Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 13.07.2023 – W 5 K 22.1363
Titel:

Unzulässige Klage auf Aufstellung eines Bebauungsplanes

Normenketten:
VwGO § 102 Abs. 1, Abs. 2
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, S. 2, § 10 Abs. 1
Leitsätze:
1. Für ein Klagebegehren auf den Erlass eines Bebauungsplans, mithin einer Satzung (vgl. § 10 Abs. 1 BauGB), kommt als Klageart nur die allgemeine Leistungsklage in Betracht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB sind Ausnahmen nicht denkbar. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässige Klage, allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, kein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans, Normerlassklage, allgemeine Leistungsklage, Stufenklage, uneigentliche eventuale Klagehäufung, Rechtsschutzbedürfnis, kein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplanes, planerische Gestaltungsfreiheit, städtebauliche Entwicklung und Ordnung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18699

Tenor

I.   Die Klage wird abgewiesen.
II.  Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Aufstellung eines Bebauungsplans.
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1. Mit seiner Klageschrift vom 16. Oktober 2019, eingegangen bei Gericht am 20. Oktober 2019, stellte der Kläger im Verfahren W 5 K 19.1407 den Antrag,
1. die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes des Weilers D. festzustellen und
2. die Beklagte „zur Aufstellung eines wirksamen Bebauungsplanes für den Weiler D. innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist zu verpflichten.“
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei Eigentümer etwa eines Drittels des Gemeindegebietes des Weilers D. bei A. i* S. Im Rahmen eines Rechtsstreits des Klägers gegen das Landratsamt Main-Spessart habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2018 festgestellt, dass der Bebauungsplan für den Weiler D. unwirksam sei. Der Vorsitzende Richter des Senats habe die Tatsache der Unwirksamkeit des Bebauungsplans ins Protokoll diktiert. Obwohl der Kläger die Beklagte mehrfach aufgefordert habe, einen wirksamen Bebauungsplan aufzustellen, habe diese dies mit der unrichtigen Begründung abgelehnt, es liege keine „Äußerung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes“ vor. Da der Kläger über zahlreiche Grundstücke verfüge, auf welchen sich durch das grob rechtswidrige Verhalten der Beklagten u.a. Bauruinen befänden, welche beseitigt werden sollten, verursache die Beklagte in Bezug auf das Vermögen des Klägers enorme Schäden, worauf hiermit gemäß § 254 Abs. 2 BGB, eine Norm, welche analog auch im Verwaltungsrecht Anwendung finde, hingewiesen werde. Der Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans resultiere insbesondere aus dem hohen Interesse des Klägers als Bürger eines Weilers, in welchem auf einem Drittel des Gemeindegebiets, welches im Eigentum des Klägers stehe, dringende Bauvorhaben anstünden. Der Kläger habe bereits unmittelbar nach Aufstellung des – unwirksamen bzw. nichtigen – Bebauungsplans darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sei. Diese Rechtsauffassung des Klägers habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun bestätigt. Wegen der unzähligen Rechtsbrüche der Beklagten zum Nachteil des Klägers hätten zahlreiche Rechtsstreite geführt werden müssen und müssten noch geführt werden. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Beklagte damit rechnen müsse, dass der Kläger Vorkehrungen treffe, wonach kein Verkehr mehr über Grundstücke des Klägers geleitet werde. Der Kläger habe zahlreiche Versuche einer gütlichen Einigung unternommen, allerdings habe sich nichts bewegt und die Gemeinde halte beharrlich am Unrecht fest.
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2. Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde vorgebracht: Es handele sich um eine Stufenklage, wonach über den ursprünglichen Antrag unter Ziffer 2 – Aufstellung eines wirksamen Bebauungsplans – nur dann und erst dann entscheiden werden solle, wenn der Klage auch im Antrag unter Ziffer 1 – Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans – stattgegeben werde. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluss vom 20. April 2022 den Normenkontrollantrag des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans abgelehnt. Sollte der Kläger wider Erwarten den ursprünglichen Antrag unter Ziffer 2 stellen, so wäre dieser Antrag von vornherein abzuweisen, da gemäß dem Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs ein wirksamer Bebauungsplan vorliege und daher keinerlei Veranlassung bestehe, erneut einen wirksamen Bebauungsplan aufzustellen.
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3. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2019 war der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufstellung eines wirksamen Bebauungsplans für den Weiler D. bezogene Teil des Klagebegehrens abgetrennt und unter dem Az. W 5 K 19.1413 fortgeführt worden. Daraufhin wurde der Rechtsstreit im Verfahren W 5 K 19.1407 (Beschluss vom 14.11.2019) an den Bayer. Verwaltungsgerichtshof (dortiges Az. 9 N 19.2349) verwiesen. Mit Beschluss vom 25. August 2020 wurde das Verfahren W 5 K 19.1413 bis zur Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren 9 N 19.2349 ausgesetzt.
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Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 20. April 2022 den Normenkontrollantrag des Klägers im Verfahren 9 N 19.2349 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antrag offensichtlich unzulässig sei, weil er nicht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des streitgegenständlichen Bebauungsplans am 9. Februar 2001, vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, gestellt worden sei. Er sei zunächst unter dem 16. Oktober 2019 beim sachlich unzuständigen Verwaltungsgericht eingereicht worden und am 28. November 2019, mithin mehr als 8 Jahre nach der Bekanntmachung, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Der Antrag sei außerdem auch deshalb unzulässig, weil sich Beteiligte vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht (bzw. Verwaltungsgerichtshof), außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssten, vgl. § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO. Dieses Erfordernis habe der Kläger, der seinen Antrag persönlich gestellt habe, ebenfalls nicht beachtet.
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Mit Beschluss vom 2. September 2022 hob das Verwaltungsgericht Würzburg den Aussetzungsbeschluss vom 25. August 2020 auf, nahm das Verfahren W 5 K 19.1413 wieder auf und setzte es unter dem Az. W 5 K 22.1363 fort.
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Auf die Anfrage des Gerichts, ob an der Klage festgehalten werde, erfolgte von Seiten des Klägers genauso wenig eine Reaktion wie auf die Anfrage, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe. In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die einschlägige Behördenakte sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
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1. Das Verwaltungsgericht konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden. § 102 Abs. 2 VwGO gestattet die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Entscheidung des Gerichts trotz Abwesenheit des Beteiligten, wenn in der Ladung – wie hier – auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Es wurde festgestellt, dass der Kläger gemäß § 102 Abs. 1 VwGO ordnungsgemäß geladen wurde.
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2. Die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines Bebauungsplans wurde ursprünglich mit dem weiteren Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit des „Bebauungsplans D.“ kumulativ im Wege der objektiven Klagehäufung erhoben. Das klägerische Interesse ist so zu verstehen, dass der Kläger eine gerichtliche Entscheidung dahingehend erzielen möchte, dass der „Bebauungsplan D.“ für unwirksam erklärt wird und er daneben die Beklagte durch das Gericht zur Aufstellung eines Bebauungsplans verpflichten möchte. Anhaltspunkte dafür, dass der noch durch die Kammer zu entscheidende Klageantrag als Stufenklage („uneigentliche“ eventuale Klagehäufung; vgl. hierzu Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 44 Rn. 22 und W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO. 28. Aufl. 2022, § 44 Rn. 1) anzusehen wäre, sind nicht ersichtlich, zumal der Kläger auch nach der Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 20. April 2022 im Verfahren 9 N 19.2349 und auf die Anfrage der Kammer, ob er an der Klage festhalte, nicht reagiert hat.
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3. Da das Klagebegehren zur Verurteilung der Beklagten auf den Erlass eines Bebauungsplans, mithin einer Satzung (vgl. § 10 Abs. 1 BauGB) und damit einer Rechtsnorm und nicht auf eine Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsaktes, mithin zu einem sonstigen Handeln, gerichtet ist, kommt als Klageart insoweit hier nur eine allgemeine Leistungsklage und nicht eine Verpflichtungsklage in Betracht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 62 f.; VGH BW, U.v. 26.10.1999 – 1 S 1652/98 – juris; BayVGH, U.v. 15.12.1980 – 22.B-822/79 – BayVBl 1981, 499).
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4. Einer Klage – die wie hier – auf Aufstellung eines Bebauungsplans gerichtet ist, fehlt es am (allgemeinen) Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger einen von der Rechtsordnung nicht gebilligten Anspruch geltend macht (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand 148. EL Okt. 2022, § 2 BauGB Rn. 42d; Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Aufl. 2022, § 1 Rn. 31; beide unter Verweis auf BVerwG, U.v. 11.3.1977 – 4 C 45.75 – NJW 1977, 1979; HessVGH, IV OE 41/71 – ESVGH 22, 224). Im Einzelnen:
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Die Verpflichtung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wonach die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist, ist eine objektiv-rechtliche. Dies bedeutet, dass die Gemeinde Bauleitplanung im Interesse des Allgemeinwohls betreibt, und niemals, um subjektiv-öffentliche Ansprüche Einzelner zu befriedigen. Dies ergibt sich daraus, dass die Gemeinde bei der Bauleitplanung eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, die ihr im Interesse der Allgemeinheit obliegt. Dies macht § 1 Abs. 3 BauGB deutlich. Er begründet unter den dort genannten Voraussetzungen eine objektivrechtliche Pflicht zur Bauleitplanung, stellt aber klar, dass die Gemeinde sich hierbei nicht vom individuellen Interesse einzelner, sondern vom Interesse an der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung leiten zu lassen hat (BVerwG, B.v. 9.10.1996 – 4 B 180/96 – NVwZ-RR 1997, 213). Bereits daraus ergibt sich zwingend, dass ein Recht des Bürgers oder Eigentümers auf Aufstellung eines Bauleitplans nicht existieren kann (vgl. Dirnberger in BeckOK BauGB Spannowsky/Uechtritz, Stand 1.8.2021, § 1 Rn. 49).
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§ 1 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 BauGB, nach dem auf „die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen (…) kein Anspruch“ besteht, legt nach seinem klaren Wortlaut eindeutig fest, dass es keinen Rechtsanspruch auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen gibt. Von dieser strikten Regelung sind Ausnahmen nicht denkbar; sie ist zwingend, das Gesetz gestattet keine Ausnahmen (BVerwG, U.v. 11.3.1977 – 4 C 45.75 – juris Rn. 22; B.v. 9.10.1996 – 4 B 180/96 – NVwZ-RR 1997, 213; Dirnberger in BeckOK BauGB Spannowsky/Uechtritz, Stand 1.8.2021, § 1 Rn. 49; Gierke in Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand 125. Lief. Jan 2023, § 1 Rn. 197). Der Ausschluss eines derartigen Anspruchs Dritter erstreckt sich auf die Aufstellung von Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen und sonstigen städtebaurechtlichen Satzungen und schließt auch den Anspruch auf deren Änderung, Ergänzung und Aufhebung aus (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand 148. EL Okt. 2022, § 1 BauGB Rn. 42b).
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§ 1 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 BauGB nimmt mit der eindeutigen und strikten Festlegung eines Anspruchsausschlusses einer Klage auf Aufstellung eines Bebauungsplanes bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde, die gesetzlich vorgeschriebene, gerichtlich nicht substituierbare Abwägung und die unzulässige Umgehung des Anhörungs- und Auslegungsverfahrens schließen einen derartigen Anspruch aus (vgl. Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Aufl. 2022, § 1 Rn. 31 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 11.3.1977 – 4 C 45/75 – NJW 1977, 1979 und B.v. 28.12.2000 – 4 BN 37.00 – BeckRS 2000, 31350166 und auf OVG Lüneburg, B.v. 22.2.1977 – IV C 1.76 – DVBl. 1978, 178).
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5. Nach allem erweist sich die Klage als unzulässig, wobei es auf die vom Kläger thematisierte Frage, ob der „Bebauungsplan D.“ der Beklagten wirksam oder unwirksam ist, nicht ankam.
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Als Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.