Titel:
Wiederaufgreifen eines bestandskräftigen Ruhensbescheides - Rücknahmeermessen für die Zeit "vor" höchstgerichtlich festgelegten Stichtagen
Normenketten:
BeamtVG § 56, § 69c Abs. 5
VwVfG § 48
Leitsätze:
1. Ein Bescheid über das Ruhen von Versorgungsbezügen ist nicht deshalb rechtswidrig, weil das Ruhen ohne zeitliche Begrenzung, „ohne Deckelung“ und ohne „Abschmelzen“ festgestellt wird, insbesondere nicht hinsichtlich des Alimentations- und Leistungsprinzips oder des Gleichheitssatzes. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Korrekturermessen und der damit korrespondierende Anspruch verdichtet sich im Wege der Ermessensreduzierung – unter Berücksichtigung der im Beamtenversorgungsrecht geltenden strikten Gesetzesbindung und der verfassungsrechtlichen Verankerung des Versorgungsanspruchs – bei höchstgerichtlichen Klärungen von Rechtswidrigkeitsgründen regelmäßig ab dem Beginn desjenigen Kalendermonats, der der jeweiligen höchstgerichtlichen Entscheidung nachfolgt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ab dem Stichtag des 1. November 2019 besteht die Pflicht, den Ruhensbescheid bei der geschlechtsspezifischen Verrentung im Wege der sog. Angleichung nach oben zu korrigieren, also bei der Verrentung die günstigeren Verrentungsdivisoren für Frauen auch bei Männern zugrunde zu legen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Zeit „vor“ den besagten Stichtagen ist das Rücknahmeermessen im Ausgangspunkt nicht reduziert; insoweit ist eine weitergehende Korrektur zwar nicht ausgeschlossen, steht aber im Ermessen der Verwaltung, die den damit korrespondierenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung auch durch eine ermessensfehlerfreie Ablehnung erfüllen kann. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Korrekturermessen bei bestandskräftig gewordenem Bescheid über das Ruhen von Versorgungsbezügen, Reduzierung des Korrekturermessens „ab“ dafür zwischenzeitlich höchstgerichtlich festgestellten Stichtagen, Selbstbindung der Verwaltung in Form ministerieller Weisungen für Zeiträume „vor“ den Stichtagen für Reduzierung des Korrekturermessens, Ruhen der Versorgungsbezüge, ministerielle Weisungslage, Kapitalbeträge, Anspruch auf Wiederaufgreifen einer Ruhensregelung, Kapitalabfindung, Versorgungsbezüge, Änderungsantrag, zeitbezogen, kaptalbetragsbezogen, Dynamisierung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 22.08.2018 – M 21 K 17.4663
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 29.02.2024 – 2 B 32.23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18849
Tenor
I.Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit im Hinblick auf die durch den Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 erfolgte Abhilfe für erledigt erklärt haben. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 22. August 2018 wirkungslos geworden.
II.Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
IV.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Rechtsstreit betrifft das Ruhen von Versorgungsbezügen gemäß § 56 BeamtVG im Hinblick auf Kapitalbeträge, die der Kläger – ein früherer Bundeswehr-Beamter – für seinen Dienst bei NATO-Organisationen erhalten hat.
2
Der im Jahr 1941 geborene Kläger ist ein mit Ablauf des 31. Dezember 1996 in den Ruhestand getretener ehemaliger Bundeswehr-Beamter (Besoldungsgruppe A12). Er macht einen Anspruch auf Wiederaufgreifen einer Ruhensregelung geltend, weil sein Ruhegehalt entgegen § 56 BeamtVG in zu großem Umfang zum Ruhen gebracht worden sei im Hinblick auf zwei Kapitalabfindungen in Höhe von insgesamt (umgerechnet) 221.267,83 €, die er von NATO-Einrichtungen für dort absolvierte Dienstzeiten (1.9.1973 bis 28.2.1981 und vom 12.1.1987 bis 31.12.1996) erhalten hat.
3
Nachdem die Versorgungsbezüge des Klägers mit Bescheid vom 18. November 1996 festgesetzt worden waren, brachte die Beklagte diese im Hinblick auf die von der NATO gezahlten Kapitalbeträge mit Bescheid vom 20. November 1996 teilweise zum ruhen. Dabei wurde der Ruhensbetrag rein zeitbezogen nach den bei der NATO absolvierten Zeiträumen errechnet, ohne dass die Höhe der Abfindung in diese Rechnung eingeflossen wäre. Dieser zunächst mangels Verwaltungsvorschriften nur „vorläufige“ Ruhensbescheid wurde mit Bescheid vom 7. Juli 1999 für „endgültig“ erklärt; ein dagegen eingelegter Widerspruch, wurde mit Schriftsatz vom 26. Januar 2001 zurückgenommen.
4
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2012 beantragte der Kläger erneut die Überprüfung der Ruhensverfügung gemäß § 56 BeamtVG, weil im Ruhensbescheid vom 20. November 1996 kein Vergleich bei (fiktiver) Verrentung angestellt worden sei, was die Beklagte zusammen mit einer weiteren E-Mail des Klägers vom 5. Dezember 2012 als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auslegte.
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Mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 lehnte die Beklagte den besagten Änderungsantrag ab. Mit diesem Bescheid wurde (erstmals) eine Vergleichsberechnung gemäß § 56 i.V.m. § 69c Abs. 5 BeamtVG vorgenommen. Ein dagegen eingelegter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2013 zurückgewiesen.
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Die daraufhin vom Kläger am 2. April 2013 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. August 2018 ab, wobei es den in der mündlichen Verhandlung zuletzt gestellten klägerischen Antrag dahin verstand, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, über den Änderungsantrag vom 3. und 5. Dezember 2012 im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Nachdem die Berufung vom Senat mit Beschluss vom 22. Oktober 2019 – dem Kläger zugestellt am 30. Oktober 2019 – zugelassen und vom Kläger am 29. November 2019 begründet worden war, fällte während des zunächst zum Ruhen gebrachten Berufungsverfahrens das Bundesverwaltungsgericht zur einschlägigen Problematik des Wiederaufgreifens bestandskräftiger Ruhensbescheide mehrere Urteile vom 7. Oktober 2020 (Az. 2 C 1.19, 2 C 18.19 und 2 C 19.19, 2 C 5.20 und 2 C 7.20). Daraufhin räumte der Kläger – der zunächst die Ansicht vertreten hatte, der ihm verbleibende Gesamtbruttobetrag unterschreite die Mindestversorgung – zwar ein, dass mit der bundesverwaltungsgerichtlichen Verneinung der Notwendigkeit, einen Endzeitpunkt festzusetzen, ein Hauptpunkt der Auseinandersetzung gegenstandslos geworden sei. Gleichwohl sei im Einklang mit eben dieser Rechtsprechung das Verfahren in anderer Hinsicht wiederaufzugreifen. Es sei in unzulässiger Weise eine Dynamisierung des Kapitalbetrags ohne Rechtsgrundlage und die (fiktive) Verrentung anhand des Mittelwerts der statistischen Lebenserwartung von Männern und Frauen anstatt der (für den Kläger günstigeren) Lebenserwartung von Frauen vorgenommen worden. Im Konsequenz dessen bleibe die Klage erfolgreich, insbesondere im Hinblick auf die Rückgängigmachung der rechtswidrigen Dynamisierung (bezogen auf den Zeitpunkt der seinerzeitigen Antragstellung).
8
Mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2021 verminderte die Beklagte den Betrag der Ruhensregelung ab 1. Oktober 2013. Diesen Änderungsbescheid korrigierte die Beklagte auf klägerischen Hinweis hin mit weiterem Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 und verminderte dabei den Ruhensbetrag weiter. Grund für die neuerliche Korrektur war, dass beim Änderungsbescheid vom 30. Juni 2021 irrtümlich eine Ruhestandsversetzung erst zum 31. März 1997 zugrunde gelegt worden war, während der Kläger tatsächlich mit Ablauf des 31. Dezember 1996 (nach dem Bundeswehrbeamtenanpassungsgesetz) in den Ruhestand versetzt worden war. Bei dieser Neuberechnung wurde keine Dynamisierung (§ 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 1, 9 BeamtVG) vorgenommen und bei der Verrentungsrechnung auf den (günstigeren) Verrentungsdivisor für Frauen zurückgegriffen.
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Hinsichtlich vorgenannter Änderungsbescheide ergänzte die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Februar 2023 und in der Senatsverhandlung vom 25. April 2023 ihre Ermessenserwägungen und führte unter anderem aus, das Bundesministerium der Finanzen habe im Erlasswege angewiesen, dass eine Korrektur der Ruhensregelungen vor den vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Intendierungsstichtagen (1.10.2013 bzw. 1.11.2019) nicht erfolge; die Beklagte berufe sich ausdrücklich auf diese Weisungslage und begründe hiermit ihre diesbezügliche Ermessensausübung, für die Zeit vor den Intendierungsstichtagen von einer Korrektur abzusehen – es liege damit eine Selbstbindung des behördlichen Ermessens vor, die dem Interesse der Gleichbehandlung diene. Insbesondere aus dem finanzministeriellen Schreiben vom 4. Mai 2021 ergebe sich, dass für Zeiten vor den Zeitpunkten 1. Oktober 2013 bzw. 1. November 2019 dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit Vorrang einzuräumen sei.
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In der Senatsverhandlung vom 25. April 2023 wurde der Rechtsstreit von den Parteien insoweit für erledigt erklärt, als durch den letzten Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 dem klägerischen Begehren auf Neuverbescheidung abgeholfen worden sei.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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die Beklagte unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu verpflichten, über den Anspruch des Klägers auf Neufestsetzung der Ruhensbeträge gemäß Antrag vom 3. Dezember 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, soweit dem Begehren nicht bereits durch den Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 entsprochen wurde.
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Er meint, sein Korrekturanspruch sei nach wie vor nicht vollständig erfüllt, und bestreitet, dass die Weisungslage die von der Beklagten angenommenen Vorgaben für die Zeiträume vor den vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Stichtagen enthalte, weswegen für die Zeiträume davor nach wie vor Ermessen eröffnet sei. Es lägen Ermessensfehler vor, auch hinsichtlich der Weisung, insbesondere im Hinblick auf eine Unverhältnismäßigkeit der gegenüber dem ausgezahlten Kapitalbetrag einbehaltenen Beträge. Die im Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 dem dort vorgesehenen Verrentungsdivisor zugrundeliegende Kapitalwertrendite von 5,5% sei im Hinblick auf die am Markt tatsächlich erzielbaren Kapitalerträge unrealistisch und damit verfassungswidrig. Auch sei ungeklärt, ob anstatt des (statischen) Rückgriffs der Verwaltung auf die Sterbetafel 2015/2017 (Anlage 2 des Änderungsbescheids vom 20.7.2021) nicht eher auf die Sterbetafel im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts oder auf die im jeweiligen Berechnungszeitpunkt geltende Sterbetafel abzustellen sei bzw. die Berechnungen im Hinblick auf die zukünftig sich ändernde Lebenserwartung in festzulegenden Zeitabständen zu aktualisieren seien. Auch sei die Verwaltungspraxis der Verwaltung der Beklagten uneinheitlich. Im Fall einer fehlerhaften Berechnung müsse eine Korrektur unabhängig von der Bestandskraft erfolgen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Das Verfahren ist einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO analog), soweit die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt haben, als durch den letzten Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 dem Begehren des Klägers auf Neuverbescheidung abgeholfen worden ist. Insoweit ist das verwaltungsgerichtliche Urteil entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO (i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO) kraft Gesetzes wirkungslos geworden, was entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO festzustellen ist.
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2. Im Übrigen – soweit der Rechtsstreit noch anhängig ist – ist die Berufung zurückzuweisen, weil dem Kläger über die bereits im letzten Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 vorgenommenen Korrekturen hinaus kein weitergehender Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme des bestandskräftigen Ruhensbescheids zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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2.1. Die Berufung war dabei zulässig. Die (fristgerechte) Berufungsbegründung vom 27. November 2019 enthielt zwar keinen expliziten Berufungsantrag, war aber dahin auszulegen, dass der Kläger auch dort sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgte, was den Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO genügt (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 9.3.2005 – 6 C 8.04 – juris Rn. 15 f. m.w.N. [insoweit nicht abgedruckt in NVwZ 2005, 821]). Dem entspricht der klägerseits zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag.
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2.2. Einschlägige Anspruchsgrundlage für eine Korrektur des bestandskräftigen Ruhensbescheids ist § 48 Abs. 1 (i.V.m. § 51 Abs. 5) VwVfG, weil die Ruhensregelung, deren Änderung begehrt wird, rechtswidrig ist. Der ursprüngliche Ruhensbescheid vom 20. November 1996 – für endgültig erklärt mit Bescheid vom 7. Juli 1999 (nachfolgend „Ruhensbescheid“) – hatte noch rein zeitbezogen gerechnet. Allerdings schreibt § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG (in der bis 30.6.2020 gültigen, im Fall des Klägers gemäß § 69m Abs. 2 Satz 1 BeamtVG fortgeltenden Fassung [vgl. Art. 3 Nr. 48, Art. 15 Abs. 6 des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes vom 9.12.2019, BGBl. I S. 2053]) seit dem 1. Januar 1999 (vgl. Art. 6 Nr. 36, Art. 24 Abs. 1 des Versorgungsreformgesetzes vom 29.6.1996, BGBl. I S. 1666) auch für zuvor vorhandene Ruhestandsbeamte eine zeit- und kapitalbetragsbezogene Rechnung vergleichende Günstigkeitsbetrachtung vor, die dem Ruhensbescheid im Zeitpunkt der klägerischen Korrekturantragstellung vom Dezember 2012 fehlte. Schon deswegen ist der Ruhensbescheid als rechtswidrig zu behandeln (so zurecht auch der Widerspruchsbescheid vom 5.3.2013 S. 3).
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Zwar hat der Ablehnungsbescheid vom 18. Dezember 2012 (nachfolgend Ablehnungsbescheid) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2013 erstmals eine Vergleichsrechnung durchgeführt; diese erwies sich aber ihrerseits in mehrfacher Hinsicht als fehlerhaft. So wurden die Kapitalbeträge bis zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts „dynamisiert“ (vgl. Ablehnungsbescheid Anlage 1 unter 2.1 i.V.m. Anlagen 2 und 3), obwohl dafür keine Rechtsgrundlage bestand (BVerwG, U.v. 7.10.2020 – 2 C 18.19 – BVerwGE 169, 318 Rn. 22 m.w.N.). Des Weiteren wurde die Verrentung der Kapitalbeträge verzinslich vorgenommen (vgl. Ablehnungsbescheid Anlage 1 unter 2.1 i.V.m. Anlage 4), obwohl dafür eine Rechtsgrundlage erst mit § 69c Abs. 5 Satz 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG 2009 i.V.m. Anlage 9 zum Bewertungsgesetz (BewG) ab dem 28. März 2008 geschaffen worden ist (BVerwG, U.v. 7.10.2020 a.a.O. Rn. 23 m.w.N.), und dabei außerdem entgegen Art. 157 AEUV ein für den Kläger nachteiliger Vervielfältiger für Männer anstatt für Frauen zugrunde gelegt (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.2020 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).
22
Demgegenüber war der Ruhensbescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte das Ruhen ohne zeitliche Begrenzung, „ohne Deckelung“ und ohne „Abschmelzen“ festgestellt hat (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 75 f.; BVerwG, U.v. 7.10.2020 – 2 C 18.19 – BVerwGE 169, 318 Rn. 29 bis 38), insbesondere nicht hinsichtlich des Alimentations- und Leistungsprinzips oder des Gleichheitssatzes (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 48 ff., 71 ff., 95 ff.). Rechtmäßig war dabei auch die Einbeziehung des Kapitalbetrags in voller Höhe einschließlich des vom Kläger geleisteten Eigenanteils (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 19 bis 23 m.w.N.).
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2.3. Allerdings hat die Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 die klägerischen Korrekturansprüche erfüllt, soweit das in § 48 Abs. 1 VwVfG vorgesehene Korrekturermessen im Hinblick auf höchstgerichtliche Klärungen reduziert war, indem sie zur ursprünglich rein zeitbezogen berechneten Ruhensregelung gemäß § 69c Abs. 5 Satz 2 (i.V.m. § 69m Abs. 2 Satz 1) BeamtVG eine Vergleichsberechnung unter Berücksichtigung der tatsächlich an den Kläger ausgezahlten Kapitalbeträge vorgenommen hat (siehe dazu Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 Anlage 2 unter 2.).
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2.3.1. Zwar führt die Rechtswidrigkeit des Ruhensbescheids als solche (siehe 2.2.) im Ausgangspunkt lediglich zu einem Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Korrekturentscheidung (BVerwG, U.v. 7.10.2020 – 2 C 18.19 – BVerwGE 169, 318 ab Rn. 39), wobei auch der Widerspruchsbescheid vom 5. März 2013 von einem Rücknahmeermessen ausgegangen war. Allerdings verdichtet sich das Korrekturermessen und der damit korrespondierende Anspruch (BVerwG, U.v. 7.10.2020 a.a.O. ab Rn. 42) im Wege der Ermessensreduzierung – unter Berücksichtigung der im Beamtenversorgungsrecht geltenden strikten Gesetzesbindung und der verfassungsrechtlichen Verankerung des Versorgungsanspruchs (BVerwG, U.v. 7.10.2020 a.a.O. ab Rn. 45 f.) – bei höchstgerichtlichen Klärungen von Rechtswidrigkeitsgründen regelmäßig ab dem Beginn desjenigen Kalendermonats, der der jeweiligen höchstgerichtlichen Entscheidung nachfolgt (BVerwG, U.v. 7.10.2020 a.a.O. Rn. 52). Dies zugrunde gelegt verdichtet sich vorliegend ab dem Stichtag des 1. Oktober 2013 das Korrekturermessen zu einer Korrekturpflicht, soweit der bestandskräftige Ruhensbescheid unzulässig dynamisiert hat – wobei die diesbezügliche, zum 28. März 2008 in Kraft getretene Rechtsgrundlage Fälle mit zuvor erfolgter Ruhestandsversetzung tatbestandlich nicht erfasst – und verzinslich verrentet hat, obwohl dies erst ab dem 28. März 2008 zulässig war (BVerwG, U.v. 7.10.2020 a.a.O. Rn. 53 a.E. im Hinblick auf die Klärungen in BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47.11 – NVwZ-RR 2014, 394). Außerdem besteht ab dem Stichtag des 1. November 2019 die Pflicht, den Ruhensbescheid bei der geschlechtsspezifischen Verrentung im Wege der sog. Angleichung nach oben zu korrigieren, also bei der Verrentung die günstigeren Verrentungsdivisoren für Frauen auch bei Männern zugrunde zu legen (BVerwG, U.v. 7.10.2020 a.a.O. Rn. 54 f. im Hinblick auf die Klärungen in EuGH, U.v. 7.10.2019 – C-171/18 – ECLI:ECLI:EU:C:2019:839).
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Diese vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Stichtage haben sich auch die ministeriellen Weisungen – insbesondere das innenministerielle Schreiben (IMS) vom 29. März 2021 einschließlich des zugehörigen finanzministeriellen Schreibens (FMS) vom 30. März 2021 sowie das FMS vom 4. Mai 2021 und die finanzministerielle E-Mail vom 19. November 2021 – zu eigen gemacht und die nachgeordneten Behörden angewiesen, insoweit Korrekturen vorzunehmen.
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2.3.2. Die Beklagte hat diese Stichtage im Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 berücksichtigt und die ab diesen Stichtagen geltenden Vorgaben ohne Rechtsverstoß umgesetzt (vgl. insbesondere die ab 1.10.2013 rechnende Anlage 4 zum Änderungsbescheid und den Rückgriff auf die Verrentungsdivisoren für Frauen in Anlage 2), was zu einer entsprechenden Nachzahlung an den Kläger führte.
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Fehler zulasten des Klägers bei der Umsetzung der besagten Korrektur sind nicht ersichtlich.
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Insbesondere ist die in Anlage 2 des Änderungsbescheids vom 20. Juli 2021 – im Einklang mit der Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG – zugrunde gelegte Kapitalwertrendite von 5,5% nicht zu beanstanden und auch verfassungsrechtlich nicht etwa bedenklich im Hinblick auf die am Markt erzielbaren Zinsen. Zum einen ist zu sehen, dass der Kläger diese Verzinsung vollständig hätte vermeiden können, wenn er die Kapitalbeträge an den Dienstherrn abgeführt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 86), wobei die Verzinsung bei § 56 BeamtVG auch nicht mit der Zinsregelung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO vergleichbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.2020 – 2 C 19.19 – BVerwGE 169, 299 Rn. 50). Unabhängig davon ist zu sehen, dass der Kläger in einem Zeitpunkt in den Ruhestand eingetreten ist, der lange vor der nach 2009 liegenden Niedrigzinsphase lag.
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Unbedenklich ist auch, dass der Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 (dort Anlage 2) „statisch“ auf die Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG mit Stand 2019 abstellt, also auf diejenige Fassung, die galt, als die höchstgerichtliche Klärung hinsichtlich der sog. Angleichung nach oben bei geschlechtsspezifischer Verrentung erfolgte, aus der sich der zugehörige Stichtag (1.11.2019; siehe 2.3.1.) ergibt. Es entspricht gerade dem vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Stichtagsprinzip, auch für den Verrentungsdivisor auf die Rechtslage zu eben diesem Stichtag abzustellen, wie es auch in der finanzministeriellen E-Mail vom 19. November 2021 vorgesehen ist. Dies wird durch etwaige uneinheitliche Verfahrensweisen aus der Zeit vor der Klärung dieser Zusammenhänge nicht in Frage gestellt. Aus dem gleichen Grund ist nicht auf die Sterbetafel im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts abzustellen, und zwar unabhängig davon, dass die im Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 berücksichtigte Tabelle zu § 14 Abs. 1 BewG mit Stand „1. Januar 2019“ für den Kläger günstiger war als der Verrentungsdivisor im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts. Ebenso nicht angezeigt ist es deshalb, die Berechnungen im Hinblick auf die zukünftig sich ändernde Lebenserwartung in festzulegenden Zeitabständen zu aktualisieren, weswegen auch nicht auf die im jeweiligen Berechnungszeitpunkt (hier: 20.7.2021) geltende Sterbetafel abzustellen ist.
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2.4. Die Ablehnung der Beklagten, ihr Rücknahmeermessen dahingehend auszuüben, den Ruhensbescheid noch weitergehend zurückzunehmen als geschehen, war rechtmäßig; dem Kläger steht insoweit kein weitergehender Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu.
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2.4.1. Für die Zeit „vor“ den besagten Stichtagen (siehe 2.3.1.) ist das Rücknahmeermessen im Ausgangspunkt nicht reduziert (BVerwG, U.v. 7.10.2020 – 2 C 18.19 – BVerwGE 169, 318 Rn. 55; U.v. 7.10.2020 – 2 C 5.20 – Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 4 Rn. 53); insoweit ist eine weitergehende Korrektur zwar nicht ausgeschlossen, steht aber im Ermessen der Verwaltung, die den damit korrespondierenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung auch durch eine ermessensfehlerfreie Ablehnung erfüllen kann.
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2.4.2. Dieses Korrekturermessen hatte die Beklagte bereits im Widerspruchsbescheid vom 5. März 2013 (dort S. 3), mit dem der klägerische Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid zurückgewiesen wurde, erkannt. Auch im Änderungsbescheid vom 30. Juni 2021 (dort S. 3 dritter Absatz) wurde das für Zeiten vor den Stichtagen bestehende Ermessen gesehen. Im letzten Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 (dort S. 1 unten) wurde der Änderungsbescheid vom 30. Juni 2021 keineswegs aufgehoben, sondern nur (im Detail) geändert; infolge dieses Zusammenhangs ist auch insoweit nicht von einem Ermessensausfall auszugehen. Im Ergebnis ist deshalb gemäß § 114 Satz 2 VwGO eine nachträgliche Ergänzung der Ermessenserwägungen möglich, wobei kein Grund ersichtlich ist, weshalb eine solche Ermessensergänzung nicht auch in Form einer nachträglichen Berufung auf die Weisungslage geschehen können sollte.
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2.4.3. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 8. Februar 2023 und in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023 die Ermessenserwägungen des Änderungsbescheids vom „30. Juni 2021“ – der seinerseits im letzten Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 (dort S. 1 unten) keineswegs aufgehoben, sondern nur (im Detail) geändert wurde – dahingehend ergänzt, dass in den finanzministeriellen Erlassen eine entsprechende Selbstbindung liege; sie hat sich damit nachträglich – im Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO – auf die als solche nicht zu beanstandende ministerielle Weisungslage (siehe 2.4.3.1.) berufen, ohne dass dabei ein zu Lasten des Klägers gehender Ermessensfehler festzustellen wäre (2.4.3.2.).
34
2.4.3.1. Die Ministerialverwaltung der Beklagten hat mit mehreren Weisungen für die Ausübung des Verwaltungsermessens bindend vorgegeben, dass für Zeiten „vor“ den besagten Stichtagen der rechtlich zwingenden Ermessensreduzierung (siehe 2.3.1.) keine Korrektur erfolgt.
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Diese ministeriellen Weisungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken – sie beruhen ihrerseits auf hinreichenden Ermessenserwägungen (siehe 2.4.3.1.2.) und begrenzen im Wege der Selbstbindung der Verwaltung wirksam auch die Korrekturansprüche des Klägers (siehe 2.4.3.1.3.).
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2.4.3.1.1. Eine aus Sicht des Senats eindeutige Bindung des Verwaltungsermessens ergibt sich vor allem aus dem FMS vom 4. Mai 2021. Dort (S. 1 vorletzter Absatz erster Satz) wird ausdrücklich angeordnet, dass im Hinblick auf Dynamisierung oder Verrentung rechtswidrige Bescheide „erst“ zu den Stichtagen (1.10.2013, 1.11.2019; siehe 2.3.1.) aufzuheben sind. Außerdem wird vorgegeben, dass eine darüberhinausgehende Rückrechnung „nicht erforderlich“ ist. Dabei bezieht sich das besagte FMS auf das IMS vom 29. März 2021, das nach dem FMS vom 30. März 2021 auch im Finanzressort gilt und ausdrücklich vorgibt, dass beim „Rücknahmezeitpunkt‘ nach den dort genannten Zeitpunkten zu differenzieren „ist“ (IMS vom 29.3.2021 ab S. 2 letzte Zeile). Hinsichtlich des geschlechtsspezifischen Divisors hat die finanzministerielle E-Mail vom 19. November 2021 (siehe dazu auch 2.3.2.), die sich ihrerseits auf das FMS vom 4. Mai 2021 bezieht, angewiesen, dass die insoweit nicht zulässige Verrentung „erst ab“ dem 1. November 2019 zu korrigieren „ist“; auch darin liegt nach dem eindeutigen Wortlaut eine die nachgeordnete Versorgungsverwaltung bindende Weisung, nicht über diesen Stichtag hinaus zu korrigieren.
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Insgesamt ergibt sich aus der Zusammenschau dieser drei Schreiben eindeutig die ministerielle Vorgabe, dass vor den besagten Stichtagen keine Rücknahme vorzunehmen ist. Entgegen der klägerischen Einschätzung haben die anweisenden Ministerien den ihnen nachgeordneten Behörden insoweit keinen Ermessensspielraum gelassen.
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2.4.3.1.2. Die für die Korrektur zuständigen nachgeordneten Behörden der Beklagten sind auch nicht etwa von der Bindungswirkung der ministeriellen Weisungen entbunden und zur Ermessensprüfung im Einzelfall verpflichtet, weil die vorgenannten Weisungen fehlerhaft wären. Zwar erstreckt sich die gerichtliche Prüfung (§ 114 VwGO) auch auf die Frage, ob die ministeriellen Weisungen ihrerseits unter Ermessensfehlern leiden. Allerdings sind derartige Fehler vorliegend nicht ersichtlich.
39
Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften sind als solche unzweifelhaft zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147 Rn. 20) – die Steuerung des Verwaltungsermessens fördert Rechtssicherheit, dient der Gleichbehandlung und ist deshalb als solche rechtlich unbedenklich (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.1990 – 7 B 100.90 – NVwZ-RR 1991, 31/32) –, wobei sie allerdings ihrerseits vom Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.1997 – 10 CS 97.559 – NVwZ-RR 1998, 332), und zwar auch hinsichtlich etwaiger Abwägungsfehler in den Weisungen selbst (Art. 19 Abs. 4 GG), insoweit jedoch nur in den von § 114 VwGO vorgegebenen Grenzen.
40
Vorliegend ist zwar rein textlich nicht zu leugnen, dass die ministeriellen Begründungen dafür, jenseits der Ermessensreduzierungsstichtage keine Korrektur zu erlauben (siehe 2.4.3.1.1.), sehr knapp gehalten sind. Allerdings hat das innenministerielle Schreiben vom 29. März 2021 (dort S. 2 vorletzter Absatz) durchaus erkannt, dass bei der Bestimmung des Rücknahmezeitpunkts „abzuwägen“ ist zwischen der Rechtssicherheit einerseits und der materiellen Gerechtigkeit andererseits, und dabei dem Aspekt der Rechtssicherheit für Zeiten „vor“ den Stichtagen Vorrang eingeräumt. Dabei ist zu sehen, dass die besagten Weisungen – anders als viele andere Verwaltungsvorschriften – nicht am Beginn einer Vollzugspraxis stehen, sondern ganz im Gegenteil an eine weitreichende Klärung anknüpfen, die sich aus den fünf in den Weisungen genannten bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vom 7. Oktober 2020 ergeben hat. Auch diese Bezugnahmen sind angesichts des durchaus erkannten Abwägungserfordernisses als ermessensbezogene Erwägung der ministeriellen Weisungen von Gewicht. Vor diesem Hintergrund ist zu sehen, dass das Bundesverwaltungsgericht gerade die zentralen klägerseits beklagten Härten als letztlich schon auf der Tatbestandsebene nicht zur Rechtswidrigkeit führende Aspekte behandelt hat. Das gilt namentlich für die Erkenntnis, dass weder die Verfassung noch das einfache Recht dazu verpflichten, für das Ruhen von Kapitalbeträgen einen Endzeitpunkt zu bestimmen, insbesondere nicht dergestalt, dass das Ruhen zu enden hätte, sobald die Summe der Ruhensbeträge den Wert des Kapitalbetrags erreicht (BVerwG, U.v. 7.10.2020 – 2 C 18.19 – BVerwGE 169, 318 Rn. 19 bis 38 in Anknüpfung an BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 75 f.). Soweit die klägerische Kritik derartige Punkte betrifft, ist ihr auch auf der Rechtsfolgeseite kein entscheidendes Gewicht bei der Prüfung von Ermessensfehlern (§ 114 VwGO) beizumessen. Angesichts dessen ist insbesondere die klägerseits gerügte Unverhältnismäßigkeit der einbehaltenen Beträge im Vergleich zu den ausgezahlten Kapitalbeträgen nicht anzunehmen. Bei all dem ist stets zu sehen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht nur dem Umstand, dass mit dem erhaltenen Kapitalbetrag gewirtschaftet werden konnte (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 86), erhebliches Gewicht beigemessen hat, sondern ebenso auch dem Umstand, dass seit je auch die Ablieferung an den Dienstherrn möglich gewesen wäre mit der Folge, dass keinerlei Ruhensproblematik eingetreten wäre (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 76 a.E.).
41
Unbedenklich ist auch, dass die ministerielle Weisungslage der Beklagten (vgl. finanzministerielle E-Mail vom 19.11.2021) „statisch“ auf die Sterbetafel 2015/2017 abstellt, die galt, als die höchstgerichtliche Klärung hinsichtlich der sog. Angleichung nach oben bei geschlechtsspezifischer Verrentung erfolgte (siehe 2.3.2. a.E.).
42
Die Verbindlichkeit der ministeriellen Ermessensbindung hängt nicht davon ab, inwieweit „vor“ deren Ergehen im Einzelfall anders entschieden wurde. Ebenso wenig wird die Verbindlichkeit dieser Weisungen in Frage gestellt, wenn nachgeordnete Behörden bei der Umsetzung der Weisungen im Einzelfall Fehler unterlaufen; vielmehr steht bei derartigen Fällen – ganz im Gegenteil – die Frage einer Korrektur der fehlerhaft weisungswidrigen Handhabung im Raum, was zwar wiederum an den dafür geltenden gesetzlichen Korrektur-, Vertrauensschutz- und Ermessensvorschriften zu messen, jedoch als solches keineswegs geeignet ist, die ministerielle Weisungslage obsolet werden zu lassen.
43
Gegen die ministeriell vorgegebene Verfahrensweise bestehen im Ergebnis auch unter Berücksichtigung der klägerischen Einwände (siehe dazu bereits 2.3.2.) keine Bedenken. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die ministerielle Vorgabe eine unzureichende Alimentation mit sich brächte oder unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen wäre. Denn auch auf der Ebene des Korrekturermessens ist zu sehen, dass dem Kläger nicht nur der Kapitalbetrag mit seinen wirtschaftlichen Anlagemöglichkeiten zur Verfügung stand (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 ab Rn. 86), sondern er auch die Möglichkeit gehabt hätte, das Ruhen der Versorgung zu vermeiden, indem er den Kapitalbetrag an den Dienstherrn abführt (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 76), weswegen im Ergebnis auch insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (siehe auch 2.2. und 2.3.2.).
44
Im Ergebnis ist kein spezifischer Abwägungsbelang ersichtlich, der auf der von den ministeriellen Weisungen gewählten abstrakten Ebene ermessensfehlerhaft übergangen worden wäre. Die somit auf abstrakter Ebene nicht zu beanstandende Weisungslage bewirkt, dass etwaige Ansprüche auf ermessensfehlerfreie Korrekturentscheidung im Hinblick auf den Gedanken der Gleichbehandlung gleichermaßen den von ministeriellen Weisungen vorgegebenen Grenzen unterliegen.
45
2.4.3.1.3. Die somit auf abstrakter Ebene nicht zu beanstandende Weisungslage (siehe 2.4.3.1.2.) bewirkt, dass etwaige Ansprüche auf ermessensfehlerfreie Korrekturentscheidung im Hinblick auf den Gedanken der Gleichbehandlung den von ministeriellen Weisungen vorgegebenen Grenzen unterliegen und eine Durchbrechung der weisungsbezogenen Regelbindung der nachgeordneten Behörden nur bei außergewöhnlichen Umständen des Einzelfalls von Amts wegen vorzunehmen ist (BVerwG, U.v. 29.6.1990 – 8 C 69.88 – DÖV 1991, 76; B.v. 10.8.1990 – 1 B 114.89 – NJW 1991, 650/651 a.E.; U.v. 15.1.2008 – 1 C 17.07 – BVerwGE 130, 148 Rn. 15 m.w.N.; U.v. 15.1.2013 – 1 C 7.12 – BVerwGE 145, 305 Rn. 11 f.; siehe auch 2.4.3.2.2.).
46
2.4.3.2. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihre Entscheidung, die Ruhensregelung nicht über die besagten Stichtage hinaus zurückzunehmen, fehlerfrei auf diese bindenden (siehe 2.4.3.1.) ministeriellen Vorgaben gestützt (siehe 2.4.3.2.1.); eine Durchbrechung der weisungsbezogenen Regelbindung ist dabei nicht angezeigt (siehe 2.4.3.2.2.).
47
2.4.3.2.1. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 8. Februar 2023 auf die ministeriellen Weisungen zur Handhabung des Korrekturermessens Bezug genommen und dazu in der mündlichen Verhandlung ergänzend hinsichtlich der Bindungswirkung dieser Weisungslage ausgeführt. Angesichts der inhaltlichen Unbedenklichkeit der ministeriellen Weisungen und der daraus folgenden Selbstbindung der Verwaltung (siehe 2.4.3.1.) war das Verwaltungsermessen entsprechend intendiert und infolge dessen im Ausgangspunkt keine weitere Begründung erforderlich (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.1990 – 7 B 100.90 – NVwZ-RR 1991, 31/32; BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147 Rn. 24 m.w.N.).
48
Eine nachträgliche Einbeziehung der ministeriellen Weisungen in die Ermessenserwägungen des streitgegenständlichen Bescheids war vorliegend gemäß § 114 Satz 2 VwGO möglich, weil das Korrekturermessen bereits im Widerspruchsbescheid und auch im Änderungsbescheid vom 30. Juni 2021, an den der letzte Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 anknüpfte, erkannt worden war, sodass ein Rückgriff auf § 114 Satz 2 VwGO nicht etwa wegen eines Ermessensausfalls ausgeschlossen ist (siehe 2.4.3.).
49
Zwar hat die Versorgungsverwaltung dabei – anders als in der finanzministeriellen E-Mail vom 19. November 2021 vorgesehen (siehe auch 2.4.3.1.) – den für den Kläger günstigeren Frauen-Divisor auch „vor“ dem 1. November 2019 angewandt. Jedoch ist insoweit eine Rechtsverletzung des Klägers i.S.v. § 113 Abs. 5 VwGO ausgeschlossen. Denn im Hinblick auf die wie gezeigt rechtlich unbedenkliche und verbindliche Weisungslage (siehe 2.3.2.) hat der Kläger jedenfalls keinen Anspruch auf eine (noch) günstigere Korrekturregelung als die im Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 erfolgte und wird durch diese zu seinen Gunsten wirkende Abweichung von der später angeordneten Weisungslage – im Zeitpunkt des letzten Änderungsbescheids war die finanzministerielle E-Mail vom 19. November 2021 noch nicht ergangen – jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt.
50
2.4.3.2.2. Eine Durchbrechung der weisungsbezogenen Regelbindung der nachgeordneten Behörden, wie sie bei außergewöhnlichen Umständen des Einzelfalls von Amts wegen vorzunehmen wäre (siehe 2.4.3.1.3.), ist im konkreten Fall des Klägers nicht angezeigt. Zwar geht die Ermessensbindung solcher Weisungen nicht so weit, dass wesentliche Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr Rechnung getragen werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2008 – 1 C 17.07 – BVerwGE 130, 148 Rn. 15 m.w.N). Jedoch sind vorliegend Anhaltspunkte für derartige Besonderheiten im Einzelfall des Klägers nicht ersichtlich. Die umfangreiche Kritik des Klägers an den Korrekturentscheidungen betrifft Umstände, die nicht nur seinen individuellen Fall, sondern allgemein die Auswirkungen der von NATO-Organisationen ausgezahlten Kapitalbeträge auf die Versorgungsbezüge betreffen und höchstgerichtlich bereits auf der Tatbestandsebene (siehe 2.2. [a.E.]) nicht als unzulässige Härten angesehen wurden, die ministerielle Weisungslage nicht in Frage stellen (siehe 2.4.3.1.2.) und aus dem gleichen Grund weder eine Durchbrechung der weisungsbezogenen Regelbindung rechtfertigen noch einzelfallbezogene Ermessenserwägungen – über die Bezugnahme auf die Weisungslage hinaus – verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2008 a.a.O. Rn. 15 [a.E.]).
51
2.5. Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
52
Kein Anspruch ergibt sich für den Kläger aus § 51 Abs. 1 VwVfG; insbesondere liegt in der Entwicklung der den Fall betreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (siehe oben) keine Änderung der Rechtslage i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (vgl. BVerwG, U.v. 19.10.1967 – III C 123.66 – BVerwGE 28, 122/126 f. m.w.N.; U.v. 25.10.2012 – 2 C 59.11 – BVerwGE 145, 14 Rn. 10 m.w.N.). Im Übrigen nimmt der Senat insoweit gemäß § 130b Satz 2 VwGO auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils (UA S. 10 zweiter Absatz bis S. 12 zweiter Absatz) Bezug, die auch im Hinblick auf die Änderungen des Besoldungsstrukturmodernisierungsgesetzes (BesStMG) vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2053) weiterhin zutreffen, weil gemäß § 69m Abs. 2 Satz 1 BeamtVG Versorgungsempfänger mit einer Ruhensregelung nach der bislang geltenden Fassung des § 56 BeamtVG einschließlich sämtlicher Übergangsregelungen von der Gesetzesnovelle ausgenommen sind (vgl. Regierungsentwurf zum BesStMG, BT-Drs. 19/13396 S. 154).
53
§ 49 VwVfG scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Der rechtswidrige Ruhensbescheid, um dessen Korrektur es geht, ist ein rechtswidriger „belastender“ Verwaltungsakt i.S.v. § 49 Abs. 1 VwVfG, sodass die bei „begünstigenden“ rechtswidrigen Verwaltungsakten – im Hinblick auf die dort vergleichbare Schutzwürdigkeit des Vertrauens – mögliche analoge Anwendung des § 49 Abs. 2 VwVfG (stRspr, BVerwG, U.v. 19.9.2018 – 8 C 16.17 – BVerwGE 163, 102 Rn. 14 f. m.w.N.) vorliegend nicht in Betracht kommt.
54
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 161 Abs. 2 VwGO. Es ist eine einheitliche Kostenentscheidung für den eingestellten und noch streitigen Teil des Verfahrens zu treffen (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.1980 – 1 B 802.80 – juris Rn. 6 f.; BayVGH, U.v. 26.4.2018 – 14 B 15.2764 – juris Rn. 59 m.w.N.), und zwar für beide Rechtszüge, zumal infolge der teilweisen Erledigungserklärung das verwaltungsgerichtliche Urteil insoweit unwirksam geworden ist (siehe 1.). Die angesichts der bloß teilweisen Erledigungserklärung gebotene für beide Rechtszüge einheitliche Kostenentscheidung führt zu einer hälftigen Kostenlast beider Parteien, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das klägerische Verbescheidungsbegehren nicht auf konkrete Währungsbeträge bezogen worden ist. Einerseits ist dabei zu sehen, dass der Kläger mit seinem ursprünglichen Begehren eines Endzeitpunkts der Ruhensregelung – und damit einer Beschränkung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag – und mit seinem Ziel, den Arbeitnehmeranteil bei der Verrentungsrechnung auszuklammern, ebenso erfolglos bleibt wie mit seinen zuletzt noch weiterverfolgten Zielen (siehe oben; vgl. zur hälftigen Kostentragung in solchen Fällen BVerwG, U.v. 7.10.2020 – 2 C 18.19 – BVerwGE 169, 318 Rn. 56). Andererseits hat die Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 in erheblichem Umfang auch für weit zurückreichende Zeiträume der Vergangenheit nachgegeben, dadurch die Teilerledigungserklärung wesentlich verursacht und in der mündlichen Verhandlung insoweit eine Übernahme der Kosten erklärt.
55
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
56
5. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG vorgesehenen Zulassungsgründe vorliegt. Die Stichtage für die Reduzierung des Korrekturermessens, das Fortbestehen des Korrekturermessens im Übrigen und die Regeln für die Möglichkeiten, sich auf ministerielle Weisungslagen zu berufen, sind höchstgerichtlich geklärt.