Inhalt

VGH München, Beschluss v. 10.07.2023 – 19 ZB 22.1125
Titel:

Keine Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion bei vorheriger Übersiedlung

Normenketten:
AufenthG § 23 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz:
Eine Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion kann entsprechend der Verwaltungspraxis des BAMF nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller zuvor in einen Drittstaat (einschließlich Deutschland) übergesiedelt ist, dh seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegt (hier nach den Umständen des Einzelfalls angenommen bei u.a. behördlicher Anmeldung in Deutschland, hier lebender engster Familienangehöriger und einem Arbeitsvertrag). (Rn. 11 – 12 und 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufnahmezusage, Ausschlussgrund der vorherigen Übersiedlung, jüdischer Zuwanderer, Sowjetunion, Ausschlussgrund, vorherige Übersiedlung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 09.03.2022 – AN 5 K 20.625
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19010

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
2
Der Kläger wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. März 2022, durch das seine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2020 abgewiesen worden ist. Mit diesem Bescheid lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend BAMF) den Antrag auf Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antrag trotz eines früheren erfolglosen Erstantrags (Bescheid des BAMF vom 10.1.2012; verwaltungsgerichtliches Urteil vom 24.5.2012 <AN 5 K 12.00285>) zulässig sei, weil mit der Änderung der Anordnung des Bundesministeriums des Innern gemäß § 23 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der baltischen Staaten vom 24. Mai 2007, in der jetzigen Fassung vom 20. Mai 2015, der Nachweis der jüdischen Abstammung bzw. Nationalität auch über den Großelternnachweis möglich sei. Diesen Nachweis habe der Kläger nun erbracht. Der Aufnahmeantrag sei aber abzulehnen gewesen, weil der Kläger bereits in einen Drittstaat übergesiedelt sei. Der Antragsteller habe zwar kein Dokument vorgelegt, in dem ein (unbefristeter) Aufenthalt für Deutschland eingetragen sei. Es lägen jedoch Aussagen und Erklärungen bzw. Dokumente vor, die den unbestimmten Aufenthalt des Klägers in Deutschland nahelegten. In einer Erklärung seiner in Russland getrenntlebenden Ehefrau (vom 22.4.2018) habe diese ihr Einverständnis zur Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung ihres Ehemannes für Deutschland erteilt. Der Kläger sei Vater eines am ... 2013 (unehelich) geborenen und im Bundesgebiet lebenden Kindes und besitze mit seiner ebenfalls bereits in Deutschland lebenden Lebensgefährtin gemeinsam das Sorgerecht für das Kind. Es lägen amtliche Meldebestätigungen über die Anmeldungen der angegebenen Personen vor, die seit dem 1. April 2018 eine gemeinsame Wohnung in B. bezogen hätten. Ebenfalls sei vom Kläger ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsvertrag mit der B. GmbH, mit Geschäftssitz in B., vorgelegt worden. Eigenen Angaben zufolge besitze der Kläger zwei Häuser sowie eine Wohnung in B.. Aufgrund der geschilderten Lebensverhältnisse sei bei dem Aufenthalt des Klägers von einer als Übersiedlung anzusehender Weise auszugehen, ohne dass es weiterer formaler Handlungen des Klägers (z.B. Staatsangehörigkeitswechsel) bedürfe. Das jüdische Zuwanderungsverfahren sei für solche Fälle jedoch nicht vorgesehen. Durch eine Aufnahme als jüdischer Zuwanderer würde lediglich der Aufenthaltsstatus des Klägers verbessert. Auf die Erfüllung der übrigen Voraussetzungen komme es dabei nicht mehr an.
3
Zur Begründung der Klageabweisung führt das Verwaltungsgericht aus, eine Verletzung des Klägers in Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht ersichtlich. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sein solle, dem Kläger einer Selbstbindung entsprechend eine Aufnahmezusage zu erteilen. Angesichts der Regelung aus Nr. I 1 der Anordnung des Bundesministeriums des Innern gemäß § 23 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der baltischen Staaten vom 24. Mai 2007, zuletzt geändert am 21. Mai 2015, in der Fassung vom 22. April 2020 (im Folgenden Anordnung) („Aufnahmevoraussetzungen 1. Die jüdischen Zuwanderer {…] dürfen zuvor nicht bereits in einen Drittstaat übergesiedelt sein“) sei zu vermuten, dass das BAMF nur „Zuwanderern“, mithin Antragstellern eine Aufnahmezusage erteile, die nicht zuvor bereits in einen Drittstaat übergesiedelt seien. Denn Verwaltungsvorschriften bänden nicht nur das Ermessen der zur Entscheidung berufenen Behörde. Konsequenz der Rechtsqualität der Anordnung des BMI gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG als Verwaltungsvorschrift sei auch die widerlegbare Vermutung, dass einer der Anordnung entsprechende ständige Verwaltungsübung begründet worden sei. Der Begriff „Übersiedlung“ sei unter Berücksichtigung des sich in der Anordnung gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG manifestierenden wirklichen Willens des BMI sowie der tatsächlichen Handhabung der Anordnung gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG auszulegen. Entscheidend sei insoweit die tatsächliche Verwaltungspraxis. Die Beklagte stütze sich darauf, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe, was als Übersiedlung anzusehen sei. Angesichts der Gesamtumstände sei auf einen dauernden Aufenthalt des Klägers in Deutschland zu schließen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Vorgehen der Beklagten im hiesigen Streitfall von einer sonst einheitlichen anderen Verwaltungspraxis abweiche. Für eine Verwaltungspraxis, nach der eine Übersiedlung auch nach Deutschland die Erteilung einer Aufnahmezusage ausschließe, spreche das Merkblatt zum Aufnahmeverfahren für jüdische Zuwanderinnen und Zuwanderer. Nach dessen Ziff. II lit. 1) sei die Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland generell ausgeschlossen, wenn der Antragsteller in der Vergangenheit schon einmal in einen anderen Staat, wie z.B. Israel oder die USA, übergesiedelt sei oder sich bereits dauerhaft in Deutschland befinde. Ferner sei der Ausschlussgrund der (früheren) Übersiedlung bereits in den Vorgängerregelungen der Anordnung gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG enthalten. Nach Ziffer II 2 des Teilrunderlasses des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 sei in diesem Fall auch damals ein Antrag auf Aufnahme in die Bundesrepublik in der Regel ohne weitere Prüfung abzulehnen gewesen. Darüber hinaus sei gerichtsbekannt, dass die Beklagte den der Erteilung einer Aufnahmezusage entgegenstehenden Begriff der Übersiedlung als nicht nur vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Herkunftsgebiets definiere. Auf den rechtlichen Aufenthaltsstatus im Aufenthaltsstaat stelle sie nicht ab. Dabei fasse sie unter die Übersiedlung in einen Drittstaat (Nr. I Ziff. 1 I der Anordnung des BMI gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG) nach ihrem Vortrag im vorliegenden Verfahren auch die Übersiedlung in die BRD – trotz der aufenthaltsrechtlich ggf. anderen Konnotation des Begriffs des Drittstaates. Dass dies ihrer Verwaltungspraxis entspreche, scheine angesichts ihrer Gesetzesbindung nachvollziehbar: Denn § 23 Abs. 2 AufenthG habe – anders als § 23 Abs. 1 AufenthG, der auch Ausländer betreffen könne, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten – die Aufnahme aus dem Ausland im Auge. Im Übrigen reklamiere auch der Kläger nicht, dass das BAMF mit dessen ihn betreffenden ablehnenden Entscheidung einer eigenen Verwaltungspraxis widersprochen habe. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte annehme, dass sich der Kläger in einer Weise in der Bundesrepublik aufhalte, die als Übersiedlung im Sinne der Anordnung des BMI gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG anzusehen sei. Insbesondere sei eine willkürliche Handhabung der in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen vorliegend nicht erkennbar. Weder gerügt, noch sonst ersichtlich sei, dass die Aufnahmekriterien der Anordnung als solche willkürlich wären. Darüber hinaus habe die Beklagte das Kriterium der Übersiedlung des Klägers in einen Drittstaat im konkreten Einzelfall auch nicht willkürlich angewendet. Sie habe annehmen dürfen, dass der Kläger zur Zeit der Antragstellung seinen Lebensmittelpunkt bereits in der BRD, dort mithin in einer als Übersiedlung zu wertenden Weise Aufenthalt genommen habe. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Sachverhalt defizitär untersucht hätte. Sie habe den nach der Mitwirkungspflicht des Klägers i.S.v. § 82 AufenthG zu fordernden Vortrag unter Anstellung eigener Ermittlungen sachgerecht gewürdigt. So erscheine (unter Verweis auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid) nachvollziehbar, dass sie von einer Übersiedlung in die BRD ausgegangen sei. Dies folge aus einer Gesamtschau der im Verwaltungsverfahren bekannt gewordenen Umstände – nicht zuletzt der bestehenden Meldeadresse in B., der Tatsache, dass der Kläger dort zusammen mit seinem Kind und der Kindsmutter lebe, dass er in B. Grundbesitz habe – den er zum Teil auch bewohne – und dass er in B. – gleich ob im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder als Gesellschafter-Geschäftsführer – einer beruflichen oder selbstständigen Tätigkeit nachgehe. An der Beurteilung der Beklagten habe sich unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten im Verlauf des Gerichtsverfahrens zum für das Gericht entscheidungserheblichen Zeitpunkt mangels entsprechenden Vortrags des Klägers oder der Beklagten nichts geändert. Zunächst sei ergänzend festzuhalten, dass der Kläger die notwendigen Formalia rund um seine Gesellschafterstellung – notarielle Beurkundungen, Registeranmeldungen – zum Teil weit vor der Beantragung der Aufnahmezusage am 23. August 2018 in M. vorgenommen habe bzw. vornehmen habe lassen; es liege nahe, dass er dazu bereits vor Ort, das heißt in B. gewesen sei. Auch sein Vortrag aus dem Gerichtsverfahren erschüttere nicht die Annahme eines „qualitativen“ Lebensmittelpunkts in B.: Er selbst habe in der eidesstattlichen Versicherung vorgebracht, dass er bereits an mindestens zwei verschiedenen Adressen in B. amtlich einen Wohnsitz angemeldet habe. Auch habe er darin zwar erklärt, er sei bei der B.-GmbH nicht angestellt. Er sei Gesellschafter und beziehe mangels Aufenthaltserlaubnis kein Gehalt. Indes widerspreche dies dem Arbeitsvertrag, den der Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegt habe. Dort sei er als „Arbeitnehmer“ der B.-GmbH bezeichnet (§ 1 Abs. 1). Zudem solle er ausweislich dieses Vertrages auch Gehalt beziehen (§ 3 Abs. 1). Im Übrigen sehe der Arbeitsvertrag unter § 2 Abs. 2 vor, dass der Kläger für einen ununterbrochenen Zeitraum bis zu einem Monat außerhalb der BRD arbeiten dürfe. Daraus lasse sich folgern, dass der Vertrag von einem Tätigkeitsschwerpunkt innerhalb der BRD ausgehe. Gegen die Annahme eines dauernden Aufenthalts in der BRD sprächen auch nicht die im Gerichtsverfahren vorgelegten Kopien des Reisepasses. Diese zeigten nur, dass der Kläger zu den dort ersichtlichen Zeitpunkten in der BRD ein- bzw. von dort ausgereist sei. Sie zeigten nicht auf, wo sein faktischer Aufenthalt liege. Zudem stelle auch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung das Ergebnis nicht infrage. Die Beklagte habe die Erteilung einer Aufnahmezusage trotz der diesbezüglichen Einlassung des Klägers nicht etwa abgelehnt, weil dieser bereits einen Aufenthaltstitel haben solle; sie habe die Ablehnung vielmehr auf die vorherige Übersiedlung i.S.v. Nr. I Ziff. 1 I der Anordnung des BMI gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG gestützt. Schließlich habe der Kläger in B. einen Antrag gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG gestellt, der mit Bescheid vom 20. November 2020 abgelehnt worden sei. Folglich sei er zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits aus dem Herkunftsgebiet ausgereist. Er habe den diesbezüglichen Antrag ausweislich der Verfahrensakte am 2. November 2020 gestellt – offenbar in B.. Außerdem habe er während des gerichtlichen Verfahrens geschildert, dass er sich im Herbst 2020 zur Pflege seiner Eltern längerfristig in der BRD aufgehalten habe.
4
Der Kläger lässt zur Begründung seines Zulassungsantrags vortragen, das angefochtene Urteil sei aus rechtlicher und tatsächlicher Sicht nicht richtig und könne so nicht aufrechterhalten werden. Das Gericht habe trotz mannigfaltig vorgelegter entsprechender Negativnachweise zu Unrecht angenommen, der Kläger sei bereits zuvor in das Bundesgebiet übergesiedelt und habe seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt. Als Indizien für eine Übersiedlung nenne das Gericht nach der Gesamtschau das Vorliegen einer Meldeadresse in B., das Innehaben von Wohneigentum durch den Kläger, familiäre Bindungen zum minderjährigen Sohn und dessen Kindesmutter sowie ein Arbeitsverhältnis als Gesellschafter-Geschäftsführer. Dabei habe das Gericht die vom Kläger erbrachten zahlreichen Nachweise, dass gerade in seinem konkreten Fall eine Übersiedlung in das Bundesgebiet ihm bisher trotz etlicher Versuche nicht möglich gewesen sei, überaus unzureichend gewürdigt. So habe der Kläger neben seiner eidesstattlichen Versicherung zu seiner nicht stattgefundenen Übersiedlung nach Deutschland, dem Gericht zwei aufenthaltsrechtliche ablehnende Entscheidungen vorgelegt, aus denen explizit hervorgehe, dass dem Kläger sowohl von der deutschen Botschaft in Russland als auch von der ortszuständigen Ausländerbehörde sämtliche, vom Kläger jeweils zu seiner Zeit beantragten Aufenthaltstitel, sowohl in Form des Familiennachzuges zum minderjährigen ausländischen Kind, als auch der humanitäre Aufenthaltstitel zur Pflege eines erkrankten Elternteils, abgelehnt worden seien. Insbesondere an dem Umstand der zuletzt im Jahre 2020 beantragten humanitären Aufenthaltserlaubnis zur Pflege des schwer erkrankten Vaters, könne man deutlich erkennen, dass dem Kläger offensichtlich keine Übersiedlung in das Bundesgebiet bisher möglich gewesen sei.
5
Für die Arbeitsverhältnisse, die das zuständige Gericht ebenfalls als Indiz für eine Übersiedlung nach Deutschland in den Raum führe, benötige man weder einen gültigen Aufenthaltstitel noch eine dauerhafte Anwesenheit im Bundesgebiet. Als Gesellschafter sei man grundsätzlich in keinem Beschäftigungsverhältnis. Die Tätigkeit des Geschäftsführers dürften seit dem Jahr 2013 auch nicht dauerhaft im Bundesgebiet residierende natürliche Personen ausüben, im Falle der Bestellung eines zweiten Geschäftsführers, wie beim Kläger, funktioniere dies meist reibungslos, auch wenn der ausländische Geschäftsführer nicht so häufig im Land des Geschäftssitzes der Firma sei. Eine polizeiliche Anmeldung allein könne für sich keine fundierte Annahme einer Übersiedlung begründen. Ebenfalls sei es allgemein bekannt, dass Grundbesitz nach dem deutschen Aufenthaltsrecht keine aufenthaltstitelverleihende Wirkung entfalte. Abschließend könne man vorliegend von einer fehlenden Beweiswürdigung durch das zuständige Gericht sprechen, wonach die Berufung zuzulassen wäre. Das Gericht habe ferner offensichtlich verkannt, dass dem Kläger, als Staatsangehöriger der Russischen Föderation grundsätzlich aus aufenthaltsrechtlicher Sicht nur sehr beschränkte Aufenthaltsmöglichkeiten im Bundesgebiet zuständen. Der Kläger könne grundsätzlich nur in das Bundesgebiet einreisen, wenn er in Besitz einen gültigen Schengenvisums sei. Die Erteilung eines solchen Visums werde durch die Auslandsvertretung vor Ort, sprich die deutsche Botschaft in M. jedes Mal aufs Neue geprüft, eine Erteilung sei nicht von vornerein gewährleistet, insbesondere wenn, wie im Fall des Klägers, Zweifel am Rückkehrwillen bestünden. Ganz am Rande dürfte dem zuständigen Gericht auch bekannt sein, dass während der noch anhaltenden Pandemielage Schengenvisa sehr selten erteilt worden seien, vielmehr seien stets triftige Gründe für einen Besuch des Schengenraums verlangt worden. Aber selbst bei einer Schengenvisum-Erteilung wäre ein maximaler Aufenthalt im Schengenraum auf 90 Tage im halben Jahr beschränkt, womit man noch mit Sicherheit von keiner Übersiedlung sprechen könne. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuell verhängten vielfältigen Sanktionen gegen das Heimatland des Klägers, sowie deren dort lebenden Staatsangehörigen, die sich unter anderem auf eine weitläufige Einreiseverweigerung in den Schengenraum gegenüber der zuvor bezeichneten Antragsteller erstreckten, könne das angegriffene Urteil nicht aufrechterhalten werden, weil es dem Kläger die einzige reelle Möglichkeit eines verfestigten Aufenthaltes in Form der jüdischen Zuwanderung im Bundesgebiet eröffne. Zu beachten sei hierbei, dass der Kläger alle dafür verlangten Nachweise und Voraussetzungen unstrittig zur Verfügung gestellt und erfüllt habe.
6
Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), dessen Beurteilung sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs richtet (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), sodass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7), liegt nicht vor.
7
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9).
8
Mit seinem Zulassungsvorbringen hat der Kläger die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Kläger erfülle die Voraussetzungen nach Nr. I 1. der Anordnung wegen erfolgter Übersiedlung in einen Drittstaat nicht, nicht ernstlich im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen:
9
Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann das Bundesministerium des Innern (im Benehmen mit den obersten Landesbehörden) zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass das Bundesamt aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Rechtscharakter und Inhalt einer solchen Anordnung handelt es sich um eine politische Leitentscheidung, die keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21.10 – juris; B.v. 16.6.2014 – 1 B 4.14 – juris Rn. 4; vgl. schon U.v. 19.9.2000 – 1 C 19.99 – juris). Sinn und Zweck der Regelung bestehen demnach darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Dabei steht es im Ermessen des Bundesministeriums des Innern, ob eine solche Anordnung erlassen wird, und es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass es bei der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei ist, allenfalls begrenzt durch das Rechtsstaatsgebot und das Willkürverbot. Es handelt sich um eine politische Leitentscheidung, die grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt; sie dient nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer. Das Bundesinnenministerium kann im Rahmen eines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen und dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, besteht nicht. Die Anordnung unterliegt auch nicht wie eine Rechtsnorm einer eigenständigen richterlichen Auslegung, vielmehr ist sie unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d. h. der vom Urheber gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis, auszulegen und anzuwenden. Eine Außenwirkung kommt der Anordnung nur mittelbar zu über die Verpflichtung der Behörden zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis herausgebildet hat; den Gerichten obliegt es nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21.10 – juris Rn. 12 f.).
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Auf dieser Grundlage hat das Bundesministerium des Innern die Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der Baltischen Staaten vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. April 2020, zuletzt geändert am 18. März 2022, erlassen. Diese Fassung ist vorliegend anzuwenden. Zwar ist der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht dem Prozessrecht, sondern dem materiellen Recht zu entnehmen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 55 m.V.a. BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 1 C 45.06 – juris Rn. 13; U.v. 27.6.2018 – 6 C 39.16 – juris Rn. 18; U.v. 29.5.2019 – 6 C 8.18 – juris Rn. 16). Für die Frage, ob dem Kläger der mit der Verpflichtungsklage verfolgte Anspruch zusteht, ist aber grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts abzustellen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 57 m.V.a. BVerwG, U.v. 23.7.2015 – 7 C 10.13 – juris Rn. 34), wobei – wie ausgeführt – Änderungen der Sach- und Rechtslage in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen bis zur Entscheidung des Senats im Berufungszulassungsverfahren zu berücksichtigen sind (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7). Änderungen der hier maßgeblichen Vorschrift der Nr. I 1. der Anordnung gegenüber der Fassung vom 22. April 2020 sind durch die Änderungen vom 18. März 2022 im Übrigen nicht eingetreten.
11
Nach Nr. I 1. der Anordnung dürfen die jüdischen Zuwanderer und ihre Familienangehörigen zuvor nicht bereits in einen Drittstaat übergesiedelt sein.
12
Die Beklagte hat im Zulassungsverfahren (wie auch im Klageverfahren) sinngemäß ausgeführt, dass entsprechend der Verwaltungspraxis des BAMF eine Übersiedlung i.S.d. der Anordnung anzunehmen sei, wenn ausgehend von den Umständen des Einzelfalls der jeweilige Antragsteller seinen Lebensmittelpunkt in einen Drittstaat (die verwaltungsgerichtliche Auffassung <entsprechend der behördlichen Verwaltungspraxis>, dass auch Deutschland ein Drittstaat i.S.d. Nr. I 1. der Anordnung ist, hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht angegriffen) verlegt (insbesondere seien amtliche Dokumente <Meldebescheinigungen>, Arbeits- bzw. Gesellschaftsverträge sowie die Lebensumstände des Antragstellers zu berücksichtigen), wobei die Umstände und die Dauer der Übersiedlung wie auch eine zwischenzeitliche Ausreise in das Herkunftsland unberücksichtigt blieben, da die Anordnung diesbezügliche Ausnahmeregelungen nicht vorsehe.
13
Diese behördliche Praxis ist maßgeblich, nachdem Aufnahmebewerber lediglich einen Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der tatsächlichen Anwendung der Aufnahmeanordnung durch das Bundesamt besitzen (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21.10 – juris).
14
Dem Zulassungsvorbringen sind Anhaltspunkte für eine unzutreffende Auslegung der Verfahrensanordnung durch das Verwaltungsgericht nicht zu entnehmen. Mit dem Verwaltungsgericht und der Beklagten geht der Senat davon aus, dass der Kläger (jedenfalls) vor der ablehnenden behördlichen Entscheidung (auf diesen Zeitpunkt stellt die Beklagte in ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 23.6.2022 ab; daher kann dahinstehen, ob auch eine Verlegung des Lebensmittelpunktes nach diesem Zeitpunkt eine Übersiedlung i.S.d. Nr. I 1. der Anordnung darstellt) i.S.d. Nr. I 1. der Anordnung übergesiedelt ist.
15
Zwar lässt der Kläger vortragen, er sei laufend in M. gemeldet, habe dort Wohneigentum, besitze dort familiäre Anknüpfungspunkte (getrenntlebende Ehefrau; ein am ... 1995 geborenen Sohn und eine am ... 2004 geborene Tochter), sei dort beruflich tätig (er sei zum einen Geschäftsführer von zwei Firmen, die in seinem Heimatland aktiv seien, zum anderen sei er Inhaber von drei weiteren in Russland tätigen Unternehmen; er sei auch in der wissenschaftlichen Lehre am Moskauer Institut für Automobil- und Straßenwesen <MADI GTU> tätig) und habe einen Freundeskreis in M.. Diese Umstände – unterstellt sie lägen vor – sprechen hier aber nicht dagegen, dass der Kläger im April 2018 – unter Beibehaltung seines Wohnsitzes im Herkunftsstaat – seinen Lebensmittelpunkt in die Bundesrepublik verlagert hat (insbesondere ist bei mehreren Wohnsitzen – wie im Übrigen auch bei mehreren Wohnungen im Inland, vgl. § 21 Abs. 1 BMG – eine von mehreren Wohnungen die Hauptwohnung). Gleiches gilt im Übrigen auch für die vorgelegten „Erklärungen über das Einkommen und die Steuern der Person“ 2018 bis 2021 (ausschließlich) für die Tätigkeit bei der Firma E. OEM, da diese allein nicht unmittelbar gegen eine Verlegung des Lebensmittelpunktes sprechen.
16
Der Senat verkennt insoweit nicht, dass ein Aufenthalt im Bundesgebiet in Übereinstimmung mit einem erteilten Multi-Schengen-Visum (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG – Visakodex) ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte grundsätzlich wohl keine Übersiedlung darstellt (Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor der streitgegenständlichen Antragsablehnung gegen die Einreisebestimmungen verstoßen hätte, lässt sich den – teilweise nicht gut lesbaren – Reisepasskopien nicht offensichtlich entnehmen und ist auch nicht vorgetragen worden; soweit er im Schriftsatz vom 11.8.2022 jedoch ausführen lässt, er habe sich in B. immer im Rahmen der erlaubten 90 Tage im Halbjahr aufgehalten, widerspricht dies seinen erstinstanzlichen Ausführungen, er sei im Herbst 2020 länger im Bundesgebiet geblieben, um seine Eltern zu pflegen und für sie da zu sein, wobei er habe in Kauf nehmen müssen, im schlimmsten Fall abgeschoben zu werden; der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG vom 2.11.2020, abgelehnt mit Bescheid vom 20.11.2020 offenbart jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die Absicht eines nicht nur vorübergehenden Aufenthalts im Bundesgebiet, da damit die Unmöglichkeit der Ausreise geltend gemacht wird).
17
Dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt vor dem behördlichen Entscheidungszeitpunkt in das Bundesgebiet verlagert hat, ergibt sich bereits unzweifelhaft daraus, dass sich der Kläger – anders als bei seinen bisherigen Aufenthalten im Bundesgebiet (der Kläger erklärte in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufnahmezusage, er besuche Deutschland seit 2003 sehr oft) – am 10. April 2018 rückwirkend zum 1. April 2018 beim Bezirksamt M.-H. in B. in der H.-straße 23 in B. angemeldet hat (vgl. hierzu § 17 Abs. 1 BMG, wonach sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Einzug bei der Meldebehörde anzumelden hat, wer eine Wohnung bezieht). Er hat damit die tatsächliche Nutzung der Wohnung mit der Absicht erklärt, sie für einen nicht unerheblichen Zeitraum zu nutzen (vgl. Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Februar 2023, § 17 BMG Rn. 1). Die Erklärung des Klägers in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 8. April 2020, er habe sich angemeldet, weil er damals den Antrag auf Familienzusammenführung zu seinem Sohn gestellt habe und „nach einer Erteilung mit ihm und der Kindesmutter in dieser Wohnung zusammenleben wollte“, und er sich der Verpflichtung, sich in der Zwischenzeit wieder abmelden zu müssen, nicht bewusst gewesen sei, ist insoweit nicht glaubhaft. Entgegen der Auffassung im Schriftsatz vom 11. August 2022, die Beantragung der Meldebescheinigung sei für den Antrag auf Familienzusammenführung benötigt worden, hat bereits keine Verpflichtung bestanden, eine Anmeldung vor Erteilung eines Visums oder der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorzunehmen.
18
Dass der Kläger durch die Anmeldung bewusst die tatsächliche Nutzung der Wohnung mit der Absicht erklärt hat, sie für einen nicht unerheblichen Zeitraum zu nutzen, ergibt sich daraus, dass zum Anmeldezeitpunkt seine eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU nach § 9a AufenthG besitzende Lebensgefährtin, eine ukrainische Staatsangehörige, und sein am ... 2013 geborener und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG besitzende Sohn, ein russischer und USamerikanischer Staatsangehöriger, ebenfalls unter dieser Adresse gemeldet waren. Darüber hinaus lebten zum genannten Zeitpunkt (und unverändert) auch die Eltern des Klägers in B. (sie bewohnen eine Immobilie des Klägers; die Aufnahmezusage solle dem Kläger ermöglichen, sich besser um seinen pflegebedürftigen Vater kümmern zu können). Folglich ist davon auszugehen, dass zum Anmeldezeitpunkt mangels entgegenstehender Anhaltspunkte seine engsten familiären Bezugspersonen im Bundesgebiet in B. lebten. Zudem stand und steht auch die Immobilie H.-straße 23 in B. (Meldeadresse) ausweislich der Erklärung im Antrag auf Erteilung einer Aufnahmezusage im Eigentum des Klägers (daher trifft es – wie der Kläger aber anführt – jedenfalls nicht in Gänze zu, dass seine Immobilien in B. nicht von ihm bewohnt seien und sie Anlageobjekte darstellten, über die er Mieteinnahmen generiere). Für die Verlegung des Lebensmittelpunktes im April 2018 spricht zudem, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin am 22. April 2018 gegenüber der Urkundsperson des Jugendamtes des Bezirksamtes L. von B. erklärt haben, die elterliche Sorge für ihr Kind gemeinsam zu übernehmen, dass die sich in Russland aufhaltende und vom Kläger getrenntlebende Ehefrau des Klägers am 22. April 2018 schriftlich zu Händen der deutschen Botschaft erklärt hat, keine Einwände gegen die vom Kläger beabsichtigte Beantragung der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu haben, und dass der Kläger am 11. Mai 2018 einen Antrag auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in M. gestellt hat (erst als die Botschaft mit Schreiben vom 17.8.2018 den Visumantrag abgelehnt hat, hat der Kläger umgehend am 23.8.2019 einen Antrag auf Erteilung einer Aufnahmezusage gestellt). Außerdem hat der Kläger am 19. April 2019 einen „Befristete[n] Arbeitsvertrag“ mit der B.-GmbH geschlossen (Beschäftigung als „Technischer Direktor“; der Kläger ist Inhaber der B.-GmbH; diese sei Zulieferer; der Kläger habe lediglich eine eigene Lieferkette für Autoteile nach Moskau begründet). Dieser steht unter der Bedingung „der Genehmigung der Arbeitserlaubnis“ (vgl. § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags). Dass es sich – wie der Kläger nunmehr geltend macht – bei dem „Arbeitsvertrag“ um einen Entwurf handeln würde, lässt sich dem Vertrag nicht entnehmen (insbesondere ist er sowohl vom Kläger als auch von der Arbeitgeberseite unterzeichnet; dieser Vortrag widerspricht vielmehr den Ausführungen im Schriftsatz vom 11.8.2022, wonach richtig sei, dass der Kläger „bei seinen zeitweisen/vorübergehenden Reisen nach B. seine Eltern und sein am ... 2013 geborenes, uneheliches Kind (…) besucht und seine Aufgaben bei der B. GmbH wahrnimmt“).
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Der Senat verkennt insoweit nicht, dass die zuletzt genannten Umstände im Einzelfall auch als Vorbereitungsmaßnahmen für einen späteren (nicht nur vorübergehenden) Aufenthalt im Bundesgebiet anzusehen sein könnten. Hier bestätigen diese aber gerade die Anmeldung bei der Meldebehörde, mit der Folge, dass von einer Verlegung des Lebensmittelpunktes vor der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltszusage auszugehen ist.
20
Da entsprechend der angeführten Verwaltungspraxis des BAMF insbesondere die Dauer der Übersiedlung im Rahmen der Nr. I 1. der Anordnung nicht relevant ist, ändert der Umstand, dass der Kläger (der derzeit im Besitz eines vom 20.8.2019 bis 19.8.2024 gültigen Schengen-Visum Typ C für mehrmalige Einreisen mit einer Dauer von 90 Tagen mit dem Vermerk „Besuchs-/Geschäftsvisum, Erwerbstätigkeit nicht gestattet“ ist) in der Folge immer wieder aus- und (mit Typ C-Visa) wieder in den Schengenraum eingereist ist, nichts an der erfolgten Übersiedlung. Diese Reisetätigkeit (aus den vorgelegten Reisepassauszüge ist erkennbar, dass der Kläger oftmals auch nur für wenige Tage ausgereist ist) ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass der Kläger in seinem Herkunftsland beruflich tätig ist. Da mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Kläger diese Tätigkeiten in Russland nicht beenden wird, würde er auch weiterhin zwischen Deutschland und Russland pendeln und (mindestens) zwei Wohnungen haben.
21
Darüber hinaus sind dem Zulassungsvorbringen auch keine Anhaltspunkte für eine von der Verfahrensanordnung abweichende tatsächliche Praxis des Bundesamtes zu entnehmen.
22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
23
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).