Inhalt

VGH München, Urteil v. 30.05.2023 – 22 A 21.40030
Titel:

Erfolglose Drittanfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses für die Änderung einer Eisenbahnüberführung

Normenkette:
AEG § 18e Abs. 5 S. 1
Leitsatz:
Der nach Ablauf der Klagebegründungsfrist eingegangene Vortrag ist innerprozessual präkludiert. Der gerichtlichen Prüfung sind (nur) diejenigen Einwände zugrunde zu legen, die klägerseits unter Beachtung der Frist des § 18e Abs. 5 S. 1 AEG substantiiert vorgebracht worden sind. (Rn. 19 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Drittanfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses für die Änderung einer Eisenbahnüberführung (Neubau mit aufgeweiteter Straßendurchfahrt), vollständige innerprozessuale Präklusion wegen nicht fristgerechter Klagebegründung, Drittanfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses, Fristversäumnis, vollständige innerprozessuale Präklusion, Klagebegründungsfrist
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19023

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 trägt die Klägerin. Der Beigeladene zu 2 trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen  

Tatbestand

1
Die Klägerin, eine GbR, begehrt die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses für die Änderung einer Eisenbahnüberführung.
2
Unter dem 21. Mai 2021 erließ das Eisenbahn-Bundesamt gemäß § 18 AEG den Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben „Änderung der Eisenbahnüberführung Hauser Straße bei Bahnkm 20,666 in der Gemeinde Gauting Ortsteil Königswiesen‘ in der Gemeinde Gauting im Landkreis Starnberg, Bahnkm 20,666 der Strecke 5504 München – Mittenwald“. Vorhabenträgerin ist die Beigeladene zu 1. Der Beigeladene zu 2 ist Träger der Straßenbaulast für die unterführte Kreisstraße STA 3 (Hauser Straße).
3
Der Planfeststellungsbeschluss sieht im Kern folgendes vor (näher PFB S. 9, S. 32 ff., S. 63):
4
- Rückbau der bestehenden Eisenbahnüberführung (lichte Höhe ca. 4,00 m; lichte Weite ca. 6,45 m, darunter Gehweg ca. 1,50 m)
5
- Neubau einer Eisenbahnüberführung mit geänderten Abmessungen (lichte Höhe ca. 4,50 m; lichte Weite ca. 9,00 m, darunter 6,00 m Fahrbahn und 2,50 m Gehweg)
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- Anpassung und Änderung der Kreisstraße STA 3 auf einer Länge von 180 m (Gradientenabsenkung; Schaffung einer Fahrbahnbreite von 6,00 m [im Kurvenbereich 7,20 m]; Verlängerung des Gehwegs).
7
- Anpassung und Änderung zweier einmündender Gemeindestraßen
8
Im Planfeststellungsbeschluss wird das Vorhaben im Wesentlichen damit begründet, dass das im Jahr 1907 erbaute Überführungsbauwerk erhebliche Schäden aufweise und die Beigeladene zu 1 nachvollziehbar dargelegt habe, dass die dauerhafte Verfügbarkeit des Bauwerks durch Sanierungsmaßnahmen nicht mehr wirtschaftlich gewährleistet werden könne. Der somit gebotene Neubau der Überführung sei hinsichtlich der lichten Breite und Höhe der Durchfahrt den aktuellen Anforderungen entsprechend – welche sich u.a. aus straßenrechtlichen Richtlinien ergäben – herzustellen. Bei den Straßenbaumaßnahmen handele es sich um notwendige Folgemaßnahmen i.S.d. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG.
9
Teile von im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücken werden für das Vorhaben z.T. dauerhaft (Straßenausbau; landschaftspflegerische Ausgleichsmaßnahmen), z.T. vorübergehend (u.a. Baustellenzufahrt) in Anspruch genommen. Die gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen der Klägerin wurden im Planfeststellungsbeschluss zurückgewiesen.
10
Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 2. August 2021, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss.
11
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2021, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, beantragte die Klägerin, die Frist zur Klagebegründung wegen aktueller Arbeitsbelastung um 14 Tage zu verlängern. Mit gerichtlichem Schreiben vom 12. Oktober 2021 – ausgelaufen am gleichen Tag – wurde die Klägerin um Mitteilung gebeten, ob es sich um einen Fristverlängerungsantrag gem. § 18e Abs. 5 Satz 5 AEG handele, sowie um Darlegung der in dieser Norm genannten Verlängerungsvoraussetzungen.
12
Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2021, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, führte die Klägerin aus, dass die Einwendung lediglich aus Rechtsgründen erhoben werde, eine weitere Fristverlängerung sei nicht erforderlich. Auf die im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Einwendungen werde Bezug genommen. Die Klägerin beanstande, dass das Vorhaben weit über die Änderung der Eisenbahnüberführung hinausgreife und hierfür ihre Grundstücke in Anspruch nehme. Für diesen Eingriff könne das AEG nicht als Rechtsgrundlage dienen. Die Begründung im Planfeststellungsbeschluss sei straßenverkehrlicher Art; im vorliegenden Verfahren sei sie nicht tragfähig.
13
Die Klägerin beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss vom 21. Mai 2021 aufzuheben.
15
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. verteidigen den Planfeststellungsbeschluss; sie beantragen jeweils,
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die Klage abzuweisen.
17
Der Beigeladene zu 2 hat sich schriftsätzlich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll über die mündliche Verhandlung, sowie auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

19
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat den Prozessstoff nicht innerhalb der Frist des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG fixiert; es liegt daher kein (fristgerechtes) Vorbringen vor, aus dem sich ergeben könnte, dass der Planfeststellungsbeschluss – wie von der Klägerin beantragt – aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der nach Ablauf der Klagebegründungsfrist eingegangene Vortrag ist nach § 18e Abs. 5 Satz 2 AEG innerprozessual präkludiert (1.). Dieser Vortrag entspricht im Übrigen nicht den Anforderungen des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG (2.).
20
1. Die Klage ist schon deshalb unbegründet, weil die Klägerin sie nicht fristgerecht begründet hat und sie mit ihrem Vorbringen nach Fristablauf innerprozessual präkludiert ist (vgl. zur Unbegründetheit einer Klage allein wegen Versäumung der Klagebegründungsfrist BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 29 ff.; SächsOVG, B.v. 10.1.2023 – 4 B 260/22 – juris Rn. 17 ff.)
21
Gem. § 18e Abs. 5 Satz 1, Satz 2 AEG hat der Kläger innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt.
22
Der gerichtlichen Prüfung sind damit (nur) diejenigen Einwände zugrunde zu legen, die klägerseits unter Beachtung der Frist des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG substantiiert vorgebracht worden sind (vgl. zur Begrenzung der Reichweite der gerichtlichen Prüfung durch derartige Rechtsbehelfsbegründungsfristen, auch i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO: BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 – juris Rn. 14 ff.; U.v. 23.11.2022 – 7 A 9.21 – juris Rn. 13 ff. [zu § 18e Abs. 5 AEG]; U.v. 21.3.2023 – 4 A 9.21 – juris Rn. 14; U.v. 21.2.2023 – 4 A 2.22 – juris Rn. 11 ff.; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – juris Rn. 11 ff.; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – juris Rn. 11 ff.; BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 31 ff. [zu § 6 UmwRG]; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 9 A 19.21 – juris Rn. 6; SächsOVG, B.v. 10.1.2023 – 4 B 260/22 – juris Rn. 17 ff., Rn. 21 ff. [zu § 17e Abs. 5 FStrG]; BVerwG, B.v. 22.3.2023 – 4 VR 4.22 – juris Rn. 10 [zu § 43 Abs. 1 Satz 2 EnWG]). Nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Klagebegründungsfrist soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird (BVerwG, U.v. 21.2.2023 – 4 A 2.22 – juris Rn. 12; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – juris Rn. 14); indem so der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt festgelegt und damit handhabbar gehalten wird, soll zur Straffung des Gerichtsverfahrens beitragen werden (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2022 – 9 B 7.22 – juris Rn. 11; U.v. 9.12.2021 – 4 A 2.20 – juris Rn. 24). Dies schließt einen späteren, lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht aus (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 16).
23
Innerhalb der Frist des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG hatte die Klägerin keine Klagebegründung eingereicht und damit den Prozessstoff nicht fixiert (1.1). Mit ihrem nach Fristablauf erfolgten Vorbringen ist sie gem. § 18e Abs. 1 Satz 2 AEG innerprozessual präkludiert (1.2). Hieran ändert das Vorbringen der Klägerin nichts, sie greife den Planfeststellungsbeschluss nur aus Rechtsgründen an (1.3).
24
1.1 Da die Klage am 2. August 2021 erhoben wurde, endete die Klagebegründungsfrist des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG mit Ablauf des 11. Oktober 2021 (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Innerhalb dieser Frist hatte die Klägerin keine Klagebegründung eingereicht, insbesondere keine Tatsachen und Beweismittel angegeben. Der Schriftsatz vom 2. August 2021 enthielt neben der Erhebung der Klage keine weiteren Angaben. Mit dem am 11. Oktober 2021 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag wurde lediglich eine Fristverlängerung beantragt.
25
Eine Fristverlängerung nach § 18e Abs. 5 Satz 5 AEG war der Klägerin nicht – auch nicht etwa (soweit dies überhaupt in Betracht kommt) konkludent – gewährt worden. Der Fristverlängerungsantrag im Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 war kein Antrag gem. § 18e Abs. 5 Satz 5 AEG und auch nicht als solcher auszulegen. Der Antrag wurde nicht mit der fehlenden Beteiligungsmöglichkeit der Klägerin im Planfeststellungsverfahren i.S.d. § 18e Abs. 5 Satz 5 AEG, sondern mit Arbeitsüberlastung begründet. Das gerichtliche Schreiben vom 12. Oktober 2021, mit dem nachgefragt wurde, ob es sich um einen Fristverlängerungsantrag nach § 18e Abs. 5 Satz 5 AEG handele sowie um Darlegung der in dieser Norm genannten Verlängerungsvoraussetzungen gebeten wurde, wurde von der Klägerin nicht beantwortet. Erst am 25. Oktober 2021 reichte die Klägerin einen weiteren Schriftsatz mit einer Klagebegründung ein; dieser verhielt sich aber zu den gerichtlich erbetenen Angaben nicht. Vielmehr trug die Klägerin in diesem Schriftsatz selbst vor, im Planfeststellungsverfahren Einwendungen erhoben zu haben. Damit lagen nach ihrem Vortrag die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung nach § 18e Abs. 5 Satz 5 AEG nicht vor, da sie in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, eine Möglichkeit der Beteiligung hatte. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 25. Oktober 2021 angedeutet hat, eine Fristverlängerung nach § 18e Abs. 5 Satz 5 AEG sei ihr gewährt worden („eine weitere Fristverlängerung ist nicht erforderlich“), trifft dies daher nicht zu.
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1.2 Mit ihrem Vorbringen nach Ablauf der Frist des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG ist die Klägerin gem. § 18e Abs. 1 Satz 2 AEG in vollem Umfang präkludiert. Mangels fristgerechten Vortrags kommt auch dessen Vertiefung nicht in Betracht.
27
Vorsorglich ist auszuführen, dass sich die Klägerin nicht auf das Vorbringen der Kläger im gemeinsam verhandelten Parallelverfahren 22 A 21.40025 berufen kann. Der Zweck der prozessualen Präklusionsregelungen besteht – wie bereits dargelegt – darin, den Prozessstoff festzulegen, und zwar für jedes Klageverfahren gesondert. Mit der Zielrichtung des Gesetzes ist es nicht vereinbar, wenn sich die Klagepartei auf Vorbringen beruft, das zwar nicht durch sie selbst, wohl aber durch eine andere Partei in einem Parallelverfahren erfolgt ist. Andernfalls könnte sich eine Klagepartei noch in der mündlichen Verhandlung auf für sie günstiges Vorbringen eines Parallelverfahrens berufen, so die Klagebegründungsfrist unterlaufen und sogar einer zunächst unbegründeten Klage noch kurzfristig zum Erfolg verhelfen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 446). Im Übrigen entsprach das Vorbringen der Kläger im Parallelverfahren 22 A 21.40025 nicht den Anforderungen des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG, wie im Urteil vom heutigen Tag betreffend jenes Verfahren ausführlich dargelegt worden ist.
28
1.2.2 Entschuldigungsgründe für die Verspätung ihres Vorbringens hat die Klägerin nicht – wie geboten (vgl. BVerwG, B.v. 16.4.2020 – 9 B 66.19 – juris Rn. 10) – von sich aus vorgebracht; sie sind auch nicht ersichtlich.
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1.2.3 Es war auch nicht mit geringem Aufwand möglich, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Klägerin zu ermitteln (§ 18e Abs. 5 Satz 4 AEG).
30
Im Einklang mit der Rechtsprechung des 8. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiteren Obergerichten zu vergleichbaren Klagebegründungsfristen geht der Senat davon aus, dass § 18e Abs. 5 Satz 4 AEG als Ausnahmetatbestand eng auszulegen ist. Die Ermittlung des Sachverhalts „mit geringem Aufwand“ kommt nur in Betracht, wenn derart auf der Hand liegt, unter welchen Gesichtspunkten die Klagepartei die behördliche Entscheidung angreift, dass sich die Angabe von Klagegründen im Einzelfall als bloße Förmlichkeit erweisen würde und eine Präklusion daher unverhältnismäßig wäre (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 50; B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 17 f.; VGH BW, B.v. 10.11.2022 – 10 S 1312/22 – juris Rn. 47; U.v. 5.10.2022 – 10 S 1485/21 – juris Rn. 51; OVG NW, U.v. 4.5.2022 – 8 D 346/21.AK – juris Rn. 76 f.; B.v. 1.2.2022 – 11 A 2168/20 – juris Rn. 64 f.; OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 150).
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Schon die Betroffenheit der Klägerin von dem Vorhaben und erst recht potenzielle Angriffspunkte hätten erst aufwändig durch Analyse zumindest des Planfeststellungsbeschlusses ermittelt werden müssen. Insofern führt es nicht weiter, dass die Klägerin – nach Ablauf der Klagebegründungsfrist – auf ihre Einwendungen aus dem Planfeststellungsverfahren Bezug genommen hat. Überdies muss sich eine dem § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG entsprechende Klagebegründung mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss auseinandersetzen; eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren Wiederholung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügt ebenso wenig wie ein bloßes Bestreiten tatsächlicher Feststellungen der Planung (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – juris Rn. 12; U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 19.9.2022 – 8 CS 22.1552 – juris Rn. 30; U.v. 4.8.2022 – 22 A 20.40012- juris Rn. 81). Dieses Erfordernis kann nicht durch die Annahme umgangen werden, mit einem Verweis auf bereits im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände sei der Sachverhalt (in Bezug auf Angriffspunkte der Klagepartei) mit geringem Aufwand zu ermitteln.
32
Zudem befasst sich der Planfeststellungsbeschluss ausführlich mit den Einwendungen der Klägerin (vgl. PFB S. 206 – 213), so dass selbst bei der Lektüre ihrer Einwendungen nicht gesichert war, unter welchen Gesichtspunkten die Klägerin das Vorhaben (weiterhin) angreift (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 17; OVG NW, B.v. 1.2.2022 – 11 A 2168/20 – juris Rn. 62 f; B.v. 18.2.2020 – 11 B 13/20 – juris Rn. 48).
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1.3 Die innerprozessuale Präklusion nach § 18e Abs. 5 Satz 2 AEG entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin, wie sie geltend macht, Einwendungen lediglich aus Rechtsgründen erhoben hat.
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Richtig ist zwar, dass in § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG nur von „Tatsachen und Beweismitteln“ die Rede ist. Aber abgesehen davon, dass § 18e Abs. 5 Satz 2 AEG allgemeiner von der Nichtzulassung verspäteter „Erklärungen“ spricht, leitet das Bundesverwaltungsgericht aus dem Zusammenspiel der gesetzlichen Klagebegründungsfristen und dem – auch hier bestehenden – Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO ab, dass die dem Prozessbevollmächtigten aufgegebene Prüfung, Sichtung und Durchdringung des Streitstoffs auch die Sichtung und rechtliche Einordnung der Tatsachen umfasst, auf die die Klage gestützt werden soll. Denn nur so kann der Prozessbevollmächtigte seiner Aufgabe gerecht werden, rechtlich fundiert die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen fristgerecht zu benennen und den Prozessstoff festzulegen, damit für das Gericht und die übrigen Beteiligten nach Ablauf der Klagebegründungsfrist klar und unverwechselbar feststeht, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten die behördliche Entscheidung angegriffen wird (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – juris Rn. 12; U.v. 5.7.2022 – 4 A 13.20 – juris Rn. 12; U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 17; U.v. 11.7.2019 – 9 A 13.18 – BVerwGE 166, 132 – juris Rn. 135). Anderenfalls sind das Gericht und die anderen Beteiligten auch nicht in der Lage, den rechtlichen Prüfungsumfang abzusehen (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2023, § 6 UmwRG Rn. 56 f., Rn. 59; Winkler in Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 6. Aufl. 2023, § 6 UmwRG Rn. 4). Fehlt es daher – wie hier – an fristgerecht vorgebrachten tatsächlichen Angriffspunkten gegen den Planfeststellungsbeschluss und wird somit der Prozessstoff nicht fixiert, mangelt es an einer Grundlage für eine Prüfung der von der Klägerin vorgebrachten rechtlichen Argumente.
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2. Im Übrigen entsprach die verspätet eingereichte Klagebegründung (Schriftsatz vom 25. Oktober 2021) nicht den Anforderungen des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG.
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2.1 Innerhalb der Begründungsfrist sind – wie bereits erwähnt – fundiert die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen zu benennen und ist der Prozessstoff dergestalt substantiiert darzulegen, dass klar und unverwechselbar feststeht, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird (vgl. BVerwG, B.v. 24.6.2021 – 9 A 11.20 – juris Rn. 4; U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 4.8.2022 – 22 A 20.40012 – juris Rn. 81). Beweismittel für einen späteren förmlichen Beweisantrag sind innerhalb der Klagebegründungsfrist bereits anzugeben. Damit einher geht die Pflicht des bzw. der Klägerbevollmächtigten zur Sichtung und rechtlichen Einordnung der Tatsachen, auf welche die Klage gestützt werden soll. Eine nur stichwortartige Benennung oder Zusammenfassung von Kritikpunkten beigefügter Gutachten oder deren bloße wörtliche Wiedergabe erfüllt diese Anforderungen nicht. Der Kläger muss sich zudem mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss auseinandersetzen; eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren Wiederholung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügt ebenso wenig wie ein bloßes Bestreiten tatsächlicher Feststellungen der Planung (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – juris Rn. 12; U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 19.9.2022 – 8 CS 22.1552 – juris Rn. 30; U.v. 4.8.2022 – 22 A 20.40012- juris Rn. 81). Angesichts dieser Vorgaben reicht also die bloß kursorische Benennung von Einwänden nicht aus (vgl. Steinkühler, UPR 2022, 241/247).
37
2.2 Die pauschale Bezugnahme der Klägerin auf die im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen war, wie ausgeführt, unzureichend. Dies gilt umso mehr, als sich der Planfeststellungsbeschluss mit dem sich aus der Klagebegründung ergebenden Kernvorwurf der Klägerin, die Planfeststellung greife weit über die eigentliche Betriebsanlage hinaus und berühre ohne sachlichen Grund und ohne rechtliche Notwendigkeit benachbarte Grundstücke – auseinandersetzt (PFB S. 207 – 210).
38
2.3 Das eigentliche Klagevorbringen der Klägerin ist oberflächlich und unsubstantiiert; es lässt damit nicht, wie geboten, klar und unverwechselbar erkennen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten der Planfeststellungsbeschluss angegriffen wird. Da das Klagevorbringen aus sich heraus verständlich sein muss, ist es auch nicht Aufgabe des Gerichts, aus dem schriftsätzlichen Vortrag im Wege der Auslegung den Sachvortrag sowie etwaige konkludent gestellte Anträge zu ermitteln oder zu konkretisieren (BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – juris Rn. 12; U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 89).
39
Im Planfeststellungsbeschluss sind die Maßnahmen, die jenseits des Überführungsbauwerks an der unterführten Kreisstraße sowie weiteren (Gemeinde-) Straßen vorgesehen sind, ausführlich dargestellt (PFB S. 33 ff.; vgl. bereits PFB S. 9). Ferner wird – gerade im Hinblick auf entsprechende Einwendungen im Planfeststellungsverfahren – ausführlich begründet, weshalb diese Maßnahmen im Rahmen einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung getroffen werden können (vgl. PFB S. 52 ff. zur Folgemaßnahme i.S.d. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG; vgl. auch zur Abwägung/Variantenprüfung PFB S. 64 ff.). Der unspezifische Vortrag der Klägerin wird – abgesehen davon, dass er sich nicht mit den diesen Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses auseinandersetzt – dem Umstand nicht gerecht, dass es sich um diverse Einzelmaßnahmen handelt, die im Planfeststellungsbeschluss mit unterschiedlichen Gesichtspunkten begründet werden. Für die Notwendigkeit einer Gradientenabsenkung der Hauser Straße wird die Aufweitung der lichten Höhe der Durchfahrt der Überführung angeführt (vgl. PFB S. 34). Hinsichtlich der Breite der Fahrbahn sowohl innerhalb als auch jenseits der Überführung beruft sich der Planfeststellungsbeschluss auf straßenrechtliche Richtlinien (vgl. PFB S. 53 f.). Die Verbreiterung des Gehwegs und die Schaffung einer neuen Verkehrsinsel (durch die 1. Tektur) wird mit Einwendungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung begründet (vgl. PFB S. 34). Dementsprechend unterschiedlich begründen sich die Eingriffe in das Grundeigentum der Klägerin: Ihre Grundstücke werden z.T. für den Ausbau der H. Straße, z.T. für den Ausbau der K. Straße (Gemeindestraße) in Anspruch genommen, z.T. auch für eine landschaftspflegerische Begleitmaßnahme und – vorübergehend – u.a. für eine Baustellenzufahrt (vgl. PFB S. 207). Von Relevanz ist insoweit auch, dass sich der Umfang der Grundstücksbetroffenheit der Klägerin durch die 1. Tektur (u.a. Verbreiterung des Gehwegs um 50 cm; neue Verkehrsinsel) vergrößert hat (vgl. PFB S. 209).
40
Zudem geht der pauschale Vorwurf der Klägerin, der Planfeststellungsbeschluss reiche unzulässigerweise weit über das eisenbahnrechtliche Vorhaben hinaus und sei mit straßenverkehrlichen Gesichtspunkten begründet, daran vorbei, dass der planfestgestellte Neubau der Eisenbahnüberführung mit geänderten Ausmaßen und die Maßnahmen an den umgebenden Straßen im engen, teilweise untrennbaren Zusammenhang stehen. Die Gradientenabsenkung der H. Straße als unterführte Straße ist durch die Erhöhung der lichten Weite der Überführung bedingt, weil die Höhenlage der Eisenbahnstrecke – was nahe liegt – unverändert bleibt. Zudem hat die Breite der Fahrbahn der Straße im Anschluss an die aufgeweitete Unterführung sinnvollerweise derjenigen in der Unterführung zu entsprechen. Dass die Klägerin in Wahrheit die Ausgestaltung der Überführung angreifen wollte (in diese Richtung wies ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung), ergibt sich aus ihrem schriftsätzlichen Klagevortrag nicht; es ist auch – wie dargelegt – nicht Sache des Gerichts, im Wege der Auslegung den Sachvortrag zu bestimmen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
42
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.