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VG Würzburg, Urteil v. 09.05.2023 – W 7 K 22.30704
Titel:

Erfolgreiche Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Tadschikistan)

Normenketten:
AsylG § 3, § 3a Abs. 1, § 3c
VwVfG § 51
Leitsatz:
Werden exilpolitische Aktivitäten von Flüchtlingen vom tadschikischen Geheimdienst tatsächlich wahrgenommen und als nicht nur untergeordnet eingestuft, besteht für die Betroffenen bei einer unterstellten Rückkehr nach Tadschikistan die konkrete Gefahr, Opfer staatlicher Verfolgungsmaßnahmen in einem flüchtlingsrechtlich erheblichen Ausmaß zu werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tadschikistan, Gruppe 24, Exilpolitische Tätigkeit, Asylklage, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, exilpolitische Aktivitäten, Demonstrationsteilnahme, Facebook, Posts, YT Kanal, Videobeiträge
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18709

Tenor

I.    Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. September 2022 wird in Ziffer 1 und 3 bis 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen.
II.    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger, ein am ... 1982 in D./Tadschikistan geborener tadschikischer Staatsangehöriger islamisch-sunnitischer Religionszugehörigkeit vom Volk der Tadschiken, reiste am 24. März 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 1. Juli 2019 erstmals einen Asylantrag, der mit Bescheid vom 9. Juli 2019 abgelehnt wurde. Seine dagegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. Juni 2021 rechtskräftig abgewiesen.
2
Am 1. März 2022 stellte er einen Folgeantrag, zu dem er am 11. Mai 2022 angehört wurde. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er sich von September/Oktober 2019 bis März 2020 mit einem anderen tadschikischen Asylbewerber ein Zimmer geteilt habe, der dann nach Österreich überstellt und von dort nach Tadschikistan abgeschoben und zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei. Nach dessen Verhaftung in Tadschikistan sei der KGB zur Frau des Klägers gekommen und hätten seine Familie bedroht und nach dem Kläger befragt. Wegen des auf seine Familie ausgeübten Druckes habe der Kläger auf Y T eine kurze Rede gehalten, in der er die Regierung von Tadschikistan kritisiert habe. Seit 2020 habe er seine Meinung über die tadschikische Regierung auch bei Y T im Gespräch mit der Gruppe 24 geäußert. Er habe die tadschikische Regierung direkt angesprochen und beschuldigt, die Landschaft von Badakhshan an China zu verkaufen haben und die Menschen in Badakhshan schlecht zu behandeln. Er habe in Köln an einer Demonstration der Gruppe 24 gegen die Invasion Putins in der Ukraine teilgenommen. Er sei Anhänger der Gruppe 24, jedoch nicht Mitglied. Später werde er richtig beitreten und sich der Gruppe anschließen. In Tadschikistan selbst sei er aus Angst nicht politisch aktiv gewesen. Bei einer Rückkehr nach Tadschikistan rechne er mit einer zwölf- bis sechzehnjährigen Haftstrafe, weil Leute, die mit der Gruppe 24 in Kontakt stünden, zu einer Haftstrafe von mindestens 10 Jahren verurteilt würden.
3
Mit Bescheid vom 15. September 2022 erkannt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3). Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (Ziffer 4). Der Kläger werde unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntwerden der Entscheidung bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zur Ausreise aufgefordert (Ziffer 5). Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass zwar die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorlägen, weil der Kläger vorgetragen habe, inzwischen Anhänger der Gruppe 24 zu sein und seine Familie in Tadschikistan deswegen bedroht worden sei. Er habe eine begründete Furcht vor Verfolgung jedoch nicht glaubhaft gemacht. Ein Zusammenhang zwischen der Inhaftierung und der behaupteten Bedrohung seiner Familie sei nicht ersichtlich. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass ihn die tadschikische Regierung für einen Extremisten und Terroristen halten solle. Die eingereichten Links ließen kein kontinuierliches politisches Engagement des Klägers erkennen. Alleine vorgetragene Internetaktivitäten bzw. Sympathiebekundungen für die Gruppe 24 reichten für die Annahme einer asylerheblichen Verfolgungsgefahr nicht aus. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen, für den ein Zustellungsdatum nicht aktenkundig ist.
II.
4
Dagegen ließ der Kläger am 30. September 2022 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und ohne weitere Klagebegründung beantragen,
„die beklagte Bundesrepublik Deutschland wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. September 2022 mit dem Geschäftszeichen: … verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 Halbsatz 1 AsylG zuzuerkennen,
hilfsweise, dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG zuzuerkennen,
hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hinblick auf das Land Tadschikistan vorliegen.“
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
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Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 6. Oktober 2022 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Mit Beschluss vom 17. April 2023 wurde der Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Behördenakten mit den Geschäftszeichen … …, … und … sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens der Beklagten gem. § 102 Abs. 2 VwGO verhandelt und entschieden werden konnte, ist begründet.
11
Die Beklagte hat aufgrund des neuen klägerischen Vortrag im Rahmen seines Asylfolgeantrags zu Recht ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.
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Der Kläger hat zum gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Dabei ist es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
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Als Verfolgungshandlungen gelten nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Eine Verfolgungshandlung kann nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gelten.
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Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen, soweit im letzteren Fall kein Schutz vor Verfolgung durch die beiden erstgenannten Akteure oder durch internationale Organisationen gewährleistet ist.
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Zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss nach § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
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Zur Beurteilung, ob hiernach begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen ist, muss das Gericht eine Verfolgungsprognose unter zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts insgesamt anstellen. Diese Prognose hat die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch unterstellten Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand. Dies gilt auch, wenn der auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus klagende Schutzsuchende – wie hier – aufgrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 AsylG nicht unmittelbar von einer Abschiebung bedroht ist. Der subsidiäre Schutzstatus stellt eine Ergänzung zu der in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Schutzregelung für Flüchtlinge dar, die stets vorrangig zu prüfen ist (vgl. EuGH, U.v. 8.5.2014 – C-604/12 – juris).
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Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei sowohl auf tatsächlich erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung vor der Ausreise im Herkunftsstaat (Vorverfolgung) oder auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem oder weil der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (Nachfluchtgründe), insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylG).
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In beiden Fällen ist für die Beurteilung der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ (real risk) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Bei der Abwägung aller Umstände wird ein verständiger Betrachter auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 – 10 C 33.07 – juris). Vorverfolgten kommt die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zugute. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
20
Kann nicht festgestellt werden, dass einem Asylbewerber Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, kommt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 15.8.2017 – 1 B 120/17 – juris).
21
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeit für die „Gruppe 24“ einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
22
Das Gericht hat aufgrund der informatorischen Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass sein politisches Engagement zugunsten der in Tadschikistan als terroristische Vereinigung eingestuften „Gruppe 24“ (vgl. AA, Lagebericht v.14.3.2022, S. 8) – anders als noch im verfahrensgegenständlichen Bundesamtsbescheid zugrunde gelegt – zum aktuellen Zeitpunkt nicht nur punktuell und untergeordnet ist, sondern sich soweit verstetig hat, dass es nunmehr als dauerhaft und in die Strukturen der „Gruppe 24“ eingebunden zu bewertet ist. So schilderte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar, dass sich sein politisches Engagement, das im Wesentlichen auf die Kritik am aktuellen tadschikischen Regime gerichtet ist, im Verlauf der letzten zwei bis drei Jahre von der vereinzelten Teilnahme an Demonstrationen und gelegentlichen Facebook und Y T Beiträgen im Dunstkreise der Gruppe 24 kontinuierlich gesteigert habe, bis er im Dezember 2022 offiziell als Mitglied in die „Gruppe 24“ aufgenommen worden sei und er nunmehr in Abstimmung mit dem engeren Führungszirkel der „Gruppe 24“ im „Informationsbereich“ gezielt als „Moderator“ und „Multiplikator“ in den sozialen Medien für die politischen Vorstellungen der „Gruppe 24“ werbe.
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Dieser Vortrag steht im Einklang mit dem seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegten Bestätigungsschreiben von Suhrob Zafar vom 27. Januar 2023, von dessen Echtheit das Gericht aufgrund der Bestätigung der in der mündlichen Verhandlung anwesenden präsenten Zeugen ausgeht. Diese konnten sich in der mündlichen Verhandlung anhand von deutschen Aufenthaltstiteln ausweisen, aus denen ihre Flüchtlingsanerkennung in Deutschland hervorgeht. Zudem waren sie anhand des im Internet auf den Facebook Seiten und dem Y T Kanal der Gruppe 24 öffentlich verfügbaren Bildmaterial auch optisch für das Gericht wiederzuerkennen. Auch wenn es laut Lagebericht des Öffentlichen Amtes keine zuverlässigen Berichte über die gegenwärtigen Führungsstrukturen, Agenda und Aktivitäten der Gruppe gibt (vgl. AA, a.a.O., S. 13), hat das Gericht keine Zweifel, dass die in der mündlichen Verhandlung erschienenen Personen zum engeren Kreis der in Deutschland im Namen der „Gruppe 24“ tätigen Aktivisten gehören.
24
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Organisations- und Professionalisierungsgrad der „Gruppe 24“ als einem eher losen transnationalen Zusammenschluss exilpolitisch tätiger Tadschiken nicht mit den ausdifferenzierten Strukturen und dem umfassenden programmatischen Ansatz etablierter Parteien westeuropäischer Prägung zu vergleichen ist. Damit steht der Bewertung, der Kläger sei in herausgehobener Funktion in die Strukturen der „Gruppe 24“ eingebunden, nicht entgegen, dass er sich nicht auf die Legitimation durch ein satzungsrechtlich vorgegebenes Auswahl- oder Bestellungsverfahren berufen kann. Über solche Formalisierungsmechanismen dürfte die „Gruppe 24“ – wenn überhaupt – nur rudimentär verfügen, wie sich in der persönlichen „Beauftragung“ des Klägers mit Aufgaben der „Informationstätigkeit“ durch den „Personalverantwortlichen“ zeigt.
25
Mithin kann anhand der plausibel dargelegten „Informationstätigkeit“ des Klägers, d.h. konkret seiner Posts in den Sozialen Medien und seiner Video-Beiträge auf dem Y T Kanal der „Gruppe 24“ zur Überzeugung des Gerichts mit der für eine Flüchtlingsanerkennung notwendigen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers vom tadschikischen Geheimdienst tatsächlich wahrgenommen und als nicht nur untergeordnet eingestuft werden. Damit besteht für den Kläger bei einer unterstellten Rückkehr nach Tadschikistan die konkrete Gefahr, Opfer staatlicher Verfolgungsmaßnahmen in einem flüchtlingsrechtlich erheblichen Ausmaß zu werden. So geht das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht davon aus, dass exilpolitische Mitglieder der „Gruppe 24“ bei einer Rückkehr nach Tadschikistan mit massiven staatlichen Repressionen rechnen müssen (vgl. AA, a.a.O., S. 13). Nach Einschätzung des österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl müssen Rückkehrer, die sich im Ausland oppositionell betätigt haben, in Tadschikistan mit Verhaftungen und langen Haftstrafen rechnen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt v. 8.8.2022, S. 19). Laut österreichischem Bundesamt habe es eine Reihe von Fällen gegeben, in welchem tadschikische Personen, vermeintlich politische Gegner, insbesondere u.a. Mitglieder der „Gruppe 24“, die sich im Ausland aufhielten, nach Tadschikistan zwangszurückgeführt worden seien. In einigen Fällen seien diese Personen für kurze Zeit spurlos verschwunden und gewesen und seien danach in Tadschikistan in Haft aufgetaucht. In einigen Fällen sei ihr Verbleib weiter unbekannt (BFA, a.a.O.).
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Da der Kläger auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung des Gerichts mittlerweile nicht nur Mitglied der „Gruppe 24“ ist, sondern darüber hinaus kontinuierlich und öffentlich wahrnehmbar für diese wirbt und dabei auch deutliche Kritik an der aktuellen Regierung Tadschikistans übt, besteht bei ihm die begründete Furcht einer politisch motivierten Verfolgung durch staatliche Akteure. In seiner Person liegen damit die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vor.
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Seiner Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus §§ 83b AsylG, 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.