Titel:
Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Nachuntersuchung in einem Verfahren wegen Dienstunfähigkeit
Normenketten:
BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 1
BayBG Art. 65 Abs. 2 S. 1, S. 2
SBG IX § 178 Abs. 2 S. 1
BayVwVfG Art. 46
VwGO § 44a
Leitsätze:
1. Bei der Rechtmäßigkeit der Anordnung von Nachuntersuchungen, die amtsärztlich im Rahmen von Voruntersuchungen für notwendig erachtet wurden, können nicht die gleichen Anforderungen an den Inhalt der Aufforderungen zur Nachuntersuchung gestellt werden, wie dies im Falle einer (orientierenden) Erstuntersuchung zu fordern wäre. Insoweit ist die Situation durchaus der Fallgestaltung vergleichbar, in der es um die Anordnung einer Nachuntersuchung hinsichtlich einer amtsärztlichen Feststellung geht, die Grundlage einer Ruhestandsversetzung war und die nun im Rahmen eines Reaktivierungsverfahrens zur Überprüfung ansteht. In beiden Konstellationen sind dem Beamten die Gründe für die Anordnung des Dienstherrn aus der langjährigen Vorgeschichte bekannt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn der Hinweis auf eine bisher nicht diagnostizierte Erkrankung vorliegt, darf sich der Dienstherr bei der Aufforderung der Nachuntersuchung zunächst auf den seit Jahren in Rede stehende Erkrankung konzentrieren, deren abschließende Untersuchung möglicherweise bereits die Dienstunfähigkeit eindeutig ergeben hätte. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Technische Amtsrätin in der Besoldungsgruppe A 12, Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit, Wiederholte Anordnung einer Nachuntersuchung, Angabe des medizinischen Fachbereichs in der Anordnung, Verweigerung der Mitwirkung, Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, technische Amtsrätin, Beamter, Dienstunfähigkeit, Ruhestandsversetzung, wiederholte Anordnung, Nachuntersuchung, Angabe des medizinischen Fachbereichs, Anordnung, Verweigerung, Mitwirkung, Beteiligung, Schwerbehindertenvertretung, Untersuchungsaufforderung, Rechtmäßigkeit, Amtsarzt, Anforderung, Inhalt, Erkrankung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 14.12.2020 – M 5 K 19.4166
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18975
Tenor
I.Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die 1959 geborene Klägerin wendet sich gegen ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG durch die Beklagte.
2
Zuletzt stand sie als technische Amtsrätin (BesGr A 12) im Dienst der Beklagten. Seit 17. September 2014 ist ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 zuerkannt (Bescheid des ZBFS v. 20.11.2014: „seelische Störung, Abhängigkeitserkrankung in Heilungsbewährung“).
3
Bereits ab dem Jahr 2013 betrieb die Beklagte ein Verfahren zur Klärung der Dienstfähigkeit der Klägerin. Mit Gesundheitszeugnis des Referats für Gesundheit und Umwelt (RGU) der Beklagten vom 6. August 2013 wurde vor dem Hintergrund der Untersuchung vom 24. Juni 2013 und der vorgelegten Befundberichte, insbesondere des Facharztes E. für Psychiatrie und Psychotherapie vom 11. Juli 2013 festgestellt, dass die Klägerin weiterhin dienstunfähig sei. Eine vergleichbare Feststellung enthielt das Gesundheitszeugnis vom 23. Januar 2014; die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ruhestandsverfahrens lägen aus medizinischer Sicht vor. Die Dienststelle bat am 10. März 2015 um Versetzung der Klägerin in den Ruhestand, nachdem sie seit 4. Juli 2012 erkrankt und trotz attestierter Teildienstfähigkeit nie zum Dienst erschienen sei. Ein weiteres Gesundheitszeugnis vom 9. Juni 2015 attestierte der Klägerin eine vollständige und anhaltende Dienstunfähigkeit, die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ruhestandsverfahrens seien gegeben. Das nächste, aufgrund der Einwände der Klägerin gegen die beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand erstellte Gesundheitszeugnis vom 13. Januar 2016 geht davon aus, dass im Anschluss an eine Wiedereingliederungsmaßnahme und unter bestimmten Leistungseinschränkungen mit einer „anhaltenden begrenzten Dienstfähigkeit gerechnet werden“ könne. Eine vom 6. Juni 2017 bis 31. Januar 2018 durchgeführte Wiedereingliederungsmaßnahme scheiterte, die Klägerin war den überwiegenden Zeitraum nicht in der Beschäftigungsdienststelle anwesend. Im Rahmen der nächsten amtsärztlichen Untersuchung am 16. Februar 2018 verweigerte die Klägerin die von der Amtsärztin für notwendig erachteten Laboruntersuchungen.
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Mit Schreiben vom 21. Juni 2018 wurde die Klägerin zur amtsärztlichen (Nach-)Untersuchung geladen, die aufgrund ihrer Krankschreibung vom 5. Juni 2016 durch den Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. E. im nervenärztlichen Fachbereich erfolgen solle. Im Hinblick auf die vorgelegten privatärztlichen Atteste vom 11. und 13. Juni 2018 eines Orthopädie-Facharztes erfolge gegebenenfalls eine Zusatzbegutachtung im chirurgisch-orthopädischen Fachbereich. Das daraufhin vom RGU erstellte amtsärztliche Gesundheitszeugnis vom 20. August 2018, ergänzt mit Gesundheitszeugnis vom 16. Oktober 2018, basiert auf der Untersuchung vom 5. Juli 2018 und äußert „erhebliche Zweifel an der vollen Dienstfähigkeit“, weist auf bestehende „Gesundheitsstörungen, die einer weiteren fachärztlichen Diagnostik bedürfen“, hin, und empfiehlt der Klägerin, „sich in fachärztliche internistische Behandlung zu begeben“, deren Ergebnis „nicht nachgewiesen werden“ müsse; weiterhin könne es zu „gehäuften Fehlzeiten“ kommen. Eine Nachuntersuchung sei in drei Monaten notwendig, „um zu überprüfen, ob die angeregte fachärztliche Diagnostik und therapeutischen Maßnahmen zu einer Besserung des Gesundheitszustandes geführt“ hätten. Die Klägerin wurde mit Schreiben des Personalreferats der Beklagten vom 29. Oktober 2018 über den wesentlichen Inhalt des Gesundheitszeugnisses vom 20. August 2018 in Kenntnis gesetzt.
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Mit weiterem Schreiben, ebenfalls unter dem 29. Oktober 2018, forderte die Beklagte die Klägerin auf, sich einer weiteren amtsärztlichen Nachuntersuchung beim RGU zu unterziehen. Die Notwendigkeit dieser Untersuchung sei im Gesundheitszeugnis vom 20. August 2018 als erforderlich angesehen worden; die Untersuchung im nervenärztlichen Fachbereich umfasse ein ausführliches Gespräch, sich danach ergebende orientierende Testungen und ggf. eine ergänzende Laboruntersuchung.
6
Der Gutachtensauftrag wurde von der Amtsärztin wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin unerledigt zurückgegeben. Sie habe sich zwar am 4. Dezember 2018 vorgestellt, jedoch die Durchführung einer Laboruntersuchung sowie einer orientierenden körperlichen Untersuchung abgelehnt. Entsprechend verhielt sich die Klägerin auf die am 5. Februar 2019 ausgesprochene weitere Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung, zu der sie am 12. Februar 2019 zwar erschienen, aber nicht zur Mitwirkung an den für notwendig erachteten Untersuchungen bereit war. Die Untersuchungsanordnung enthielt den Hinweis, dass „Anlass der Nachuntersuchung im nervenärztlichen Fachbereich“ das Gutachten vom 20. August 2018 mit der dort festgehaltenen Notwendigkeit einer Nachuntersuchung sei. Die Anordnung vom 29. Oktober 2018 bleibe „unverändert bestehen“.
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Mit Schreiben vom 30. April 2019 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit aufgrund fehlender Mitwirkung an. Der Gesamtschwerbehindertenvertretung wurde ein Abdruck zur Kenntnisnahme übersandt.
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Mit Bescheid vom 17. Juli 2019 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. August 2019 gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Sie habe sich mehrfach einer körperlichen Untersuchung sowie weiteren Testungen entzogen und werde daher so behandelt, als sei ihre Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden.
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Der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. Dezember 2020 statt und hob den Bescheid vom 17. Juli 2019 auf. Seine Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass die beiden inzident zu prüfenden Untersuchungsaufforderungen vom 29. Oktober 2018 und 5. Februar 2019 rechtswidrig seien, weil sie das Gesundheitszeugnis vom 20. August 2018 (in der ergänzten Fassung vom 16.10.2018) lediglich in Bezug nähmen, dieses jedoch nicht die ausdrückliche Aussage der Amtsärztin enthalte, eine Nachuntersuchung sei im nervenärztlichen Bereich erforderlich. Vielmehr sei der Klägerin geraten worden, sich in fachärztliche internistische Behandlung zu begeben und deren Ergebnis abzuwarten. Es könne nicht erwartet werden, dass der Klägerin klar gewesen sei, die angeordneten Nachuntersuchungen gründeten im nervenärztlichen Fachbereich. Die Beklagte sei nach der von der Rechtsprechung für unzulässig erachteten Überlegung vorgegangen, es sei ausreichend, wenn die betroffene Beamtin schon wissen werde, „worum es gehe“. Offenbleiben könne, ob die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IX bereits im Rahmen der beiden Untersuchungsaufforderungen hätte beteiligt werden müssen und ob ihre Nichtbeteiligung zu deren Rechtswidrigkeit führe.
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Die Beklagte begründet ihre vom Senat zugelassene Berufung. Beide Anordnungen der Nachuntersuchung würden den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen gerecht. Der Klägerin sei klar gewesen, dass sich beide Untersuchungen auf den nervenärztlichen Bereich bezogen hätten. Es sei unerheblich, dass der Fachbereich im Gutachten vom 20. August 2018 selbst nicht ausdrücklich benannt worden sei, denn er ergebe sich zweifelsfrei aus den die Nachuntersuchungen anordnenden Schreiben vom 29. Oktober 2018 und 5. Februar 2019. Schon der Umstand, dass kein anderweitiger Fachbereich benannt worden sei, habe der Klägerin aufgezeigt, dass die Nachuntersuchungen wieder im selben Fachbereich stattfinden würden. Eine Nachuntersuchung könne denknotwendig nur im bereits begutachteten Fachbereich stattfinden. Auch deuteten die im Gutachten festgestellten Leistungseinschränkungen auf Ursachen im nervenärztlichen Bereich hin. Die Klägerin habe jedenfalls aufgrund der ihr bekannten konkreten Umstände ohne weiteres erkennen können, weshalb Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit bestanden hätten, nachdem in den Anordnungen auf das Ergebnis der vorangegangenen Untersuchungen Bezug genommen worden sei. Die Mitteilung der Amtsärztin an die Personalstelle der Beklagten nach Art. 67 Abs. 1 BayBG habe sich auf die Angabe beschränkt, dass eine Nachuntersuchung nach drei Monaten für erforderlich gehalten werde. Schon deshalb bestehe kein Erfordernis einer näheren Begründung der Nachuntersuchung unter Benennung eines bestimmten Fachbereichs. Es habe der Beklagten auch freigestanden, die Nachuntersuchung in einem ersten Schritt im Fachbereich „nervenärztliche Erkrankung“ anzuordnen und sich eine weitere Begutachtung in einem anderen Fachbereich vorzubehalten, sollte die Dienstfähigkeit nicht abschließend beurteilt werden können. Schließlich sei die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Stadium der Untersuchungsanordnungen nicht geboten gewesen. § 24 Abs. 3 der Integrationsvereinbarung der Beklagten statuiere keine über § 178 Abs. 2 SGB IX hinausgehende Pflicht zur Beteiligung. Das Beteiligungsrecht nach letztgenannter Vorschrift diene den elementaren Belangen eines schwerbehinderten Menschen. Solche seien bei den streitgegenständlichen Untersuchungsaufträgen nicht berührt, mit denen zunächst nur die weiteren Einsatzmöglichkeiten der Klägerin hätten geklärt werden sollen. Die Beteiligungspflicht beziehe sich nicht auf derart niedrigschwellige Eingriffe. Eine Untersuchungsanordnung sei keine „Entscheidung“ im Sinne der Vorschrift, sondern könne nur als vorbereitende Aufklärungsmaßnahme gelten. Die Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht herangezogenen gegenteiligen Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg (B.v. 5.11.2017 – OVG 4 S 26.17 – juris) werde bezweifelt.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2020 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Beide Untersuchungsaufforderungen genügten nicht den von der Rechtsprechung geforderten formalen Voraussetzungen. Das erste Aufforderungsschreiben vom 29. Oktober 2018 benenne zwar ausdrücklich die Nachuntersuchung im „nervenärztlichen Fachbereich“, bezeichne jedoch nicht den genauen Anlass für die Anordnung. Dem zweiten Schreiben vom 5. Februar 2019 fehle es bereits an der Darlegung der Notwendigkeit einer Nachuntersuchung gerade in diesem Fachbereich. Die Klägerin habe daher nicht erkennen können, wie die konkreten Zweifel an der Dienstfähigkeit gerechtfertigt werden sollten. Die bloße Bezugnahme auf das Gesundheitszeugnis vom 20. August 2018, das ihr niemals zugestellt worden sei, reiche nicht aus, zumal es von mehreren Gesundheitsstörungen, jedoch mit keinem Wort von einer nervenärztlichen Problematik spreche. Die gutachterlichen Feststellungen im genannten Zeugnis (vgl. Nrn. 1.1, 4, 5, 7.2) zeigten, dass der Klägerin zunächst eine internistische fachärztliche Diagnose und Behandlung angeraten werde. Warum trotz der von der Amtsärztin für erforderlich gehaltenen internistischen Diagnostik eine Nachuntersuchung ausgerechnet im nervenärztlichen Fachbereich angeordnet worden sein solle, bleibe offen. Die Klägerin habe außerdem auch Krankschreibungen aus dem chirurgisch-orthopädischen Fachbereich vorgelegt, die von der Beklagten im Schreiben vom 21. Juni 2018 als Anlass für eine nötige Zusatzuntersuchung bezeichnet worden seien. Die bloße spätere Inbezugnahme mache nicht klar, welche der im Gutachten genannten neuen Anlässe für die Nachuntersuchung maßgeblich seien. Schließlich sei die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bereits im Rahmen des Erlasses der Untersuchungsanordnungen erforderlich gewesen, denn nur so könnten Sinn und Zweck von § 178 Abs. 1, 2 SGB IX zum Tragen kommen. Zudem sei die Änderung der Rechtsprechung zur isolierten Anfechtbarkeit einer Untersuchungsanordnung zu beachten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Akten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil sich das der Klage gegen die Ruhestandsversetzung stattgebende Urteil im Ergebnis als richtig erweist. Zwar sind die hier inmitten stehenden Untersuchungsaufforderungen (vom 29.10. 2018 und 5.2.2019) nicht deswegen rechtswidrig, weil aus ihnen für die Klägerin „nicht erkennbar die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung gerade im nervenärztlichen Fachbereich“ folgte (1.). Jedoch hat die Beklagte versäumt, die Schwerbehindertenvertretung bereits im Zusammenhang mit dem Erlass der beiden Untersuchungsaufforderungen einzuschalten (2.). Damit hat sie einen Verfahrensfehler begangen, der zur formellen Rechtswidrigkeit der (materiell rechtmäßigen) Untersuchungsaufforderungen führt. Infolgedessen war die Klägerin nicht verpflichtet, den Aufforderungen Folge zu leisten.
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1. Der von der Beklagten als Rechtsgrundlage für die angefochtene Ruhestandsversetzung herangezogene Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG setzt voraus, dass die beiden verpflichtenden Weisungen, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, rechtmäßig waren und die Klägerin sich ihnen ohne hinreichenden Grund entzogen hat. Die beiden damit inzident zu überprüfenden Untersuchungsaufforderungen (vom 29.10.2018 und 5.2.2019) erachtet der Senat als materiell rechtmäßig. Er teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte sei nach der als unzulässig angesehenen Überlegung vorgegangen, die Klägerin „werde schon wissen, worum es gehe“ (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 20; U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – juris Rn. 20). Die beiden maßgeblichen Aufforderungen enthalten nämlich ausreichende Angaben zu Art und Umfang der angeordneten ärztlichen Untersuchung und benennen die hierfür aus Sicht des Dienstherrn ausschlaggebenden Umstände (BVerwG, U.v. 30.5.2013 a.a.O. Rn. 20 f.). Insbesondere werden Art und Umfang der Untersuchung nicht der Amtsärztin überlassen; der Klägerin ist eine inhaltliche Prüfung der Anordnungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – also auch der vorangegangenen amtsärztlichen Befunde – darauf hin möglich, ob die angeführten Gründe für die Aufforderung tragfähig sind.
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Dabei ist zunächst die Besonderheit des vorliegenden Falles hervorzuheben, dem nicht die Frage der Rechtmäßigkeit einer angeordneten Erstuntersuchung, sondern zweier Nachuntersuchungen zugrunde liegt, die von der Amtsärztin im Rahmen einer ersten (Nach-)Untersuchung für notwendig erachtet wurden. Daraus folgt, dass für die Frage, ob die maßgeblichen Aufforderungen den dargestellten Erfordernissen entsprechen, nicht nur diese selbst zu betrachten sind, sondern auch das ihnen vorangehende Gesundheitszeugnis (vom 20.8.2018 mit Nachtrag vom 16.10.2018), das auf der Aufforderung vom 21. Juni 2018 und der am 5. Juli 2018 durchgeführten (Nach-)Untersuchung beruht. Nachdem die Klägerin der letztgenannten Aufforderung in vollem Umfang nachgekommen ist, ohne Einwände hiergegen zu erheben, ist ohne weiteres von der Verwertbarkeit des Gesundheitszeugnisses vom 20. August 2018 auszugehen, ohne dass die Klägerin noch nachträglich die Rechtswidrigkeit dieser Gutachtensanordnung geltend machen könnte (BVerwG, B.v. 26.4.2012, a.a.O., Rn. 18; BayVGH, B.v. 1.9.2015 – 3 CE 15.1274 – juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 6 ZB 16.249 – juris Rn. 13). Der Inhalt des Gesundheitszeugnisses vom 20. August 2018 fließt daher im Rahmen einer Gesamtschau ebenso wie die Aufforderung zur vorangegangenen Untersuchung (am 5.7.2018) in die hier inzident auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfenden letzten Untersuchungsaufforderungen mit ein.
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Diese beiden Aufforderungen beschreiben den Umfang einer „Untersuchung im nervenärztlichen Fachbereich“ näher, auch wenn dies offenbar in Form eines Textbausteins geschieht. In der Anordnung vom 5. Februar 2019 wird als „Anlass der Nachuntersuchung im nervenärztlichen Fachbereich das Gutachten vom 20.08.2018“ in Bezug genommen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anordnung vom 29. Oktober 2018 „unverändert bestehen“ bleibt. Es trifft zwar zu, dass das in Bezug genommene Zeugnis vom 20. August 2018 selbst nicht den Hinweis auf den nervenärztlichen Fachbereich enthält. Dies ist aber unschädlich, weil auch die Aufforderung vom 21. Juni 2018 zur damaligen Nachuntersuchung ausdrücklich den Hinweis enthält, dass die Untersuchung im nervenärztlichen Fachbereich erfolge, nachdem die damals aktuelle Krankschreibung der Klägerin (v. 5.6.2018) wiederum durch Dr. E., Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie ausgestellt sei. Entscheidend für die Bestimmung des maßgeblichen Fachbereichs und der dazu führenden Umstände ist der aus den Untersuchungsaufforderungen für die Klägerin erkennbare Wille der Beklagten. Er erfährt nicht dadurch eine Änderung, dass die beauftragte Amtsärztin darüberhinausgehende Untersuchungen in anderen Fachbereichen anregt, für notwendig hält oder sogar durchführt. Die Amtsärztin bleibt vielmehr rechtlich betrachtet sachverständige Hilfsperson des Personalreferats der Beklagten ohne Befugnis, den Untersuchungsauftrag oder -umfang selbstständig zu definieren.
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Auch wenn im vorliegenden Fall die Amtsärztin tatsächlich im Gesundheitszeugnis vom 20. August, mit Nachtrag vom 16. Oktober 2018, den nervenärztlichen Fachbereich nicht erwähnt, vielmehr das Augenmerk offensichtlich auf eine „bisher nicht diagnostizierte Erkrankung“ aus dem internistischen Fachbereich richtet, deren fachärztliche internistische Diagnostik und Therapie „angeregt“ werde und deren Ergebnisse „abzuwarten“ seien, bedeutet dies nicht, dass die Klägerin nicht ohne weiteres hätte erkennen müssen, dass es der Personalstelle der Beklagten bei ihren Anordnungen nach wie vor darauf ankam, den nervenärztlichen Fachbereich untersuchen zu lassen. Die Klägerin konnte keine Zweifel daran hegen, dass es jedes Mal um den nervenärztlichen und nicht um einen anderen Fachbereich ging. Einen entsprechenden Hinweis enthält im Übrigen auch das (erste) Schreiben vom 29. Oktober 2018 an die Klägerin, mit dem sie erstmals über den Inhalt des Gesundheitszeugnisses vom 20. August 2018 informiert und ihr mitgeteilt wurde, dass die Voraussetzungen einer vollständigen und anhaltenden Dienstunfähigkeit zum Untersuchungszeitpunkt nicht vorlägen; eine Nachuntersuchung im nervenärztlichen Fachbereich werde mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag veranlasst, man gehe davon aus, dass die Klägerin die ihr von der Amtsärztin empfohlenen „Maßnahmen eingeleitet“ habe (Bl. 73, 74 der Behördenakte). Dementsprechend hat das Personalreferat der Beklagten auch nicht die Hinwendung der Amtsärztin auf die unverbindliche Empfehlung einer fachärztlichen internistischen Behandlung aufgegriffen und diesen Fachbereich nicht in die hier zu überprüfenden Aufforderungen zu einer weiteren Nachuntersuchung übernommen. Das Personalreferat hat vielmehr – auch gegenüber dem Gesundheitsamt – stets und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die amtsärztliche Untersuchung im nervenärztlichen Bereich durchzuführen sei; soweit sich die Notwendigkeit der Untersuchung eines anderen Fachbereichs ergebe, sei zunächst das Personalreferat zu informieren (vgl. Bl. 9, 10 und 38 der Akte des Personal- und Organisationsreferats der Beklagten).
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Der Senat ist der Auffassung, dass in der vorliegenden besonderen Situation nicht die gleichen Anforderungen an den Inhalt der Aufforderungen zur Nachuntersuchung gestellt werden können, wie dies im Falle einer (orientierenden) Erstuntersuchung zu fordern wäre. Insoweit ist die Situation – anders als das Verwaltungsgericht meint (UA Rn. 29) – durchaus der Fallgestaltung vergleichbar, in der es um die Anordnung einer Nachuntersuchung hinsichtlich einer amtsärztlichen Feststellung geht, die Grundlage einer Ruhestandsversetzung war und die nun im Rahmen eines Reaktivierungsverfahrens zur Überprüfung ansteht (vgl. VG Augsburg, B.v. 11.5.2015 – Au 2 E 15.700 – BA Rn. 43, 44). In beiden Konstellationen sind dem Beamten die Gründe für die Anordnung des Dienstherrn aus der langjährigen Vorgeschichte bekannt.
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Im vorliegenden Fall war der Klägerin spätestens seit dem Jahr 2013 vor dem Hintergrund ihrer seit 4. Juli 2012 andauernden Krankschreibungen und den seither in unregelmäßigen Abständen angeordneten amtsärztlichen Untersuchungen bewusst, dass ihre Dienstfähigkeit aus Sicht des Dienstherrn gerade aus nervenärztlichen und nicht anderen Gründen infrage stand. Daran ändert auch der Hinweis im Gesundheitszeugnis vom 20. August 2018 nichts, der weitere „verschiedene Gesundheitsstörungen“ anspricht, wegen derer jedoch zunächst eine fachärztliche Diagnostik und Behandlung angeraten werde. Die Beklagte hat nämlich darauf verzichtet, ihre Aufforderungen auf mögliche andere medizinische Fachbereiche zu erstrecken, sondern hat sich zulässigerweise im Rahmen ihres Verwaltungsermessens dafür entschieden, den ursprünglichen Ansatz zur Feststellung der Dienstunfähigkeit weiterzuverfolgen. Die Fallgestaltung, die dem von der Klägerin benannten Beschluss des Senats vom 28. März 2022 (3 CE 22.508 – juris Rn. 30) zugrunde lag und in dem es um eine vom Dienstherrn vorsorglich getroffene Anordnung einer Zusatzbegutachtung auf anderen medizinischen Fachgebieten nach Ermessen des untersuchenden Amtsarztes ging, hat mit der vorliegenden Fallkonstellation nichts gemein.
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Schließlich führen auch die im angefochtenen Urteil (UA Rn. 28) angestellten Überlegungen nicht weiter, dass „eine abschließende Klärung der Dienstfähigkeit der Klägerin“ selbst dann nicht möglich wäre, wenn man die Nachuntersuchung im nervenärztlichen Fachbereich als rechtmäßig angeordnet annehmen wollte, weil die Amtsärztin auf die „Notwendigkeit einer fachärztlichen internistischen Behandlung“ und auf eine bisher nicht diagnostizierte Erkrankung hingewiesen habe. Denn es mag zwar sein, dass die angeordnete nervenärztliche Untersuchung tatsächlich nicht zur Klärung der Frage der Dienstfähigkeit in vollem Umfang geführt hätte und noch eine oder mehrere Nachuntersuchungen erforderlich gewesen wären. Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Beklagte zunächst auf den seit Jahren in Rede stehenden psychiatrischen Fachbereich konzentrieren durfte, dessen abschließende Untersuchung möglicherweise bereits die Dienstunfähigkeit eindeutig ergeben hätte. Dies hat aber die Klägerin durch die zweimalige Weigerung, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen, vereitelt. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG erfüllt.
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Soweit schließlich das angefochtene Urteil (UA Rn. 26) Zweifel daran äußert, ob die Klägerin überhaupt einen Abdruck des Gesundheitszeugnisses vom 20. August 2018 (mit Ergänzung) von der Beklagten erhalten habe, führt auch dieser Gedanke nicht weiter. Denn die Klägerin wurde von der Personalstelle des Dienstherrn in zusammenfassender Weise, inhaltlich umfassend über die entscheidenden Aussagen des Gesundheitszeugnisses informiert. Darüber hinaus wurde sie durch ein Merkblatt („Informationen zur ärztlichen Untersuchung“) der Beklagten unter anderem darauf aufmerksam gemacht, dass sie auf schriftlichem Wege auch eine Kopie des Gutachtens anfordern könne.
26
2. Die Berufung bleibt allerdings im Ergebnis erfolglos, weil es die Beklagte verabsäumt hat, die Schwerbehindertenvertretung bereits im Zusammenhang mit den beiden an die (schwerbehinderte) Klägerin gerichteten Aufforderungen zur Nachuntersuchung in das Verfahren einzuschalten, wie dies § 178 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IX vorsieht (2.1). Dieser Verfahrensmangel ist weder geheilt worden noch im Hinblick auf den Rechtsgedanken des Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich (2.2). Er führt dazu, dass beide Untersuchungsaufforderungen als formell rechtswidrig anzusehen sind (2.3).
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2.1 Gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IX ist die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen schwerbehinderten Menschen berühren, „unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören“; die unterbliebene Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen, währenddessen die Vollziehung der ohne Beteiligung getroffenen Entscheidung auszusetzen ist.
28
„Entscheidung“ im Sinne der Vorschrift bedeutet eine den Schwerbehinderten unmittelbar betreffende Maßnahme. Hierzu gehören neben der Ruhestandsversetzung auch ihr vorgelagerte Maßnahmen, wie etwa die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung (OVG Berlin-Bbg, B.v. 15.11.2017 – OVG 4 S 26.17 – juris Rn. 7; OVG NW, B.v. 6.9.2018 – 6 B 962/18 – juris Rn. 4-12; Düwell in Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, 6. Aufl. 2022, § 178, Rn. 47; Baßlsperger in Weiß/Zängl/Summer/Niedermaier/Baßlsperger/Conrad, Beamtenrecht in Bayern, § 26 BeamtStG Rn. 29)* Sie ist in besonderer Weise geeignet, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Beamten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einzugreifen (BVerfG, B.v. 21.10.2020 – 2 BvR 652/20 – juris Rn. 32). Zwar kann die angeordnete Untersuchung – abhängig von ihrem Umfang und der bereits bekannten Erkenntnisse über die gesundheitlichen Verhältnisse – sich zunächst als Maßnahme zur Ermittlung des Sachverhalts darstellen. Sie geht dennoch weit über eine „reine Aufklärungsmaßnahme“ hinaus, indem der Amtsarzt seine prognostische Einschätzung zu den ihm vorgelegten Fragen abgibt, insbesondere zur Frage des Zeitraums von Leistungseinschränkungen oder einer festgestellten Dienstunfähigkeit und ihrer Dauer. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, bereits die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung als eine unterrichtungspflichtige Maßnahme anzusehen, zumal sie gegebenenfalls – etwa bei der wiederholten Verweigerung der Teilnahme an der Untersuchung wie im vorliegenden Fall – zur Annahme der fiktiven Dienstunfähigkeit nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG führen kann. Es kommt daher nicht mehr auf die Frage an, ob das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bei der in Bezug genommenen Entscheidung (a.a.O.) im Rahmen der Auslegung der bundesrechtlichen Vorschrift des § 178 Abs. 2 SGB IX zu Unrecht auf den landespersonalvertretungsrechtlichen Begriff der „Maßnahme“ zurückgegriffen hat.
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Weiter vermag der Senat dem Argument der Beklagten, mit der Untersuchungsanordnung – als erstem untergeordnetem Schritt in einem gestuften Verfahren – gehe ein lediglich niedrigschwelliger Grundrechtseingriff einher, nicht zu folgen. Insoweit ist auch die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – juris Rn. 24, 25) zur Frage des effektiven Rechtsschutzes gegen die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung in den Blick zu nehmen. Weil bereits die ärztliche Untersuchung zur Verletzung materieller Rechtspositionen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) führen könne, die nicht identisch mit den durch die abschließende Sachentscheidung berührten Rechtspositionen seien und die im Rechtsschutzverfahren gegen eine nachfolgende Ruhestandsversetzung nicht vollständig beseitigt werden könnten, stehe § 44a VwGO der Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes nicht entgegen. Die damit eröffnete Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz isoliert gegen eine Untersuchungsaufforderung zu erlangen, spricht auch für die Mitwirkungspflichtigkeit der Maßnahme; nur damit wird der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit eröffnet, sich in das Verfahren einzuschalten.
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Wollte man der Auffassung der Beklagten folgen, musste im vorliegenden Fall die Schwerbehindertenvertretung erst zu einem Zeitpunkt (30.4.2019) eingeschaltet werden, zu welchem die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG bereits erfüllt waren, und damit zu spät für eine effektive Äußerung oder Beratung. Die frühzeitige Einschaltung der Schwerbehindertenstelle lag im Übrigen auch deswegen nahe, weil die Klägerin offenbar schon im Jahre 2015 in Zusammenhang mit dem schon damals laufenden Ruhestandsversetzungsverfahren diesen Schritt beantragt hatte, die Einbindung jedoch im Hinblick auf eine geplante weitere amtsärztliche Untersuchung „vorerst zurückgestellt“ wurde (vgl. Schr. d. Bekl. v. 4.11.2015).
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Die von der Beklagten angesprochenen Bayerischen Inklusionsrichtlinien des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und Heimat vom 29. April 2019 sowie die Integrationsvereinbarung der Beklagten können an dem Ergebnis nichts ändern, schon weil sie die bundesrechtlichen Bestimmungen des SGB IX und deren Auslegung zulasten der behinderten Beschäftigten nicht einzuschränken vermögen. Im Übrigen sieht Ziffer 10.2 der Inklusionsrichtlinien ausdrücklich vor, dass die Schwerbehindertenvertretung „bereits vor der Vorladung der schwerbehinderten…Beamten zur amtsärztlichen Untersuchung einzubinden“ ist.
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2.2 Die demnach rechtlich gebotene, jedoch unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bereits im Zusammenhang mit den Aufforderungen an die Klägerin, sich einer näher umschriebenen Nachuntersuchung zu unterziehen, ist nicht mit heilender Wirkung nach § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX (binnen sieben Tagen) nachgeholt worden, insbesondere nicht durch die erstmalige Einbindung der Schwerbehindertenvertretung mit Schreiben vom 30. April 2019, mit dem diese über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit informiert wurde. Eine Heilung scheidet schon deswegen aus, weil die Einbindung erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem nicht nur die beiden Untersuchungsaufforderungen (v. 29.10.2018/5.2.2019) längst zugestellt waren, sondern auch die beiden Untersuchungstermine (4.12.2018/12.2.2019) jeweils ohne ausreichende Mitwirkung der Klägerin verstrichen waren. Damit wurde die mit der Beteiligung bezweckte Möglichkeit der Schwerbehindertenvertretung zur rechtzeitigen Äußerung, soweit sie sich auf die der Ruhestandsversetzung vorgelagerten Anordnungen zur Nachuntersuchung bezogen, zunichte gemacht.
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Der in Ermangelung einer rechtzeitigen Beteiligung der Schwerbehindertenstelle entstandene Verfahrensfehler ist auch nicht in Anwendung des Rechtsgedankens des Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Diese Vorschrift findet hier zwar grundsätzlich Anwendung (BVerwG, B.v. 13.11.2019 – 2 C 24.18 – juris Rn. 3 zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Verfahren der Ruhestandsversetzung; OVG NW, B.v. 6.3.2023 – 6 A 1652/20 – juris Rn. 23, 24; BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 6 ZB 16.249 – juris Rn. 11), ihre tatbestandlichen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Art. 46 BayVwVfG bestimmt nämlich, dass die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften u.a. über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Diese Voraussetzung ist etwa zu bejahen, wenn die als gebundene Entscheidung ausgestaltete Versetzung eines dienstunfähigen Beamten in den Ruhestand auf der Grundlage hinreichender amtsärztlicher Gutachten erfolgt ist und damit in der Sache keine andere Entscheidung hätte ergehen können (BVerwG, B.v. 13.11.2019 – 2 C 24.18 – juris Rn. 3; BeckOK VwVfG/Schemmer, Stand: 1.4.2023, VwVfG § 46 Rn. 23, 23.1). Hiervon kann im Falle der Klägerin nicht die Rede sein. Die Beklagte geht von ihrer dauerhaften Dienstunfähigkeit ausschließlich wegen wiederholter Nichtmitwirkung an der Nachuntersuchung aus, nicht jedoch wegen eines (bislang noch nicht vorliegenden) aussagekräftigen amtsärztlichen Zeugnisses. Hinzu kommt, dass die beiden Aufforderungen, sich der Nachuntersuchung beim Amt darzustellen, keine gebundenen Entscheidungen – wie etwa eine Ruhestandsversetzung –, sondern Ermessensentscheidungen sind, die möglicherweise bei der rechtzeitigen, gebotenen Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung anders ausgefallen wären. Damit ist jedenfalls die Annahme ausgeschlossen, dass der Verfahrensfehler die beiden Entscheidungen offensichtlich nicht beeinflusst hat; nach den Umständen des Falles besteht die konkrete Möglichkeit, dass es ohne den Verfahrensfehler zu anders ausgestalteten Untersuchungsaufforderungen gekommen wäre (vgl. OVG NW, B.v. 18.5 2022 – 6 B 231/22 – juris Rn. 25-31 zur unterbliebenen Beteiligung einer Gleichstellungsbeauftragten im Stellenbesetzungsverfahren).
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2.3 Als Folge des Verfahrensfehlers ergibt sich die formelle Rechtswidrigkeit beider Untersuchungsanordnungen. Die Beklagte durfte daher nicht von der ihr in Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen und die Klägerin so behandeln, als wäre ihre dauerhafte Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.