Titel:
Vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung eines tadschikischen Staatsangehörigen pamirischer Volkszugehörigkeit
Normenketten:
AsylG § 71 Abs. 5 S. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a
VwGO § 123
GG Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1–3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens obliegt nach § 71 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AsylG ausschließlich dem Bundesamt. Die den Folgeantrag ablehnende Entscheidung des Bundesamts ist gem. §§ 4 S. 1, 42 S. 1 AsylG für die Ausländerbehörde verbindlich. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Rechtlich unmöglich iSv § 60a Abs. 2 S. 1 Alt. 2 AufenthG ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer für die Bundesrepublik Deutschland aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt. Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis setzte jedoch den substantiierten Vortrag und gegebenenfalls die Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen voraus, dass die Abschiebung als solche – unabhängig vom Zielstaat – zu einer konkreten und erheblichen Gefahr für Leben oder körperliche bzw. psychische Unversehrtheit des Antragstellers führen würde. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Abschiebung bereits vollzogen, Rechtsschutzbedürfnis für Eilantrag gegen Rechtsträger der Ausländerbehörde, Folgeantrag, Mitteilung des Bundesamtes an Ausländerbehörde, Abschiebung, Abschiebungsandrohung, Abschiebungshindernis, Abschiebungsverbot, Abschiebungsverbote, Asylfolgeantrag, Asylverfahren, Tadschikistan
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 14.07.2023 – AN 11 E 23.1426
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18988
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg.
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1. Mit der beim Verwaltungsgerichtshof am Samstag, dem 15. Juli 2023, um 11:01:32 Uhr über EGVP eingegangenen, gegen den Freistaat Bayern (Antragsgegner zu 1) sowie gegen die Bundesrepublik Deutschland (Antragsgegnerin zu 2) gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller (ein tadschikischer Staatsangehöriger pamirischer Volkszugehörigkeit, der nach eigenen Angaben am 9.7.2022 in das Bundesgebiet einreiste und nach erfolglosem Asylverfahren <Asylantrag vom 21.9.2022 mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – im Folgenden: Bundesamt – vom 7.11.2022 unter Ausreisefristsetzung von einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides, Abschiebungsandrohung nach Tadschikistan und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Asylanerkennung sowie der Zuerkennung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt, Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt, Klage hiergegen am 13.7.2023 zurückgenommen – Einstellungsbeschluss vom 13.7.2023, Az.: AN 4 K 22.30964 –, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit unanfechtbarem Beschluss vom 5.12.2022, Az.: AN 4 S 22.30963, abgelehnt> am 14.7.2023 schriftlich gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 AsylG einen Asylfolgeantrag <im Wesentlichen gestützt auf eine angebliche Veränderung der Sachlage hinsichtlich der Situation der Pamiris im Zielstaat – unter Bezugnahme auf den vorgelegten Bericht des „Committee on the Elimination of Racial Discrimination“ der „International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination“, „Concluding observations on the combined twelfth and thirteenth periodic reports of Tajikistan“, vom 24.5.2023 – sowie auf exilpolitische Aktivitäten des Antragstellers> stellte, der sich seit 7.7.2023 in Abschiebegewahrsam befand und dessen Abschiebung am 15.7.2023, 17:00 Uhr vom Flughafen M* … geplant war) sein Begehren weiter, den Antragsgegnern die Abschiebung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilen zu untersagen.
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Das Verwaltungsgericht hat den – erstinstanzlich nur gegen den Antragsgegner zu 1 gerichteten – Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 14. Juli 2023 mit der Begründung abgelehnt, der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zur Verhinderung der Abschiebung sei – unabhängig davon, ob der Antrag vorrangig gegen das Bundesamt bzw. die Bundesrepublik Deutschland als dessen Rechtsträger zu richten gewesen wäre mit dem Ziel, die Ausländerbehörde zu informieren, dass vorläufig keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchgeführt werden dürften (m.V.a. OVG Bremen, B.v. 3.12.2021 – 2 B 432/21 – juris Rn. 5; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Auflage 2022, § 71 AsylG Rn. 48) – jedenfalls unbegründet. Zwar sei von einem Anordnungsgrund auszugehen, da die Abschiebung unmittelbar bevorstehe. Den erforderlichen Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG habe der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere liege der geltend gemachte Duldungsgrund der rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung nicht vor, da die unmittelbar bevorstehende Abschiebung ihre Grundlage in der Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des bestandskräftig gewordenen Bescheids des Bundesamts vom 7. November 2022 finde. Soweit am 14. Juli 2023 ein Asylfolgeantrag gestellt worden sei, habe dieser auf die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung keine Auswirkungen, wie sich aus § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG ergebe. Auch die nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG erforderliche Mitteilung des Bundesamtes liege vor. Nach derzeitiger Sachlage bestehe für den Antragsteller auch kein Abschiebungshindernis wegen einer in seinem Heimatland drohenden Gefahr für Leib oder Leben. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liege vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten sei, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen sei. Erforderlich sei dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret drohe (m.V.a. BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 19 CE 17.1541 – juris Rn. 15; B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 17; B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953; B.v. 31.5.2016 – 10 CE 16.838 – juris Rn. 7; VGH BW, B.v. 1.6.2017 – 11 S 658/17 – juris Rn. 3). Wegen der Bindungswirkung nach § 42 Satz 1 AsylG kämen nur inlandsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht (m.V.a. BayVGH, B.v. 18.12.2017 a.a.O.). Ein solches inlandsbezogenes Abschiebungshindernis sei weder geltend gemacht worden, noch ersichtlich.
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2. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung das Beschwerdegericht grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
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Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, die Antragserweiterung auf die Antragsgegnerin zu 2) könne zulässig sein, wenn das Beschwerdegericht die Änderung entsprechend § 91 Abs. 1 VwGO für sachdienlich halte (m.V.a. Hamb.OVG, B.v. 2.8.2019 – 4 Bs 219/18). Dies dürfte vorliegend der Fall sein, da das Betreiben eines neuen erstinstanzlichen Verfahrens eine „Förmelei“ darstellen würde, zumal das Verwaltungsgericht auch unter Zugrundelegung der Passivlegitimation des Antragsgegners zu 1 dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg beimesse. Im Übrigen dürfte auch der Antragsgegner zu 1 passivlegitimiert sein. Die Regierung von Mittelfranken sei als Zentrale Ausländerbehörde sachlich und örtlich für die Abschiebung zuständig (m.V.a. § 71 Abs. 1 und 4 AufenthG i.V.m. §§ 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten zur Ausführung des Aufenthaltsgesetzes und ausländerrechtlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen, ZustVAuslR). Der Eilantrag gegen den Antragsgegner zu 1 als Rechtsträger dürfte zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes zulässig sein. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass dem Antragsteller „zu 1“ keine Gefahr für Leib und Leben drohe. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe seinerseits die Wiederaufnahme des Asylverfahrens in rechtswidriger Weise abgelehnt und diese ohne inhaltliche Überprüfung als asyltaktisches Verfahren abgetan. Weder das Gericht noch das Bundesamt hätten sich mit dem vom Antragsteller vorgelegten Übereinkommen der UN vom 24. Mai 2023 als Dokument über die aktuelle Gefahrenlage für die pamirische Minderheit auseinandergesetzt. Auf dieses Dokument sowie die Ausführungen im Wiederaufnahmegesuch werde ausdrücklich erneut Bezug genommen und das Gericht um eine Neubewertung gebeten. Dem Antragsteller drohe akute Gefahr, die sich für andere Rückkehrer bereits realisiert habe. Es werde dringend gebeten, das Anliegen mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu betrachten.
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Diese Rügen greifen nicht durch.
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Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ergibt sich nicht, dass den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Abschiebung des Antragstellers zu untersagen wäre.
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2.1 Hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) kann offenbleiben, ob die Antragserweiterung (subjektive Antragsänderung) in der Beschwerdeinstanz entsprechend § 91 VwGO zulässig wäre. Denn die Beschwerde ist insoweit unstatthaft und damit unzulässig, weil ihr der Beschwerdeausschluss gemäß § 80 AsylG entgegensteht. Der Antragsteller hat es versäumt, zeitnah einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO gegen die Antragsgegnerin zu 2) bei der zuständigen Asylkammer des Verwaltungsgerichts zu stellen (vgl. dazu sogleich).
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2.2 Hinsichtlich des Antragsgegners zu 1) hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt:
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2.2.1 Dem gegen den Antragsgegner zu 1) gerichteten Antrag fehlt es bereits am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller – unabhängig davon, dass die Abschiebung bereits vollzogen worden ist – sein Rechtsschutzziel nach der Systematik der hierfür maßgeblichen asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen vorrangig und – auch im konkreten Fall – effektiv durch einen gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamtes gerichteten Antrag auf einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) zur (vorläufigen) Sicherung seines Begehrens bzw. Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (s. § 51 VwVfG) bezüglich des von ihm nunmehr geltend gemachten Abschiebungsverbots hätte erreichen können (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 3).
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Das wesentliche Vorbringen des Antragstellers im erstinstanzlichen sowie im Beschwerdeverfahren beschränkt sich darauf, dass das Bundesamt seinen Asylfolgeantrag zu prüfen und die Abschiebung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes vollzogen werden darf, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens obliegt nach § 71 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. AsylG ausschließlich dem Bundesamt. Die den Folgeantrag ablehnende Entscheidung des Bundesamts ist gemäß §§ 4 Satz 1, 42 Satz 1 AsylG für die Ausländerbehörde verbindlich. Davon geht im Übrigen auch die Bestimmung des § 71 Abs. 4 und 5 AsylG aus. Demnach darf die Ausländerbehörde nicht in eigenständiger Prüfung, insbesondere nicht abweichend von einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bejahen und auf einer solchen Grundlage die Abschiebung aussetzen. Sie hat nach der gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde dazu keine Befugnis (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 4). Auch die Garantie der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet grundsätzlich keine abweichende Beurteilung. Denn die Rechtschutzmöglichkeiten des Asylfolgeantragstellers sind auch nach abgelehntem Folgeantrag nicht beeinträchtigt (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen z.B. BVerfG, B.v. 1.7.2021 – 2 BvR 627/21 – juris Rn. 20). Gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG darf die Ausländerbehörde in diesen Fällen die Abschiebung erst dann vollziehen, wenn ihr vom Bundesamt mitgeteilt wurde, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Eine solche Mitteilung verliert nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG dann ihre Bedeutung, wenn das Bundesamt sie für hinfällig erklärt.
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Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt am 14. Juli 2023 der Ausländerbehörde mitgeteilt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Unter solchen Umständen kann der Asylfolgeantragsteller aber in der Weise um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen, dass er einen gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Antrag auf Verpflichtung des Bundesamtes stellt, gegenüber der Ausländerbehörde zu erklären, dass auf die ursprüngliche Mitteilung hin nicht abgeschoben werden darf (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 6; B.v. 9.5.2007 – 19 CE 07.158 – juris Rn. 22 m.w.N.). Nur wenn effektiver Rechtsschutz nicht mehr mit einem gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamtes gerichteten Eilantrag erreicht werden kann – d.h. wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland bzw. jedenfalls die dann zu deren Umsetzung noch erforderliche Mitteilung an die Ausländerbehörde, dass nicht vollzogen werden darf, zu spät käme – muss unter dem Blickwinkel des Art. 19 Abs. 4 GG auch eine unmittelbare Zuständigkeit der Ausländerbehörde bzw. deren Rechtsträgers für die begehrte einstweilige Regelung bejaht werden (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2009 – 19 CE 09.130 – juris Rn. 2; VGH BW, B.v. 29.11.2018 – 12 S 2504/18 – juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 3).
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Letzteres ist vorliegend nach erfolgter Abschiebung nicht mehr der Fall, weshalb es im Übrigen auch an der Passivlegitimation des Antragsgegners zu 1) fehlt.
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2.2.2 Des Weiteren fehlt es nunmehr (nach erfolgter Abschiebung) auch an der Eilbedürftigkeit des – auf die Verhinderung der Abschiebung gerichteten – Rechtsschutzbegehrens und damit an dem erforderlichen Anordnungsgrund.
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2.2.3 Soweit der Antrag des Antragstellers (der – auch – gegen den Antragsgegner zu 1) gerichtet ist), „die Antragsgegner [zu verpflichten], von der Abschiebung des Antragstellers abzusehen“, gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO zu dessen Gunsten dahingehend auszulegen ist, dass er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber dem Antragsgegner zu 1) (auch) eine Aussetzung seiner Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG begehrt, fehlt es im Übrigen an dem erforderlichen Anordnungsanspruch.
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Gründe, den gemäß §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der im asylrechtlichen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7.11.2022 enthaltenen Abschiebungsandrohung infolge der Klagerücknahme am 13.7.2023 und Entbehrlichkeit einer erneuten Abschiebungsandrohung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG) vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit zu dulden, sind nicht glaubhaft gemacht worden. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die geltend gemachte rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers liegt jedoch nicht vor:
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Rechtlich unmöglich i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer für die Bundesrepublik Deutschland aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 24; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed. 15.10.2022, AufenthG § 60a Rn. 32). Ohnehin kommen insoweit, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, wegen der Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesamtes bzw. des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nach § 42 Satz 1 AsylG im ersten Asylverfahren des Antragstellers nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953). Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis setzte jedoch den substantiierten Vortrag und gegebenenfalls die Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen voraus, dass die Abschiebung als solche – unabhängig vom Zielstaat – zu einer konkreten und erheblichen Gefahr für Leben oder körperliche bzw. psychische Unversehrtheit des Antragstellers führen würde (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 19 CE 17.1541 – juris Rn. 15; B.v. 11.04.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 17 m.w.N.). Daran fehlt es vorliegend.
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Hinsichtlich der geltend gemachten zielstaatsbezogenen Gefahren ist der Antragsgegner zu 1) gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die bestandskräftige Feststellung des Bundesamtes im Bescheid vom 7. November 2022 gebunden, dass zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht bestehen. Mit dem Vorbringen des Antragstellers, dass sich insoweit nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit die maßgebliche Sach- oder Rechtslage im Zielstaat der Abschiebung verändert habe, haben sich das Bundesamt im Rahmen der Entscheidung, ob Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG bzw. gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG hinsichtlich der negativen Feststellung zum zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz vorliegen, sowie gegebenenfalls das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG bzw. auf Verpflichtung des Bundesamtes zum Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens hinsichtlich § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu befassen (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 3).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).