Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 31.07.2023 – 2 W 27/23
Titel:

Gebührenbefreiung des Kirchensteueramtes für Auskunftsersuchen zur Erbfolge beim Nachlassgericht

Normenketten:
AO § 111 Abs. 1, § 115 Abs. 1
KV-JVKostG Nr. 1401
FamFG § 13 Abs. 2, Abs. 7
EGGVG § 23
KiStG Art. 18 Abs. 1
LJKostG Art. 1 Abs. 1 S. 1
JVKostG § 1 Abs. 4, § 22
GKG § 66 Abs. 3, Abs. 4
Leitsätze:
1. Das Auskunftsersuchen des Kirchensteueramtes an das Nachlassgericht über die Erbfolge ist ein Unterfall des Akteneinsichtsrechts durch eine im Verfahren nicht beteiligte Behörde in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. (Rn. 11)
2. Die entsprechende Auskunft des Nachlassgerichts ist kein Akt der Rechtsprechung nach § 13 Abs. 2, Abs. 7 FamFG, sondern ein nach §§ 23 ff. EGGVG überprüfbarer Justizverwaltungsakt im Wege der Amtshilfe.  (Rn. 11)
3. Das Kirchensteueramt ist von der Gebührenerhebung gemäß §§ 115 Abs. 1, 111 Abs. 1 AO im Rahmen der erfolgten Amtshilfe befreit. Es handelt sich insoweit um eine gesetzliche Ausnahme zum Kostentatbestand nach Nr. 1401 KVJVKostG a.F. (Rn. 17)
Gemäß § 66 Abs. 3 S. 2 GKG ist das nächsthöhere Gericht der Beschwerde trotz der gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG bestehenden Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Hauptsacheentscheidung das Landgericht (Rn. 12). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kirchensteueramt, Kostenansatz, Auskunftsersuchen, Nachlassgericht, Erbfolge, Amtshilfe, Gebührenerhebung, Befreiung, Justizverwaltungsakt, Akteneinsichtsrecht
Vorinstanzen:
LG Schweinfurt, Beschluss vom 15.05.2023 – 42 T 157/22
AG Bad Kissingen, Beschluss vom 11.08.2022 – 1479/20
AG Bad Kissingen, Beschluss vom 21.12.2022 – VI 1479/20
Fundstellen:
FamRZ 2023, 2004
RPfleger 2023, 698
MDR 2023, 1121
JurBüro 2023, 432
ErbR 2023, 901
ZEV 2023, 714
LSK 2023, 19047
BeckRS 2023, 19047

Tenor

1. Die weitere Beschwerde des Freistaats Bayern gegen den Beschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 15.05.2023, Az. 42 T 157/22, wird zurückgewiesen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
In der Nachlasssache des am … verstorbenen E. begehrte das katholische Diözesankirchensteueramt … (Beschwerdegegner) mit Schreiben vom 16.03.2022 (Bl. 31 d.A.) Auskunft vom Amtsgericht – Nachlassgericht – Bad Kissingen über die Erbfolge nach dem Erblasser. Zur Begründung des Gesuchs wurde auf Art. 18 Abs. 1 KiStG in Verbindung mit § 111 AO verwiesen. Mit Verfügung vom 22.03.2022 teilte das Amtsgericht hierauf mit, dass der Erblasser von drei namentlich benannten Personen zu je 1/3 beerbt worden sei.
2
Mit am 25.03.2022 freigegebener Schlusskostenrechnung wurde dem Beschwerdegegner daraufhin für diese Antwort eine Gebühr in Höhe von 15,00 Euro unter Verweis auf Nr. 1401 KV-JVKostG a.F. (bis zum 31.07.2022 gültige Fassung) in Rechnung gestellt. Gegen diesen Kostenansatz legte der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 07.04.2022 (Bl. 33 d.A.) Erinnerung ein, die er mit Schreiben vom 09.05.2022 (Bl. 36 d.A.) ergänzend begründete. Es handele sich seiner Auffassung nach nicht um eine Negativauskunft, für die in der Vergangenheit Kosten erhoben worden seien. Die zur Feststellung der Steuerpflicht erforderliche Auskunft durch das Amtsgericht stelle eine Amtshilfe nach § 111 Abs. 1 Satz 1 AO dar, für die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 AO Kostenfreiheit bestehe.
3
Die zuständige Kostenbeamtin half der Erinnerung gemäß Vermerk vom 12.05.2022 nicht ab. Der Bezirksrevisor beim Landgericht Schweinfurt beantragte mit Schreiben vom 13.07.2022 die Erinnerung zurückzuweisen, da das Auskunftsersuchen des Kirchensteueramtes keinen Fall der kostenfreien Amtshilfe darstelle.
4
Mit Beschluss vom 11.08.2022 wies der Rechtspfleger beim Amtsgericht die Erinnerung zurück und ließ die Beschwerde aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zu. Es sei nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 LJKostG das JV-KostG anzuwenden. Es handle sich bei der Auskunft um eine Justizverwaltungsangelegenheit und nicht um ein kostenfreies Akteneinsichtsersuchen. Eine kostenfreie Amtshilfe liege nicht vor, da die Erbenermittlung gemäß § 111 Abs. 2 AO eine originäre Aufgabe des Nachlassgerichts sei. Daher sei die nach Nr. 1401 KV-JVKostG a.F. anfallende Gebühr von 15,00 Euro zu erheben.
5
Gegen die gemäß Verfügung vom 11.08.2022 zugestellte Entscheidung wendete sich der Beschwerdegegner mit seiner am 16.08.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, die er mit Schreiben vom 28.11.2022 begründete. Er verweist darauf, dass es sich um keinen Justizverwaltungsakt handle, da bei einer positiven Auskunft ein Verfahren bei der Justiz vorhanden sei und die Auskunft im Rahmen des Verfahrens nach dem FamFG erbracht werde. Das JVKostG sei nicht anwendbar. Unabhängig davon sei die Auskunft nach § 115 AO aber kostenfrei, da keine Erbenermittlung, sondern lediglich eine Auskunft im Wege der Amtshilfe begehrt werde. Eine Amtshilfe sei gemäß § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO nur dann ausgeschlossen, wenn die begehrte Handlung (hier die Auskunft) eine eigene Tätigkeit der ersuchten Behörde sei, da diese dann auch ohne Amtshilfeersuchen zur Erbringung der Leistung verpflichtet sei. Auch führe die Auffassung des Amtsgerichts dazu, dass § 111 AO beim vorliegenden Vorgang nie greife, was nicht verständlich wäre.
6
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21.12.2022 (Bl. 57 d.A.) der Beschwerde ergänzend begründet nicht abgeholfen und diese dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom 12.05.2023 auf die Kammer übertragen.
7
Mit Beschluss vom 15.05.2023 (Bl. 62 d.A.) hat das Landgericht sodann den Beschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 11.08.2022 und den Kostenansatz gemäß Schlusskostenrechnung des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 25.03.2022 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Anfrage jedenfalls kostenfrei i.S.d. § 115 Abs. 1 Satz 1 AO sei, da es sich um das Ergebnis einer Amtshilfe i.S.d. § 111 AO handele. Ein Ausschluss nach § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO liege nicht vor, da die Auskunftserteilung über Ergebnisse der Nachlassermittlung nicht die eigentliche Aufgabe des Nachlassgerichts sei. Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 15.05.2023 verwiesen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG hat das Landgericht die weitere Beschwerde zugelassen.
8
Mit Schriftsatz vom 14.06.2023 (Bl. 70 d.A.) hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Schweinfurt für den Freistaat Bayern (Beschwerdeführer) die weitere Beschwerde eingelegt. Er führte zugleich aus, dass eine kostenfreie Amtshilfe nicht vorliege, da die Erbenermittlung originäre Aufgabe des Nachlassgerichts sei und die Auskunft mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehe. Zudem gehe er davon aus, dass ein Justizverwaltungsakt vorliege, nachdem das Landgericht sich hierzu nicht geäußert habe.
9
Das Katholische Diözesankirchensteueramt hat mit Schreiben vom 14.07.2023 die angefochtene Entscheidung verteidigt.
II.
10
Die weitere Beschwerde ist gemäß § 1 Abs. 4, § 22 JVKostG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayLJKostG, § 66 Abs. 4 GKG zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den von der Justizkasse gegenüber dem Beschwerdegegner erfolgten Kostenansatz gemäß Schlussrechnung vom 25.03.2022 in Höhe der Gebühr von 15,00 Euro gemäß Nr. 1401 KV JVKostG a.F. aufgehoben. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 66 Abs. 4 S. 2 GKG i.V.m. §§ 546, 547 ZPO). Hierzu im Einzelnen wie folgt:
„1. Die weitere – unbefristete – Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts ist gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat.“
11
Die Justizbehörden des Landes erheben Kosten (Gebühren und Auslagen) nach dem Justizverwaltungskostengesetz (JVKostG) in der jeweils geltenden Fassung. Vorliegend handelt es sich bei der durch das Amtsgericht dem Katholischen Kirchensteueramt … erteilten Auskunft um einen Justizverwaltungsakt, für den gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 4 JVKostG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayLJKostG Kosten erhoben werden können, so dass der Anwendungsbereich des § 66 GKG eröffnet ist. Bei einem Auskunftsbegehren handelt es sich um einen Unterfall des Akteneinsichtsrechts (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 06.08.2021, Az. 1 VAs 99/21 m.w.N. zur obergerichtl. Rspr.). Akteneinsichtsbegehren durch im Verfahren nicht beteiligte Behörden in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit stellen sich in diesem Zusammenhang nicht als Akt der Rechtsprechung nach § 13 Abs. 2, Abs. 7 FamFG dar. Vielmehr gelten die Grundsätze der Amtshilfe, so dass es sich um einen nach §§ 23 ff. EGGVG überprüfbaren Justizverwaltungsakt handelt (vgl. BayObLG, Beschluss v. 10.01.2023, Az. 102 VA 127/22; Beschluss v. 20.12.2021, Az. 203 VAs 389/21 (zu § 474 StPO); OLG Bamberg, Beschluss v. 17.01.2018, Az. 6 VA 5/17; Zöller-Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 13 FamFG Rn. 5; Sternal-Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 13 Rn. 53 m.w.N.).
12
Gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG ist das nächsthöhere Gericht der Beschwerde das Landgericht trotz der gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG bestehenden Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Hauptsacheentscheidung (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 01.10.2018, Az. 2 W 98/17; BeckOK/Kostenrecht-Laube, Stand 01.04.2023, § 66 GKG Rn. 255 m.w.N.). Das Oberlandesgericht ist an die Zulassung durch das Landgericht gebunden (§ 66 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 GKG). Da das Rechtsmittel nicht befristet ist, kommt es auf den Zugang der Beschwerdeentscheidung bei dem Beschwerdeführer nicht an. Nachdem in der Beschwerdeinstanz die Kammer in voller Besetzung entschieden hat (vgl. § 66 Abs. 6 Satz 1, 2 GKG), ist der Senat und nicht der Einzelrichter zur Entscheidung über die weitere Beschwerde berufen.
13
2. Die weitere Beschwerde ist in der Sache aber unbegründet, da der Beschwerdegegner von der Gebührenerhebung gemäß §§ 115 Abs. 1, 111 Abs. 1 AO im Rahmen der erfolgten Amtshilfe befreit ist. Es liegt auch kein Ausnahmefall des § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO vor, nach dem keine Amtshilfe gegeben ist, wenn die ersuchte Behörde innerhalb der ihr selbst obliegenden Aufgaben tätig wird.
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a) In § 111 AO sind die Voraussetzungen der sich auf Art. 35 Abs. 1 GG gründenden Pflicht zur Amtshilfe geregelt (§ 111 Abs. 1 Satz 1 AO) und wer hilfepflichtig ist (§ 111 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 AO). Es ist ebenso geregelt, wann Amtshilfe verweigert werden kann (§ 111 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 AO). Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 AO haben alle Gerichte und Behörden die zur Durchführung der Besteuerung erforderliche Amtshilfe zu leisten (vgl. zum Ganzen Wolffgang/Hendricks in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand März 2006, § 111 Amtshilfepflicht, Rn. 2).
15
Amtshilfe ist ihrem Wesen nach Unterstützung oder Beistand bei der Durchführung von Aufgaben der ersuchenden Behörde. Sie ist nicht geeignet, gesetzlich zugewiesene Aufgaben zu verschieben oder gesetzlich begründete Zuständigkeiten zu verändern. Danach kommt eine Amtshilfe dann nicht in Betracht, wenn die Handlung, um deren Vornahme ersucht wird, zum Aufgabenbereich des ersuchten Gerichts oder der ersuchten Behörde gehört (vgl. § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO, Klein-Rätke, AO, 16. Aufl., § 111 Rn. 8). Das trifft immer dann zu, wenn das Handeln – wie etwa die Mitwirkung bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt oder die Wahrnehmung selbständiger Vollzugsmaßnahmen – kraft Gesetzes dem ersuchten Gericht oder der ersuchten Behörde obliegt (BFH, Beschluss v. 25.01.1988, Az. VII B 85/87).
16
Vorliegend ist der Einzug der Kirchensteuer dem Beschwerdegegner als eigene Aufgabe zugewiesen. Die Feststellung der Erbenstellung und damit der steuerpflichtigen Person stellt eine notwendige Vorfrage dar. Der Aufgabenbereich des um Auskunft ersuchten Nachlassgerichts beschränkt sich hingegen grundsätzlich auf die erforderlichen Feststellungen in der Nachlasssache. Eine konkrete gesetzliche Auskunftsverpflichtung hinsichtlich der für die Festsetzung der Kirchensteuer maßgeblichen Grundlagen existiert nicht. Für die Annahme einer eigenen Aufgabe nicht ausreichend ist hingegen, dass sich aus der vom Nachlassgericht erfolgten Erbenermittlung die Möglichkeit einer entsprechenden Auskunft ergibt. Die insoweit nach § 111 Abs. 1 bestehende Auskunftspflicht als Annex der Erbenermittlung stellt sich vielmehr als Ausfluss der Amtshilfe im Rahmen des Aufgabenbereichs der auskunftsersuchenden Behörde dar. Eine eigene Verpflichtung des Nachlassgerichts zur Auskunftserteilung, wie sie § 34 ErbStG für die erbschaftssteuerlichen Grundlagen enthält (vgl. auch Nr. XVII MiZi; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Söhn: AO/FGO, Stand 2016, § 111 Rn. 64 – insoweit keine Amtshilfe), besteht für den Bereich der Kirchensteuer nicht.
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b) Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 AO hat die ersuchende Finanzbehörde der ersuchten Behörde für die Amtshilfe keine Verwaltungsgebühr zu entrichten. Es handelt sich um eine gesetzliche Ausnahme zum Kostentatbestand nach Nr. 1401 KV-JVKostG a.F. Wenngleich § 115 AO nur von der ersuchten „Behörde“ spricht, findet die Norm entsprechende Anwendung auch dann, wenn die ersuchte Stelle ein Gericht ist, da es sich insoweit um eine planwidrige Regelungslücke handelt (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler-Söhn, a.a.O. § § 115 Rn. 5 Wolffgang/Hendricks in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, a.a.O. § 115 Rn. 5; BeckOK/AO-Matthes, Stand 11.4.2023, § 115 Rn. 8).
18
Die im Ergebnis zutreffende Entscheidung des Landgerichts hat somit Bestand, die Beschwerde ist zurückzuweisen.
III.
19
Eine Kostenentscheidung ist aufgrund der abschließenden gesetzlichen Kostenregelung gem. § 66 Abs. 8 GKG nicht veranlasst.