Titel:
Ausbildungsförderung für weitere Ausbildung
Normenkette:
BAföG § 7 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine weitere Ausbildung führt die vorhergehende in derselben Richtung fachlich weiter und ist nach dem BAföG förderungsfähig, wenn sie dem Auszubildenden im Rahmen eines materiell identischen Wissenssachgebietes zusätzliche Kenntnisse oder Fertigkeiten vermittelt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Medizinstudium kann nicht als Weiterführung des Studiums der Kunststoff- und Elastomertechnik oder des Maschinenbaus angesehen werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Medizinstudium, Maschinenbau, Kunststoff- und Elastomertechnik, Ausbildungsförderung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 12.01.2023 – W 3 K 20.847
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18949
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Kläger verfolgt mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung sein Klageziel, nämlich die Feststellung, dass sein Medizinstudium an der Universität W. nach dem BAföG förderfähig ist, weiter.
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1. Der am 23. September 1984 geborene Kläger beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 6. Dezember 2019 die Erteilung eines Vorabentscheids über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Förderung seines Medizinstudiums an der Universität W. dem Grunde nach. Zuvor hatte er an der Hochschule W.-Sch. den Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik berufsqualifizierend abgeschlossen sowie den Studiengang Allgemeiner Maschinenbau an der Universität E.-N. mit dem Masterdiplom abgeschlossen. Seit dem Sommersemester 2017 studierte der Kläger Humanmedizin an der Universität W.. Am 29. Januar 2015 kam das einzige Kind des Klägers zur Welt.
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2. Mit Vorabbescheid vom 20. Januar 2020 stellte der Beklagte fest, dass Ausbildungsförderung für das Studium an der Universität W. gemäß § 7 Abs. 2 BAföG nicht gewährt werden könne. Bereits mit dem Abschluss des Studiums der Kunststoff- und Elastomertechnik habe der Kläger seinen Grundanspruch auf Ausbildungsförderung ausgeschöpft. Die Voraussetzungen für die Förderung einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG lägen nicht vor. Insbesondere gelte § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG nur für unselbstständige Aufbau- oder Ergänzungsstudiengänge. Das Medizinstudium sei dagegen ein selbstständiges Studium. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG scheitere an der fehlenden fachlichen Weiterführung der vorangegangenen Ausbildung. Besondere Umstände des Einzelfalls nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG seien nicht erkennbar.
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Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2020 zurückgewiesen.
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3. Am 30. Juni 2020 erhob der Kläger Klage hiergegen beim Verwaltungsgericht Würzburg, mit der Argumentation, dass sein Medizinstudium für die Aufnahme des angestrebten Berufs rechtlich erforderlich im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG sei. Des Weiteren führe es fachlich weiter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG. Zur Überschreitung der Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 BAföG führte der Kläger aus, dass dies nach den dort genannten Ausnahmetatbeständen unbeachtlich sei. Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass die Fördervoraussetzungen für das Studium der Humanmedizin an der Universität W. dem Grunde nach vorliegen.
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Der Beklagte beantragte Klageabweisung und führte hilfsweise aus, dass bei Beginn des Medizinstudiums die Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 BAföG überschritten sei. Es seien keine persönlichen oder familiären Gründe im Sinne des Satzes 2 der Vorschrift erkennbar.
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4. Das Verwaltungsgericht Würzburg wies mit Gerichtsbescheid vom 21. November 2022 die Klage ab. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Aufgrund entsprechenden Antrags des Klägers erließ das Verwaltungsgericht unter dem 12. Januar 2023 ein Urteil gleichen Tenors.
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5. Gegen dieses Urteil beantragte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 9. Februar 2023 die Zulassung der Berufung. Im Schriftsatz zur Begründung des Antrags vom 14. März 2023 machte der Kläger erneut einen Härtefall geltend sowie, dass die Altersgrenze nunmehr auf das 45. Lebensjahr verlängert worden sei. Ein Härtefall i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG liege darin, dass der Kläger um das Sorge- und Umgangsrecht mit seinem Kind vor Behörden und Gerichten kämpfe. Mit weiterem Schriftsatz zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung einer weiteren Rechtsanwaltskanzlei vom 15. März 2023 begründete der Kläger seinen Anspruch mit § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG, da seine bisher abgeschlossene Ausbildung nicht mehr beruflich verwertbar sei. Bewerbungen seien daher ohne Erfolg verlaufen. Da der Sachverhalt noch nicht abgeschlossen sei, sei die Altersgrenze gemäß § 10 Abs. 3 BAföG von nunmehr 45 Jahren zu beachten. Da dies nicht geschehen sei, bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts.
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Mit Schriftsatz vom 11. April 2023 wandte sich der Beklagte gegen den Antrag auf Zulassung der Berufung, insbesondere mit dem Hinweis, dass eine objektive Unverwertbarkeit der Ausbildung des Klägers nicht vorliege. Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt genügten nicht für die Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheides und des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht bestehen. Im Übrigen sind weitgehend die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erfüllt. Der Kläger zeigt ernstliche Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend auf.
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1. Hinsichtlich des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen erkennbar keine ernstlichen Zweifel. Nach § 46 Abs. 5 BAföG hatte der Beklagte dem Grunde nach vorab zu entscheiden, ob die Fördervoraussetzungen für eine weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG bzw. eine Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze vorliegen (§ 10 Abs. 3 BAföG). § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG erfordert für die Förderfähigkeit einer weiteren Ausbildung die rechtliche Erforderlichkeit einer zweiten Ausbildung, um den gewünschten Beruf ergreifen zu können. Hier sind jedoch keinerlei Rechtsvorschriften seitens des Klägers erwähnt oder sonst ersichtlich, die dies vorsehen, sodass § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG als Anspruchsgrundlage des Klägers ausscheidet.
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Die Förderlichkeit einer weiteren Ausbildung mag zweifelsohne gegeben sein, genügt aber nicht (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2018 – 5 C 10/17 – juris Rn. 26, vgl. Nolte in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar Sozialrechtsberatung, 3. Auflage 2023, § 7 Rn. 14: „zwingende Zusatzausbildung“).
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Das Medizinstudium kann auch nicht als Weiterführung des Studiums der Kunststoff- und Elastomertechnik oder des Maschinenbaus angesehen werden, sodass auch der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG nicht erfüllt ist. Denn das Medizinstudium führt nicht in derselben Richtung wie die beiden zuvor absolvierten Studiengänge weiter, sondern ist vielmehr ein völlig selbstständiges Studium und so gut wie gar nicht deckungsgleich mit den zuletzt erwähnten (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 29.3.2018 – 5 C 14.16 – juris Rn. 15). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt die weitere Ausbildung die vorhergehende bzw. bereits absolvierte dann in derselben Richtung fachlich weiter, wenn sie dem Auszubildenden im Rahmen eines materiell identischen Wissenssachgebietes zusätzliche Kenntnisse und/oder Fertigkeiten vermittelt (S.weg in Ramsauer/ Stallbaum, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 7. Aufl. 2020, Rn. 77, BVerwG, U.v. 23.01.1992 – 5 C 69/88 – NVwZ-RR 1992, 204/205). Dies ist hier nicht der Fall.
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Ein Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG ist ebenso nicht erkennbar. Dass ein zusätzliches Medizinstudium den Kläger beruflich weiterbringen könnte, reicht allein für einen Härtefall nicht aus (BVerwG U.v. 28.10.1992 – 11 C 5/92 – BeckRS 1992, 265). Auch genügen für einen Härtefall nicht die vom Kläger geschilderten Probleme bei Bewerbungen.
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Da der Kläger bei Ausbildungsbeginn an der Universität zum Sommersemester 2017 das 30. Lebensjahr bereits deutlich überschritten hat (vgl. als intertemporäres Recht § 66a Abs. 2 BAföG, Änderung der Altersgrenze erst ab dem 1. August 2022), scheitert sein Anspruch allein schon hieran. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den einzelnen Ausnahmetatbeständen des § 10 Abs. 3 BAföG sind dabei rechtlich nicht zu beanstanden. Sofern der Kläger überhaupt rügt, die familiäre Situation sei unberücksichtigt geblieben, greift auch § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG nicht ein, da der Kläger bei der Geburt seines Kindes bereits das 30. Lebensjahr überschritten hat. Vom Kläger dargelegte Hinderungsgründe nach dem Erreichen der Altersgrenze können aber nicht berücksichtigt werden (S.weg in Ramsauer/Stallbaum, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 7. Aufl. 2020, § 10 Rn. 26).
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Die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung kommt demzufolge nicht in Betracht.
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2. Weitere Zulassungsgründe hat der Kläger nicht geltend gemacht; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Damit kommt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Ausbildungsförderungsrechts nach § 188 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VwGO nicht erhoben.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.