Titel:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Grundsteuer, Vollstreckung eines Grundsteuerbescheides, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, Einhaltung der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, Haager Landkriegsordnung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 19
VwZVG Art. 23
VwZVG Art. 24
VwZVG Art. 26
ZPO § 829
ZPO § 835
Schlagworte:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Grundsteuer, Vollstreckung eines Grundsteuerbescheides, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, Einhaltung der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, Haager Landkriegsordnung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18710
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 288,25 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über eine Grundsteuerforderung.
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1. Mit Abgabenbescheid vom 9. Januar 2020 setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller für sein Objekt Am Gr. ... eine vierteljährlich fällige Grundsteuer B i. H. v. insgesamt 316,76 EUR jährlich fest.
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Der Antragsteller hat die Forderungen für das vierte Quartal 2021, das gesamte Jahr 2022 sowie das erste Quartal 2023 trotz Mahnungen und Ankündigungen der Vollstreckung nicht beglichen, sondern die Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen jeweils mit der Begründung, es lägen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit vor, zurückgewiesen. Mit Datum vom 26. April 2023 erstellte die Antragsgegnerin ein vollstreckbares Ausstandsverzeichnis der einzelnen Grundsteuerforderungen für den Fälligkeitszeitraum vom 15. November 2021 bis 13. März 2023 zusätzlich Säumniszuschlägen und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 530,64 EUR.
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Am 22. Mai 2023 erließ die Antragsgegnerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in Höhe von 576,49 EUR. Diesen stellte sie laut Postzustellungsurkunden der … … … am 30. Mai 2023 und dem Kläger am 16. Juni 2023 zu.
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Die Bank gab am 13. Juni 2023 eine Drittschuldnererklärung gegenüber der Antragsgegnerin ab.
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2. Am 1. Juli 2023 erhob der Antragsteller im Verfahren W 8 K 23.892 Klage gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 22. Mai 2023 und beantragte im vorliegenden Verfahren die Aussetzung der Vollziehung.
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Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verbescheidung, sie verstoße eklatant gegen höchste nationale wie internationale rechtliche Normen. Sein rechtliches Gehör sei nicht gewahrt worden. Eine zwingend erforderliche vollstreckbare Ausfertigung sei nicht zugestellt worden, lediglich eine Abschrift, welcher der Ausfertigungsvermerk, der die erlassende Behörde erkennen lasse, fehle und die daher unwirksam sei. Ebenso seien keine Rechnung, Mahnung, Vollstreckungsanordnung, Vollstreckungsankündigung und auch insbesondere kein gerichtlicher Titel durch das zuständige ordentliche Vollstreckungsgericht – eine mündliche Verhandlung habe nicht stattgefunden – zugestellt worden. Es bestehe weder eine Rechtsgrundlage noch ein Vertragsverhältnis mit den Pfändungsgläubiger/n. Darüber hinaus werde gegen Art. 4. 46, 47 Haager Landeskriegsordnung i. V. m. Art. 25, 100 GG verstoßen, wonach Kriegsgefangene mit Menschlichkeit behandelt werden sollen, und alles, was Ihnen persönlich gehöre, mit Ausnahme von Waffen, Pferden und Schriftstücken militärischen Inhalts, ihr Eigentum verbleibe und das Privateigentum nicht eingezogen werden dürfe sowie die Plünderung ausdrücklich untersagt sei.
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Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2023 beantragte die Antragsgegnerin,
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Zur Begründung führte sie aus, es ergebe sich aus den Akten, dass der Antragsteller im Rahmen des Mahnverfahrens auf seine Steuerschuld hingewiesen worden sei.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag des Antragstellers ist dahingehend auszulegen, dass er gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2023 begehrt (§ 88 VwGO). Der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller wendete sich mit Schreiben vom 1. Juli 2023 gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Antragsgegnerin und beantragte diesen aufzuheben, die Aussetzung der Vollziehung, die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vollumfänglich wieder aufzuheben und die Unzulässigkeit des Verwaltungsaktes festzustellen. Damit begehrt er bei sachgerechter Auslegung seines Begehrens die einstweilige Verhinderung der Vollstreckung. Da sich Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen der vorliegenden Art nach den allgemeinen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung richten (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO 29. Auflage. 2023, § 167 Rn. 14) und im Hauptsacheverfahren – Az. W 8 K 23.892 – eine Anfechtungsklage statthaft ist – der Kläger begehrt in diesem die Aufhebung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einer Gemeinde zur Durchsetzung einer Geldforderung i. S. d. Art. 26 Abs. 5 Satz 1 VwZVG, mithin eines Verwaltungsaktes – richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Alt. 1 VwGO.
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Gegenstand des vorläufigen Verfahrens ist weder der zugrundeliegende Grundsteuerbescheid noch ein eventueller Erlass der Steuerforderungen.
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Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klage gegen den streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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Der Antrag ist nicht bereits mangels vorherigen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung bei der Antragsgegnerin gem. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO unzulässig, da vorliegend aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Vollstreckung i. S. d. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO drohte.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. Art. 21a Satz 2 VwZVG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung ist regelmäßig dann anzuordnen, wenn nach der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Überprüfung ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Regelung bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen dann, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit so gewichtig sind, dass ein Obsiegen des Betroffenen im Rechtsbehelfsverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 95 m.w.N.).
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Das Gericht hat im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
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Die Vollstreckung von Kommunalabgaben und Nebenleistungen erfolgt grundsätzlich nach dem 2. Hauptteil des VwZVG (vgl. Art. 18 Abs. 1 VwZVG). Gemäß Art. 26 Abs. 5 VwZVG können Gemeinden Geldforderungen und andere Vermögensrechte, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind, selbst pfänden und einziehen, wenn Schuldner und Drittschuldner wie hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in Bayern haben. Die Vorschriften der ZPO finden mit Ausnahme der §§ 883 bis 898 ZPO entsprechende Anwendung (Art. 26 Abs. 7 Satz 1 VwZVG). Die Pfändung einer Geldforderung ist nach Art. 26 Abs. 7 Satz 1 VwZVG i.V.m. §§ 829, 835 ZPO mittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zulässig (vgl. VG Würzburg, B.v. 6.6.2019 – W 8 S 19.614 – juris).
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Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen.
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Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 VwZVG liegen vor. Der Grundsteuerbescheid vom 9. Januar 2020 ist mangels rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbar (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG). Der Antragsteller hat seine Zahlungsverpflichtung für die Grundsteuer B für die das vierte Quartal 2021, das Jahr 2022 und das erste Quartal 2023 nicht rechtzeitig erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG).
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Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 23 Abs. 1 VwZVG sind ebenfalls erfüllt. Der Grundsteuerbescheid ist dem Antragsteller spätestens am 6. Mai 2020 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten (vgl. Postzustellungsurkunde vom 6. Mai 2020, Behördenakte Bl. 3) gem. Art. 3 VwZVG i. V. m. § 180 ZPO ordnungsgemäß zugestellt worden. Insoweit hätte gem. Art. 17 VwZVG auch die Zusendung per einfachem, verschlossenem Brief genügt, da es sich bei der Erhebung der Grundsteuer gem. § 3 Abs. 2 AO um die Festsetzung und Erhebung einer Realsteuer handelt. Die Grundsteuerforderung ist in ihren Teilbeträgen jährlich bzw. vierteljährlich auch fällig geworden und der Antragsteller wurde ordnungsgemäß gemahnt (vgl. VG Würzburg, U.v. 11.2.2019 – W 8 K 18.1386 – juris Rn. 20).
22
Des Weiteren hat die Antragsgegnerin das Ausstandsverzeichnis mit Mitteilung vom 26. April 2023 für vollstreckbar erklärt (vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG). Damit liegt auch die erforderliche Vollstreckungsanordnung vor. Soweit der Antragsteller anmerkt, das Ausstandsverzeichnis sei unwirksam, da ihm lediglich eine bloße Abschrift ohne einen Ausfertigungsvermerk zugestellt worden sei, steht entgegen, dass sich eine die Vorgabe des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG erfüllende Klausel auf dem Ausstandsverzeichnis in den Akten befindet (vgl. Behördenakte Bl. 23) und nicht ersichtlich ist, dass ihm die Vollstreckungsklausel hätte zugestellt werden müssen. Insbesondere war offenkundig keine der in § 750 Abs. 2 ZPO abschließend aufgeführten Fallsituationen gegeben.
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Ergänzend ist noch anzumerken, dass es hinsichtlich der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 22. Mai 2023 enthaltenen Gebühren und Auslagen, bisherigen Vollstreckungskosten und Mahngebühren keines Leistungsgebotes bedarf, wenn sie wie vorliegend zusammen mit der Hauptsache beigetrieben werden (vgl. Harrer/Kugeler, Verwaltungsrecht in Bayern, Art. 23 VwZVG Rn. 2; siehe auch § 788 Satz 1 ZPO).
24
Im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 22. Mai 2023 waren die betreffenden Forderungen auch genau bezeichnet und mit Nebenkosten auf 576,49 EUR beziffert.
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Auch die weiteren Voraussetzungen der gemäß Art. 26 Abs. 7 VwZVG anzuwendenden Vorschriften des 8. Buchs der ZPO, insbesondere die §§ 828 ff. ZPO, sind im Ergebnis eingehalten. Vor allem wurde der streitgegenständliche Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sowohl dem Schuldner als auch dem Drittschuldner wirksam zugestellt und die Pfändungsfreigrenzen eingehalten.
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Damit liegen sämtliche formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vor.
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Schließlich kann sich der Antragsteller – soweit er sich mit seinen Argumenten gegen den zugrundeliegenden Grundsteuerbescheid wendet – nach Art. 21 Satz 2 VwZVG zulässigerweise nur auf solche Gründe berufen, die erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können. Solche Gründe hat der Antragsteller indes nicht vorgebracht. Soweit er sich auf die Haager Landkriegsordnung bezieht, ist nicht ersichtlich, dass seine in diesem Zusammenhang vorgebrachten Einwendungen erst nach Erlass des zu vollstreckenden Grundsteuerbescheids entstanden wären. Jedenfalls begründet die Haager Landkriegsordnung aber schon keinerlei subjektiven Rechte, auf die sich der Antragsteller berufen könnte, da sie als Teil des humanitären Völkerrechts nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung findet (vgl. LSG Sachsen U.v. 19.1.2017 – L 8 SO 135/13 – BeckRS 2017, 124646).
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Des Weiteren sind auch keine Vollstreckungshindernisse gemäß Art. 22 VwZVG ersichtlich.
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Schließlich stehen der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung auch keine Pfändungsschutzvorschriften entgegen. Zum Schutz des Schuldners regeln die §§ 850 ff. ZPO die Modalitäten einer Pfändung von Arbeitseinkommen. Die Pfändungsverfügung selbst muss den pfändbaren Einkommensteil nicht betragsmäßig bezeichnen. Die betragsmäßige Feststellung hat der Drittschuldner vorzunehmen (Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 850c Rn. 3).
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Aus alledem ergibt sich, dass keinerlei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 22. Mai 2023 bestehen. Damit ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren W 8 K 23.892 gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Satz 1 GKG i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG sowie Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs, wonach der Streitwert von 576,49 EUR im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren ist, sodass 288,25 EUR festzusetzen waren.