Titel:
Teilstilllegung eines Abfalllagerplatzes
Normenketten:
BImSchG § 20 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
Leitsatz:
Umstände, die erst nach Erlass einer Stilllegungsverfügung eintreten sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht relevant. Maßgeblich ist insoweit die Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses als der letzten Behördenentscheidung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Teilstilllegung eines Abfalllagerplatzes, Beseitigungsanordnung, atypischer Fall, Verhältnismäßigkeit, Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs, Ermessen, Zeitpunkt für Beurteilung der Rechtmäßigkeit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 22.03.2023 – RO 7 S 23.204
Fundstelle:
BeckRS 2023, 19003
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. März 2023 für das erstinstanzliche und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 14.981,25 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde ihr erstinstanzliches Begehren weiter, das auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin gerichtet ist, mit dem gegenüber der Antragstellerin u.a. eine teilweise Stilllegungsanordnung sowie eine Beseitigungsanordnung ausgesprochen wurden.
2
Die Antragstellerin betreibt auf den Grundstücken FlNr. … und … der Gemarkung R* … eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung und Behandlung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen, die mit Bescheiden der Antragsgegnerin vom 31. Oktober 2001 und vom 2. April 2002 immissionsschutzrechtlich genehmigt wurde. Gemäß Ziffer III. C. Einsatzstoffe Nr. 1 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 2. April 2002 dürfen in der Anlage nur Abfälle gelagert und behandelt werden, die in der dem Bescheid beigefügten Abfallliste aufgeführt sind. Für Bauschutt ist in der Abfallliste eine maximale Gesamtlagermenge von 500 t genannt.
3
In den Jahren 2013 bis 2018 kam es zu verschiedentlicher Kommunikation zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin über den Inhalt der Abfallliste. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die zulässige Lagermenge an Bauschutt, nämlich 500 t, massiv überschritten und eine Reduzierung der Menge zeitnah umzusetzen sei. Unter dem 27. August 2019 wurde die Antragstellerin von der Antragsgegnerin erneut auf die Überschreitung der Lagermengen hingewiesen. Es wurden Duldungen der Überschreitungen mit Wirkung bis zum 30. September 2022 erteilt.
4
Nach Anhörung erließ die Antragsgegnerin unter dem 5. Dezember 2022 gegenüber der Antragstellerin einen Bescheid, der u.a. folgende Regelungen enthielt:
5
1. Bis zum Erreichen der genehmigten Lagerhöchstmenge von 500 Tonnen ist der Firma … … * … … die Annahme von mehr als 150 Tonnen Abfällen der AVV-Nrn. 17 01 01, 17 01 02, 17 01 03 und 17 01 07 (Bauschutt) pro Monat am Standort W* … Straße …, … R* …, untersagt.
6
3. Es gelten bis zur Erreichung der unter Nr. 1 genannten Lagerhöchstmenge, beginnend mit 1. Januar 2023, folgende Zwischenziele für die Reduzierung:
7
a) Nach drei Monaten, mithin bis 31.03.2023, muss die Menge an Bauschutt der AVV-Nummern 17 01 01, 17 01 02, 17 01 03 und 17 01 07 um mindestens 3.000 Tonnen reduziert worden sein.
8
b) In der Folge muss jeweils nach weiteren drei Monaten (Stichtage 30.06.2023, 30.09.2023, 31.12.2023, ggf. etc.) die Menge an Bauschutt der AVV-Nummern 17 01 01, 17 01 02, 17 01 03 und 17 01 07 um jeweils mindestens weitere 3000 Tonnen reduziert worden sein.
9
Eine Übertragung von Mehrmengen auf Folgemonate ist bei der Berechnung der Mengen nicht zulässig.
10
4. Die Nrn. 1 und 3 des Bescheids werden für sofort vollziehbar erklärt.
11
Die Nrn. 5 und 6 des Bescheids enthielten Zwangsgeldandrohungen.
12
Die Antragstellerin erhob Klage gegen den Bescheid zum Verwaltungsgericht Regensburg, über die noch nicht entschieden ist (RO 7 K 23.96). Zudem stellte sie einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Mit Beschluss vom 22. März 2023 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in dem Bescheid enthaltenen Zwangsgeldandrohungen an und lehnte im Übrigen den Antrag ab.
13
Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, bei verständiger Auslegung richte sich der Eilantrag gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin verfügte Teilbetriebsstilllegung, die quartalsmäßige Bauschuttreduzierung und die Zwangsgeldandrohungen.
14
Die Anordnung des Sofortvollzugs entspreche dem Erfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Je nach Fallgestaltung könnten die Gründe für das Bedürfnis des Sofortvollzugs mit denen für den Erlass des Verwaltungsakts weitgehend identisch sein. Bei einer immissionsschutzrechtlichen Stilllegungsanordnung deckten sich typischerweise die Gründe für den Erlass mit den Gründen für den Sofortvollzug. Gleiches gelte hinsichtlich der Beseitigungsanordnung. Die Antragsgegnerin habe hier auf das besondere öffentliche Interesse abgestellt, die Überschreitung der Lagermenge an Bauschutt ab sofort zu verringern und diesen ordnungsgemäß zu entsorgen. Ferner würden die Gefahren für die Umwelt und die Nachbarschaft erwähnt. Welche Gefahren damit konkret gemeint seien, ergebe sich aus den Ausführungen im Bescheid. Zudem werde dargelegt, dass der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit durch die Überschreitung der Lagermenge erfüllt sei. Diesen Belangen habe die Antragsgegnerin die Interessen der Antragstellerin gegenübergestellt, die jedoch aus Sicht der Antragsgegnerin angesichts der öffentlichen Interessen zurückträten.
15
Die Anordnungen in Nrn. 1 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids stellten sich als materiell rechtmäßig dar. Die Teilstilllegungsanordnung, wonach monatlich nicht mehr als 150 t Bauschutt angenommen werden dürften, finde ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BImSchG. Soweit die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Nichterfüllung der in der Genehmigung enthaltenen Auflage zur Lagermenge den Bescheid auf § 20 Abs. 1 BImSchG stütze, überzeuge dies nicht, weil die Regelung zur zulässigen Lagermenge keine Auflage, sondern eine Inhaltsbestimmung darstelle und deshalb § 20 Abs. 2 BImSchG einschlägig sei. Dafür spreche auch, dass die maximale Lagermenge schon Teil des ursprünglichen Genehmigungsantrags gewesen sei. Die genehmigungsbedürftige Anlage der Antragstellerin werde – was § 20 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BImSchG voraussetze – formell illegal betrieben. Die Genehmigung vom 2. April 2002 lasse lediglich eine Lagermenge von 500 t an Bauschutt zu. Die seit Jahren sehr deutlich darüber liegende Menge (zuletzt knapp 13.000 t) stelle eine Änderung des Betriebs dar, die anzeigepflichtig nach § 15 BImSchG und genehmigungspflichtig nach § 16 Abs. 1 BImSchG sei. Die Antragstellerin habe die Lagerung von bis zu 20.000 t Bauschutt nicht wirksam angezeigt und nicht im Hinblick auf § 15 Abs. 2 BImSchG vornehmen dürfen.
16
Im Rahmen von § 20 Abs. 2 BImSchG komme es nicht darauf an, ob von der formell illegal betriebenen Anlage schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen könnten. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG solle die zuständige Behörde die Stilllegung anordnen, d.h. im Regelfall müsse sie eingreifen, nur in atypischen Fällen stehe ihr Eingreifen im Ermessen. Ein atypischer Fall sei gegeben, wenn die Anlage in der geänderten Form offensichtlich genehmigungsfähig sei und der Betreiber alles getan habe, um eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung alsbald zu erlangen. Jedweder Zweifel gehe dabei zulasten des Betreibers. Vorliegend fehle es hinsichtlich der Überschreitung der genehmigten Lagermenge bereits an einem Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung seitens der Antragstellerin. Im Übrigen sei es evident, dass eine Bauschuttlagerung von über 500 t (nach letzten Stand von knapp 13.000 t) nicht offensichtlich genehmigungsfähig sei. Es bleibe damit bei einer Soll-Entscheidung, weshalb der Austausch der Rechtsgrundlage von § 20 Abs. 1 BImSchG zu § 20 Abs. 2 BImSchG ohne Weiteres möglich sei.
17
Die Anordnung sei auch verhältnismäßig. Die Antragsgegnerin habe keinen kompletten Annahmestopp verfügt, soweit die Lagermenge von 500 t überschritten sei, sondern sich zu einer Teilstilllegung entschlossen und sei damit der Betreiberin sehr entgegengekommen. Dass der förmliche Annahmestopp in der verfügten Höhe zu einer Schließung des Betriebs führen werde, sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht und spiele auch keine Rolle, weil sich derjenige, der formell illegal eine Anlage betreibe, nicht mit Erfolg darauf berufen könne, die Zurückweisung in die Schranken des Rechts gefährde die Betriebsfortführung. Auf die von Antragstellerseite dargelegten Hintergründe für die Lagermengenüberschreitung (Personalprobleme, Absatzprobleme etc.) komme es nicht an. Entscheidend sei allein, dass ein formell illegaler Betrieb vorliege und nicht, warum es dazu gekommen sei und inwieweit der Betreiber dies zu vertreten habe. Im Übrigen lägen die dargelegten Gründe in der Risikosphäre der Antragstellerin.
18
Für die Anordnung in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids sei primär § 20 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BImSchG als Rechtsgrundlage einschlägig, denn die Norm erlaube nicht nur die Stilllegung, sondern auch die Beseitigung einer formell illegalen Anlage, die mit der Anordnung bezweckt werde. Auch insoweit sei nicht von einem atypischen Fall auszugehen und sei die Anordnung nicht unverhältnismäßig.
19
Die Zwangsgeldandrohungen in Nrn. 5 und 6 des streitgegenständlichen Bescheids erwiesen sich als rechtswidrig.
20
Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 23. März 2023 zugestellt. Am 4. April 2023 legte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Beschwerde ein, soweit ihr Antrag erstinstanzlich abgelehnt worden war, und begründete diese mit am 24. April 2023, einem Montag, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz sowie weiterem Schriftsatz vom 12. Juni 2023.
21
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
23
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg bleibt ohne Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
24
1. Die Antragstellerin rügt, das Landratsamt habe hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs keine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechende Begründung abgegeben. Zur Begründung des Sofortvollzugs müssten regelmäßig andere Gründe angeführt werden als zur Rechtfertigung des Verwaltungsaktes. Auch wenn sich die Gründe für den Erlass des Verwaltungsaktes und für die Anordnung der sofortigen Vollziehung (teilweise) deckten, gestatte § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keinen Verzicht auf die Begründung und nicht den Gebrauch nichtssagender, formelhafter Wendungen. Das Verwaltungsgericht habe es genügen lassen, dass nach dem Bescheid aus der Überschreitung der genehmigten Lagermenge Gefahren für die Umwelt und die Nachbarschaft folgten. Jedoch seien die genannten Gründe keine anderen als diejenigen, die zur Rechtfertigung des Verwaltungsakts dienten. Es handele sich um ein pauschales Argumentationsmuster, das weder der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung ins Bewusstsein rücke noch die Betroffene ausreichend über die Gründe in Kenntnis setze.
25
Der Vortrag der Antragstellerin gibt keinen Anlass zu einer Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Unter Berücksichtigung dessen, dass es sich bei den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO um eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Vollziehungsanordnung handelt (vgl. BVerwG, B.v. 4.12.2020 – 4 VR 4.20 – juris Rn. 10; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 54; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 80 Rn. 246), bei der es nicht auf die inhaltliche Tragfähigkeit der Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ankommen kann (vgl. BVerwG, B.v. 4.12.2020 – 4 VR 4.20 – juris Rn. 10; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 55; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, § 80 Rn. 246), bestehen hier keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Die Antragstellerin räumt selbst ein, dass in bestimmten Fallkonstellationen das Interesse am Sofortvollzug des Verwaltungsakts mit dem Erlassinteresse weitgehend identisch sein kann. Aus den Gründen des Bescheids (Ziffer 1.4 und 1.5) ergibt sich, dass von der Überschreitung der zulässigen Lagermenge an Bauschutt auf dem Grundstück der Antragstellerin erhebliche Gefahren für die Nachbargrundstücke ausgehen, so etwa besteht die Möglichkeit der Beschädigung von Verladeleitungen, die Diesel oder Benzin enthalten, mit entsprechenden Folgen auf dem von der V* … … … GmbH genutzten Nachbargrundstück durch abgerutschtes Material oder Gesteinsbrocken. Auch auf das von der B* … … … … GmbH genutzte Nachbargrundstück könnte nach den Ausführungen des Bescheids Bauschutt abrutschen und gegen die an der Grundstücksgrenze stehende Halle der GmbH schlagen. Weiter ist nach dem Bescheid eine Beeinträchtigung von Boden und Grundwasser möglich, da die Lager- und Umschlagsflächen nicht dauerhaft flüssigkeitsundurchlässig sind. Soweit die Begründung des Sofortvollzugs auf die erheblichen Gefahren für die Umwelt, das Allgemeinwohl und die Betriebe in der Nachbarschaft verweist, liegt in Zusammenschau mit den genannten Ausführungen unter 1.4 und 1.5 auf der Hand, dass der Sofortvollzug ausreichend begründet wurde.
26
2. Die Antragstellerin trägt weiter vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass in Bezug auf die Soll-Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG kein atypischer Fall vorliege. Bei einem Verstoß gegen eine Inhaltsbestimmung – wie das Verwaltungsgericht vorliegend selbst in Bezug auf die Regelung zur zulässigen Lagermenge festgestellt habe – liege eher eine atypische Situation vor als bei einem Handeln völlig ohne Genehmigung. Auch führe der Stilllegungsvorgang zu besonderen Problemen bei der Antragstellerin. Der vormalige Betriebsleiter und Ehegatte der Geschäftsführerin der Antragstellerin sei unerwartet und plötzlich verstorben, so dass der Büroablauf vor besondere Herausforderungen gestellt sei. Die Antragstellerin sei um die Reduzierung der Mengen bemüht gewesen. Der Personalengpass sei unberücksichtigt geblieben. Das Abfahren des Bauschutts sei erschwert worden, weil keine geeigneten Mitarbeiter hätten eingestellt werden können. Es werde auf die Ausführungen aus dem Antrag vom 9. Februar 2023 verwiesen, auf die das Verwaltungsgericht nicht eingegangen sei; es habe nur erwähnt, dass keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit gegeben sei. Diese Ausführungen gälten auch für Nr. 3 des Bescheids, in Bezug auf die ebenfalls die Atypik des Falles nicht berücksichtigt worden sei.
27
Das Verwaltungsgericht ist, soweit es einen atypischen Fall verneint hat, vom zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen; auch bestehen keine Bedenken gegen das von ihm gefundene Ergebnis. Soweit die Antragstellerin meint, bei einem Verstoß gegen eine Inhaltsbestimmung liege eher eine atypische Situation vor als bei einem Handeln völlig ohne Genehmigung, kann dies für den vorliegenden Fall nicht gelten. Da die zulässige Lagermenge hier ganz erheblich überschritten wurde (13.000 t statt 500 t), so dass der tatsächliche Betrieb der Anlage und der genehmigte Umfang weit auseinanderfallen, ist der Betrieb nicht nur formell illegal, sondern – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat – keinesfalls offensichtlich genehmigungsfähig. Insoweit sind gerade auch die Gefahren zu berücksichtigen, die ausweislich der Ausführungen in Nr. 1.4 und 1.5 des Bescheids von dem derzeitigen Betrieb der Antragstellerin für die Nachbargrundstücke, die Allgemeinheit und die Umwelt ausgehen. Ein atypischer Fall, der das Ermessen der Behörde eröffnen würde, kann daher unter diesen Aspekten nicht angenommen werden.
28
Ebenso wenig folgt ein atypischer Fall daraus, dass der Stilllegungsvorgang zu besonderen Problemen bei der Antragstellerin führe. Die von der Antragstellerin hierzu zitierte Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt (B.v. 2.8.1993 – 2 M 13.93 – juris) betrifft eine spezielle Fallkonstellation einer zu DDR-Zeiten genehmigten, später geänderten Altanlage, deren Stilllegung zu neuen immissionsschutzrechtlichen Schwierigkeiten geführt hätte. Zu der Vergleichbarkeit mit dem vorliegenden Fall hat die Antragstellerin nichts ausgeführt. Die von der Antragstellerin genannten Schwierigkeiten im Bereich ihrer Geschäftsführung und des Personals sind anders gelagert und können einen atypischen Fall nicht begründen.
29
3. Die Antragstellerin trägt weiter vor, nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfe die Anordnung nach § 20 Abs. 2 BImSchG nicht weitergehen, als es zur Rückführung auf den genehmigten Zustand erforderlich sei. Soweit das Gericht ausgeführt habe, dass nicht ersichtlich sei, warum mehr Bauschutt angenommen werde als zeitgerecht abtransportiert werden könne, verkenne es, dass die Antragstellerin gehindert gewesen sei, den Bauschutt abzufahren, weil sie fast ein halbes Jahr nicht im Besitz eines gültigen Zertifikates gewesen sei und verschiedene Firmen keine Erlaubnis erhalten hätten, das Material einzubauen. Die Antragstellerin habe auch vorgetragen, dass zeitnah eine erhebliche Reduzierung der Mengen herbeigeführt werden könne, ein förmlicher Annahmestopp dagegen zu einer Schließung des Betriebs führen werde. In der Zweck-Mittel-Relation hätte daher eine Fristverlängerung ausgereicht. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2023 ergänzt die Antragstellerin, nach zwei Berichten der Dekra vom 31. März 2023 sei die Entwicklung beim Rückbau der Aufschüttung äußerst erfreulich; die Bemühungen der Antragstellerin um die Reduzierung der Mengen seien erfolgversprechend. Daher sei der Bescheid unverhältnismäßig.
30
Auch dieser Vortrag verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, sie habe den Bauschutt mangels gültigen Zertifikates und mangels der Erlaubnis anderer Firmen zum Einbau des Materials nicht abtransportieren können, sind dies Umstände, die für die Rechtmäßigkeit der Stilllegungsverfügung nicht relevant sind, wovon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist. Für § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ist nicht maßgeblich, inwieweit der Betreiber zu vertreten hat, dass die Anlage formell illegal betrieben wird. Aus welchen Gründen der verfügte Annahmestopp zur Schließung des Betriebs führen würde, ist nicht dargelegt. Nachdem die Behörde der Antragstellerin auch durch die erteilten Duldungen bereits viel Zeit eingeräumt hatte, um einen der Genehmigung entsprechenden Zustand zu erreichen, waren weitere Fristverlängerungen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht veranlasst. Vielmehr erscheint die von der Antragsgegnerin gewählte Maßnahme (monatliche Beschränkung der Annahme von Bauschutt auf 150 t) gerade als gut abgewogen, um der Antragstellerin die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen, gleichzeitig aber auf einen der erteilten Genehmigung entsprechenden Betrieb hinzuwirken.
31
Soweit die Klägerin mit einer positiven Entwicklung beim Rückbau der Aufschüttung argumentiert, kann offenbleiben, ob der nach Ablauf der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bei Gericht eingegangene Vortrag als bloße Konkretisierung des vorherigen Vorbringens im Beschwerdeverfahren berücksichtigungsfähig ist. Es handelt sich insoweit jedenfalls um Umstände, die erst nach Erlass der Stilllegungsverfügung eingetreten und daher für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Stilllegungsverfügung grundsätzlich nicht relevant sind. Maßgeblich ist insoweit die Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses als der letzten Behördenentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2022 – 22 ZB 21.1817 – juris Rn. 45; B.v. 18.1.2018 – 22 CS 17.2330 u.a. – juris Rn. 35; B.v. 4.7.2017 – 22 ZB 16.1463 – juris Rn. 13 und Rn. 24; B.v. 1.10.2012 – 22 CS 12.1936 – juris Rn. 12; SächsOVG, B.v. 21.7.2000 – 1 B 138/00 – juris Rn. 3; NdsOVG, B.v. 12.7.2011 – 12 LA 184.09 – juris Rn. 13; Peschau/Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand Februar 2023, § 20 BImSchG Rn. 25; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 20 Rn. 53). Selbst wenn dies ausnahmsweise anders zu sehen sein sollte, weil eine im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung formell legal betriebene Anlage möglicherweise nicht der Stilllegung unterworfen werden sollte, etwa um dem Betreiber nach Rechtskraft der Stilllegung ein Verfahren nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zur Wiederinbetriebnahme der Anlage zu ersparen (vgl. hierzu Peschau/Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 20 BImSchG Rn. 25), ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht, dass die Voraussetzungen für die Stilllegung – formell illegaler Betrieb – nachträglich weggefallen seien, weil nicht dargelegt wird, dass der Umfang des gelagerten Bauschutts nunmehr dem entspricht, was die Genehmigung zulässt. Mit der von der Antragsgegnerin gewählten Form der Teilstilllegung, die die Annahme von Bauschutt von mehr als 150 t pro Monat gerade nur so lange verbietet, bis die genehmigte Lagerhöchstmenge von 500 t erreicht ist, stellt sich im Übrigen das Problem, dass die Anlage bei Erreichen eines formell legalen Betriebs zu einem beliebigen Zeitpunkt nach Bescheiderlass weiterhin stillgelegt wäre und nur durch eine weitere Behördenentscheidung wieder betrieben werden dürfte, gerade nicht.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen in Nrn. 19.1.6, 19.1.1, 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Aus den Ausgangsgenehmigungen der Anlage vom 31. Oktober 2001 und 2. April 2002 ergibt sich, dass der Errichtung und dem Betrieb der Anlage Investitionskosten von 1.198.513 Euro zugrunde lagen. Pro Anordnung (Teilstilllegung und Beseitigungsanordnung) wären somit im Hauptsacheverfahren 1,25% dieses Betrags anzusetzen; im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes reduziert sich dies auf die Hälfte. Die Befugnis zur Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts in entsprechender Weise folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG; bei der Änderung blieben die vor dem Verwaltungsgericht zusätzlich streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohungen außer Betracht (Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs).
33
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 152 Abs. 1 VwGO).