Titel:
Auskunftserteilung an eine andere Behörde über die Erbenermittlung
Normenketten:
AO § 111 Abs. 2 Nr. 2, § 115 Abs. 1 S. 1
KV-JVKostG Nr. 1401
Leitsatz:
Die Erteilung einer Auskunft über das Ergebnis einer Erbenermittlung stellt keine eigene Aufgabe des Nachlassgerichts, sondern eine Amtshilfeleistung dar. (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erbenermittlung, Auskunftserteilung, eigene Aufgabe, Amtshilfe, Kirchensteuerbehörde
Vorinstanzen:
AG Bad Kissingen, Beschluss vom 11.08.2022 – 1479/20
AG Bad Kissingen, Beschluss vom 21.12.2022 – VI 1479/20
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 31.07.2023 – 2 W 27/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19048
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 11.08.2022 und der Kostenansatz gemäß Schlusskostenrechnung des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 25.03.2022 aufgehoben.
2. Die weitere Beschwerde gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.
Gründe
1
Das Amtsgericht Bad Kissingern – Abteilung für Nachlasssachen – hat eine Erbenermittlung durchgeführt. Die Beschwerdeführerin hat ein Auskunftsersuchen hinsichtlich des Ergebnisses des Erbenermittlungsverfahrens an das Amtsgericht Bad Kissingen gestellt. Das Amtsgericht Bad Kissingen hat mit Verfügung vom 22.03.2022, ausgeführt mit Schreiben vom 25.03.2022, eine entsprechende Auskunft erteilt.
2
Mit Kostenansatz gemäß Schlusskostenrechnung vom 25.03.2022 hat das Amtsgericht Bad Kissingen eine Gebühr in Höhe von 15,00 € gemäß Nr. 1401 KV-JVKostG gegen die Beschwerdeführerin festgesetzt. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 07.04.2022 Erinnerung eingelegt. Die Kostenbeamtin des Amtsgerichts Bad Kissingen hat mit Vermerk vom 12.05.2022 der Erinnerung nicht abgeholfen.
3
Das Amtsgericht Bad Kissingen hat mit Beschluss vom 11.08.2022 die Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 02.05.2022 zurückgewiesen und die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen. Zur Begründung hat das Amtsgericht Bad Kissingen ausgeführt, das JVKostG sei anwendbar, es handle sich um eine Justizverwaltungsangelegenheit und die Erteilung der Auskunft sei nicht als Amtshilfe kostenfrei, so dass eine Gebühr nach Nr. 1401 KV-JVKostG festzusetzen sei.
4
Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 12.08.2022, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.08.2022 eingelegt. Das Amtsgericht Bad Kissingen hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21.12.2022 nicht abgeholfen.
5
Die vom Erstgericht zugelassene Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 11.08.2022 ist zulässig und begründet. Die Anfrage der Beschwerdeführerin ist gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 AO kostenfrei, da es sich bei der Erteilung der Auskunft über das Ergebnis der Erbenermittlung um Amtshilfe i.S.d § 111 AO handelt. Der Beschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 11.08.2022 und der Kostenansatz gemäß Schlusskostenrechnung sind daher aufzuheben.
6
hier gegenständliche Hilfeleistung in Form der Erteilung einer Auskunft über das Ergebnis der Erbenermittlung obliegt dem Nachlassgericht nicht als eigene Aufgabe i.S.d. § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO.
7
Eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage für die Erteilung der hier gegenständlichen Auskunft bzw. für eine Mitteilungspflicht (vgl. Klein/Rätke, 16. Aufl. 2022, AO § 111 Rn. 13 oder BeckOK VwVfG/Funke-Kaiser, 58. Ed. 1.4.2022, VwVfG § 4 Rn. 31, 31.1 zu der vergleichbaren Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG, jeweils mit Beispielen), aus der sich die Qualifizierung der Erteilung der Auskunft über Ergebnis der Ermittlung als eigene Aufgabe des Nachlassgerichtes ohne weiteres ergeben würde, ist nicht ersichtlich.
8
Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts Aschaffenburg (LG Aschaffenburg, Beschluss vom 29.06.2020 – 41 T 12/20, ausschnittsweise zitiert im Nichtabhilfebeschluss) folgt aus dem Zusammenhang zwischen der Erbenermittlung, die dem Nachlassgericht unzweifelhaft als eigene Aufgabe i.S.d. § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO obliegt, und der Erteilung von Auskünften über das Ergebnis dieser Erbenermittlung keineswegs ohne weiteres, dass auch die Erteilung der Auskünfte über das Ergebnis der Erbenermittlung eine eigene Aufgabe i.S.d. § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO darstellt. Vielmehr ist eigenständig zu prüfen, ob die Erteilung einer Auskunft zu den eigenen Aufgaben i.S.d. § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO gehört. So hat z.B. das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 21.06.2006 – 8 C 12/05, Rn. 29) die Erteilung von Auskünften durch das Katasteramt (nur) deshalb als eigene Aufgabe i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVG, der inhaltlich § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO entspricht, qualifiziert, weil die Benutzung durch andere Behörden die wesentliche Funktion des Katasters ausmache, da sich die Aufgabe der Katasterämtern nicht in der Sammlung von Daten über Grundstücke unter Fortführung des Liegenschaft Katasters erschöpfen, sondern das mit dem Liegenschaftskataster verfolgte Ziel nur erreicht werden könne, wenn die im Amt gespeicherten Daten weitergegeben werden. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hinsichtlich der Erteilung von Auskünften über das Ergebnis der Erbenermittlung nicht vor. Die Erteilung von Auskünften über das Ergebnis einer Erbenermittlung macht gerade keine wesentliche Funktion des Nachlassgerichtes aus, vielmehr erschöpft sich die Aufgabe des Nachlassgerichtes in diesem Zusammenhang mit der Ermittlung bzw. Nichtermittlung von Erben, auch wenn das Nachlassgericht dann über das Ergebnis der Erbenermittlung Auskünfte zu erteilen hat.
9
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.der zur Entscheidung stehenden Frage zuzulassen. Die Frage der Kostenfreiheit derartiger Auskünfte über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens stellt sich bayernweit in einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren, die Frage wird daher auch in den Bezirksrevisoren-Richtlinien behandelt. Auch in rechtlicher Hinsicht handelt sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, da es um das Verhältnis von Behörden untereinander und die nähere Bestimmung der Voraussetzungen des Vorliegens von Amtshilfe geht und somit auch eine grundsätzliche Bedeutung über den hier vorliegenden Sachverhalt hinaus vorliegt. Es kommt hinzu, dass das Beschwerdegericht hier eine andere Rechtsauffassung als das Landgericht Aschaffenburg vertritt, so dass alleine schon vor diesem Hintergrund eine Klärung der Rechtsfragen durch das Oberlandesgericht auf die weitere Beschwerde der Staatskasse geboten erscheint.