Titel:
Formerfordernis für die Einreichung vorbereitender Schriftsätze
Normenketten:
VwGO § 55d
StBerG § 86d
Leitsatz:
Der Fall, dass der Inhaber des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs entgegen der Verpflichtung aus § 86d Abs. 6 StBerG die erforderlichen technischen Einrichtungen für die Nutzung des Postfachs nicht vorhält, stellt keine vorübergehende Unmöglichkeit dar, die die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig macht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
elektronisches Postfach, vorübergehende Unmöglichkeit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 15.03.2023 – RO 16 S 23.197
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19028
Tenor
I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.407,21 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter, mit dem sie sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung der Rückforderung einer Abschlagszahlung wendet.
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Am 23. März 2022 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Gewährung einer Überbrückungshilfe III Plus in Höhe von 19.257,69 Euro. Mit Bescheid vom 23. März 2022 wurde eine Abschlagszahlung in Höhe von 9.628,85 Euro gewährt. Mit Bescheid vom 15. Juni 2022 wurde die vorläufige Gewährung von Überbrückungshilfe III Plus dem Grunde nach festgesetzt. Mit Bescheid vom 10. Januar 2023 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab, nahm den Bescheid über die gewährte Abschlagszahlung zurück und setzte einen zu erstattenden Betrag in Höhe von 9.628,85 Euro fest.
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Die Antragstellerin erhob dagegen durch ihren Bevollmächtigten, einen Steuerberater, Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 16 K 23.194), über die noch nicht entschieden ist. Die Antragstellerin beantragte zugleich, „den zurückgeforderten Betrag von 9.628,85 Euro von der Vollziehung bis zur Entscheidung der Klage auszusetzen“. Der Schriftsatz vom 7. Februar 2023 ging dem Verwaltungsgericht elektronisch über das besondere Steuerberaterpostfach zu. Nach dem Prüfvermerk war keine qualifizierte Signatur nach ERVB vorhanden; der Schriftsatz enthielt auch keine weitere Signatur.
4
Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte den Antrag mit Beschluss vom 15. März 2023 ab. Der sinngemäß gestellte Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sei unzulässig, nämlich formunwirksam. Die Antragsschrift erfülle nicht die Anforderungen an eine elektronische Einreichung. Eine qualifizierte elektronische Signatur liege nicht vor. Die Antragsschrift sei zwar auf einem sicheren Wege übermittelt, aber nicht von der verantwortenden Person signiert worden. Der Antrag sei zudem unstatthaft, da der zeitgleich erhobenen Klage bereits von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukomme, die auch nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO entfalle. Eine etwaige Umdeutung des Antrages auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung führe ebenfalls nicht zum Erfolg, da kein Fall des sogenannten faktischen Vollzuges durch die Antragsgegnerin vorliege.
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Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin zunächst am 20. März 2023 per EGVP zugestellt; nachdem das Empfangsbekenntnis bei Gericht nicht einging, wurde er am 9. Mai 2023 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
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Mit am 31. Mai 2023 per Telefax beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 26. Mai 2023 beantragte die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sinngemäß in die Frist zur Einlegung der Beschwerde. Der Bevollmächtigte trug vor, er habe am 11. Januar 2023 sein besonderes Steuerberaterpostfach aktiviert und am 8. Februar 2023 die Klage gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid erhoben. Eine Eingangsbestätigung habe er nicht erhalten. Später habe sich herausgestellt, dass die Lizenz vom 11. Januar 2023 in der Lage gewesen sei, Post zu versenden, aber nicht zu empfangen. Er habe diesen Missstand bereinigt, doch funktioniere das Postfach immer noch nicht. Daher müsse er auf das Fax ausweichen. Der Bevollmächtigte legte weiterhin sinngemäß Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ein.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da sie unzulässig ist.
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1. Die Beschwerde wurde entgegen § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Verwaltungsgericht eingelegt. Die Frist begann am 9. Mai 2023 mit der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses zu laufen und endete, da der Beschluss mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrungversehen war (§ 58 Abs. 1 VwGO), gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB am 23. Mai 2023.
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Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde (§ 60 VwGO) war abzulehnen. Aus dem Vortrag des Bevollmächtigten ergibt sich nicht, dass er ohne Verschulden verhindert gewesen wäre, die Frist einzuhalten. Der Vortrag bezieht sich allein darauf, dass der Bevollmächtigte aus bestimmten Gründen die Beschwerde nicht unter Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (§§ 86d, 157e StBerG) habe einlegen können; er habe deshalb das Telefax benutzen müssen. Es wird jedoch nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Bevollmächtigte dem Verwaltungsgericht das Telefax nicht fristgerecht übermitteln konnte; ein mangelndes Verschulden bei der Fristversäumung ist damit nicht dargelegt.
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2. Im Übrigen ist die Beschwerde auch deshalb unzulässig, weil sie nicht den Formerfordernissen der § 55d, § 55a VwGO entsprechend eingelegt wurde. Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge, die u.a. durch Rechtsanwälte eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Diese Verpflichtung gilt gemäß § 55d Satz 2 VwGO auch für die nach der Verwaltungsgerichtsordnung vertretungsberechtigten Personen wie Steuerberater in Streitigkeiten wie der vorliegenden (§ 67 Abs. 4 Satz 7, Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO), für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Verfügung steht. Dies ist gemäß § 86d, § 157e StBerG seit dem 1. Januar 2023 der Fall, so dass Steuerberater seit diesem Zeitpunkt der elektronischen Einreichungspflicht unterfallen (vgl. für die Finanzgerichtsbarkeit BFH, B.v. 28.4.2023 – XI B 101.22 – juris Rn. 13 m.w.N.; für die Verwaltungsgerichtsbarkeit VG München, B.v. 17.5.2023 – M 31 E 23.2123 – juris Rn. 10 m.w.N.; s. auch Ulrich in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 55d Rn. 17). Eine herkömmliche Einreichung von Schriftsätzen – etwa auf dem Postweg oder per Fax – ist seither prozessual unwirksam (BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 15 ZB 22.286 – juris Rn. 7 m.w.N.). Nur dann, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO). Dass diese Voraussetzungen hier vorlagen, hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht (§ 55d Satz 4 VwGO). § 55d Satz 3 VwGO erfasst nach seinem klaren Wortlaut nur den Fall einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit. Insbesondere stellt der Fall, dass der Inhaber des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs entgegen der Verpflichtung aus § 86d Abs. 6 StBerG die erforderlichen technischen Einrichtungen für die Nutzung des Postfachs nicht vorhält, keine vorübergehende Unmöglichkeit dar; § 55d Satz 3 VwGO befreit die professionell Einreichenden wie die Steuerberater nicht von dieser Pflicht (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 55d Rn. 6). So lag der Fall aber offenbar hier, nachdem der Bevollmächtigte nach seinem Vortrag in der Zeit zwischen der Antragstellung beim Verwaltungsgericht am 8. Februar 2023 und dem 27. April 2023 (Datum der vorgelegten E-Mail der Bundessteuerberaterkammer an den Bevollmächtigten mit technischen Hinweisen) die ordnungsgemäße Nutzbarkeit des Postfachs nicht hatte herstellen können; ebenso wenig gelang dies offenbar zwischen dem 27. April 2023 und dem Ablauf der Beschwerdeeinlegungsfrist am 23. Mai 2023. Dass die Gründe hierfür außerhalb des Verantwortungsbereichs des Bevollmächtigten gelegen hätten, hat dieser nicht glaubhaft gemacht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (ein Viertel des Hauptsachestreitwerts, wie Vorinstanz).
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Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 152 Abs. 1 VwGO).