Inhalt

VGH München, Beschluss v. 11.07.2023 – 1 ZB 23.548
Titel:

Anforderungen an die Darlegung eines Grundes für die Zulassung der Berufung

Normenkette:
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
Leitsatz:
Für die Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung ist unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird, erforderlich. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrunds, Zulassungsgrund, Darlegung, Antrag auf Zulassung der Berufung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 18.01.2023 – M 29 K 22.5451
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18957

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren – in Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses – und für das Zulassungsverfahren auf jeweils 46.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die angedrohte Ersatzvornahme.
2
Er wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. April 2017 verpflichtet, die als Einfriedung errichtete Gabionenwand mit Betonsockel auf den Grundstücken, die bis zur Veräußerung im September 2019 in seinem Eigentum standen, zu beseitigen. Die dagegen erhobene Klage blieb – ebenso wie die Anhörungsrüge – erfolglos (VG München, B.v. 25. 9.2019 – M 29 K 17.2023 und BayVGH, B.v. 19.5.2020 – 1 ZB 19.2395; B.v. 15.7.2020 – 1 ZB 20.1382). Mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 teilte das Landratsamt dem Kläger auf seinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Beseitigungsverfahrens mit, dass angesichts der rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren kein Raum für weitere Verhandlungen sei, stellte mit Bescheid vom 27. Oktober 2020 das angedrohte Zwangsgeld fällig und drohte ihm ein weiteres Zwangsgeld an, falls er seiner Verpflichtung nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums nachkommt. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (VG München, B.v. 15. 9.2021 – M 29 K 20.6240 und BayVGH, B.v. 12.5.2022 – 1 ZB 22.370, 1 ZB 22.463). Da die angedrohten Zwangsgelder den Kläger nicht dazu veranlassten, seiner Beseitigungsverpflichtung nachzukommen, drohte ihm das Landratsamt mit Bescheid vom 22. März 2022 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro an und – nachdem auch diese Zwangsgeldandrohung keinen Erfolg hatte – zuletzt mit Bescheid vom 10. Oktober 2022 die Ersatzvornahme. Weiter wurde er verpflichtet, den vorläufig veranschlagten Kostenbetrag von 46.000 Euro zu leisten.
3
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 10. Oktober 2022 mit Urteil vom 18. Januar 2023 abgewiesen. Der Kläger sei rechtskräftig zur Beseitigung der Gabionenwand mit Betonsockel verpflichtet. Die vom Kläger geltend gemachten Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt seien gemäß Art. 38 Abs. 3 VwZVG ausgeschlossen. Auch sein erneuter Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Grundverfügung ändere nichts an der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung. Die Androhung der Ersatzvornahme sei rechtmäßig.
4
Mit dem Zulassungsantrag wird geltend gemacht, dass bezüglich der Beseitigungsanordnung mit Schreiben vom 14. November 2022 das (erneute) Wiederaufgreifen des Verfahrens sowie bezüglich der Zwangsgelder mit Schreiben vom 5. Januar 2023 die Aussetzung der Vollziehung beantragt worden sei, solange bis über den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens entschieden worden sei. Über keinen der Anträge sei bisher vom Landratsamt entschieden worden.
5
Der Beklagte hält den Zulassungsantrag bereits für unzulässig und macht Ausführungen zu Art. 21 VwZVG.
6
Ergänzend wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
7
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
8
Der Kläger macht mit seinem Vorbringen geltend, dass allein die Tatsache, dass das Landratsamt über seinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Beseitigungsverfahrens und Aussetzung der Vollziehung bisher nicht entschieden habe, der angefochtenen Zwangsmittelandrohung entgegenstehe. Der damit geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173) ist nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
9
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Der Rechtsmittelführer muss hierfür nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2020 – 1 ZB 17.2320 – juris Rn. 7; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 – juris Rn. 22).
10
Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Es erschöpft sich in der Behauptung, dass die noch nicht erfolgte Entscheidung des Landratsamts der angefochtenen Zwangsmittelandrohung entgegenstehe. Es lässt jegliche Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts dazu, dass Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundverwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren ausgeschlossen sind und auch der erneute Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Grundverfügung an der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nichts ändere (UA S. 5 f.), vermissen. Allein die Stellung eines solchen Antrags reicht für die Annahme einer veränderten Rechtslage nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2022 – 1 ZB 22.370, 1 ZB 22.463 – juris Rn. 9).
11
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Abänderungsbefugnis hinsichtlich des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren auf § 63 Abs. 3 GKG. Wird mit der Androhung der Ersatzvornahme – wie hier – der Kläger dazu verpflichtet, den vorläufig veranschlagten Kostenbetrag von 46.000 Euro zu leisten, besteht regelmäßig kein Anlass für eine Reduzierung im Vergleich zum Streitwert im selbständigen Vollstreckungsverfahren.