Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.07.2023 – 11 CE 23.652
Titel:

Straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung für ein Vorführ-Feuerwerk in der Nähe einer Bundesautobahn – einstweiliger Rechtsschutz

Normenketten:
GG Art. 73 Abs. 1 Nr. 12, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22
VwGO § 123 Abs. 1, § 146 Abs. 4 S. 3, S. 6
StVO § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 46 Abs. 2a S. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Für eine nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und S. 2 StVO verbotene Gefährdung des Verkehrs durch Werbung und Propaganda reicht im Hinblick auf den hohen Rang der Schutzgüter Leib und Leben eine abstrakte Gefahr; eine konkrete, im Einzelfall feststellbare unmittelbare Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist nicht erforderlich. Die zuständige Behörde kann nach pflichtgemäßem Ermessen unter Gegenüberstellung der geschützten und betroffenen Interessen Ausnahmen von diesem Verbot genehmigen, und zwar für Werbung mit Wirkung auf Bundesautobahnen nach § 46 Abs. 2a S. 1 Nr. 4 StVO. (Rn. 15 und 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach der im Beschwerdeverfahren auf diese Frage beschränkten Prüfung regelt das Sprengstoffrecht den Umgang mit Feuerwerk hinsichtlich der damit einhergehenden feuerwerksspezifischen Gefahren durch Lärm- und Lichtimmissionen jedenfalls im Verhältnis zu Vorschriften mit straßenverkehrsrechtlicher Zielsetzung nicht abschließend und steht somit der Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO nicht entgegen. Insbesondere Gefahren für den Straßenverkehr durch ein Feuerwerk, das sich zugleich als auf eine Straße einwirkende Werbung darstellt, haben im Sprengstoffrecht keine Regelung erfahren. (Rn. 17 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Frage, ob die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO nicht voraussetzt, dass die Werbung (oder Propaganda) gerade auch für die dadurch betroffenen Verkehrsteilnehmer als solche erkennbar ist und wirkt, sich also zielgerichtet an sie wendet und damit die Straße für verkehrsfremde Ziele nutzt, oder ob einer derart einschränkenden Auslegung nicht entgegensteht, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs als Schutzzweck bereits berührt sein kann, wenn Werbung auf den Verkehr einwirkt, ist von der Beschwerde nicht angesprochen worden und ihre abschließende Klärung wäre auch unabhängig davon einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorzubehalten. (Rn. 21 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorführ-Feuerwerk eines Händlers für Feuerwerkskörper, Sichtbarkeit von einer Bundesautobahn, verkehrsbeeinträchtigende Werbung, Anwendbarkeit des § 33 StVO, abschließende Regelung im Sprengstoffrecht (verneint)
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 16.03.2023 – B 1 E 23.197
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18933

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes um die Frage, ob ein Vorführ-Feuerwerk eines Händlers für Feuerwerkskörper in der Nähe einer Bundesautobahn einer Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht bedarf bzw. ein Anspruch auf eine solche besteht.
2
Die Antragstellerin, eine GmbH, verkauft Feuerwerkskörper. Ihr Betriebssitz liegt in einer Entfernung von rund 575 m Luftlinie zur Bundesautobahn A 3. Nach eigenen Angaben führt sie dort seit über zehn Jahren mehrmals jährlich zweistündige „Produkttest-Feuerwerke“ durch, bei denen sie vor bis zu 2.000 Kunden Feuerwerkskörper aus ihrem Sortiment präsentiert.
3
Am 4. Juli 2022 zeigte die Antragstellerin dem Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Oberfranken gemäß § 23 Abs. 3 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) ein für den 15. Oktober 2022 geplantes Feuerwerk der Kategorie F2 und F3 an ihrem Betriebssitz an. Ihren ergänzenden Angaben zufolge sollte es sich dabei um ein „Testzünden“ für ihre Kunden handeln, bei dem die neuesten Produkte für das kommende und laufende Jahr vorgestellt werden. Vorgesehen war ein etwa zweistündiges Feuerwerk mit Beginn um 19 Uhr und Steighöhen von bis zu 100 m. Die Regierung von Oberfranken hielt, soweit aus den Akten ersichtlich, mit Blick auf die Nähe der Bundesautobahn A 3 sowie die zum Zweck deren dreispurigen Ausbaus eingerichtete Baustelle in dem fraglichen Abschnitt eine Beteiligung der A. GmbH des Bundes für erforderlich. Diese leitete den Vorgang am 12. Juli 2022 an das Fernstraßen-Bundesamt weiter.
4
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 versagte das Fernstraßen-Bundesamt die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung für das vorgenannte Feuerwerk. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies das Fernstraßen-Bundesamt mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2023 zurück. Das Feuerwerk stelle Werbung in Bild, Licht und Ton i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO dar. Die Norm erfasse sowohl Werbeanlagen als auch Werbemaßnahmen. Ausreichend sei die Geeignetheit zur Werbung. Das gegenständliche Feuerwerk sei Teil einer Veranstaltung zu Werbezwecken vor bis zu 2.000 Kunden. Zudem könne es auch Aufmerksamkeit in einem weiteren Umkreis erregen. Es führe zu einer Ablenkung der Verkehrsteilnehmer. Ungewöhnliche Farben und Formen sowie Bild-, Farb- und Tonwechsel seien in besonderem Maße geeignet, die Aufmerksamkeit der Kraftfahrer auf sich zu ziehen. Diese könnten das Feuerwerk auch nicht beiläufig wahrnehmen, ohne die Fahrbahn aus dem Blick zu verlieren. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit vielmehr auf ein weiter entferntes Objekt, was es erheblich erschwere oder unmöglich mache, das Verkehrsgeschehen gleichzeitig weiter zu kontrollieren. Dies führe auch zu einer Gefährdung oder Erschwerung des Verkehrs i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO. Ausreichend sei eine abstrakte Gefahr im Sinn einer Möglichkeit der Beeinträchtigung des Straßenverkehrs, die hier zu bejahen sei. Die von einem Feuerwerk ausgehende, nicht nur kurzzeitige Ablenkung führe auch bei verantwortungsbewussten Fahrern zu einer nachlassenden Aufmerksamkeit hinsichtlich des fließenden Verkehrs auf der Autobahn. Gesteigert werde dieser Effekt dadurch, dass die Bevölkerung für gewöhnlich allenfalls an Silvester mit einem Feuerwerk rechne. Der Abbrennort liege auf einer topographischen Erhöhung etwa 575 m von der A 3 entfernt und in unmittelbarer Nähe einer Anschlussstelle. Nach Angaben der Antragstellerin sei das Feuerwerk auf einer Fahrstrecke von 500 bis 600 m in Fahrtrichtung Würzburg und etwa einen Kilometer in Gegenrichtung zu sehen. Der Streckenabschnitt erfordere die volle Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer. Aufgrund der guten Sicht von der A 3 auf den Abbrennort sei eine extreme, nicht nur kurzzeitige Ablenkung der Verkehrsteilnehmer u.a. durch Blenden, Blitzwirkung, Knall und Überraschungseffekt nicht auszuschließen. Selbst unter der Annahme, dass die akustischen Reize aufgrund des Fahrtlärms die Verkehrsteilnehmer nicht erreichten, stelle die für eine Autobahnfahrt äußerst ungewöhnliche optische Wahrnehmung eines Feuerwerks eine stark über das normale Maß hinausgehende Ablenkung dar. Es könne auch keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2a Satz 1 Nr. 4 StVO erteilt werden. Eine Befreiung setze voraus, dass Verkehrsteilnehmer nicht in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt werden könnten. Hier hätten die öffentlichen Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und somit der Schutz von Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin. U.a. sei nicht ersichtlich, warum eine Vorführung nicht auch an anderer Stelle möglich sei.
5
Mit einem weiteren Bescheid vom 1. März 2023 versagte das Fernstraßen-Bundesamt eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung für ein für den 7. März 2023 angezeigtes Feuerwerk. Unter Verweis darauf untersagte die Regierung von Oberfranken mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 3. März 2023 das Abbrennen dieses Feuerwerks auf der Grundlage u.a. des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG.
6
Mit Schriftsatz vom 3. März 2023 ließ die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO beantragen, vorläufig festzustellen, dass eine Genehmigung des Fernstraßen-Bundesamts zum Abbrennen eines Feuerwerks der Kategorien F2 und F3 an ihrem Betriebssitz nicht erforderlich sei. Hilfsweise beantragte sie, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die beantragte Genehmigung zum Abbrennen eines Feuerwerks der Kategorien F2 und F3 an ihrem Betriebssitz dauerhaft zu erteilen.
7
Mit Beschluss vom 16. März 2023 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag ab. Der Antrag bleibe in Haupt- und Hilfsantrag ohne Erfolg, da die Antragstellerin bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen könne. Das vorgesehene Feuerwerk stelle Werbung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO dar und lasse im Sinne einer abstrakten Gefahr befürchten, dass die Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt würden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2a Satz 1 Nr. 4 StVO lägen nicht vor.
8
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der die Antragsgegnerin entgegentriff.
9
Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligt sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren. Sie stellt keinen Antrag, hält die Ablehnung des Antrags aber für rechtens.
10
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
11
Die Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.
12
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile, Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies umfasst die Möglichkeit der vorläufigen Feststellung eines Rechtsverhältnisses (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 123 VwGO Rn. 57, 35), wozu auch das Bestehen einer Verhaltenspflicht – wie hier der Verpflichtung zur Beachtung des genannten straßenverkehrsrechtlichen Verbots bzw. zur Einholung einer Ausnahmegenehmigung – gehören (vgl. dazu Pietzker in Schoch/Schneider, § 43 VwGO Rn. 10).
13
Anordnungsgrund und -anspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ist der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
14
2. Davon ausgehend hat die Antragstellerin, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, weder mit Blick auf den Haupt- noch auf den Hilfsantrag, die jeweils auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sind, einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
15
a) Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 6. März 2013 (BGBl I S. 367), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), ist außerhalb geschlossener Ortschaften jede Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton verboten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Auch durch innerörtliche Werbung und Propaganda darf der Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften nicht in solcher Weise gestört werden (§ 33 Abs. 1 Satz 2 StVO). Für eine nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO relevante Gefährdung reicht im Hinblick auf den hohen Rang der Schutzgüter Leib und Leben eine abstrakte Gefahr. Maßgeblich ist, ob ganz allgemein nach der Erfahrung des täglichen Lebens mit gewisser Wahrscheinlichkeit – im Sinn einer nicht entfernten Möglichkeit – eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs eintreten kann (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1970 – VII C 143.66 – BVerwGE 35, 319 = juris Rn. 11 f. zur Vorläuferbestimmung in § 42 Abs. 2 StVO a.F.; B.v. 20.10.1993 – 11 C 44.92 – BVerwGE 94, 234 = juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 8.6.2022 – 11 CS 22.926 – NJW 2023, 793 Rn. 10; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 33 StVO Rn. 9). Eine konkrete, im Einzelfall feststellbare unmittelbare Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist damit nicht erforderlich.
16
Die zuständige Behörde kann jedoch für bestimmte Einzelfälle oder allgemein Ausnahmen vom Verbot des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO genehmigen. Rechtsgrundlage dafür ist im Allgemeinen § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO (vgl. Sauthoff in MüKo StVR, 1. Aufl. 2016, § 33 StVO Rn. 25), für Werbung mit Wirkung auf Autobahnen in der Baulast des Bundes § 46 Abs. 2a Satz 1 Nr. 4 StVO. Die Genehmigung steht im pflichtgemäßen Ermessen (§ 40 VwVfG), dessen Ausübung gerichtlich nur nach Maßgabe des § 114 VwGO überprüft werden kann. Das Merkmal der Ausnahmesituation ist dabei keine eigenständige tatbestandliche Voraussetzung, sondern Teil der behördlichen Ermessensentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1997 – 3 C 2.97 – BVerwGE 104, 154 = juris Rn. 27 zu § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO; Sauthoff, a.a.O., § 46 StVO Rn. 10 ff.). Bei der Entscheidung über eine Ausnahme hat die Straßenverkehrsbehörde den mit dem Ge- oder Verbot verfolgten öffentlichen Interessen die besonderen Belange der davon Betroffenen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüberzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 22.12.1993 – BVerwG 11 C 45.92 – NJW 1994, 2037 = juris Rn. 25). Dabei ist zu beachten, dass die Ausnahmegenehmigung das Schutzgut der Norm bzw. des Ge- oder Verbots, von dem eine Ausnahme erteilt werden soll, nicht wesentlich beeinträchtigen darf (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.1998 – 11 B 97.833 – NZV 1998, 390 = juris Rn. 31; NdsOVG, U.v. 26.1.1995 – 12 L 4649/94 – OVGE MüLü 45, 388 = juris Rn. 6; König, a.a.O. Rn. 23).
17
b) Soweit die Antragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde pauschal auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt, verfehlt dies die Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und ist daher nicht zu berücksichtigen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt sich somit auf die erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof angesprochene Frage, ob das Sprengstoffrecht den Umgang mit Feuerwerk hinsichtlich der damit einhergehenden feuerwerksspezifischen Gefahren durch Lärm- und Lichtimmissionen abschließend regelt und somit hier der Anwendung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO entgegensteht. Dies ist zu verneinen.
18
Es ist zwar denkbar, dass der Bundesgesetzgeber gestützt auf seine Kompetenz für das Sprengstoffrecht (Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG) Regelungen für das Abbrennen von Feuerwerken im Einwirkungsbereich von Straßen erlassen könnte. Der Kompetenztitel des Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG umfasst sämtliche Fragen des Umgangs mit explosionsfähigen und -gefährlichen Stoffen, wozu insbesondere auch der Ge- bzw. Verbrauch von Sprengstoffen gehört (vgl. Uhle in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand Januar 2023, Art. 73 Rn. 276; HessVGH, U.v. 13.5.2016 – 8 C 1136/15.N – NVwZ-RR 2016, 874 = juris Rn. 31). In Einklang damit regelt das Sprengstoffgesetz u.a. die Verwendung pyrotechnischer Gegenstände (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 3 SprengG), wozu auch Feuerwerkskörper zählen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4, § 3a Abs. 1 Nr. 1 SprengG). Ferner ermächtigt § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG das Bundesministerium des Innern u.a. dazu, durch Rechtsverordnung zum Schutze vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen Dritter zu bestimmen, dass explosionsgefährliche Stoffe nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen verwendet werden dürfen. Dabei kann auch bestimmt werden, dass pyrotechnische Gegenstände nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten verwendet werden dürfen und dass die zuständige Behörde Ausnahmen hiervon zulassen bzw. zusätzliche Beschränkungen anordnen kann. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium des Innern Gebrauch gemacht durch Erlass der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) und festgelegt, dass das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen verboten ist (§ 23 Abs. 1 der 1. SprengV).
19
Auf der anderen Seite spricht viel dafür, dass der hier in Rede stehende Gegenstand gleichwohl der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Straßenverkehr (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG) zuzuordnen ist. Denn der Schwerpunkt (vgl. dazu Kment in Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. 2022, Art. 70 Rn. 8; BVerfG, U.v. 12.3.2008 – 2 BvF 4/03 – BVerfGE 121, 30 = juris Rn. 80) der Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO dürfte auch insoweit im Straßenverkehr liegen, als sie das Abbrennen von Feuerwerken erfasst, die sich als straßenverkehrsbeeinträchtigende Werbung darstellen. Der Sachbereich Straßenverkehr nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG umfasst auch die Abwehr von Gefahren, die von außen – u.a. durch Werbung – auf den Straßenverkehr einwirken (vgl. BVerfG, B.v. 9.2.1972 – 1 BvR 111/68 – BVerfGE 32, 319 = juris Rn. 25; Degenhart in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 95 f.).
20
Letztlich kann diese Frage hier jedoch dahinstehen. Denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber von einer etwaigen Kompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG abschließend Gebrauch gemacht hätte und die bestehenden sprengstoffrechtlichen Vorschriften die Anwendung einer – bundesrechtlichen – Norm ausschließen wollen, die wie § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO auf spezifische Gefahren für den Straßenverkehr zielt. Soweit angenommen wird, dass die Vorschriften des Sprengstoffrechts den Umgang mit Feuerwerk hinsichtlich der damit einhergehenden feuerwerksspezifischen Gefahren, etwa durch Explosion, Lärmimmissionen und Brand, abschließend regeln (vgl. HessVGH, a.a.O. Rn. 30; BayVGH, B.v. 29.12.2020 – 20 CS 20.3139 – juris Rn. 14; NdsOVG, B.v. 18.12.2020 – 13 MN 568/20 – juris Rn. 40; VG Oldenburg, B.v. 19.7.2019 – 5 B 2073/19 – juris Rn. 6; a.A. VG Frankfurt [Oder], U.v. 6.10.2008 – 5 K 392/08 – NVwZ-RR 2009, 200 = juris Rn. 29 f.), gilt dies jedenfalls nicht im Verhältnis zu Vorschriften mit straßenverkehrsrechtlicher Zielsetzung. Insbesondere die hier in Rede stehenden Gefahren für den Straßenverkehr durch ein Feuerwerk, das sich zugleich als auf eine Straße einwirkende Werbung darstellt, haben im Sprengstoffrecht keine Regelung erfahren. Es gibt auch keinerlei Hinweis darauf, dass der Normgeber diese Risiken mitbedacht und weitergehende Regelungen zu deren Bekämpfung auf der Grundlage des Verkehrsrechts bewusst ausgeschlossen hat. Aus der Begründung zu § 23 der 1. SprengV ergibt sich allein, dass der Verordnungsgeber mit dem Verbot des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände in der unmittelbaren Nähe bestimmter Gebäude und Anlagen in der Praxis besonders häufige Konflikte durch Lärm und Brandgefahr aufgegriffen hat (vgl. BR-Drs. 370/77, Begründung S. 16 f.; BT-Drs. 16/12597 S. 57 f.; BR-Ds. 647/16 S. 46).
21
c) Davon zu trennen ist die Frage, ob die Anwendung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO nicht voraussetzt, dass die in Rede stehende Werbung (oder Propaganda) sich gerade auch für die Verkehrsteilnehmer als solche darstellt, was hier möglicherweise zu verneinen wäre.
22
Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht haben zwar einen zutreffenden Begriff der Werbung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO zu Grunde gelegt. Diese umfasst wirtschaftliche Außenwerbung im Sinne einer Ankündigung, der Anpreisung oder eines Hinweises auf ein Gewerbe bzw. einen Beruf durch Bild, Schrift, Licht und Ton. Abzustellen ist dabei auf den Horizont eines durchschnittlichen Betrachters aus der allgemeinen bzw. örtlichen Bevölkerung (vgl. Sauthoff in MüKo StVR, § 33 StVO Rn. 13). Davon ausgehend haben die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt, dass die in Rede stehenden Feuerwerke im Verhältnis zu den – anwesenden – Kunden der Antragstellerin, denen die neuesten Produkte aus dem Sortiment vorgestellt werden sollen, als Werbung einzuordnen sind.
23
Für den Senat stellt sich allerdings die Frage, ob die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO nicht voraussetzt, dass die Werbung (oder Propaganda) gerade auch für die dadurch betroffenen Verkehrsteilnehmer als solche erkennbar ist und wirkt. Letzteres erscheint hier zweifelhaft, da der durchschnittliche Kraftfahrer auf der betroffenen Bundesautobahn die Erscheinungen des Feuerwerks – Licht und Ton – kaum mit dem Unternehmen der Antragstellerin und erst recht nicht mit konkreten Feuerwerksprodukten verbinden kann. Insoweit dürfte ein Unterschied zu den vom Verwaltungsgericht angesprochenen Himmelsstrahlern bestehen. Denn diese werden vielfach von Diskotheken oder ähnlichen Vergnügungsstätten betrieben, so dass sich allein aus dem Lichtstrahl und dessen Verlauf die Information ergibt, dass sich in der Nähe, und zwar am Ausgangspunkt des Strahls, eine derartige Vergnügungsstätte befindet (vgl. OVG RhPf, U.v. 22.1.2003 – 8 A 11286/02 – UPR 2003, 237 = juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 18.12.1995 – 14 CS 95.3588 – NVwZ 1997, 201 = juris Rn. 11).
24
Für die vorgenannte einschränkende Auslegung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO könnte sprechen, dass der Regelung – mitsamt ihrem strengen Regel-Ausnahmeverhältnis – erkennbar die Erwägung zugrunde liegt, dass Werbung sich zielgerichtet an Verkehrsteilnehmer auf der betreffenden Straße wendet, gerade den Zweck hat, deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (vgl. BVerfG, B.v. 9.2.1972 – 1 BvR 111/68 – BVerfGE 32, 319 = juris Rn. 37), und damit die Straße für verkehrsfremde Ziele nutzt. Daher könnte Werbung, die sich allein an Adressaten außerhalb des Straßenverkehrs richten will, bloß zufällig auf den Straßenverkehr einwirkt und von einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer nicht als solche zu erkennen ist, außerhalb der Zielrichtung der Norm liegen. Dies hätte zur Folge, dass damit einhergehenden Gefahren für den Straßenverkehr allein auf der Grundlage sonstiger Befugnisse, etwa des allgemeinen Sicherheitsrechts bzw. hier des § 32 SprengG, begegnet werden könnte.
25
Gegen eine einschränkende Auslegung könnte hingegen sprechen, dass der Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO insoweit offen ist und die Sicherheit des Straßenverkehrs als Schutzzweck bereits berührt sein kann, wenn Werbung auf den Verkehr einwirkt (vgl. dazu auch die Begründung zu § 42 Abs. 1 StVO a.F., Vkbl 1953, 452). In diese Richtung weist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Straßenverkehrsrecht die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs umfassend und unabhängig davon regelt, durch welche Vorgänge diese gefährdet wird (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1989 – 7 C 50.88 – BVerwGE 82, 34 = juris Rn. 9). Zudem spricht einiges dafür, dass sich die materiellen Anforderungen an die Zulässigkeit von Feuerwerken nach allgemeinem Sicherheitsrecht jedenfalls nicht wesentlich von denen nach § 33 Abs. 1 StVO unterscheiden. Wenn die Rechtsprechung betont, dass § 33 Abs. 1 StVO eine abstrakte Gefahr genügen lässt, scheint damit zwar ein – im Vergleich zum Maßstab der konkreten Gefahr – geringeres Wahrscheinlichkeitsmaß gemeint zu sein (vgl. zum Unterschied zwischen konkreter und abstrakter Gefahr allerdings auch Graulich in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, S. 400 f.; BVerwG, U.v. 26.6.1970 – IV C 99.67 – NJW 1970, 1890 = juris Rn.14). Andererseits gilt auch im allgemeinen Sicherheitsrecht der Grundsatz, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer der zu erwartende Schaden und je höher das betroffene Schutzgut sind (vgl. Graulich, a.a.O. S. 397; BVerwG, a.a.O. Rn. 15). Angesichts des hohen Stellenwerts von Leib und Leben, die durch eine Ablenkung im Straßenverkehr aufgrund eines Feuerwerks gefährdet werden können, wären somit auch für die Annahme einer konkreten Gefahr nur geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit zu stellen. Hinzu tritt, dass auch die Sicherheitsbehörde eine Vielzahl betroffener Verkehrssituationen sowie Verkehrsteilnehmer, die jeweils unterschiedlich auf ein Feuerwerk reagieren können, in den Blick zu nehmen, mithin eine generalisierende Betrachtung vorzunehmen hätte, wie sie auch bei § 33 Abs. 1 StVO anzustellen ist.
26
Diese Frage ist von der Beschwerde bereits nicht angesprochen worden, ihre abschließende Klärung wäre aber auch unabhängig davon einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorzubehalten. Gleiches gilt für die Frage, welche Gefahren im Einzelnen von den hier in Rede stehenden Feuerwerken für den Verkehr auf der nahegelegenen Bundesautobahn ausgehen.
27
3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
28
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
29
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).