Titel:
Keine Verdienstausfallentschädigung für kranken Unternehmensberater
Normenkette:
IfSG § 56, § 58
Leitsatz:
Ein Entschädigungsanspruch für Kranke bestand nach § 56 Abs. 1 IfSG in der Fassung bis zum 31. März 2021 noch nicht; eine analoge Anwendung der späteren Fassung kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entschädigung für Verdienstausfall, Selbständiger Unternehmensberater, Kranke vom Entschädigungsanspruch in der maßgeblichen Fassung (noch) nicht umfasst, Würdigung unterschiedlicher Angaben des Klägers zum Gesundheitszustand, Entschädigung, Verdienstausfall, krank
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19450
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger, der als Unternehmensberater selbständig tätig ist, begehrt mit seiner Klage Verdienstausfallentschädigung für den Zeitraum vom 14. Dezember 2020 bis einschließlich 21. Dezember 2020.
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Am … Juli 2021 stellte er bei der Regierung von Oberbayern einen Entschädigungsantrag für Selbständige nach §§ 56 Abs. 1 und 58 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Höhe von 3.909,33 EUR für den Quarantänezeitraum vom 10. Dezember 2020 bis einschließlich 21. Dezember 2020 und machte monatliche Ausgaben zur sozialen Sicherung in Höhe von 4.329,14 EUR geltend.
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Dabei gab er zur Zeitdauer des Tätigkeitsverbots/der Absonderung (Quarantäne) unter Nr. 4 des Antragsformulars „vom 10.12.2020 bis 21.12.2020“ an. Die unter Nr. 7.1. gestellte Frage, ob er während des Tätigkeitsverbots/der Absonderung (Quarantäne) arbeitsunfähig krank gewesen sei, bejahte der Kläger und gab als Zeitraum der Erkrankung „vom 10.12.2020 bis 21.12.2020“ an. Die weiter gestellte Frage, ob es sich dabei um eine COVID-19-Erkrankung gehandelt habe, bejahte er. Die unter Nr. 5 gestellte Frage, ob er während des Tätigkeitsverbots/der Absonderung (Quarantäne) die Möglichkeit gehabt habe, von Zuhause aus zu arbeiten („Homeoffice“), verneinte der Kläger mit der Begründung, dass er total krank gewesen sei, er gar nichts habe machen können und nur im Bett gelegen sei. Nach fünf bis sechs Monaten habe er einen Antikörpertest machen lassen, bei dem „226 Antikörper“ gemessen worden seien. Auf die unter Nr. 7.4 des Antragsformulars gestellte Frage, in welchem prozentualen Umfang der Betrieb geruht habe, gab der Kläger an, dass der Betrieb zu 100% geruht habe, da er todkrank gewesen sei und absolut keine Arbeitsmöglichkeit gehabt habe; außerdem sei ihm Personenkontakt verboten gewesen. Der Wert seiner eigenen Arbeitsleistung zum Betriebserfolg liege bei 100%, er sei Einzelunternehmer und habe drei Mitarbeiter. Des Weiteren gab der Kläger an, dass er vom Freistaat Bayern mit Bescheid vom 17. Mai 2020 eine Corona-Soforthilfe in Höhe von 8.580,00 EUR erhalten habe, allerdings werde davon 2/3 zurückbezahlt, da er in den Monaten Mai und Juni 2020 Umsätze getätigt habe. Als Anlage zu diesem Antrag legte der Kläger eine Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG für das Kalenderjahr 2019, den Einkommenssteuerbescheid 2019 und eine E-Mail des Referates für Gesundheit und Umwelt der …stadt M. vom 21. Dezember 2020 vor, wonach die angeordnete Quarantäne am 21. Dezember 2020 um Mitternacht ende.
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Mit Bescheid vom 15. Juli 2022 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG und Erstattung von Aufwendungen für soziale Sicherung nach § 58 Satz 1 IfSG ab, da es an der Alleinursächlichkeit der Absonderung für den erlittenen Verdienstausfall fehle, da der Kläger während der Absonderung arbeitsunfähig krank gewesen sei und deshalb seiner Erwerbstätigkeit nicht habe nachgehen können.
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Am 12. August 2022 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten gegen diesen Bescheid Klage und beantragte mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2022,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Juli 2022 dazu zu verpflichten, dem Antrag des Klägers vom … Juli 2021 mit der Maßgabe stattzugeben, dass dem Kläger die beantragte Entschädigung für den aufgrund behördlich angeordneter Quarantäne im Zeitraum vom 14. Dezember 2020 bis einschließlich 21. Dezember 2020 erlittenen Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 3 IfSG sowie eine Entschädigung für die soziale Sicherung nach § 58 Satz 1 IfSG zuzusprechen ist.
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Hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Juli 2022 dazu zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
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Der Kläger sei in dem Zeitraum vom 10. Dezember 2020 bis 21. Dezember 2020 mit dem Corona-Virus infiziert gewesen, jedoch lediglich vom 11. Dezember 2020 bis einschließlich 13. Dezember 2021 (gemeint 2020) wirklich erkrankt und habe nur in diesem Zeitraum unter Symptomen gelitten. Dem Kläger sei insofern ein Fehler unterlaufen, als er im Rahmen des auszufüllenden Antrags nicht darauf hingewiesen habe, dass seine Beschreibung lediglich für die ersten drei Tage der Absonderung gegolten habe, nicht jedoch für den gesamten Absonderungszeitraum. Ab dem 14. Dezember 2020 sei der Kläger arbeitsfähig gewesen, habe jedoch aufgrund der Quarantäneanordnung seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können.
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Nach der der Klageschrift beigefügten WhatsApp-Konversation mit Herrn Prof. Dr. … E. hat dieser den Kläger am 13. Dezember 2020 um 07.54 Uhr wie folgt angeschrieben:
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„Lieber Herr …, ich hoffe, es geht weiterhin gut und sie haben kein Fieber mehr. Bitte achten Sie beim morgigen Besuch in der Praxis, dass wir möglichst kurz direkten Kontakt haben. Wir untersuchen Sie und machen dann den Abstrich. Ihre Frau soll bitte kurz in die Praxis kommen, um Bescheid zu sagen, und wir leiten dann Sie – schon unter Schutzkleidung – separat in das kleine Laborzimmer. Freundliche Grüße … E.“
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Der Kläger antwortete um 08.39 Uhr wie folgt:
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„Hallo Prof. E., Gott sei Dank geht es mir gut und ohne Fieber! Für morgen ausgemacht! Viele Grüße …“
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Mit Schreiben vom 25. August 2022 legte der Beklagte die Behördenakte vor und beantragte mit Schreiben vom 1. Dezember 2022,
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die Klage abzuweisen.“
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Unter Hinweis auf die vom Kläger im Antrag vom … Juli 2021 gemachten Angaben werde der Vortrag, dass dieser im Zeitraum vom 14. Dezember 2020 bis 21. Dezember 2020 arbeitsfähig gewesen sei, ausdrücklich bestritten. Es sei davon auszugehen, dass dem Kläger die Unterschiede einer Erkrankung ohne Arbeitsunfähigkeit und einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung bekannt seien. Auch die Hinweise zum Antrag auf Entschädigung von Selbständigen würden auf diese Thematik ausdrücklich eingehen. Es sei nicht glaubwürdig, wenn sich der Kläger nach Erlass des ablehnenden Bescheides nunmehr darauf berufe, lediglich vom 11. Dezember 2020 bis einschließlich 13. Dezember 2020 unter Symptomen gelitten zu haben. Auf Nachfrage der Regierung von Oberbayern habe das Gesundheitsreferat der …stadt M. mittels E-Mail Nachricht angegeben, dass der Kläger vom 12. Dezember 2020 bis 21. Dezember 2020 als Kranker nach § 2 Nr. 4 IfSG abgesondert gewesen sei. Weiter habe das Referat angegeben, zum Zeitpunkt der Absonderung des Klägers aufgrund Personalmangels nicht in der Lage gewesen zu sein, die Symptomatik der einzelnen abgesonderten Personen nachzuverfolgen. Die Absonderungsanordnung sei somit nicht allein ursächlich für den Verdienstausfall. Weiter lege die Tätigkeit des Klägers nahe, dass diese zumindest größtenteils im Homeoffice erfolgen könne. Wäre der Kläger arbeitsfähig gewesen, hätte er durch eine Tätigkeit im Homeoffice den Schaden zumindest teilweise verhindern können.
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Mit weiterem Schreiben vom 27. Juni 2023 betonte der Beklagte nochmals, dass an der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht gezweifelt werden könne. Rein hilfsweise wurden zur Höhe der beantragten Erstattung Ausführungen gemacht, wonach dem Kläger – ohne Berücksichtigung des Eigenanteils des Klägers am Betriebserfolg und des Anteils der möglichen Homeoffice-Tätigkeit – für den geltend gemachten Zeitraum vom 14. Dezember 2020 bis 21. Dezember 2020 eine Entschädigung für Verdienstausfall in Höhe von 1.569,81 EUR zustehen würden. Da sich der Anteil der möglichen Homeoffice-Tätigkeit auf 100% belaufen dürfte, sei der Anspruch in Gänze mangels entstandenen Verdienstausfalls ausgeschlossen. Die Erstattung der Aufwendungen für die soziale Sicherung seien nicht substantiiert, da jegliche Belege hierzu fehlen würden, so dass auch aus diesem Grunde eine Erstattung nicht in Betracht komme.
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In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2023 machte der Kläger Angaben zu seinem Gesundheitszustand im Zeitraum der Absonderungsanordnung und zur Möglichkeit, von Zuhause aus zu arbeiten. Er sei am 11. Dezember 2020, einem Freitag, zusammen mit seiner Frau beim Einkaufen in der Stadt gewesen. Dort habe er schon Kopfschmerzen bekommen. Zuhause habe er hiergegen ein Ibuprofen genommen. Nachts gegen 3.00 Uhr sei es richtig losgegangen, er habe Gliederschmerzen gehabt, am ganzen Körper gezittert und geschwitzt. Am Samstag, den 12. Dezember 2020 habe er sich dann testen lassen. Das Testergebnis sei positiv gewesen. Am Sonntag, dem 13. Dezember 2020 sei es ihm bereits bessergegangen und er sei ohne Fieber gewesen. Auch am Montag, dem 14. Dezember 2020 habe er kein Fieber mehr gehabt und sich nur noch ein wenig angeschlagen gefühlt. Angeschlagen gefühlt bedeute, dass er keine 100 Liegestützen hätte machen wollen, aber ohne Probleme am PC hätte arbeiten können. Am Montag habe er einen zweiten Coronatest gemacht, der immer noch positiv gewesen sei. Vom Gericht zu seinen im Antrag vom … Juli 2021 gegenüber der Regierung von Oberbayern gemachten Angaben befragt, gab der Kläger an, dass sich die Angaben zu seinem Gesundheitszustand nicht auf den gesamten Quarantänezeitraum bezogen hätten, sondern nur auf die bereits geschilderten Tage, an denen er krank gewesen sei. Im Hinblick auf seine Begründung, dass keine Möglichkeit bestanden habe, von Zuhause aus zu arbeiten, da er total krank gewesen sei, gar nichts habe machen können und nur im Bett gelegen sei, erklärte der Bevollmächtigte des Klägers auf Nachfrage des Gerichts für diesen, dass der Kläger den Antrag einen Tag vor seinem Urlaub ausgefüllt habe und deshalb Fehler gemacht worden sind.
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Die als Zeugin vernommene Ehefrau des Klägers gab in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2023 an, dass es am Freitag, dem 10. Dezember 2020 bei ihrem Mann mit Symptomen angefangen habe. Dieser habe Kopfschmerzen und Gliederschmerzen gehabt und habe nichts machen könne, er habe Schüttelfrost gehabt und sehr stark geschwitzt. Er habe sich ständig umziehen müssen und sie habe ihm dabei geholfen. Am Montag sei es ihrem Mann wieder bessergegangen, er habe essen und laufen können, er habe geduscht und hatte keine Gliederschmerzen und keinen Schüttelfrost mehr gehabt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
21
1. Gegenstand der Klage ist die Gewährung einer Verdienstausfallentschädigung und die Erstattung von Aufwendungen für soziale Sicherung für die Zeit von 14. Dezember 2020 bis einschließlich 21. Dezember 2020.
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2. Die am 12. August 2022 fristgerecht erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO statthaft, da sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Entschädigungsantrags im Bescheid vom 15. Juli 2022 wendet und den Erlass eines für ihn günstigeren Bescheides begehrt.
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Dass der Klageantrag hinsichtlich der begehrten Entschädigungshöhe nicht beziffert ist, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, da der anspruchsbegründende Sachverhalt, hier der Entschädigungsantrag für Selbständige nach §§ 56 Abs. 1 und 58 IfSG vom … Juli 2021, benannt wurde, so dass das Gericht den mit der Klage begehrten Entschädigungsbetrag ermitteln kann (vgl. hierzu VG Bayreuth, U.v. 17.01.2022 – B 7 K 21.425 – juris Rn. 37, VG Münster, U.v. 19.05.2022 – 5a K 854/21 – beck-online, Rn. 33).
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3. Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Verdienstausfallentschädigung und auf Erstattung von Aufwendungen für soziale Sicherung hat und sich der streitgegenständliche Bescheid vom 15. Juli 2022 somit als rechtmäßig erweist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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3.1 Anspruchsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 56 IfSG in der von 19. November 2020 (BGBl. 2020 I S. 2397) bis 15. Dezember 2020 (BGBl. 2020 I S. 3136) und § 58 IfSG in der ab 19. November 2020 (BGBl. 2020 I 2397), mithin im Zeitraum der angeordneten Absonderung geltenden Fassung (vgl. hierzu VG München, U.v. 23.01.2023 – M 26a K 21.82 – juris Rn. 15ff., VG Bayreuth, U.v. 21.06.2021 – B 7 K 21.110 – juris Rn. 21ff.).
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3.2 Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der maßgeblichen Fassung enthält eine Entschädigung in Geld, wer aufgrund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Das Gleiche gilt gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können.
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Nach § 58 Satz 1 IfSG in der maßgeblichen Fassung haben Entschädigungsberechtigte im Sinne des § 56 Abs. 1 und 1a IfSG, die der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Rentensowie der sozialen Pflegeversicherung nicht unterliegen, gegenüber dem nach § 66 Abs. 1 Satz 1 IfSG zur Zahlung verpflichteten Land einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für soziale Sicherung in angemessenem Umfang.
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3.3 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG in der maßgeblichen Fassung sind vorliegend nicht erfüllt.
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3.3.1 Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG ist das Vorliegen einer Absonderungsanordnung. Eine solche wurde seitens des Klägers zwar nicht vorgelegt. Zwischen den Beteiligten ist jedoch unstreitig, dass gegenüber dem Kläger in der streitgegenständlichen Zeit von 14. Dezember 2020 bis 21. Dezember 2021 eine Absonderung angeordnet worden war, was sich aus der vom Kläger im Antragsverfahren vorgelegten E-Mail des Referats für Gesundheit und Umwelt der …stadt M. vom 21. Dezember 2020, wonach die angeordnete Quarantäne am 21. Dezember 2020 um Mitternacht ende, ergibt, und in der Klageerwiderung des Beklagten vom 1. Dezember 2022, wonach der Kläger vom 12. Dezember 2020 bis 21. Dezember 2020 als Kranker nach § 2 Nr. 4 IfSG abgesondert wurde, bestätigt wird.
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3.3.2 Dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG in der vorliegend maßgeblichen Fassung steht jedoch entgegen, dass der Kläger im angeordneten und vorliegend streitgegenständlichen Absonderungszeitraum von 14. Dezember 2020 bis 21. Dezember 2020 weder Ausscheider noch Ansteckungsverdächtiger noch Krankheitsverdächtiger war und damit die Anspruchsvoraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt.
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3.3.2.1 Nach der Begriffsbestimmung des Infektionsschutzgesetzes ist Ausscheider eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein (§ 2 Nr. 6 IfSG). Kranker ist eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist (§ 2 Nr. 4 IfSG).
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Da der Kläger positiv auf Corona getestet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum Krankheitserreger ausgeschieden hat. Jedoch geht das Gericht aufgrund der vom Kläger im Antragsverfahren gemachten Angaben davon aus, dass er im Zeitraum vom 14. Dezember 2020 bis 21. Dezember 2020 krank gewesen ist und damit kein Ausscheider war. Der Kläger hat – wie im Tatbestand bereits dargelegt – die unter Nr. 7.1. des Antragsformulars gestellte Frage, ob er während des Tätigkeitsverbots/der Absonderung (Quarantäne) arbeitsunfähig krank gewesen sei, bejaht und als Zeitraum der Erkrankung „vom 10.12.2020 bis 21.12.2020“ angegeben. Die weiter gestellte Frage, ob es sich dabei um eine COVID-19-Erkrankung gehandelt habe, bejahte er. Die unter Nr. 5 gestellte Frage, ob er während des Tätigkeitsverbots/der Absonderung (Quarantäne) die Möglichkeit gehabt habe, von Zuhause aus zu arbeiten („Homeoffice“), verneinte der Kläger mit der Begründung, dass er total krank gewesen sei, er gar nichts habe machen können und er nur im Bett gelegen sei. Auf die unter Nr. 7.4 des Antragsformulars gestellte Frage, in welchem prozentualen Umfang der Betrieb geruht habe, gab der Kläger an, dass der Betrieb zu 100% geruht habe, da er todkrank gewesen sei und absolut keine Arbeitsmöglichkeit gehabt habe; außerdem sei ihm Personenkontakt verboten gewesen.
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Die vom Kläger bzw. seinem Bevollmächtigten sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2023 zum Gesundheitszustand des Klägers gemachten Angaben führen zu keiner anderen Auffassung des Gerichts. Soweit vorgetragen wurde, dass sich die Angaben zum Gesundheitszustand des Klägers nicht auf den gesamten Quarantänezeitraum bezogen hätten, sondern nur auf die bereits geschilderten Tage, an denen dieser krank gewesen sei, steht dem die eindeutige Formulierung und die Beantwortung der Frage Nr. 7.1. des Antragsformulars durch den Kläger entgegen, wonach für den Fall, dass die Frage nach der arbeitsunfähigen Erkrankung bejaht würde, der konkrete Zeitraum der Erkrankung (und nicht der konkrete Zeitraum des Tätigkeitsverbotes/der Absonderung (Quarantäne), der bereits unter Nr. 4 abgefragt worden war) anzugeben war und hierzu vom Kläger „vom 10.12.2020 bis 21.12.2020“ angegeben wurde.
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Auch überzeugt das Vorbringen nicht, dass der Kläger die Frage, weshalb für ihn keine Möglichkeit bestanden habe, im Homeoffice zu arbeiten, unter Nr. 5 des Antragsformulars deshalb damit beantwortet habe, dass er total krank gewesen sei, er gar nichts habe machen können und nur im Bett gelegen sei, weil er den Antrag einen Tag vor seinem Urlaub ausgefüllt habe und deshalb Fehler gemacht worden sind. Wäre der Kläger tatsächlich nicht erkrankt gewesen, wäre es naheliegend gewesen, auszuführen, ob und ggf. weshalb keine Möglichkeit der Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice gegeben war, z.B. aufgrund fehlender Ausstattung, anstatt sich darauf zu berufen, total krank gewesen und nur im Bett gelegen zu sein und nichts habe machen zu können. Weshalb ein bevorstehender Urlaub der Grund für eine derartige nicht naheliegende und nach nunmehrigen Vorbringen falsche Antwort gewesen sein sollte, ist für das Gericht nicht ersichtlich.
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Dabei verkennt das Gericht nicht, dass beim Ausfüllen von Formularen grundsätzlich auch Fehler gemacht werden können. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um eine Person handelt, die beruflich im Umgang mit Formularen versiert sein dürfte, da er im Rahmen seiner Tätigkeit für einen …verein Steuererklärungen für Dritte erstellt, und dass der Kläger nicht nur eine Frage eventuell nicht korrekt verstanden und beantwortet hat, sondern auf mehrere Fragen explizit seine Erkrankung angeführt und seinen Zustand als todkrank bezeichnet hat, woran er nunmehr nach Erhalt des ablehnenden Bescheides vom 15. Juli 2022 nicht mehr festhalten möchte.
36
Soweit die Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2023 vorgetragen hat, dass es dem Kläger am Montag wieder bessergegangen sei, er habe essen und laufen können, er geduscht habe und keine Gliederschmerzen und keinen Schüttelfrost mehr gehabt habe, können diese Angaben „aus zweiter Hand“ die vom Kläger selbst „aus erster Hand“ im Antragsverfahren gemachten Angaben und die dort zu seinem Gesundheitszustand abgegebene Selbsteinschätzung nicht entkräften. Gleiches gilt für den im Schriftsatz vom 10. Oktober 2022 vorgelegten Whats-App-Chat mit Herrn Prof. Dr. … E., einem Kinderarzt, weshalb sich eine Einvernahme dieses Arztes als Zeuge für das Gericht auch nicht aufdrängte (vgl. hierzu auch VG Augsburg, U.v. 27.06.2022 – Au 9 K 21.2463 – juris Rn. 22ff.).
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3.3.2.2 Der Kläger kann seinen Entschädigungsanspruch auch nicht darauf stützen, im streitgegenständlichen Absonderungszeitraum Ansteckungsverdächtiger oder Krankheitsverdächtiger gewesen zu sein.
38
Ansteckungsverdächtiger ist nach § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Krankheitsverdächtig ist nach § 2 Nr. 5 IfSG eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen.
39
Da der Kläger seinen Angaben zufolge im streitgegenständlichen Absonderungszeitraum – wie oben dargelegt – krank war und positiv auf Corona getestet wurde, kommt seine Einstufung als Ansteckungsverdächtiger oder Krankheitsverdächtiger nicht in Betracht.
40
3.3.2.3 Ein Entschädigungsanspruch für Kranke bestand nach § 56 Abs. 1 IfSG in der maßgeblichen Fassung jedoch noch nicht. Ein solcher wurde erst durch das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen vom 29. März 2021 mit Wirkung vom 31. März 2021 (BGBl. 2021 I, S. 370) eingefügt. Eine analoge Anwendung dieser späteren Fassung von § 56 Abs. 1 IfSG auf den vorliegenden Fall kommt nicht in Betracht, da es hierfür bereits an einer Regelungslücke fehlt. Der Gesetzgeber hatte nämlich die entsprechende Änderung des § 56 Abs. 1 IfSG im Gegensatz zu anderen Gesetzesänderungen während der Corona-Pandemie ausdrücklich nicht mit Rückwirkung ausgestattet, was prinzipiell möglich gewesen wäre (vgl. hierzu VG München, U.v. 23.01.2023 – M 26a K 21.82 – juris Rn. 18 und 25ff).
41
3.4 Da der Kläger nicht entschädigungsberechtigt nach § 56 IfSG ist, hat er auch keinen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für soziale Sicherung nach § 58 IfSG. Darauf, ob es sich bei den unter Nr. 8.1 des Entschädigungsantrags vom … Juli 2021 geltend gemachten Ausgaben überhaupt um nach § 58 IfSG grundsätzlich erstattungsfähige Aufwendungen handelt, für die der Kläger im Übrigen auch keine Nachweise vorgelegt hat, kommt es somit entscheidungserheblich nicht an.
42
4. Da der Kläger, wie oben dargelegt, die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nicht erfüllt, hat die Klage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag keinen Erfolg und war daher abzuweisen. Nach § 154 Abs. 1 VwGO hat der Kläger als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen.
43
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO).