Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.07.2023 – 15 ZB 22.2258
Titel:

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag im Verfahren gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts an Grundstücken in einem Sanierungsgebiet durch eine kommunale Gebietskörperschaft

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2
BauGB § 10 Abs. 3, § 24 Abs. 1, Abs. 3, § 26
GO Art. 26, Art. 39 Abs. 2
Leitsatz:
In förmlich festgelegten Sanierungsgebieten rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn damit die besonderen Maßnahmen unterstützt werden, die zur Beseitigung städtebaulicher Missstände erforderlich sind. Der Einsatz im Einzelfall muss sich an den konkreten Erfordernissen der Sanierung orientieren. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts ist zu beachten, dass die Ziele und Zwecke der Sanierung anfangs noch nicht im Einzelnen festzustehen brauchen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, Zulassungsgründe nicht substantiiert dargelegt, Wohl der Allgemeinheit bei Ausübung von Vorkaufsrecht in Sanierungsgebiet, Verwendungszweck, Verfahrensmangel wegen Nichtvornahme eines Augenscheins, Sanierungssatzung Planteil ohne Ausfertigungsvermerk
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 10.05.2022 – RN 6 K 20.1242
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18977

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 40.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich als Käuferin gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Beklagte an den Grundstücken FlNrn. … und … der Gemarkung E. …, F. …gasse . und ..
2
Die Grundstücke liegen im Innenstadtbereich der Beklagten in der F. …gasse. Diese stellt sich als kleine Anliegerstraße dar. Die umliegende Bebauung besteht im Wesentlichen aus Wohnbebauung. In unmittelbarer Nähe befinden sich der M. …bach und der Stadtpark. Auf den betroffenen Grundstücken befinden sich aktuell Garagen, die die Beklagte im Rahmen eines Pachtvertrages mit den Beigeladenen dort errichtet hat. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich der „Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes der Innenstadt E. … und der H. … …“ der Beklagten vom 2. August 2018. Im Textteil der Satzung ist ausgeführt, dass diese ab 9. August 2018 im Rathaus öffentlich zur Einsichtnahme ausgelegt worden sei. Hierauf sei durch Anschlag an den Amtstafeln hingewiesen worden. Die Satzung legt die Gebiete „Innenstadt E. …“ und „H. … …“ zusammengefasst als Sanierungsgebiet fest, wobei im Planteil die genauen Ausmaße der Gebiete dargestellt und im Textteil die einzelnen, betroffenen Grundstücke benannt werden. Die beiden streitgegenständlichen Grundstücke fallen dabei in den Bereich „Innenstadt E. …“. Im Textteil ist wiederum ausgeführt, dass in den genannten Gebieten städtebauliche Missstände vorlägen und diese durch städtebauliche Sanierungsmaßnahmen verbessert oder umgestaltet werden sollten. Die Beklagte hatte durch ein Planungsbüro die Erstellung eines städtebaulichen Rahmenplanes „ehemalige … …, … … …“ durchführen lassen, dessen Grundlage ausweislich des Textteils des Plans auch das Konzept „… … … (ISEK)“ aus dem Jahr 2011 darstellte. Dieses Plankonzept sieht für die betroffenen Innenstadtbereiche zusammengefasst eine städtebauliche Neuordnung vor, wobei vorwiegend innenstadtnahe Wohnquartiere mit neugestalteter infrastruktureller Ordnung – insbesondere auch in Verbindung mit einem Ausbau des Radwegenetzes – entstehen sollen. Konkret für die F. …gasse ist ausgeführt, dass dort eine Neuordnung der Verkehrsflächen und -führung notwendig sei. Es sei insbesondere eine Neuordnung der Grundstückszuschnitte im Süden angestrebt.
3
Mit Bescheid vom 17. Juni 2020 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht an den Grundstücken Flurnummern … und …, Gemarkung E. …, aus.
4
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Urteil vom 10. Mai 2022 die Klage gegen den Bescheid vom 17. Juni 2020 abgewiesen. Der Beklagten stehe ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken FlNrn. … und … der Gemarkung E. … zu, da die Grundstücke in einem von der Beklagten förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet liegen würden.
5
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt, verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
6
Die Beigeladenen äußerten sich nicht.
7
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
8
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
9
1. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrunds ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht in einer Weise dargelegt worden, die den gesetzlichen Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO genügt. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist zu bemerken:
10
1.1. Die Klägerin ist der Ansicht, dass, anders als vom Verwaltungsgericht ausgeführt, nicht nur der Planteil der Sanierungssatzung ohne Ausfertigungsvermerk, sondern auch der Textteil der Sanierungssatzung vom 2. August 2013 ohne Ausfertigungsvermerk sei. Der zitierte Text bestätige nur, dass die Satzung ab 9. August 2013 zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegen habe. Dies stelle jedoch keinen Ausfertigungsvermerk dar, sondern bestätige lediglich einen Vermerk über das Ausliegen der Satzung.
11
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Bebauungsplan nicht bereits wegen eines formellen Fehlers unwirksam. Gemäß § 10 Abs. 3 BauGB ist ein Bebauungsplan ortsüblich bekannt zu machen. Die Ausfertigung einer Satzung und deren Bekanntmachung ist landesrechtlich in Art. 26 GO geregelt. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GO sind Satzungen auszufertigen und im Amtsblatt der Gemeinde amtlich bekannt zu machen. Letzteres ist vorliegend nach den Angaben auf dem Textteil auf S. 16 unten durch Anschlag an den Amtstafeln erfolgt. Dieser Bekanntmachung lag auch eine ordnungsgemäße Ausfertigung zugrunde. Die Ausfertigung erfolgt durch handschriftliche Unterschrift des ersten Bürgermeisters oder dessen Stellvertreters auf der Originalurkunde unter Angabe des Datums (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.1990 – 23 B 88.00567 – BayVBl 1991, 23; U.v. 1.10.2019 – 2 N 17.2426). Mit der Ausfertigung wird zum einen die Originalurkunde geschaffen, die den Willen des Normgebers wahrnehmbar macht. Zum anderen bezeugt die Ausfertigung, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des Normgebers übereinstimmt (Authentizität). Weiter erklärt die Ausfertigung, dass die für die Rechtswirksamkeit maßgeblichen Verfahrensvorschriften beachtet worden sind (Legalität) (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.1990 – 23 B 88.00567 – BayVBl 1991, 23). Der erste Bürgermeister nimmt diese Aufgabe kraft Amtes wahr und kann sie nicht im Rahmen der laufenden Verwaltung nach Art. 39 Abs. 2 GO auf einen Gemeindebediensteten übertragen. Ist eine Karte oder ein Lageplan Bestandteil der Satzung, muss in der Satzung die Karte oder der Lageplan eindeutig beschrieben sein und in ihr und auch auf der Karte oder dem Lageplan eindeutig zum Ausdruck kommen, dass die Karte oder der Lageplan Bestandteil der Satzung ist. Auch die Karte oder der Lageplan als Bestandteil der Satzung muss grundsätzlich selbst ausgefertigt sein. Die Ausfertigung allein des Textteils genügt in seinem solchen Fall nur dann, wenn durch eindeutige Angaben oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der Planteile zu der beschlossenen Satzung ausgeschlossen wird. Erforderlich ist, dass der Plan durch eine Art „gedankliche Schnur“ mit dem ausgefertigten Text der Satzung derart verknüpft ist, dass seine Identifizierung ohne weiteres möglich ist, sodass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Teils zum ausgefertigten Satzungsteil ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.10.2014 – 15 N 12.1633 – NVwZ-RR 2015, 321; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris; BayVGH, U.v. 11.10.2021 – 2 N 19.2383 – juris Rn. 29).
12
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt kein Ausfertigungsmangel vor. Mit Datum vom 2. August 2013 wurde der Textteil auf S. 16 vom Bürgermeister unterschrieben und gesiegelt. Damit wurde eine dem Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GO entsprechende Ausfertigung erstellt. Diese wurde, wie sich aus dem am 4. September 2013 vom Bürgermeister unterschriebenen Vermerk auf S. 16 unten des Textteils ergibt, anschließend ab 9. August 2013 im Rathaus ausgelegt, worauf durch Anschlag an den Amtstafeln hingewiesen wurde. Zwar befindet sich auf der Planurkunde kein Ausfertigungsvermerk, jedoch ist die Planurkunde unter dem Datum 1. August 2013 vom Bürgermeister unterschrieben und auf S. 15 des Textteils findet sich der Text: „Das Sanierungsgebiet umfasst alle Grundstücke und Grundstücksteile innerhalb der im Lageplan M 1: 2500 des Stadtbauamtes E. … vom 1. August 2013 rot abgegrenzten Flächen. Dieser ist Bestandteil dieser Satzung und als Anlage beigefügt.“ Damit ist die gedankliche Verbindung beider Teile der Satzung ausreichend hergestellt und demnach genügt die Ausfertigung des Textteils der Satzung.
13
1.2. Die Klägerin kommt ihrem Darlegungsgebot nach § 124a VwGO nicht nach, da sie sich mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts nicht auseinandersetzt, sondern sich vielmehr darauf beschränkt, unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags darauf hinzuweisen, ihrer Ansicht nach sei das Verwaltungsgericht zum falschen Ergebnis gekommen, da das nach § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB erforderliche Wohl der Allgemeinheit weder hinreichend im streitgegenständlichen Bescheid dargelegt sei, noch das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechtes rechtfertige. Der streitgegenständliche Bescheid führe lediglich pauschal aus, dass die Ziele des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) dem Wohl der Allgemeinheit dienten. Tatsächlich sei in keiner Weise im streitgegenständlichen Bescheid differenziert, dass und weshalb die Flächen, in denen auch die gegenständlichen Grundstücke lägen, als öffentliches Grün ausgestaltet werden müssten und nicht auch als privates Grün verbleiben könnten. Ferner sei nicht hinreichend konkretisiert, weshalb die Wegeführung am südwestlichen Ende der F. …gasse exakt an der im ISEK vorgesehenen Stelle verlaufen müsse und nicht an anderer Stelle über die beiden Grundstücke verlaufen könne. Die bloße Darstellung einer denkbaren Wegeverbindung im städtebaulichen Rahmenplan bzw. Darstellung der öffentlichen Grünfläche rechtfertige allein nicht das Wohl der Allgemeinheit. Es werde in den Entscheidungsgründen vielmehr sehr ausführlich auf das Wohl der Allgemeinheit eingegangen, wie es die Sanierungssatzung und das ISEK beinhalte, in keiner Weise aber auf das Wohl der Allgemeinheit, soweit es den streitgegenständlichen Bescheid rechtfertige. Das Verwaltungsgericht gehe auch nur auf die Angabe des Verwendungszwecks im Bescheid gemäß § 24 Abs. 3 S. 2 BauGB (heute: S. 3) ein, nicht aber auf das Vorliegen des Wohls der Allgemeinheit gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB.
14
Die Einwände, dass im Bescheid nicht differenziert werde, weshalb die gegenständlichen Grundstücke als öffentliches Grün ausgewiesen werden müssen und nicht als privates Grün verbleiben könnten, und weshalb die Wegeführung exakt an der im ISEK vorgesehenen Stelle verlaufen müsse, gehen fehl, denn diese Fragen stellen sich im Rahmen der Bauleitplanung und nicht im Rahmen der Ausübung des Vorkaufsrechts. Unabhängig davon wird im Bescheid als Grund, warum keine private Grünfläche in Betracht kommt, zutreffend ausgeführt, dass die Rahmenplanung öffentliche Grünflächen vorsieht und die Erhaltung dieser Grünflächen sowie die Möglichkeit der Uferbewirtschaftung gewährleistet ist, wenn öffentliche Grünflächen im städtischen Eigentum sind.
15
Entscheidend ist, dass eine konkrete Planung im städtebaulichen Konzept „ehemalige … … … … … vom 21. Januar 2013“, das Teil des Sanierungskonzepts zur Behebung von Missständen ist, dargestellt ist, wie die streitgegenständlichen Grundstücke zukünftig gestaltet werden sollen.
16
In förmlich festgelegten Sanierungsgebieten rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn damit die besonderen Maßnahmen unterstützt werden, die zur Beseitigung städtebaulicher Missstände erforderlich sind. Den breiten Einsatzmöglichkeiten des Sanierungsrechts entspricht ein umfassend anwendbares Vorkaufsrecht. Sein Einsatz im Einzelfall muss sich an den konkreten Erfordernissen der Sanierung orientieren. Allgemein besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Anforderungen, die sich aus dem Tatbestandsmerkmal des Wohls der Allgemeinheit ergeben, und dem Stand der Konkretisierung der Sanierungsziele sowie dem Fortschritt bei der Verwirklichung der Sanierung. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts ist zu beachten, dass die Ziele und Zwecke der Sanierung anfangs noch nicht im Einzelnen festzustehen brauchen. Erst mit fortschreitendem Sanierungsverfahren sind höhere Anforderungen an die Konkretisierung der Ziele der Maßnahme zu stellen (BVerwG Urt. v. 4.3.1999 – 4 C 8.98, NVwZ 1999, 1336; VGH München Beschluss vom 30.7.2018 – 9 ZB 16.1068, BeckRS 2018, 18287 Rn. 8). Die erforderliche Konkretisierung kann in einem Bebauungsplan, aber auch in einer informellen städtebaulichen Planung vorgenommen werden (VGH München Urt. v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570, BeckRS 2014, 47685 Rn. 16 = BayVBl. 2015, 274; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Februar 2023, § 24 Rn. 70). In der Verpflichtung den Verwendungszweck anzugeben, liegt keine zusätzliche materielle Anforderung neben dem Gemeinwohlerfordernis des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Die Gemeinde soll schon beim Erlass des Verwaltungsakts die Zwecke offenlegen, zu denen sie das Grundstückerwerben will. Bedeutung hat dies unter mehreren Aspekten. Der auf den konkreten Fall bezogene und im Bescheid angegebene Verwendungszweck ist Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob die Inanspruchnahme des Grundstücks durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Der Verwendungszweck erlaubt auch Rückschlüsse auf die Ermessensbetätigung (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Februar 2023, § 24 Rn. 79).
17
Nach dem städtebaulichen Konzept ist geplant, dass auf den streitgegenständlichen Grundstücken die Gebäude abgerissen werden und Grünflächen sowie Verkehrsflächen entstehen sollen. Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts ergibt, befand sich der Bebauungsplan für den südlichen Teil der F. …gasse, in dem auch die streitgegenständlichen Grundstücke liegen, in der Aufstellungsphase. Allein weil das Verwaltungsgericht nach Auffassung der Klägerin nicht sämtliche Aspekte des Wohls der Allgemeinheit in seinem Urteil erwähnt hat, ergibt sich kein Zulassungsgrund, weil im Bescheid zu Recht ausgeführt wird, der Erwerb der Grundstücke diene dem Wohle der Allgemeinheit, da dadurch bauliche Maßnahmen möglich würden, die überwiegend Vorteile für die Öffentlichkeit brächten. Der Verwendungszweck zum Wohl der Allgemeinheit wird auch näher konkretisiert, indem ausgeführt wird, im südlichen Bereich der F. …gasse werde zur angedachten Verkehrsführung eine Neuordnung des Grundstücks angestrebt und insbesondere eine Wendemöglichkeit geschaffen. Im Rahmen der Ermessensausübung wird zutreffend ausgeführt, die Planung der Käuferin auf dem Grundstück FlNr. … ein Wohngebäude zu errichten, stehe dieser Neuordnung des Verkehrs- und der Wendemöglichkeit entgegen. Demnach dient die Ausübung des Vorkaufsrechts, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführte, dem Wohl der Allgemeinheit.
18
1.3. Anders als die Klägerin meint, bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dadurch, dass das Verwaltungsgericht unterstelle, dass die auf den streitgegenständlichen Grundstücken FINr. … und … befindlichen Garagen einer Anwendung des § 26 Ziff. 4 BauGB entgegenstünden. Die Klägerin trägt vor, die Beklagte selbst sei als Pächterin zum Rückbau der Garagen und der Versiegelung im Übrigen gemäß § 6 des Pachtvertrages vom 31. Mai 2005 verpflichtet. Es müsse der Rechtsgedanke des § 26 Ziff. 4 BauGB Anwendung finden. Mit Erfüllung der pachtvertraglichen Verpflichtung zum vollständigen Rückbau, auch der versiegelten Flächen, wäre die Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Ziff. 4 BauGB erfüllt. Die vorhandene F. …gasse als Verkehrsfläche sei nicht Teil der streitgegenständlichen Grundstücke, so dass das vorgesehene Konzept jedenfalls auf dem Grundstück FINr. … uneingeschränkt umsetzbar gewesen wäre.
19
Mit diesen Ausführungen begründen sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Grundstück nach § 26 Nr. 4 BauGB plankonform bebaut ist und genutzt wird, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, ggf. also bei Entscheidung über einen Widerspruch gegen den Ausübungsbescheid (so BVerwG Urt. v. 9.11.2021 – 4 C 1.20, NJW 2022, 341 Rn. 21 = NVwZ 2022, 75 = BauR 2022, 61 = BauR 2022, 444; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Februar 2023, § 26 Rn. 15). Zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung am 17. Juni 2020 war das Grundstück noch mit Garagen bebaut. Die Klägerin trägt selbst vor, dass zunächst ein Rückbau der Garagen erforderlich wäre, um die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Nr. 4 BauGB zu erfüllen.
20
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
21
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N). Diese Voraussetzungen sind nach dem Zulassungsvortrag der Klägerin vorliegend nicht erfüllt bzw. nicht substantiiert dargelegt. Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Klägerin genügen nicht (BayVGH, B.v. 14.4.2022 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 19).
22
3. Das Zulassungsvorbringen zeigt auch keinen Verfahrensfehler i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO mit dem Vorbringen auf, das Gericht habe entgegen § 96 VwGO keinen Augenschein durchgeführt.
23
Die bereits erstinstanzlich anwaltlich vertretene Klägerin ließ ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht weder Beweisanträge stellen noch monierte sie in der mündlichen Verhandlung eine unzulängliche Sachverhaltsermittlung. Sie hat auch in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung lediglich ausgeführt, dass das Gericht die im Bescheid angegebenen Gründe, mit denen das Wohl der Allgemeinheit und die Verwendung der gegenständlichen Grundstücke begründet wurden, anders beurteilt hätte, wenn es die örtlichen Verhältnisse vor Ort gekannt hätte. Es wird aber nicht substantiiert dargestellt, warum sich ein Augenschein aufgedrängt haben soll, obwohl in der Akte detaillierte Planzeichnungen und Luftbilder zur Beurteilung der Situation vor Ort vorhanden sind.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen tragen billigerweise ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie sich im Zulassungsverfahren nicht beteiligt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
25
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).