-Sammlung leisten. Unzulässig bleiben danach Rahmenvorgaben, die ausschließlich andere Zwecke verfolgen, also keinen Beitrag zur Sicherstellung der Effektivität und Umweltverträglichkeit der Sammlung leisten (BT-Drs. 18/11781, S. 15).
41
Insoweit als die Klägerin auf die ursprüngliche Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/11274) hinweist, lässt sie unberücksichtigt, dass zu diesem Zeitpunkt noch ein „Erforderlichkeitsvorbehalt“ im Gesetz enthalten war, der später gestrichen wurde. Die entsprechenden Erwägungen zu einer etwaigen Prüfung der Erforderlichkeit sind daher nicht mehr zur Auslegung heranzuziehen.
42
Die damit einhergehende Relativierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist jedoch gerechtfertigt, da zugleich die feste Obergrenze des Sammelstandards, den der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger für seine Restmüllsammlung anwendet, bestehen bleibt. Dadurch werden Rahmenvorgaben nach oben wirksam begrenzt. Darüber hinaus bleibt als Korrektiv im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Beschränkung von Rahmenvorgaben auf das technisch mögliche und wirtschaftlich zumutbare Maß. So können zum Beispiel bestimmte Sammelstandards für die kommunale Restmüllabfuhr noch wirtschaftlich vertretbar sein, während sie für die Dualen Systeme auf Dauer wirtschaftlich nicht mehr zumutbar wären. Die Beweislast für eine technische Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt weiterhin bei den Systemen (BT-Drs. 18/11781, S. 16).
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Zwar geht die Vorschrift ausweislich ihres Wortlauts über die bloße Eignung der Rahmenvorgabe hinaus, indem sie zusätzlich eine „möglichst“ effektive und umweltverträgliche Regelung verlangt. Das Adverb „möglichst“ bedeutet „das Beste im Rahmen der Möglichkeiten“, es muss also nicht nur irgendein, sondern das optimale Ziel erreicht werden (vgl. VG Oldenburg, U. v. 28.9.2022 – 15 A 3633/19 –, juris Rn. 123). Jedoch geht die Kammer mit der wohl überwiegenden Mehrheit der Rechtsprechung davon aus, dass dem öffentlichen Entsorgungsträger insoweit ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zusteht (VG Braunschweig, 23.2.34 – 4 A 213/21 – juris Rn. 77; VG Oldenburg, U. v. 28.9.2022 – 15 A 3633/19 – juris Rn. 61, 124; VG Neustadt an der W.straße – 4 K 354/22.NW – n.V; Für Möglichkeit eines solchen Spielraums: VGH BW, B. v. 13.10.2020 – 10 S 2820/20 – juris Rn. 14; VG Sigmaringen, B. v. 21.7.2020 – 4 K 786/20 – juris Rn. 44 f.; VG Würzburg, B. v. 23.3.2021 – W 10 S 21.60 – juris Rn. 72).
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Dies bedeutet, dass dieser rechtlich nicht gehalten ist, eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung anzustellen, sondern es ausreicht, aufgrund nachvollziehbarer Tatsachengrundlagen zu bestimmten Umweltaspekten eine Eignung der Rahmenvorgabe zur Förderung der Effektivität und Umweltverträglichkeit im Vergleich zur bestehenden Situation (hier „Bringsystem“) darzulegen. Dafür spricht insbesondere die gesetzgeberische Intention, die Handhabbarkeit der Ermächtigung zum Erlass einer Rahmenvorgabe in der Praxis zu verbessern (vgl. BT-Drs. 18/11781, S. 15).
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Für einen solchen Einschätzungsspielraum des örtlichen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers spricht auch der Bericht des Umweltbundesamts – Analyse der Effizienz und Vorschläge zur Optimierung von Sammelsystemen der haushaltsnahen Erfassung von Leichtverpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen auf der Grundlage vorhandener Daten 37/2018 (im Folgenden: UBA-Abschlussbericht) –, der nahe legt, dass es immer einer differenzierten Betrachtungsweise im Rahmen einer Prognose anhand der Situation vor Ort bedarf, weil die mit den unterschiedlichen Systemen einhergehenden Vor- bzw. Nachteile unter anderem wesentlich von den örtlichen Verhältnissen der jeweiligen Erfassungsgebiete abhängen (vgl. VG Braunschweig, U. v. 23.2.2023 – 4 A 213/21 – juris Rn. 70).
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Zudem ist ausweislich der Gesetzesbegründung die Förderung zumindest eines der beiden vorgeschriebenen Ziele ausreichend, sofern dies nicht zu Lasten des jeweils anderen Ziels geht (BT-Drs. 18/11274, S. 110.).
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2.1. Die Rahmenvorgabe ist geeignet, um eine möglichst effektive Erfassung von LVP-Abfällen sicherzustellen.
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Effektivität meint dabei die Erhöhung der getrennt erfassten Menge an wertstoffhaltigen Abfällen (BT-Drs. 18/11274, S. 110). Als relevanter Vergleichsmaßstab ist insoweit das bereits bestehende „Bringsystem“ heranzuziehen. Zudem verlangt der Maßstab der möglichst effektiven Erfassung gerade nicht, dass die Vorgabe geeignet sein muss, den Abfall möglichst effizient zu erfassen.
49
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Kammer aufgrund des zum Gegenstands des Verfahrens gemachten UBA-Abschlussberichts davon überzeugt, dass die Einführung eines Holsystems mittels gelber Tonnen geeignet ist, um sicherzustellen, dass die LVP-Abfälle im Landkreis des Beklagten effektiver erfasst werden. Die Kammer geht davon aus, dass die Rahmenvorgabe zu einer Erhöhung der getrennt erfassten Menge an wertstoffhaltigen Abfällen im Vergleich zum bestehenden „Bringsystem“ führen wird.
50
Dies ergibt sich aus den Angaben des Umweltbundesamts, wonach festzustellen ist, dass „die höchsten Sammelmengen mit den Systemen Gelbe Tonne und Wertstofftonne zu erzielen sind“ (UBA-Abschlussbericht S. 149, 9.1.1 Sammelmenge und Sammelqualität)“. Die Sammelmengen der „Bringsysteme“ liegen ausweislich des Berichts „deutlich unterhalb der anderen Systeme, haben aber den geringsten Reste-Anteil“ (UBA-Abschlussbericht a.a.O). Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch eine etwaige Erhöhung der Fehlwurfquote bei Einführung eines Holsystems mit Müllgroßbehältern, denn „die Störstoffe beeinträchtigen in üblichen Anteilen die Sammelqualität in der Regel nicht in der Form, als dass die Ziel-Fraktionen verschmutzen oder verkleben und damit die Sortierung erschweren bzw. die Qualität des Sortieroutputs verringern. Unter dieser Maßgabe wirkt sich die Sammelmenge höher auf die Umweltentlastung aus als die Sammelqualität“ (UBA-Abschlussbericht a.a.O).
51
Es oblag dem Beklagten auch nicht zu prüfen, ob eine gleich effektive LVP-Sammlung durch den Einsatz eines gegebenenfalls milderen Mittels beispielsweise in Form eines gelben Sacks hätte angeordnet werden können. Eine derartige Erforderlichkeitsprüfung sieht die Norm des § 22 Abs. 2 VerpackG nicht (mehr) vor. Indem er davon ausging, durch die Einführung einer gelben Tonne im Wege des Holsystems eine möglichst effektive Sammlung der Abfälle sicherzustellen, hat der Beklagte vor dem Hintergrund des UBA-Abschlussberichts jedenfalls den ihm zustehenden Einschätzungs- und Prognosespielraum nicht überschritten.
52
2.2. Darüber hinaus geht die Kammer davon aus, dass die Einführung eines „Holsystems“ mittels einer gelben Tonne auch geeignet ist, um eine möglichst umweltverträgliche Erfassung der LVP-Abfälle sicherzustellen.
53
Umweltverträglichkeit ist gegeben bei einer Verringerung der durch die Sammlung regelmäßig verursachten Umweltbelastungen, zum Beispiel Emissionen oder Standortverschmutzungen (vgl. BT-Drs. 18/11274, S. 110).
54
Bei der vorliegenden Umstellung von einem „Bring“- auf ein „Holsystem“ ist anzunehmen, dass die Umweltbelastungen, insbesondere die Kohlenstoffdioxidemissionen, verringert werden. Davon ist die Kammer aufgrund des Berichts des Umweltbundesamts überzeugt. Demnach weisen Holsysteme im ländlichen Raum die höchsten Beiträge zur Senkung des Klimaerwärmungspotentials auf (UBA S. 154, 9.3.1.1. Klimaerwärmungspotential). Der Wertstoffhof wird aufgrund der Aufwendungen für den Individualtransport mit einer deutlichen Klimabelastung bewertet (vgl. UBA a.a.O.). Im Falle des Umstiegs auf ein „Holsystem“ geht die Kammer daher von einer Verringerung der CO₂- Emissionen und damit von einer Verbesserung der Umweltverträglichkeit aus.
55
Ob die Einführung einer Sacksammlung im Holsystem trotz eventuell zu berücksichtigenden Standortverschmutzungen das mildere und gleich effektive Mittel darstellen würde, war ebenfalls nicht zu prüfen. Der Beklagte hat insoweit plausibel dargelegt, dass die Einführung eines Holsystems mit Müllgroßbehältern zu einer Verringerung der Verschmutzung durch aufgerissene Säcke, Tierverbiss sowie Schäden durch Wind- und Wetter führen wird und mit Blick auf den UBA-Abschlussbericht damit jedenfalls den ihm zustehenden Einschätzungs- und Bewertungsspielraum nicht überschritten.
56
2.3. Die streitgegenständliche Rahmenvorgabe zur Einführung der Sammlung mittels einer gelben Tonne ist der Klägerin unbestritten technisch möglich und auch wirtschaftlich nicht unzumutbar.
57
Von einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Umsetzung der Rahmenvorgabe zusätzliche Kosten verursachen würde, die außer Verhältnis zu den Kosten stehen, welche das mit den Systemen bisher abgestimmte Sammelsystem verursacht. Die Beurteilung, ob die Umsetzung der Rahmenvorgabe wirtschaftlich unzumutbar ist, richtet sich mit Blick auf § 7 Abs. 4 Satz 2 KrWG maßgeblich nach dem Verhältnis zum angestrebten Zweck (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 7.9.2020 – OVG 11 S 62/20 –, juris Rn. 40; VG Braunschweig, U. v. 23.2.2023 – 4 A 213/21 –, juris Rn. 95). Das Vorliegen einer technischen Unmöglichkeit oder wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ist im Zweifel von den Systemen – hier von der Klägerin – zu beweisen (BT-Drs. 18/11274, S. 110 f.; VG Braunschweig, U. v. 23.2.2023 – 4 A 213/21 – juris Rn. 96).
58
Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine Umstellung von einem Bringauf ein Holsystem zwangsläufig zu Mehrkosten für die Systeme führen wird, die im Rahmen eines „Bringsystems“ von den Endverbrauchern durch Individualtransporte selbst getragen werden. Es würde daher die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Anordnung eines „Holsystems“ faktisch unterlaufen, wenn die sodann durch die Systeme zu tragenden Transportkosten an sich bereits zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Rahmenvorgabe führen würden. Es obliegt also der Klägerin konkret darzutun, weshalb im Vergleich zum bisher abgestimmten System „Wertstoffhof“ mit Blick auf die bezweckte Erhöhung der Erfassungsmengen unzumutbare Mehrkosten auf sie zukommen. Diesem Erfordernis ist die Klägerin nicht in genügender Weise nachgekommen.
59
Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung des Prokuristen der Klägerin vom … … … „dürften“ sich die Kosten für neue Müllgroßbehälter, bezogen auf drei Jahre, auf 1.005.000,00 EUR gegenüber 410.000 EUR Kosten für die Sammlung auf den Wertstoffhöfen belaufen. In der Aufstellung vom … … … legt die Klägerin bei einer zu erwartenden erhöhten Sammelmenge pro Einwohner und Jahr von ca. 35 kg Kosten von ca. 853.512,52 EUR für die Klägerin und 1.553.252,99 EUR für alle Systeme dar. Dabei ergäben sich für die Klägerin Mehrkosten in Höhe von 628.217,52 EUR. Bei gleichbleibender Sammelmenge würden die Mehrkosten jährlich 326.562 EUR betragen. Eine weitere Aufschlüsselung erfolgt nicht. Im Schriftsatz vom 24. Juni 2021 gab die Klägerin weitere Mehrkosten durch die erhöhte Fehlwurfquote sowie erhöhten Personalaufwand an. Bei einer Sammlung im Tonnensystem würden pro Stunde 4,8 Fahrzeuge, 4,8 Lader und 4,8 Fahrer gebraucht. Zudem legte sie bei einer zu erwartenden Sammelmenge von 28, 57 kg jährlich eine Tabelle mitsamt den jeweils zu berücksichtigenden nicht näher aufgeschlüsselten Posten vor (Personalkosten, Fahrzeugkosten, Behälterkosten, Umschlagskosten, Verwaltung und Gewinn), aus der sich ein „Gebietspreis per anno“ von 1.553.252,99 EUR ergebe.
60
Die von der Klägerin vorgelegten Kostenaufstellungen vom … … … … … … und vom … … … sind mangels genauerer Angaben von Ermittlungsgrundlagen oder Erläuterungen nicht überprüfbar und daher nicht geeignet eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit nachzuweisen. Zudem erweisen sich die klägerischen Angaben teilweise als nicht nachvollziehbar. Ausweislich der klägerischen Aufstellung vom … … … sind bei einer zu erwartenden Sammelmenge von 35 kg pro Einwohner jährlich insgesamt Kosten von 1.553.252,99 EUR zu erwarten. Ausweislich der Kalkulation vom … … … ergibt sich dieselbe Summe an Kosten jedoch auch bei einer zugrunde gelegten Sammelmenge von 28, 57 kg pro Einwohner jährlich. Die fehlende Differenz hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch ist anhand der Aufstellung vom … … … nicht zu erkennen, wessen „Gewinn“ in Höhe von 5% im Rahmen der Mehrkosten berücksichtigt werden muss. Ferner werden die zu erwartenden Mehrausgaben für Personal und Fahrzeuge ebenfalls nicht genauer aufgeschlüsselt bzw. anhand konkreter Zahlen zu den einzelnen Posten plausibilisiert. Dass mit der Umstellung eine gewisse Kostensteigerung, insbesondere auch einmalig, durch Anschaffung der Mülltonnen, entsteht, ist nachvollziehbar, aber in dieser Höhe von der Klägerin nicht dargelegt. Jedenfalls ergibt sich dies nicht zwingend aus einer dreijährigen Vertragslaufzeit. Sollte derjenige Abfallentsorger, der den Zuschlag für die dreijährige Ausschreibungsperiode erhält und erstmalig die Mülltonnen anschafft, nach Ablauf von drei Jahren die nächste Ausschreibung nicht gewinnen, so sind die Mülltonnen nicht wertlos, sondern können zumindest zu einem Zeitwert an einen anderen Abfallentsorger weiterveräußert werden (vgl. VG Braunschweig, U. v. 23.2.2023 – 4 A 213/21 – juris Rn. 100).
61
Unabhängig davon ist im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit auch zu berücksichtigen, dass die Kosten der Sammlung naturgemäß mit Steigerung der Erfassungsmenge anwachsen. Kosten, die aber gerade in der Verfolgung des gesetzlich verfolgten Zwecks, die Erfassungsmenge zu erhöhen, steigen, können daher keinen relevanten Einfluss auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Umsetzung einer Rahmenvorgabe haben (vgl. VG Neustadt an der W.straße, U. v. 9.2.2023 – 4 K 354/22.NW – n.v.).
62
Schließlich ist mit einzubeziehen, dass die Kostensteigerung zwar zunächst von der Klägerin bzw. den hinter ihr stehenden Herstellern von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen über die Lizenz-/Vertragsentgelte getragen werden. Jedoch werden diese Kostenerhöhungen voraussichtlich zumindest in gewissem Maße über Preissteigerungen auf den Verbraucher umgelegt werden (vgl. VG Braunschweig, U. v. 23.2.2023 – 4 A 213/21 – juris Rn. 100).
63
2.4. Die Rahmenvorgabe geht nicht gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG über den Entsorgungsstandard hinaus, welchen der öffentlich-rechtlich Entsorgungsträger der in seiner Verantwortung durchzuführenden Sammlung des Restmülls aus privaten Haushaltungen zugrunde legt.
64
Durch diese Einschränkung soll sichergestellt werden, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den Systemen im Wege der Rahmenvorgabe bei der Verpackungsentsorgung keine höheren Anforderungen auferlegt als er selbst bereit und in der Lage ist, im Rahmen der ihm zugeordneten Abfallentsorgung zu erfüllen. Für eine Überschreitung des kommunalen Entsorgungsstandards spricht insbesondere, wenn die Erfüllung der Vorgaben für die Systeme mit höheren Kosten verbunden ist als dies bei einer inhaltsgenauen Kopie des kommunalen Entsorgungsstandards der Fall wäre (vgl. BT-Drs. 18/11274, S. 110).
65
Dieser Standard ist vorliegend nicht überschritten. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger holt die beim Bürger regelmäßig anfallenden Massenabfälle wie Rest-, oder Biomüll im 14-tägigen Rhythmus bei den Endverbrauchern ab und stellt entsprechende Müllgroßbehälter zur Verfügung. Ein Anhaltspunkt für das Anfallen höherer Kosten im Vergleich zum kommunalen Entsorgungsstandard ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargelegt. Die Kammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die entsprechenden Ausführungen des Bescheids, § 117 Abs. 5 VwGO.
66
2.5. Die erlassene Rahmenvorgabe begegnet auch vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 22 Abs. 2 Satz 4 VerpackG keinen rechtlichen Bedenken.
67
Danach ist jede Änderung mit einem angemessen zeitlichen Vorlauf, mindestens jedoch ein Jahr vor ihrem Wirksamwerden, den Systemen bekannt zu geben. Da die Umsetzung der Rahmenvorgaben auf Seiten der Systeme mit zum Teil erheblichen Kosten verbunden sein kann, müssen sich die Systeme darauf verlassen können, dass die festgelegten Vorgaben für einen bestimmten Zeitraum bestehen bleiben. Dieser Vertrauensschutz wird in Satz 3 dadurch gewährleistet, dass ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger seine Rahmenvorgaben frühestens nach Ablauf von drei Jahren ändern kann. Der Zeitraum orientiert sich an der durchschnittlichen Dauer von Entsorgungsverträgen. Damit besteht für die Systeme die erforderliche Planungssicherheit bei der Vergabe von Aufträgen und der Investition in Sachgüter. Verstärkt wird diese Planungssicherheit durch die Regelung in Satz 4, wonach der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den Systemen eine geplante Änderung seiner Rahmenvorgaben mit einem angemessenen zeitlichen Vorlauf, mindestens jedoch ein Jahr vor dem Wirksamwerden des Verwaltungsakts, bekannt geben muss. Im Rahmen der Angemessenheit soll insbesondere auf die Restlaufzeit bestehender Entsorgungsverträge Rücksicht genommen werden (BT-Drs. 18/11274, S. 111).
68
Die Norm des § 22 Abs. 2 Satz 4 VerpackG ist auf die streitgegenständliche Rahmenvorgabe indes sowohl nach Wortlaut, als auch unter Berücksichtigung ihres Sinn und Zwecks nicht anwendbar. Der Beklagte bestimmte hier mit Bescheid vom … … … zunächst das In-Kraft-Treten der Rahmenvorgabe zum … … …, gewährte nach stattgebendem Beschluss im Eilverfahren den Systemen jedoch noch eine Mitbenutzung der Wertstoffhöfe bis zum 31. Dezember 2023.
69
Schon der ausdrückliche Wortlaut der Vorschrift („Änderung“) spricht gegen eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf die erstmals erlassene Rahmenvorgabe des Beklagten. Unabhängig davon führt auch eine Auslegung der Norm gemäß ihrem Sinn und Zweck nicht zur Anwendbarkeit der Norm. Die Klägerin ist zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Hintergrund der Wahrung einer angemessenen Vorlaufzeit nicht mehr schutzwürdig. Dem liegt zugrunde, dass der Beklagte der Klägerin mittlerweile die Mitbenutzung der Wertstoffhöfe bis zum 31. Dezember 2023 gewährt hat. Insoweit stand der Klägerin seit Erlass des Bescheids am … … … jedenfalls eine ausreichend lange Vorlaufzeit zur Umstellung zur Verfügung.
70
3. Der Beklagte hat das ihm gemäß § 22 Abs. 2 VerpackG zustehende Ermessen erkannt, den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten und davon auch nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht, § 114 VwGO. Im Übrigen erweist sich die streitgegenständliche Rahmenvorgabe auch als verhältnismäßig.
71
Um nicht über das erforderliche Maß hinauszugehen, das zur Durchsetzung der berechtigten Belange der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erforderlich ist und den Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Systeme zu beschränken, hat der Gesetzgeber diese Verhältnismäßigkeitserwägungen im zweiten Halbsatz von § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG näher konkretisiert (BT-Drs. 18/11274, S. 110).
72
Die Rahmenvorgabe verfolgt den legitimen Zweck, die Recyclingquoten im Landkreis … … … zu erhöhen, dazu ist sie auch geeignet (siehe oben 2.1.) und angemessen (siehe 2.3., 2.4. und 2.5.). Eine im Rahmen einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmende „Erforderlichkeitsprüfung“ widerspräche dem Willen des Gesetzgebers und würde den ausdrücklich normierten Eignungsvorbehalt unterlaufen.
73
Im Ergebnis war der Erlass der Rahmenvorgabe damit rechtmäßig.
74
II. Die Zwangsgeldandrohung erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.
75
Die Kammer hält die Zwangsgeldandrohung der Höhe nach (unter Aufgabe der Rechtsauffassung im Eilverfahren) angesichts des Auftragsvolumens für verhältnismäßig. Zudem sieht sie das Bestimmtheitserfordernis gemäß Art. 37 BayVwVfG als gewahrt.
76
Erforderlich ist insoweit, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Begründung, für die Beteiligten, insbesondere für den Adressaten, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass diese ihr Verhalten danach richten können und dass auch die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können (vgl. nur Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 37 Rn. 5 m.w.N.). Die Erkennbarkeit des Inhalts der Regelung aufgrund einer Auslegung des Verwaltungsakts genügt in der Regel. Im Falle von Vollstreckungsmaßnahmen ist erforderlich, dass der Betroffene erkennen kann, wegen was gegen ihn vollstreckt wird und was von ihm verlangt wird. Im Falle einer Zwangsgeldandrohung bedeutet dies, dass für den Betroffenen erkennbar ist, für welchen Verstoß gegen welche einzelne Pflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist (OVG Lüneburg, B. v. 24.11.2021 – 1 ME 136/21 – BeckRS 2021, 35961 m.w.N.).
77
Daran gemessen begegnet die Androhung des Zwangsgelds keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In Ziff. 3 des Bescheids vom … … … droht der Beklagte gegenüber der Klägerin ein Zwangsgeld an für den Fall, dass sie ihrer Verpflichtung aus Ziff. 1 nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkommt. Daraus ergibt sich für die Klägerin mit hinreichender Deutlichkeit, dass sie sowohl bei einer ausbleibenden als auch im Falle einer mangelhaften oder verspäteten Umsetzung der als einheitliche Handlungspflicht anzusehenden Rahmenvorgabe mit der Verhängung des angedrohten Zwangsgelds rechnen muss.
78
Dies gilt unabhängig von dem im Rahmen der Begründung des Bescheids zu Ziff. 3 beigefügten Nachsatz, wonach im Fall eines Verstoßes gegen andere Verpflichtungen mit geringerer wirtschaftlicher Bedeutung, ggfs. ein entsprechend niedrigeres Zwangsgeld festgesetzt werden wird. Denn für die Klägerin als Adressatin wird schon aus dem Tenor des Bescheids deutlich, dass das Zwangsgeld bereits bei einer nicht vollständigen Umsetzung der Rahmenvorgabe festgesetzt werden kann.
79
III. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
80
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.