Titel:
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
Normenketten:
EStG § 15a Abs. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 3c Abs. 2 S. 2, § 4 Abs. 4, § 52 Abs. 1 S. 1
HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4
Leitsatz:
Die Frage, ob eine atypische oder eine typische stille Gesellschaft vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf Grund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (BFH-Urteil vom 18.02.1993 IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647 m.w.N., BeckRS 1993, 07688). Maßgebend ist demnach, welche Regelungen der Gesellschaftsvertrag im Einzelnen enthält und welche rechtlichen und wirtschaftlichen Wirkungen diese Regelungen im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe seiner Besonderheiten haben. Insgesamt muss sich aus der gebotenen Gesamtwürdigung ergeben, dass der stille Gesellschafter auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrags Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative ausüben kann. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Atypische stille Gesellschaft, Darlehen, Darlehensnehmer, Darlehensvertrag, Gesellschafterbeschluss, Gesellschafterversammlung, Insolvenzverfahren, Minderung, Sonderbetriebsausgabe, Vorbehalt der Nachprüfung, Gewinnermittlung, Mitunternehmerschaft
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18873
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
3. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob ein Verlust in der Sonderbilanz des Klägers zu 2. zu erfassen ist, oder ob eine Erfassung in der Gesamthandsbilanz der A-GmbH, über deren Betrieb die stille Gesellschaft besteht, zutreffend ist, oder ob überhaupt keine betriebliche Veranlassung vorliegt und ggf. in welchem Feststellungszeitraum eine Erfassung zu erfolgen hat.
2
Der Kläger zu 2. war an der Klägerin zu 1. als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 200.000 € beteiligt. Auf den Gesellschaftsvertrag vom 02.05.2004 und das Gesellschafterversammlungsprotokoll vom 16.12.2002 wird verwiesen. In der Buchführung der A-GmbH für das Jahr 2004 war auf dem Konto ... (Ford. an Ges. RLZ 1 Jahr) eine „EinzahlungStilleBet“ in Höhe von 129.562 € erfasst und ein Saldo in Höhe von 70.438 € noch ausstehend.
3
Neben dem Kläger zu 2. war der Beigeladene aufgrund Gesellschaftsverträgen vom 01.11.2005, 01.09.2008, 01.01.2014 und 01.07.2014 an der A-GmbH mit Einlagen in Höhe von zweimal 10.000 €, einmal 30.000 € und einmal 3.000 € als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt. Der Beigeladene schied zwischenzeitlich als Gesellschafter aus.
4
Die A-GmbH war Holdinggesellschaft u.a. der D-GmbH. Zwischen der A-GmbH als herrschendes und der D-GmbH als beherrschtes Unternehmen bestand ab dem Geschäftsjahr 2002 ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag; dieser existierte bis einschließlich 2016. Das Verhältnis zwischen der A-GmbH als Organträger und der D-GmbH als Organgesellschaft wurde als körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft behandelt.
5
Seitens der D-GmbH bestand im Jahr 2004 Liquiditätsbedarf.
6
Mit Schreiben vom 17.09.2004 bedankte sich die Repräsentanz der E INC. für ein Schreiben der D-GmbH vom 06.09.2004 sowie die Übersendung von Emissions- und Vertriebsunterlagen betreffend deren „Emission über geplante Mio. 15,0 €“, lehnte einen Mitvertrieb dieses Produktes jedoch ab. In diesem Schreiben bot die E INC. vielmehr der D-GmbH unter Beifügung zweier Berechnungsbeispiele Darlehen zur freien Verfügung an. Das Angebot sah die Einzahlung eines verfügbaren Eigenkapitals von 120.000 € auf ein sog. „Safekeeping receipt“ vor. Die Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 500.000 € war nach ca. 8 – 10 Wochen gegen Rückgabe des Safekeeping receipt geplant, wobei der Darlehensgeber berechtigt war, das eingezahlte Eigenkapital Zug um Zug einzuziehen. Weitere Zins- oder Tilgungsleistungen waren nicht vorgesehen. Für das Darlehen sollte eine Vermittlungsprovision von 5% auf die Darlehenssumme anfallen. Mit dem Einsatz des Darlehens von 500.000 € als Eigenkapital sei bei gleichen Konditionen ein Darlehensbetrag in Höhe von 2.000.000 € zur freien Verfügung möglich. Der Beigeladene habe im Vorfeld des Schreibens Interesse für die D-GmbH bekundet. Die F-GmbH trat als Darlehensvermittler auf.
7
Am 27.10.2004 hielt die A-GmbH eine ordentliche Gesellschafterversammlung ab mit dem Tagesordnungspunkt „Vertragsverhandlung der A-GmbH als Holding der D-GmbH.“ Zur Projektfinanzierung der Ausstellungsräume die Gesellschafterversammlung der A-GmbH – bestehend alleine aus dem Kläger zu 2. – nach eingehender Prüfung zwecks Umfinanzierung der Darlehen der D-GmbH dem Darlehensangebot der F-GmbH (Geschäftsführer G) in Höhe von 2.042.880,00 €. lt. beiliegender Finanzierungsberechnung vom 14.10.2004 und lt. beiliegendem Angebot vom 19.10.2004 sowie Nachricht von G vom 19.10.2004 sowie Erläuterungsschreiben B als Gesellschafter vom 23.10.2004 zu; als Gesamtschuldner waren die D-GmbH und die A-GmbH vorgesehen.
8
Am 23. oder 28.10.2004 unterzeichnete der Kläger zu 2. als Darlehensnehmer das Darlehensangebot Nr. 40505126 mit dem Verwendungszweck „Projektfinanzierung und Bankinvestment“ bei einer Laufzeit von 12 Jahren und einem Eigenkapitaleinsatz von 129.562 €. Der Auszahlungsbetrag war mit 1.200.000 € und das Consulting-Honorar mit 144.000 € angegeben, die Nettokredithöhe belief sich auf 1.639.680 € (122% von 1.344.000 €), die Kredithöhe auf 2.042.880 € (152% von 1.344.000 €) und das vorgesehene Bankinvestment auf 425.242 €.
9
Das „Safekeeping Receipt“ der H-GmbH vom 29.10.2004 über einen Betrag von 129.562 € war an den Kläger zu 2. adressiert.
10
In einem Schreiben vom 09.12.2004 unter dem Betreff „Wiederbeschaffung der bei der H eingestellten Gelder“ erläuterte die F-GmbH dem Kläger zu 2., in den letzten Wochen ständig nach Möglichkeiten gesucht zu haben, das bei der H eingestellte Geld wiederzubeschaffen. Sie regte den Beitritt zu einer Interessengemeinschaft an, um den Schaden gegenüber einem Versicherer gebündelt geltend zu machen. Da es nicht zu einer Darlehensauszahlung gekommen sei, sei der mit dem Kläger zu 2. abgeschlossene Consultingvertrag hinfällig.
11
Mit Schreiben vom 21.02.2005 teilte die Staatsanwaltschaft I dem Kläger zu 2. mit, ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und anderer Delikte zu führen, der Kläger zu 2. komme als Zeuge in Betracht. Die dortigen Beschuldigten hätten vorgespiegelt, besonders günstige Darlehensverträge oder Kapitalanlagen verschaffen zu können; hierdurch seien eine Vielzahl von Geschädigten im Hinblick auf einen Vertragsschluss zur Zahlung von sog. Eigenkapital veranlasst worden. Ohne dass es zu einem Vertragsschluss gekommen sei, seien diese Gelder „verschwunden“.
12
Bei der D-GmbH wurde der Vorgang in 2004 wie folgt behandelt:
13
(1) Die Kontenblätter der Buchführung für das Konto ... (Durchlaufende Posten) wiesen mit Datum 28.10.2004 einen Betrag in Höhe von 129.562 € (Haben) und das Gegenkonto ... (Forderungen aus L.u.L. ohne KK RLZ 1 Jahr) mit dem Text „Zahlung an H“ sowie einen Betrag in Höhe von 129.562 € (Soll) und das Gegenkonto ... (HVb) mit dem Text „Tilg.KK Darl.v.04“ aus.
14
(2) Der Jahresabschluss enthielt auf dem Konto – ... (Forderungen gegen verbundene Unternehmen) – für Forderungen der D-GmbH gegen die A-GmbH aus Kontokorrentdarlehen einen Aktivsaldo von 67.330,87 €; in diesem Saldo war ein Betrag in Höhe von 129.562 € forderungsmindernd enthalten. Der Jahresabschluss für 2004 wurde am 31.08.2005 testiert.
15
In der Buchführung der A-GmbH für 2004 wurde unter dem Datum 28.10.2004
(1) auf dem Konto ... (Ford. gg. verb. Untern. RLZ 1J) der Betrag auf der Sollseite mit dem Text „Ausz. an D“ und auf dem Konto ... (Ford. an Ges. RLZ1J.) mit dem Text „EinzahlungStilleBet“ auf der Habenseite – jeweils über das Konto ... (Durchlaufende Posten) – verbucht.
(2) weiter auf dem Kontenblatt für das Konto ... (Verb. gg. verb. Untern. RLZ1J) der Betrag unter dem Datum 28.10.2004 handschriftlich im Soll mit dem Vermerk „Gegenkonto von ... Haben H“ angegeben.
16
Sowohl bei der Klägerin zu 1. als auch bei der D-GmbH führte das Finanzamt J u.a. für das Jahr 2004 eine Außenprüfung durch; auf die Prüfungsberichte vom 29.09.2006 (D-GmbH) und 15.11.2006 (Klägerin zu 1.) wird verwiesen.
17
Das Kapitalkonto des Klägers zu 2. bei der Klägerin zu 1. entwickelte sich wie folgt (vor BP 2009):
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Gewinn-/Verlustanteil
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Stand 31.12. d.J.
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Beginn (30.12.2003)
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200.000,00 €
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2003
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- 196.597,00 €
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3.403,00 €
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2004
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- 4.672,00 €
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- 1.269,00 €
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2005
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688,63 €
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- 580,37 €
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2006
|
52.335,72 €
|
51.755,35 €
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2007
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- 76.620,16 €
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- 24.864,81 €
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2008 (zzgl. Einlage 73.514,43 €)
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8.532,00 €
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57.182,59 €
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2009
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- 8.102,96 €
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49.079,63 €
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2010
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- 74.608,41 €
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- 25.528,78 €
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18
Zum 31.12.2010 verbuchte die D-GmbH die Forderung aus der damaligen Zahlung H in Höhe von 129.562 € von Konto ... (Soll, betrifft D. A-GmbH 5 RLZ > 5 J.) an Konto ... (Haben). Damit sollten die Positionen auf ... und ... ausgeglichen werden. Die A-GmbH erfasste den Betrag als a.o. Aufwand ... im Soll sowie auf Konto ... (D-GmbH 6%) im Haben. Die Ausbuchung sei nach mehrmaliger Telefonkonferenz mit dem Konkursverwalter bzw. nach Fristablauf erfolgt. Es ist insoweit nicht erkennbar, dass das Konto ... (Forderungen an Gesellschafter wg. stiller Beteiligung) angesprochen wurde. Daneben stellte die A-GmbH den Saldo des Kontos ... (D-GmbH 6%) zum 31.12.2010 auf 0,00 €, indem sie neben dem Betrag von 129.562 € auch Beträge in Höhe von 13.866,21 € („Gils Agio Übern“), 10.104,00 € („Gg Finanzdienstl“), 16.833,54 € („D 22665 K“) und 0,01 € („Diff“) auf das Konto ... – insgesamt 170.365,76 € – als a.o. Aufwand erfolgswirksam verbuchte.
19
Die Feststellungserklärungen für die Klägerin zu 1. gingen am 10.05.2011 (VZ 2009) und 13.12.2011 (VZ 2010) beim Finanzamt ein; als gemeinsamer, von allen Beteiligten bestellter Empfangsbevollmächtigter war jeweils die steuerliche Beraterin L angegeben.
20
(1) Die am 24.06.2011 erstellte Gewinn- und Verlustrechnung der A-GmbH für 2010 enthielt bei einem Jahresfehlbetrag von insgesamt -122.749,60 € außerordentliche Aufwendungen in Höhe von 170.365,76 € ohne weiteren Nachweis. Das beklagte Finanzamt bat mit Schreiben vom 30.03.2012 – zunächst erfolglos – um nähere Erläuterung und Unterlagen.
21
Ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Aufwendungen in Höhe von 170.365,76 € stellte es mit Bescheid vom 14.11.2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Klägerin zu 1. in Höhe von -45.443,75 €, für die A-GmbH in Höhe von +47.616,16 € (= erklärt: -122.749,60 € + a.o. Aufwand 170.365,76 €) und für den Kläger zu 2. in Höhe von - 74.608,41 € (wie erklärt) fest. Mit weiterem Bescheid ebenfalls vom 14.11.2012 stellte es für den Kläger zu 2. einen verrechenbaren Verlust i.S.d. § 15a EStG in Höhe von - 99.043,22 € fest. Beide Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
22
(2) Der Bescheid für 2009 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 20.07.2011 stellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin zu 1. in Höhe von - 22.529,21 €, der A-GmbH in Höhe von -13.331,41 €, des Klägers zu 2. in Höhe von -8.102, 96 € bei einem verrechenbaren Verlust von -24.434,81 €, sowie des Beigeladenen in Höhe von -1.094,84 € fest. Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
23
Die Feststellungserklärungen für die Vorjahre waren wie folgt beim beklagten Finanzamt eingegangen und veranlagt worden:
Jahr
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Erklärungseingang
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Erstbescheid
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Vorbehalt der Nachprüfung
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Ende Vorbehalt der Nachprüfung
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Außenprüfung
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2004
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30.08.2006
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ja (2006)
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2005
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05.10.2007
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11.07.2007
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2006
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05.10.2007
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17.01.2008
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ja
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2007
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21.10.2008
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03.07.2009
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ja
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31.12.2012
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2008
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25.09.2009
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|
ja
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25.11.2013
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24
In der Zeit von 14.12.2015 bis 24.09.2018 fand bei der Klägerin zu 1. eine Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2012 statt; auf den Prüfungsbericht vom 13.02.2019 wird verwiesen. Dort wurde unter Ziff. 1.15 und 16 erläutert, dass die im Rahmen der Veranlagung vorgenommene Zurechnung des nicht nachgewiesenen a.o. Aufwands im Rahmen der Betriebsprüfung der A-GmbH besprochen worden und im geänderten Bilanzgewinn der A-GmbH bereits enthalten sei; eine Zurechnung (abweichend von der Quote) bei der A-GmbH in Höhe von 170.365,76 € sei deshalb nicht mehr erforderlich. Die Zurechnung des a.o. Aufwandes in Höhe von 170.365,76 € abweichend von der Quote nur bei der A-GmbH wurde storniert (Ziff. 1.16). Die Berechnung der Außenprüfung für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung stellte sich wie folgt dar:
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Klägerin zu 1.
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A-GmbH
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Kläger zu 2.
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Beigeladener
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laufende Einkünfte (nach Quote verteilt)
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164.728,77 €
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94.768,46 €
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57.605,45 €
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12.354,66 €
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Betriebseinnahmen (nicht nach Quote verteilt)
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- 213.371,51 €
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- 122.749,60 €
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- 74.608,41 €
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- 16.013,50 €
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Sonderbetriebseinnahmen, nachträgliche Einkünfte
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24.388,13 €
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24.388,13 €
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Sonderbetriebsausgaben
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2.438,00 €
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|
2.438,00 €
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Einkünfte aus Gewerbebetrieb
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- 26.692,61 €
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- 27.981,16 €
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7.385,37 €
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- 6.096,84 €
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25
Für 2009 enthielt der Prüfungsbericht folgende Feststellungen bzw. Feststellungsgrundlagen:
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Klägerin zu 1.
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A-GmbH
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Kläger zu 2.
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Beigeladener
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laufende Einkünfte (nach Quote verteilt)
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22.624,58 €
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13.386,96 €
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8.138,06 €
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1.099,55 €
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Sonderbetriebseinnahmen, nachträgliche Einkünfte
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25.357,70 €
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|
25.357,70 €
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Sonderbetriebsausgaben
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3.048,00 €
|
|
|
3.048,00 €
|
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
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44.934,28 €
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13.386,96 €
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33.495,76 €
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- 1.948,45 €
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26
Mit Änderungsbescheiden vom 17.07.2019 folgte das beklagte Finanzamt den Feststellungen der Außenprüfung, teilweise unter Zusammenfassung der nach Quote und nicht nach Quote verteilten Beträge, und hob die Vorbehalte der Nachprüfung auf.
27
Die Klägerin zu 1. legte Einspruch gegen die Bescheide für 2009 und für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG ein. Das beklagte Finanzamt zog den Kläger zu 2. und den Beigeladenen zum Verfahren hinzu. Auch der Beigeladene hatte beim Finanzamt J Einspruch für die Veranlagungszeiträume 2009, 2011 und 2012 eingelegt u.a. mit der Begründung, er sei Ende 2017 mit seiner atypischen Anlage aus der A-GmbH ohne Nachhaftung ausgeschieden, das Einkommen aus der Organgesellschaft unterliege der A-GmbH. Das Finanzamt J hatte diesen Einspruch – da verspätet – als unzulässig zurückgewiesen.
28
Mit Schreiben vom 07.10.2019 bezog sich die steuerliche Beraterin L zur Einspruchsbegründung auf die ausführliche Stellungnahme zum Bericht D-GmbH ebenfalls vom 07.10.2019; der Prüfungsbericht und die in dem Zusammenhang ergangenen Bescheide seien nach den darin gemachten Feststellungen zu korrigieren. Gegen die Einspruchsentscheidungen im Verfahren der D-GmbH wurde Klage gegen das Finanzamt J eingereicht. Diese Klage wurde mit Schreiben vom 20.10.2020, eingegangen beim Finanzgericht am 21.10.2020 zurückgenommen. Mit dem Klageverfahren sei nicht Steuerberaterin L, sondern eine andere Steuerkanzlei beauftragt.
29
Erstmals mit Schreiben vom 27.11.2020 wandte sich die nunmehr beauftrage Steuerkanzlei – die Prozessbevollmächtigte – an das Finanzamt und begehrte die erfolgswirksame Berücksichtigung eines Forderungsausfalles in Höhe von 129.562,00 € bei der A-GmbH. Das Darlehensangebot aus dem Jahr 2004 sei an den Kläger zu 2. als Geschäftsführer der A-GmbH gerichtet. Der Kläger zu 2. habe den hierfür erforderlichen Betrag verauslagt, schließlich sei der Betrag vom Konto der D-GmbH abgehoben worden. Die D-GmbH habe hierfür Forderungen aus Lieferungen und Leistung verbucht. Die A-GmbH habe als Holdinggesellschaft Unternehmensbeteiligungen erwerben und verwalten sowie die Finanzierung der operativen Gesellschaften sicherstellen sollen, daher habe die Investition durch die A-GmbH erfolgen sollen. In einer ordentlichen Gesellschafterversammlung der A-GmbH vom 27.10.2004 sei beschlossen worden, den erwarteten Darlehensbetrag zur Umfinanzierung der Tochtergesellschaft D-GmbH zu nutzen. Die entsprechende Einbuchung einer Forderung der A-GmbH gegenüber der F-GmbH und die Erfassung einer korrespondierenden Verbindlichkeit der A-GmbH gegenüber der D-GmbH, die den Betrag verauslagt hatte, sei jedoch versehentlich unterblieben; diese Buchung sei im Jahr 2010 nachgeholt worden (F-GmbH an ...indlichkeit gegenüber der D-GmbH). Anschließend sei der Darlehensausfall über das Konto ... als außerordentlicher Aufwand ausgebucht worden. Die Gegenbuchung sei ursprünglich auf dem Konto ... erfolgt, jedoch zum Jahresende mit weiteren Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der D-GmbH auf das Konto ... umgebucht worden. Die D-GmbH habe im Jahresabschluss auf den 31.12.2010 in zutreffender Weise keine außerordentlichen Aufwendungen ausgewiesen, sondern lediglich Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der A-GmbH verrechnet. Auf Ebene der D-GmbH habe die Betriebsprüfung für 2010 lediglich die Verrechnung des Betrages von 129.562,00 € nicht zugelassen, sondern als Forderung gegenüber dem Kläger zu 2. ausgewiesen; sie sei davon ausgegangen, dass dieser den Betrag privat verwendet habe und nicht in seiner Funktion als Geschäftsführer der A-GmbH. Die Rücknahme der Klage der D-GmbH habe keinen Einfluss auf die Zulässigkeit des Einspruchs der Klägerin zu 1. Zum einen betreffe der Vorfall die A-GmbH, die D-GmbH, die A-GmbH und der Kläger zu 2. hätten vereinbart, dass die versprochene Ausreichung des Darlehens an die A-GmbH erfolgen sollte. Denn Zweck der A-GmbH sei u.a. die Gewährung der Finanzierung der Unternehmensgruppe. Eine private Darlehensaufnahme durch den Kläger zu 2. als Gesellschafter in dieser Höhe sei nicht anzunehmen. Genau dies sei durch die Gesellschaften buchhalterisch umgesetzt worden, und zwar bereits vor Bekanntwerden des Betrugs. Dadurch sei der Wille der Beteiligten eindeutig dokumentiert. Aufgrund des Organschaftsverhältnisses der D-GmbH zur A-GmbH sei jene nicht beschwert, sondern die erforderliche Beschwer entstehe erst auf Ebene des Organträgers. Ausschließlich dieser könne sich gegen die Höhe des zugerechneten Einkommens zur Wehr setzen.
30
Das Finanzamt (bzw. die Betriebsprüfungsstelle) vertritt die Auffassung, der Bezug des „Darlehensausfalls“ zur A-GmbH sei erst nachträglich im Jahr 2010 konstruiert worden und Darlehensnehmer sei nach wie vor der Kläger zu 2., da
(1) das zwischenzeitlich vorgelegte Schreiben der Staatsanwaltschaft I vom 21.02.2005 zu keiner Änderung der Feststellungen der Betriebsprüfung führe.
(2) Adressat des Schreibens der F-GmbH vom 09.12.2004 der Kläger zu 2. mit Privatanschrift sei und sich eine Tätigkeit für die D nicht entnehmen lasse. Wäre die A-GmbH Darlehensnehmer gewesen, wäre das Schreiben an diese Gesellschaft ggf. z. Hd. des Geschäftsführers gerichtet worden.
(3) der Kläger zu 2. in der Darlehensanfrage vom „23.10.2004“ persönlich und ohne entsprechenden Zusatz genannt worden sei. Auch seien als Vermögensangaben jeweils das Einkommen und Vermögen des Klägers zu 2. und nicht das der A-GmbH abgefragt und angegeben worden.
(4) in der A-GmbH eine Buchung zu diesem Sachverhalt erstmalig im Jahr 2010 vorgenommen worden sei. Wie damit eine Dokumentierung des Willens der Beteiligten für das Jahr 2004 nachgewiesen werde soll, sei für die Betriebsprüfung nicht nachvollziehbar.
(5) der Vertrag zur Darlehensvermittlung vier Tage vor Beschluss in der Gesellschafterversammlung unterzeichnet worden sei (RB-Akte Blatt 97).
(6) der Gesellschafter zu 2. am 28.10.2004 einen Betrag in Höhe von 115.000 € vom privaten Konto der Ehegatten bei der Bank M abgehoben und der Werttransportfirma H in bar übergeben habe.
(7) es sich bei der in der D-GmbH als Forderung unter ... gebuchten Forderung mit der Bezeichnung „H“ um eine Forderung gegenüber dem Kläger zu 2. und nicht gegenüber der A-GmbH handele.
(8) der Darlehensnehmer unverändert der Kläger zu 2. sei. Eine entsprechende Forderung sei deshalb in der Prüferbilanz erfasst worden. Diese sei jedoch nicht uneinbringlich, da ein Zahlungsausfall gegenüber dem Kläger zu 2. nicht bestehe. Darlehensnehmer sei nicht die A-GmbH oder die D-GmbH. Eine Erfassung in der Sonderbilanz des Klägers zu 2. sei nicht erfolgt.
(9) jedoch eine Nachholung von Aufwendungen aus bereits bestandskräftig gewordenen Bilanzen in Folgejahren grundsätzlich nicht möglich sei. Für eine Geltendmachung im Jahr 2010 gebe es keine Anhaltspunkte.
31
Die Quotenauszahlung eines Betrages in Höhe von 5.587,90 € wurde bei der A-GmbH im Feststellungszeitraum 2016 als Ertrag verbucht.
32
Zum Einspruchsverfahren der Klägerin zu 1., der A-GmbH und des Klägers zu 2. war der Beteiligte hinzugezogen worden. Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 24.03.2021).
33
Die Klägerin zu 1. und der Kläger 2. haben Klage erhoben und beantragen,
1. den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO für 2010 vom 17 .07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 24.03.2021 dergestalt zu ändern, dass für den Kläger zu 2. zusätzlicher Sonderbetriebsaufwand in Höhe von 129.562,00 € berücksichtigt wird;
2. hilfsweise den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a AO für 2010 vom 17 .07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 24.03.2021 dergestalt zu ändern, dass der Gesamthandsgewinn der Klägerin zu 1. um die Wertminderung der Forderung von 129.562,00 € gemindert wird oder
3. hilfsweise den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO für 2009 vom 17 .07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 24.03.2021 dergestalt zu ändern, dass für den Kläger zu 2. zusätzlicher Sonderbetriebsaufwand in Höhe von 129.562,00 € berücksichtigt wird;
4. hilfsweise den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO für 2009 vom 17 .07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 24.03.2021 dergestalt zu ändern, dass der Gesamthandsgewinn der Klägerin zu 1. um die Wertminderung der Forderung von 129.562,00 € gemindert wird.
34
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:
35
Der Kläger zu 2. habe den zu hinterlegenden Betrag in Höhe von 129.562 € verauslagt; schließlich sei der Betrag vom Konto der D-GmbH abgehoben worden. Die A-GmbH sollte die Finanzierungsfunktion der D-GmbH übernehmen. Eine Einbuchung der Forderung der A-GmbH gegenüber der F-GmbH und die Erfassung einer korrespondierenden Verbindlichkeit der A-GmbH gegenüber der D-GmbH, die den Betrag verauslagt hatte, sei versehentlich unterblieben und werde nun im Jahr 2010 nachgeholt. Die A-GmbH habe zum 31.12.2010 die Forderung gegenüber der F-GmbH eingebucht und den Betrag entsprechend als Verbindlichkeit gegenüber der D ausgewiesen. Darauf habe die A-GmbH den Darlehensausfall über das Konto ... ausgebucht. Letztendlich sei in 2016 lediglich noch eine Quotenauszahlung des entwendeten Betrages in Höhe von 5.587,90 € erfolgt.
36
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 EStG seien Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, wie z.B. Forderungen (Lahme, in: Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Forderungen Rn. 4) mit den Anschaffungskosten oder mit einem voraussichtlich dauernd niedrigeren Teilwert anzusetzen; hierbei handele es sich um ein steuerliches Wahlrecht für Veranlagungszeiträume nach dem 31.12.2009, welches das strenge Niederstwertprinzip abgelöst habe. Damit seien betriebliche Wertminderungen im Betriebsvermögen grundsätzlich zu erfassen. Der Darlehensausfall sei als betrieblich veranlasste Aufwendung auf Ebene der Mitunternehmerschaft nach § 4 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen, und zwar nicht lediglich zu 60% (§ 3c Abs. 2 Satz 2 EStG), da es einem fremden Dritten ausgereicht worden sei. Es handele sich nicht um eine „Ausbuchung“ des Darlehens im Sinne eines Forderungsverzichtes, sondern um eine Wertberichtigung. Das Darlehen habe noch bis zur Quotenauszahlung in 2016 bestanden. Eine Wertminderung in 2010 sei auf jeden Fall nicht verspätet.
37
Zum Zeitpunkt der Einlage der Forderung (Gesellschafterbeschluss vom 27.10.2004) hätten noch keine Anhaltspunkte für eine Wertminderung vorgelegen. Erst durch Schreiben der F-GmbH vom 09.12.2004 sei der Betrugsfall bekannt geworden, so dass zum Zeitpunkt der Einlage noch von einer vollen Werthaltigkeit auszugehen sei.
38
Hinsichtlich des Betrugsmodells, welchem die Kläger zum Opfer gefallen seien, habe ein Darlehensvertrag niemals zustande kommen sollen, dies sei lediglich gegenüber den Opfern des Betrugs versprochen worden nach Hinterlegung des Betrages von 129.562 €. Wäre ein Darlehensvertrag zustande gekommen, hätte die Klägerin diesen Verlust nicht erlitten.
39
Die Berichtigung eines Wertansatzes könne jedenfalls in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachgeholt werden, dessen Veranlagung verfahrensrechtlich offen ist (Schmidt/Loschelder, EStG, § 4 Rz. 306). Damit sei die steuerliche Erfassung jedenfalls in 2009 möglich, ebenso eine Korrektur im Jahr 2010. Sofern das beklagte Finanzamt eine Änderung für 2009 ablehne, weil keine Einspruchsbegründung eingereicht worden sei, verstoße dies gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 AO). Jedenfalls wäre eine Korrektur nach § 4 Abs. 2 EStG im Jahr 2009 noch möglich.
40
Die Entscheidung der Ausbuchung im Jahr 2010 sei nach Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt erfolgt. Dieser habe nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft I Mitte des Jahres 2009 der Klägerin zu 1. mitgeteilt, sie möge die Forderung im kommenden Jahr (2010) wertberichtigen.
41
Soweit das Finanzamt die Auffassung vertrete, der Kläger zu 2. habe das Darlehen selbst aufnehmen wollen, habe eine Berücksichtigung im Sonderbetriebsvermögen I (Wirtschaftsgüter, die der Gesellschaft zur Nutzung überlassen werden) oder Sonderbetriebsvermögen II (Stärkung der Beteiligung) des Klägers zu 2. bei der atypisch stillen Gesellschaft zu erfolgen.
42
Soweit das Finanzamt die Auffassung vertrete, den Verträgen sei nicht zu entnehmen, dass der Kläger zu 2. als Geschäftsführer der A-GmbH die vertraglichen Unterlagen unterzeichnet habe, lasse die angestrebte Investitionshöhe nur den Schluss zu, dass dieser Betrag letztlich durch die A-GmbH aufgenommen werden sollte, da diese als Finanzierungsholding fungiere. Auch der Beschluss der Gesellschafter der A-GmbH vom 27.10.2004 deute darauf hin.
43
Eine private Verwendung der Darlehensmittel lasse sich vollständig ausschließen. Die Aufwendungen für den Rechtsstreit in dieser Angelegenheit seien in der Betriebsprüfung 2005 bis 2008 angesprochen worden. Ungewiss sei ausschließlich die Frage, ob der Kläger zu 2. das Darlehen aufnehmen und an die Gesellschaft weiterreichen wollte, oder ob dieses durch die Gesellschaft aufgenommen werden sollte. Für den Kläger zu 2. spreche, dass er den Betrag verauslagt habe und erst vier Tage später mit Gesellschafterbeschluss vom 27.10.2004 vereinbart worden sei, das Darlehen der A-GmbH zur Verfügung zu stellen.
44
Das beklagte Finanzamt beantragt,
- die Klage abzuweisen, und begründet dies im Wesentlichen wie folgt:
„Der Betrag von 129.562 € sei weder im Jahr 2009, noch im Jahr 2010 und weder als Sonderbetriebsausgaben des B noch als Minderung des Gesamthandsgewinns der Klägerin zu berücksichtigen.“
45
1. Der Darlehensvertrag zwischen der darlehensgebenden Bank und dem ersten Darlehensnehmer im Firmenverbund liege weiterhin nicht vor bzw. könne nicht vorgelegt werden.
46
2. Die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Darlehen seien erst verspätet im Jahr 2010 verbucht worden, Festschreibung im Jahr 2014. Die Begründung für die verspätete Festschreibung der Buchhaltungsdaten sei nicht nachvollziehbar. Nachdem die Festschreibung erst im Jahr 2014 erfolgte, sei wegen der zeitlichen Übereinstimmung davon auszugehen, dass die Feststellungen der Betriebsprüfung aus der Vorprüfung des Einzelunternehmens der Jahre 2005 – 2008 (siehe unter 3.) Anlass für die Berücksichtigung des Aufwands bei der A-GmbH waren.
47
3. Im Einzelunternehmen des B seien in der Betriebsprüfung für die Jahre 2005 – 2008 als Betriebsausgaben Anwaltskosten in Bezug auf „N“ und „H“ enthalten. Der betriebliche Bezug sei damals unklar gewesen, weswegen mit Auflistung vom 08.02.2013 Aufklärung angefordert wurde; hierzu wurde die Einlassung des Klägers zu 2. vom Betriebsprüfer auf der Rückseite der Anfrage als „Kapitalinvestition privater Gelder“ notiert.
48
Dies ergebe sich auch aus der dem Finanzgericht bereits vorliegenden Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 12.06.2015, nach welcher der Kläger zu 2. im Rahmen der Betriebsprüfung die Angelegenheit im Zusammenhang mit N / H anfangs als private Investition bezeichnet habe. Entsprechend dieser Einlassung sei im Exposé über die Prüfungsfeststellungen vom 09.07.2014 dieser Sachverhalt nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen worden (Tz. 1.11). In der Schlussbesprechung vom 19.08.2014 sei der Vorgang abweichend hiervon als betrieblicher Sachverhalt dargestellt und die Betriebsausgaben letztendlich unter Berücksichtigung des § 3c EStG zum Abzug zugelassen worden (siehe Anlage 3 und 4: Aktenvermerk über Rechtsstreit H / N vom 01.10.2014).
49
Der vorgebrachte Gesellschafterbeschluss vom 27.10.2004 könne die Unklarheiten nicht beseitigen, da die Gesellschafterversammlung am 27.10.2004 stattgefunden habe und damit vier Tage nach Unterzeichnung des Vertrages zur Darlehensvermittlung durch B am 23.10.2004.
50
Für die Streitjahre seien keine Sonderbilanzen eingereicht worden, auch nicht für die Jahre 2004 und 2005. Eine Erfassung des Betrages als Sonderbetriebsausgaben in den Streitjahren 2009 oder 2010 erscheine deshalb abwegig und willkürlich.
51
Vereinbarungen zwischen dem Kläger zu 2. und der Klägerin zu 1. über eine etwaige Weiterreichung des geplanten Darlehens an die Gesellschaft seien nicht erkennbar.
52
Es sei immer noch nicht nachgewiesen, dass es sich bei den 129.526 € um Betriebsausgaben handele. Ob die Unterschrift des Klägers auf dem Darlehensangebot am 23.10.2004 oder am 28.10.2004 geleistet worden sei, lasse sich von Seiten des Finanzamts aufgrund der schlechten Kopierqualität nicht eindeutig verifizieren.
53
Dem Gericht liegen 1 Band Akten über die einheitliche und gesonderte Feststellung, 2 Band Rechtsbehelfsakten, 1 Band Gewerbesteuerakten, 1 Band Dauerunterlagen und 1 Band Akten über die Betriebsprüfung vor; auf deren Inhalt sowie die Finanzgerichtsakte und die Sitzungsniederschrift vom 12.05.2023 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
54
Die zulässige Klage ist unbegründet.
55
Die geänderten Feststellungsbescheide für 2009 und 2010 vom 17.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2021 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Der vom Kläger zu 2. im Oktober 2004 unterzeichnete Darlehensantrag besaß einen betrieblichen Bezug. Für den Kläger zu 2. waren insoweit weder in 2010 noch in 2009 Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 129.562 € zu berücksichtigen; ein entsprechender Aufwand durch den Kläger zu 2. wurde nicht nachgewiesen. Für die Klägerin zu 1. war die Forderung gegen die H GmbH in einem früheren Feststellungszeitraum als 2010 oder 2009 zu wertberichtigen gewesen, insbesondere da über das Vermögen der H GmbH bereits am 01.02.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.
56
A. Alle Vorgänge auch der D-GmbH und der A-GmbH sind grundsätzlich in der Feststellungserklärung der Klägerin zu 1. zu berücksichtigen:
57
Bei einer GmbH & atypisch stillen Gesellschaft hat eine einheitliche und gesonderte Gewinnermittlung einer Mitunternehmerschaft zu erfolgen, in welcher die Bilanz der GmbH aufgeht. Der Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid für die Körperschaftsteuer der GmbH und die Einkommensteuer der atypisch stillen Gesellschafter. Die Frage, ob eine atypische oder eine typische stille Gesellschaft vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf Grund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (BFH-Urteil vom 18.02.1993 IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647 m.w.N.). Maßgebend ist demnach, welche Regelungen der Gesellschaftsvertrag im Einzelnen enthält und welche rechtlichen und wirtschaftlichen Wirkungen diese Regelungen im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe seiner Besonderheiten haben. Insgesamt muss sich aus der gebotenen Gesamtwürdigung ergeben, dass der stille Gesellschafter auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrags Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative ausüben kann.
58
Obgleich noch mit der Feststellungserklärung für 2009 sowie in den Jahresabschlüssen der A-GmbH für 2011 und – teilweise – für 2012 die Beteiligung des Klägers zu 2. als „typische“ stille Beteiligung bezeichnet worden war, wurde die stille Gesellschaft von dem Kläger zu 2. nach Durchführung der Betriebsprüfung als atypisch stille Gesellschaft beim Finanzamt angemeldet (so der Fragebogen zur steuerlichen Erfassung vom 28.09.2006), Feststellungserklärungen für die Jahre ab 2003 eingereicht und vom beklagten Finanzamt als Mitunternehmerschaft behandelt. Dem entspricht der Gesellschaftsvertrag vom 02.05.2004 und das Gesellschafterversammlungsprotokoll vom 16.12.2002, nach welchem der Kläger zu 2. am Gewinn und Verlust der A-GmbH und – nach Gesellschaftsvertrag vom 02.05.2004 – im Falle der Auflösung der Gesellschaft an den stillen Reserven quotal beteiligt war (§ 7 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages). Dem Kläger zu 2. standen Informations- und Kontrollrechte zu (§ 9 des Gesellschaftsvertrages). Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Bilanz bzw. Gewinnermittlung der A-GmbH auf Ebene der Mitunternehmerschaft zu prüfen ist, also im streitgegenständlichen Klageverfahren.
59
Da die A-GmbH Organträger der D-GmbH war, wurde deren Ergebnis auf die Ebene der A-GmbH „durchgereicht“, d.h. auch die Bilanz bzw. Gewinnermittlung der D-GmbH ist im Rahmen der A-GmbH und damit bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Klägerin zu 1. zu erfassen und zu überprüfen.
60
Die Kläger sind damit im richtigen Verfahren – so auch die Auffassung des Klägervertreters.
61
B. Die A-GmbH war gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO nicht notwendig beizuladen. Zwar kann die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen. Dies gilt jedoch nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 FGO ist klagebefugt der gemeinsame Empfangsbevollmächtigte i.S.d. § 183 Abs. 1 Satz 1 AO, also – lt. Feststellungserklärungen für 2009 und 2010 (ESt-Akten) – die steuerliche Beraterin L. Die Einspruchsentscheidung enthielt eine entsprechende Belehrung (§ 48 Abs. 2 Satz 3 FGO).
62
C. Der von der F-GmbH vermittelte Darlehensantrag, für welchen eine Zahlung in Höhe von 129.562 € als „Eigenkapital“ bestimmt war, besaß einen betrieblichen Bezug.
63
1. Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Dies ist dann der Fall, wenn sie objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (BFH-Beschluss vom 21.11.1983 GrS 2/82, BStBl. II 84, 160).
64
2. Im Streitfall ergibt sich die betriebliche Veranlassung für den erkennenden Senat insbesondere aus Folgendem:
65
Zeitnah zur Entrichtung der Zahlung an die H GmbH Ende Oktober 2004 erfolgten zahlreiche Buchungen auf Konten der D-GmbH und der A-GmbH. Dies gilt bei der D-GmbH insbesondere für die Verbuchung auf dem Konto ... (FLL ohne KK RLZ – 1 Jahr) und bei der A-GmbH für die Verbuchung auf den Konten ... und ... (Ford. an Ges. RLZ1 J. und Ford. gg. verb. Untern. RLZ 1J). Bereits der Jahresabschluss der D-GmbH zum 31.12.2004 enthielt Forderungen der D-GmbH gegen die A-GmbH in Höhe von 67.330,87 € (Anhang Seite 5). In diesem Betrag war – so dessen Aufschlüsselung – eine Verbindlichkeit gegenüber der A-GmbH in Höhe von 129.562 € enthalten. Der Jahresabschluss der D-GmbH zum 31.12.2004 wurde am 31.08.2005 testiert, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Erfassung im betrieblichen Bereich vorlag und nicht erst – so die insoweit unzutreffende Ansicht des Finanzamts – nach Abschluss einer Außenprüfung beim Kläger zu 2. im Jahr 2010 mit Festschreibung im Jahr 2014.
66
Daneben liegt eine Niederschrift über eine Gesellschafterversammlung der A-GmbH vom 27.10.2004 vor. Unabhängig davon, ob der Beschluss der Versammlung zur Darlehensaufnahme vor oder nach der Unterzeichnung des Darlehensantrags im Oktober 2004 erfolgt sein mag, wurde jedenfalls am 27.10.2004 ein Beschluss auf betrieblicher Ebene gefasst.
67
Die A-GmbH bzw. die D-GmbH besaßen Liquiditätsbedarf. Dies wird aus der geplanten Emission über 15 Millionen €, so das Schreiben der E Inc. vom 17.09.2004, und der Ausgabe von fünfhunderttausend Stück vinkulierte Namens-Genussrechte mit Gewinn- und Verlustbeteiligung zu einem Nennwert von jeweils 10 € durch die D-GmbH im Januar 2004 belegt.
68
Eine private Veranlassung des Darlehensantrages durch den Kläger zu 2. ist weder vorgetragen noch erkennbar. Es erscheint dem Senat nicht ungewöhnlich, dass der Geschäftsführer bzw. atypisch still Beteiligte Anstrengungen zur Finanzierung der Gesellschaft unternahm.
69
D. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers zu 2. waren jedoch nicht um einen Betrag in Höhe von 129.562 € aus dem Bereich der Sonderbilanz zu mindern. Dies galt sowohl für den Feststellungszeitraum 2010 als auch 2009. Denn die Finanzierung der Zahlung an die H GmbH in Höhe 129.562 € von eigenen Konten durch den Kläger zu 2. wurde tatsächlich nicht nachgewiesen bzw. wurde eine solche Zahlung des Klägers nach Auffassung des Senats durch die Abhebung vom Konto der D-GmbH vom 28.10.2004 ausgeglichen und dadurch die Abtretung des Rückzahlungsanspruches an die D-GmbH impliziert.
70
1. Sonderbetriebsausgaben sind persönliche Aufwendungen, die durch einen Mitunternehmer wegen der Beteiligung an der Personengesellschaft veranlasst sind (Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 640; Bode in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 15 EStG Rn. 531).
71
2. Im Streitfall hat der Kläger zu 2. solch persönliche Aufwendungen nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.
72
Der Kläger zu 2. konnte keine Belege über eine Finanzierung der Zahlung an die H GmbH aus seinem Vermögen vorlegen.
73
Vielmehr erfolgte unter dem Datum 28.10.2004 vom Konto der D-GmbH bei der HVb eine Abbuchung bzw. Abhebung in Höhe von 129.562 €. Dies wird belegt durch die Haben-Buchung auf dem Konto ... bei der D-GmbH und dem Gegenkonto ... (HVb). Insoweit erlangte und verbuchte die D-GmbH eine Forderung gegen die H GmbH aus geleisteter Anzahlung.
74
Soweit die Klägerin zu 1. und das beklagte Finanzamt übereinstimmend davon ausgingen, der Kläger zu 2. habe an die H GmbH eine Zahlung in Höhe von 129.562 € entrichtet und hierzu von seinen Privatkonten einen Betrag in Höhe von 115.000 € verwendet, ging der gegen die H GmbH gerichtete Rückzahlungsanspruchs des Klägers zu 2. mit Auszahlung des Betrages in Höhe von 129.562 € an ihn selbst auf die D-GmbH über. Zwar führte der Kläger zu 2. in der mündlichen Verhandlung aus, die Zahlung an die H GmbH aus seinem persönlichen Vermögen entrichtet zu haben, hinsichtlich des Verbleibes der Auszahlung vom Konto der D-GmbH in identischer Höhe jedoch keine Angaben machen zu können. Allerdings steht diesen Ausführungen der bisherige Vortrag der Klägerseite, die Zahlung an die H GmbH sei durch die D-GmbH ausgeglichen worden, entgegen. Darüber hinaus wurde weder dargelegt noch nachgewiesen, dass mehrere Darlehensanträge in identischer Höhe gestellt wurden. Die Angaben des Klägers zu 2. in der mündlichen Verhandlung erscheinen insoweit nicht glaubhaft. Entweder erstattete die D-GmbH dem Kläger zu 2. einen Betrag in Höhe von 129.562 €, oder die D-GmbH und nicht der Kläger zu 2. hatte den Betrag an die H GmbH übergeben. Letztendlich ist damit bei der D-GmbH und nicht beim Kläger zu 2. eine – zweifelhafte bzw. uneinbringliche Forderung – entstanden.
75
Soweit der Kläger zu 2. einen Rückzahlungsanspruch auf die Ebene der D-GmbH abgetreten hat, war dieser Anspruch im Zeitpunkt der Abtretung Ende Oktober 2004 – noch – werthaltig. Erstmals für Dezember 2004 sind mit dem Schreiben der F-GmbH vom 09.12.2004 Anhaltspunkte erkennbar, welche die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruches als zweifelhaft erscheinen lassen können.
76
Aufwand im Sonderbetriebsvermögen des Klägers zu 2. bei der Klägerin zu 1. ist dagegen nicht erkennbar, der Kläger zu 2. besitzt im Sonderbetriebsvermögen aufgrund des bei der D-GmbH dargelegten und nachgewiesenen Zahlungsabflusses vom Konto bei der HVb keine Forderung, welche er im Feststellungszeitraum 2010 oder 2009 einzelwertberichtigen könnte.
77
E. Auch die Einkünfte der Klägerin zu 1. waren weder im Feststellungszeitraum 2010 noch in 2009 um eine Einzelwertberichtigung in Höhe von 129.562 € zu vermindern.
78
Eine Einzelwertberichtigung ist vorzunehmen, wenn das Ausfallrisiko einer Einzelforderung über das allgemeine Kreditrisiko hinaus erhöht ist (Schmidt/Kulosa, EStG, § 6 Rz. 301). Soweit der Prozessbevollmächtigte erläutert, die Mitteilung ihres Rechtsanwaltes an die Klägerin zu 1. Mitte des Jahres 2009 nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft I, sie möge die Forderung im kommenden Jahr (2010) wertberichtigen, habe die Einzelwertberichtigung im Jahr 2010 veranlasst, stellt dies für sich allein keinen Anlass zur Wertberichtigung im Feststellungszeitraum 2010 dar. Die Einzelwertberichtigung hätte bereits in früheren Feststellungszeiträumen vor 2009 erfolgen können und müssen.
79
1. Nach der Rechtsprechung des BFH sind endgültig uneinbringliche Forderungen vollständig abzuschreiben und zweifelhafte Forderungen mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen (BFH-Urteil vom 20.08.2003 I R 49/02, BStBl. II 2003, 941; Schmidt/Kulosa, EStG, § 6 Rn. 302; Ehmcke/Krumm in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 6 EStG Rn. 562 ff.). Der Steuerpflichtige hat die Darlegungs- und Beweislast dafür, inwiefern und in welchem Ausmaß die einzelne Forderung am Bilanzstichtag gefährdet erscheint.
80
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG waren steuerliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung vor Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25. Mai 2009 in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben. Dies bedeutete, dass eine handelsrechtliche Verpflichtung zum Ansatz des niedrigeren beizulegenden Wertes eine steuerrechtliche Verpflichtung zur Teilwertabschreibung zur Folge hatte (Ehmcke/Krumm in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 6 EStG Rn. 562 ff.; BFH-Urteil vom 09.12.2014 X R 36/12, BFH/NV 2015, 821). Bei voraussichtlich dauernder Wertminderung war das Wirtschaftsgut bis einschließlich des Feststellungszeitraumes 2008 daher nach dem niedrigeren Teilwert anzusetzen (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG). Erst ab dem Feststellungszeitraum 2009 bestand ein steuerrechtliches Wahlrecht zum Ansatz des niedrigeren Teilwertes oder eines Zwischenwertes (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.08.2018 10 V 10038/18, EFG 2018, 1936).
81
Rückforderungsansprüche sind sonstige Vermögensgegenstände des Anlage- / Umlaufvermögens und unterliegen der Wertkorrektur. Für den Zeitpunkt der Korrektur werden in der Rechtsprechung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bzw. aus Kapitalvermögen vertreten, diese habe im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (BFH-Beschluss vom 04.07.1990 GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830) oder mit Abschluss des Insolvenzverfahrens (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017 VIII R 13/15, BStBl. II 2020, 831; FG Nürnberg Urteil vom 27.01.2022 4 K 1105/20, EFG 2022, 937) zu erfolgen. Für die Fälle der Bilanzierung nach HGB widersprechen diese Zeitpunkte jedoch dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Demnach sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind. Nach Heese (DStR 2008, 150) begründet bereits die Stellung des Insolvenzantrags die Zweifelhaftigkeit einer Forderung und damit eine Wertberichtigung nach Maßgabe der Ausfallwahrscheinlichkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet die Uneinbringlichkeit einer Forderung. Handelsrechtlich ist die Rückforderung der Anzahlung im Streitfall daher zu wertberichtigen ab dem Zeitpunkt, zu dem voraussichtlich eine dauernde Wertminderung vorliegt.
82
Versehentlich nicht oder falsch in einer Bilanz ausgewiesene Forderungen sind ein typischer Fall einer Bilanzberichtigung mit Gewinnkorrekturen und sind in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch berichtigt werden kann, zu korrigieren (Schmidt/Loschelder, EStG, § 4 Rz. 312, 315-324; Ehmcke/Krumm in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 6 EStG Rn. 565 f.; BFH-Urteil vom 25.06.1985 VIII R 274/81, BFH/NV 1986, 22; BFH-Urteil vom 18.02.1999 I R 62/98, BFH/NV 1999, 1515; BFH-Urteil vom 30.03.2006 IV R 25/04, BStBl. II 2008, 171). Gemäß § 4 Abs. 2 EStG darf der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes entspricht. Eine Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.
83
2. Im Streitfall kommt eine Einzelwertberichtigung auf Ebene der Gesamthand bzw. der D-GmbH weder im Feststellungszeitraum 2010 noch im Feststellungszeitraum 2009 in Betracht. Die Forderung war unter Geltung des § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. in früheren, noch nicht bestandskräftigen Feststellungszeiträumen vor 2009 zu wertberichtigen.
84
a. Bereits im Dezember 2004 erläuterte die F-GmbH unter dem Betreff „Wiederbeschaffung der bei der H eingestellten Gelder“ dem Kläger zu 2. solche angeblichen Wiederbeschaffungsmöglichkeiten. Im Februar 2005 teilte die Staatsanwaltschaft I dem Kläger zu 2. mit, ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und anderer Delikte zu führen, in deren Folge es zu einem Verlust von sog. „Eigenkapital“ bei Geschädigten kommen könne. Für die H-GmbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts O vom 01.02.2005 (Az. 2 IN 301/04) das Insolvenzverfahren eröffnet. Die F-GmbH wurde am 10.12.2004 in das HR eingetragen und am 20.12.2004 zur Liquidation angemeldet. Spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der H GmbH am 01.02.2005 liegt nach Auffassung des Senats eine dauernde Wertminderung der Rückforderung vor und war Anlass für eine Wertberichtigung in Form einer Teilwertabschreibung bzw. Wertanpassungspflicht gegeben. Ein Ausfall der Anzahlung bzw. der Rückzahlungsforderung war ab diesem Zeitpunkt wahrscheinlich.
85
Dagegen liegen Anhaltspunkte dafür, weshalb in der Vermögensaufstellung des 2010 eine Einzelwertberichtigung vorzunehmen sei, nicht weiter vor.
86
b. Darüber hinaus war Mitte des Jahres 2009, dem vorgetragenen Zeitpunkt für die Mitteilung der Einzelwertberichtigung durch den Rechtsanwalt, noch eine Aufnahme in die Bilanz für den Feststellungszeitraum 2008 oder eine Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 EStG für einen früheren Zeitraum möglich. Mitte des Jahres 2009 stand zumindest die Feststellung für 2006 noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, die Feststellung für 2007 erging erstmals am 03.07.2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, und die Erklärung für 2008 wurde am 25.09.2009 eingereicht. Die vorzunehmende Einzelwertberichtigung durfte daher gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 EStG a.F. nicht in die Zukunft gerichtet werden, sondern war in einem früheren, Mitte des Jahres 2009 noch nicht bestandskräftigen Feststellungszeitraum, in welchem sich der Ausfall bereits konkret abzeichnete, zu berücksichtigen. Das ab dem Veranlagungs- bzw. Feststellungszeitraum 2009 nach § 5 Abs. 1 S. 2 EStG geltende Wahlrecht zum Ansatz eines niedrigeren Teilwertes oder Zwischenwertes führt nicht zu einem Wahlrecht hinsichtlich des Zeitpunktes der Korrektur eines unzutreffenden Wertes in einer Bilanz. Diese ist weiterhin in der ersten, noch (veranlagungs-) offenen Bilanz vorzunehmen. Damit scheidet eine Berücksichtigung in den Streitjahren aus. Gleiches gilt im Übrigen für die Änderung einer Sonderbilanz.
87
F. Wegen des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten vom 22.05.2023 samt Anlagen war eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht veranlasst. Den Klägervertretern ist eine Schriftsatzfrist gemäß § 283 ZPO i.V.m. § 155 FGO nicht nachgelassen worden.
88
1. Die Klägerin zu 1. wurde zutreffend von Klägerseite und seitens des Finanzamts als atypische stille Gesellschaft behandelt. Zwar geht aus der Anlage „Unternehmensverträge“ hervor, dass der stille Gesellschafter an den stillen Reserven der Geschäftsinhaberin – der A-GmbH – nicht teilnimmt. Allerdings gilt dies nur für ein vorzeitiges Ausscheiden, nicht jedoch bei Auflösung der Gesellschaft. Dies genügt nach der Rechtsprechung des BFH (so Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 343). Der Senat hat seiner Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung am 12.05.2023 eine atypisch stille Beteiligung zugrunde gelegt.
89
2. Soweit die Kläger vortragen, bei der D-GmbH liege in 2004 eine Fehlbuchung dahingehend vor, dass über das Konto ... (HVb) eine tatsächlich nicht erfolgte Ein- oder Auszahlung eines Betrages von 129.562 € erfasst worden und deshalb der Bestand auf dem Konto ... buchhalterisch in dieser Höhe unzutreffend erfasst und durch Nachbuchung auszugleichen gewesen sei, führt auch dies nicht zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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Zwar haben die Kläger mit Vorlage der Summen- und Saldenliste der D-GmbH zum 31.12.2004 belegt, dass das Konto ... bei der D-GmbH mit einem Saldo von 0,00 € ausgeglichen ist. Soweit der gelbe Merkzettel auf dem Kontenblatt 4/5 des Kontos ... jedoch über einen Betrag 129.562 € den Text „Umb. Falschbuchung 1810 auf 1216“ ausweist, ist diese Buchung zum Ausgleich des Kontos ... nicht nachvollziehbar. Zum einen wurde das Konto ... in 2004 lt. vorgelegter Summen- und Saldenliste nicht angesprochen, für das Konto ... ist dies wegen Fehlens der Folgeseiten nicht nachvollziehbar. Zum anderen erfolgte die Buchung des Kontos ... auf der Journal- bzw. Prima-Nota-Seite „263“; diese ist identisch mit derjenigen der Verbuchung auf dem Konto ... . Es liegt nahe, dass beide Buchungen tatsächlich zeitnah zueinander und nicht eine von ihnen nachträglich zur Korrektur vorgenommen wurden. Dagegen wurde das Erfordernis einer Berichtigungsbuchung des Kontos ... weder durch Kontoauszüge der HVb vom Oktober 2004 bzw. Jahresende 2004 noch durch Kontenblätter des Kontos ... dargelegt und nachgewiesen. Anhaltspunkte dafür, weshalb der Kontostand bei der HVb von dem gebuchten Kontostand des Kontos ... um exakt den Betrag von 129.562 € abweichen sollte und eine Buchung unter dem Buchungstext „Tilg. KK Darl.v.04“ erfordern mag, wurden nicht vorgetragen oder nachgewiesen. Zweifel an einer tatsächlich erfolgten Abhebung/Abbuchung vom Konto ... in Höhe von 129.562 € am 28.10.2004 können sich aus den bislang vorliegenden Unterlagen nicht ergeben (s.o. D.).
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3. Im Übrigen kommt es auf die Ausführungen des Klägervertreters in seinem Schriftsatz vom 22.05.2023 nicht an. Denn selbst für den Fall, dass eine erfolgswirksame Einzelwertberichtigung der Forderung gegen die H GmbH vorzunehmen gewesen sein sollte, hätte diese in einem früheren Feststellungszeitraum als 2010 oder 2009 erfolgen müssen (s.o. E.).
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G. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 und 3, 139 Abs. 4, 143 Abs. 1 FGO i.V.m. § 32 Abs. 1 GKG.
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Im Streitfall liegt eine subjektive Klagehäufung vor. Diese führt dazu, dass beide Kläger für die festgesetzten Kosten im Grundsatz gesamtschuldnerisch haften (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 GKG; Gräber/Levedag, FGO, § 59 Rn. 15). Soweit einen Streitgenossen nur Teile des Streitgegenstandes betreffen, beschränkt sich seine Haftung als Gesamtschuldner auf den Betrag, der entstanden wäre, wenn das Verfahren nur diese Teile betroffen hätte (§ 32 Abs. 1 Satz 2 GKG).
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Da der Beigeladene weder einen Sachantrag gestellt noch ein Rechtsmittel eingelegt hat, können ihm nach § 135 Abs. 3 FGO keine Kosten auferlegt werden. Ihm war keine Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten zuzubilligen, da er keinen Sachantrag gestellt und damit auch kein Kostenrisiko getragen hat (§ 139 Abs. 4 FGO).