Titel:
Erfolgloser Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO: Widerruf von Waffenbesitzkarten sowie Waffenschein mangels Zuverlässigkeit wegen Verlust von Waffenteilen bei Versand
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. c, § 34 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Hat der Inhaber eines Waffenscheins und von Waffenbesitzkarten es unterlassen, beim Versand einer Waffe den beauftragten Transportdienstleister gemäß dessen AGB anzuweisen, waffenrechtlich relevante Gegenstände nur an eine berechtigte Person iSd § 34 Abs. 1 S. 1 WaffG auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten Ersatzempfänger auszuschließen, besitzt der Inhaber nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Der Antrag auf aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen entsprechenden Widerrufsbescheid ist abzulehnen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gleiches gilt, wenn die Waffe entgegen § 34 Abs. 2 S. 1 WaffG in einem einfachen, offenbar wiederverwerteten Pappkarton und dem bloßen Umschlagen der Waffenteile mit etwas Zeitungs- bzw. Packpapier ohne weitere Verpackung der Waffenteile versandt wird, sodass die Verpackung keine Gewähr dafür bot, dass sie allen Beanspruchungen zuverlässig standhält, denen sie erfahrungsgemäß beim Transport ausgesetzt ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenrecht, Unzuverlässigkeit, Waffenversand mit Hellip, Empfangsberechtigung, Verpackung der Waffe, Waffenversand, Verpackung, Waffe, Verlust, Waffenteil, einstweiliger Rechtsschutz, Widerruf, Zuverlssigkeit, Versendung, Waffentransport
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 02.05.2023 – 24 CS 23.318
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1868
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 21.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerruf seiner sieben Waffenbesitzkarten (mit insgesamt 45 eingetragenen Waffen bzw. Waffenteilen), seines Kleinen Waffenscheins und des Europäischen Feuerwaffenpasses.
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Am 27. Juni 2022 versandte der Antragsteller die in seine Waffenbesitzkarte Nr. … eingetragene halbautomatische Büchse Hersteller Kolarms, Kaliber 9mmLuger zerlegt mit dem Transportdienstleister DHL an die Firma …, adressiert an „… […]“.
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Nachdem … dem Antragsteller mit Email vom 6. Juli 2022 mitteilte, die Waffe ohne zugehörigen Verschluss erhalten zu haben, zeigte der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt … sowie dem Transportdienstleister DHL mit Emails vom 6. Juli 2022 den Verlust des Verschlusses der Waffe an.
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Am 7. Juli 2022 erstattete der Antragsteller Diebstahlsanzeige gegen Unbekannt.
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Ausweislich der DHL-Sendungsverfolgung vom 6. Juli 2022 (vgl. Bl. 5 ff. der Behördenakte) wurde die am 27. Juni 2022 durch den Antragsteller zum Versand aufgegebene Waffe am 4. Juli 2022 aufgrund einer Beschädigung der Umverpackung im Güterverkehrszentrum (GVZ) … neu verpackt und am 6. Juli 2022 an … zugestellt.
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Nach Mitteilung des Landratsamtes … vom 3. August 2022 ist … nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis.
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Mit Schreiben vom 4. August 2022 hörte das Landratsamt den Antragsteller zum beabsichtigten Widerruf seiner Waffenbesitzkarten, des Kleinen Waffenscheins sowie des Europäischen Feuerwaffenpasses an, woraufhin sich der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten schriftlich äußerte. Beigefügt war ein Schreiben der Vorstandschaft des … ausweislich dessen der Antragsteller 2. Vorstand, Sportleiter, Referent für Kurzwaffen und eine tragende Stütze des Vereines sei. Er sei zuverlässig und gewissenhaft. Die Aberkennung seiner Zuverlässigkeit und der damit einhergehende Wegfall der Ehrenämter (Waffen- und Munitionsausgabe etc.) würden einen schweren Verlust für den Verein bedeuten. Auf die Schreiben wird Bezug genommen.
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Mit Bescheid vom 8. Dezember 2022 widerrief das Landratsamt die dem Antragsteller ausgestellten Waffenbesitzkarten (Ziffer 1), den Kleinen Waffenschein (Ziffer 2) und den Europäischen Feuerwaffenpass (Ziffer 3). In Ziffer 4 stellte das Landratsamt fest, dass mit Aushändigung des Bescheides die erteilte Erlaubnis zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über sämtliche in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen sowie die zu diesen Waffen eingetragenen Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz der Munition zu widerrufen seien. Es verpflichtete den Antragsteller, die in Ziffer 4 des Bescheides aufgeführten Waffen und jedwede vorhandene Munition bis zum 28. Februar 2023 unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und die Unbrauchbarmachung oder die Überlassung der Waffen und Munition an einen Berechtigten schriftlich nachzuweisen (Ziffer 5). In Ziffer 6 ordnete das Landratsamt an, der Antragsteller habe jeweils die Originale seiner Waffenbesitzkarten bis spätestens 28. Februar 2023 an das Landratsamt zurückzugeben. In Ziffer 7 wurde festgestellt, dass mit dem Tage der Zustellung des Bescheides die Erlaubnis zum Führen einer Waffe erloschen sei. In Ziffern 8 und 9 ordnete das Landratsamt die Rückgabe des Kleinen Waffenscheins sowie des Europäischen Feuerwaffenpasses jeweils bis zum 15. Januar 2023 an. In Ziffer 10 drohte das Landratsamt dem Antragsteller die Sicherstellung der Schusswaffen und Munition durch die Polizei an, wenn er seiner Verpflichtung aus Ziffer 5 des Bescheides bis zum 28. Februar 2023 nicht nachkomme. In Ziffer 12 ordnete das Landratsamt die sofortige Vollziehung der Ziffern 5, 6, 8 und 9 des Bescheides an. Es stützte seine Entscheidung auf § 45 Abs. 2 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) und die Unzuverlässigkeit des Antragstellers gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) und c) WaffG. Im Übrigen wird auf den Bescheid Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten gegen den Bescheid Klage erhoben (Az. AN 16 K 23.37) und den streitgegenständlichen Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.
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Zur Begründung lässt der Antragsteller im Wesentlichen vortragen, im vorliegenden Fall spreche nichts dafür, dass er Waffen missbräuchlich verwendet habe. Er habe zehn Jahre lang legal und beanstandungsfrei Waffen besessen. Er sei sorgfältig und sachgemäß mit der versendeten Waffe umgegangen. Der Versand sei in einem im Beförderungsverkehr üblichen Verpackungskarton erfolgt und die Waffe zusätzlich durch geknülltes Zeitungspapier im Karton fixiert gewesen, um ein Verrutschen bzw. Wackeln zu verhindern. Dies entspreche der gängigen Praxis und sei angemessen und üblich. DHL sei ein gewerbsmäßiger Transporteur i.S.d. § 12 WaffG. Der Antragsteller habe zu keinem Zeitpunkt die Waffe an Nichtberechtigte im Sinne des Waffengesetzes überlassen. Bei der Ankunft des Paketes sei … anwesend gewesen. Zulässigerweise habe er sich aber zusätzlich einer von ihm beaufsichtigten Person, nämlich seiner Mutter, welche das Paket in seiner Anwesenheit angenommen und quittiert habe, bedient. … verfüge über eine Waffenhandels- und gewerbliche Waffenherstellungserlaubnis sowie viele weitere Berechtigungen. Eine Abgabe des Paketes in der Nachbarschaft wäre nicht erfolgt, der Geschäftsbetrieb der Firma … werde dauerhaft und zuverlässig aufrechterhalten. Die Entgegennahme von Paketen sei gewährleistet. Es habe sich vielmehr das allgemeine Risiko, welches jedem Transport anhafte, realisiert. Auf den Transport habe der Antragsteller nur sehr geringe Einflussmöglichkeiten. Eventuelle unvorhersehbare Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse des Transporteurs könnten nicht zu Lasten des Antragstellers gehen. Es müsse genügen, dass der Antragsteller einen seriösen Versender ausgesucht habe. Der entstandene Transportschaden müsse von einem außergewöhnlichen Ereignis, z.B. Gabelstapler, herrühren, was dem Antragsteller nicht zuzurechnen sei. Noch am selben Tag des Bekanntwerdens des Verlustes eines Waffenteils habe der Antragsteller die Sendungsverfolgung eingeleitet. Über den Verlust habe der Antragsteller unverzüglich nach Kenntnis Mitteilung erstattet und sich insgesamt im Rahmen des Versands an die geltenden Bestimmungen des Waffenrechts gehalten. Nach Aussage des Zeugen … sei es üblich, Waffen mit DHL ohne ID-Prüfung zu versenden. In 13 Jahren Waffenhandel sei bei ihm keine Waffe beim Versand verloren gegangen oder falsch abgegeben worden. Im Übrigen bestünden Zweifel an der Eilbedürftigkeit beim Sofortvollzug, nachdem die Anhörung in dieser Sache bereits am 4. August 2022 stattgefunden habe. Die Ausführungen zum Sofortvollzug seien formelhaft und würden dem konkreten Fall nicht Rechnung tragen. Das private Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub überwiege das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung.
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Der Antragsteller beantragt,
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes …, Az. … vom 8. Dezember 2022, dort Ziffern 5, 6, 7, 9 und 12 wird angeordnet.
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Der Antragsgegner beantragt
Antragsablehnung und bezieht sich zur Begründung auf den angegriffenen Bescheid. Der Antragsteller sei unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts. Mit dem Versanddienstleister DHL habe er kein Unternehmen ausgesucht, welches auf den Versand von Waffen bzw. Waffenteilen und die damit einhergehende notwendige besondere Sorgfalt spezialisiert sei. Ein Versäumnis habe bereits in der Auswahl des Transportunternehmens gelegen. Die ordnungsgemäße Beförderung u.a. auch gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz sei daher nicht gewährleistet gewesen. Zudem sei bei der gewählten Beförderungsart nicht sichergestellt gewesen, dass die Sendung ausschließlich an die berechtigte Person ausgehändigt wird. Der Überlassende sei für die Prüfung der Erwerbsberechtigung des letztlich empfangenden Dritten verantwortlich. Darüber hinaus sei das vom Antragsteller verwendete Versandbehältnis nicht hinreichend stabil gewesen und die Einzelteile der Waffe seien im Behältnis nicht gesondert gesichert gewesen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei dieser für Probleme während des Transports verantwortlich. Die Problematik des vorliegenden Sachverhalts läge im Verlust eines wesentlichen Waffenteiles, sodass dahinstehen könne, dass DHL dem Antragsteller den Schaden mittlerweile erstattet habe. Der Antragsteller habe bereits erfahren müssen, dass der Versand von Waffen durch DHL mit nicht unerheblichen Risiken verbunden sei, da er dem Landratsamt bereits am 17. September 2019 den Verlust einzelner Waffenteile beim Versand durch DHL angezeigt habe. Trotzdem habe der Antragsteller erneut die im Vergleich zu Waffentransportunternehmen preisgünstigere Alternative gewählt und damit billigend das Risiko des Abhandenkommens oder der Beschädigung seines Pappkartons in Kauf genommen.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten im hiesigen Verfahren und im Klageverfahren sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist abgesehen von dem Begehren, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 12 des Bescheides vom 8. Dezember 2022 anzuordnen, zulässig, jedoch nicht begründet.
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Der Antrag des Antragstellers wird gemäß § 88 VwGO unter Heranziehung der Antrags- bzw. Klagebegründung dahingehend ausgelegt, dass nicht lediglich beantragt wird, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffern 5, 6, 7, 9 und 12 des Bescheides des Antragsgegners vom 8. Dezember 2022 anzuordnen, sondern dass auch die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffern 1, 2, 3 und 8 begehrt wird. Zum einen kann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verpflichtung des Antragstellers zur Rückgabe seiner Waffenbesitzkarten und Waffen nur sinnvollerweise angeordnet werden, wenn zugleich gegen den Widerruf der Erlaubnisse (Ziffern 1 bis 3), insbesondere der Waffenbesitzkarten, vorgegangen wird. Zum anderen wird damit dem seinen Schreiben zu entnehmenden Anliegen des Antragstellers, keine seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse (auch nicht den Kleinen Waffenschein, Ziffer 8) herausgeben zu müssen, umfassend Rechnung getragen.
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1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die unter Ziffern 1, 2 (beinhaltet den deklaratorischen Ausspruch in Ziffer 7 des Bescheides) und 3 des Bescheides verfügten Widerrufe der waffenrechtlichen Erlaubnisse anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthaft, da der Widerruf von Erlaubnissen nach dem Waffengesetz sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 5 WaffG). Im Hinblick auf die in Ziffern 5, 6, 8 und 9 angeordnete Unbrauchbarmachung oder Überlassung der Waffen an einen Berechtigten und die Rückgabeverpflichtung der waffenrechtlichen Erlaubnisse ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft, weil das Landratsamt insoweit die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet hat (§ 80 Abs. 4 VwGO). Nicht statthaft ist der Antrag gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit als solches (Ziffer 12 des Bescheides).
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Der Antrag ist, soweit er statthaft ist, auch zulässig.
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2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
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Entfaltet ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen bzw. wiederherstellen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs kann das Verwaltungsgericht neben einer etwaigen gesetzlichen Wertung (vgl. § 45 Abs. 5 WaffG) und der Bewertung eintretender Folgen für den Fall der Anordnung und den Fall der Nichtanordnung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen und für das öffentliche Interesse auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens berücksichtigen. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Sind die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren als offen anzusehen, findet eine reine Interessenabwägung statt.
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In Anwendung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des streitgegenständlichen Bescheides der Vorrang gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, vorläufig von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, einzuräumen. Der Bescheid vom 8. Dezember 2022 erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung als rechtmäßig.
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2.1 Der unter Ziffern 1, 2 und 3 verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarten des Antragstellers, des Kleinen Waffenscheins sowie des Europäischen Feuerwaffenpasses ist aller Voraussicht nach rechtlich nicht zu beanstanden.
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Rechtsgrundlage für den Widerruf ist jeweils § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach sind Erlaubnisse nach dem Waffengesetz, zu denen die Waffenbesitzkarten, der Kleine Waffenschein sowie der Europäische Feuerwaffenpass gehören, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 WaffG unter anderem dann zu versagen, wenn der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) WaffG gilt dies auch für Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
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Diese Widerrufsvoraussetzungen sind im Fall des Antragstellers nach summarischer Prüfung erfüllt. Die Kammer schließt sich der Auffassung des Antraggegners an, dass der auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG gestützte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse rechtmäßig ist und der Antragsteller die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) und c) WaffG nicht besitzt. Der Antragsteller hat im Rahmen des Versandes der erlaubnispflichtigen halbautomatischen Büchse Kolarms Kaliber 9mmLuger gegen grundlegende Pflichten aus dem Waffengesetz bzw. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) verstoßen.
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Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG dürfen Waffen oder Munition nur berechtigten Personen überlassen werden. Die Berechtigung muss nach Satz 2 offensichtlich sein oder nachgewiesen werden. Gemäß Ziff. 34.1 WaffVwV ist der Überlassende im Fall der gewerbsmäßigen Beförderung für die Prüfung der ausreichenden Berechtigung des letztlich empfangenden Dritten verantwortlich, wobei sich die Prüfung der Berechtigung des Empfängers auf den waffenrechtlichen Sachverhalt insgesamt zu erstrecken hat. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 3 WaffG wird die Waffe bereits mit der Übergabe des Paketes an den gewerbsmäßigen Transportdienstleister, der gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer Waffe bedarf, dem letztlich empfangenden Dritten überlassen.
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Seiner Pflicht, Waffen nur berechtigten Personen zu überlassen, ist der Antragsteller bei dem Versand der Waffe Kolarms Kaliber 9mmLuger nicht nachgekommen. Er hat es unterlassen, den Transportdienstleister … nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuweisen (vgl. AGB DHL Paket, hier Ziffer 4 Abs. 2 …, 26.01.2023), die waffenrechtlich relevanten Gegenstände nur an eine berechtigte Person i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten Ersatzempfänger – wie hier …, eine Person, die über keinerlei waffenrechtliche Erlaubnisse verfügt – auszuschließen. Der Antragsteller durfte nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von DHL nicht davon ausgehen, dass das Paket ausschließlich an den auf dem Paketschein benannten Adressaten … als Inhaber der Firma … (bei dem eine ausreichende Berechtigung gemäß Ziffer 34.1. WaffVwV wohl offensichtlich anzunehmen wäre) oder ebenfalls berechtigte Mitarbeiter zugestellt wird. In Ansehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Transportdienstleisters DHL zur zulässigen Ersatzzustellung (vgl. hier Ziffer 4 Abs. 3), wonach Ersatzempfänger z. B. auch Angehörige des Empfängers oder Nachbarn sein können, hätte sich die Prüfung des Antragstellers bzgl. der Berechtigung des Empfängers auch auf die Sicherstellung der ausschließlichen Zustellung an diesen erstrecken müssen. Indem der Antragsteller dem nicht nachgekommen ist und sich das Risiko der gewählten Versandart schließlich auch realisiert hat, als die Sendung an die nicht berechtigte … zugestellt wurde, verstieß er gegen eine grundlegende waffenrechtliche Verpflichtung, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern soll, dass Waffen oder Munition in die Hände unberechtigter Dritter und damit solcher Personen gelangen, bei denen insbesondere die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde nicht überprüft wurden (vgl. zu alledem BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 21 CS 17.1077 – juris Rn. 11).
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Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 WaffG müssen im Falle der Überlassung von Waffen oder Munition zur gewerbsmäßigen Beförderung zudem die ordnungsgemäße Beförderung sichergestellt und Vorkehrungen gegen ein Abhandenkommen getroffen sein. Auch dieser Verpflichtung ist der Antragsteller ausweislich der Verpackung der Waffe in einem einfachen, offenbar wiederverwerteten Pappkarton und dem bloßen Umschlagen der Waffenteile mit etwas Zeitungs- bzw. Packpapier ohne weitere Verpackung der Waffenteile (vgl. Bl. 8 ff. der Behördenakte) nicht nachgekommen. Die Verpackung bot keine Gewähr dafür, dass sie allen Beanspruchungen zuverlässig standhält, denen sie erfahrungsgemäß beim Transport ausgesetzt ist, und ein Abhandenkommen der gesamten Waffe oder von Teilen verhindert wird. Zusätzlich wurde durch die Bezeichnung des Adressaten mit „…“ – laut Internetauftritt lautet der Firmenname lediglich auf die lateinische Begrifflichkeit „…“, Inh. … – unnötigerweise leicht erkennbar gemacht, dass es sich bei dem Inhalt des Paketes um eine Waffe bzw. Waffenteile handeln könnte. Der Antragsteller hat den Transportdienstleister auch nicht über den Inhalt der Sendung informiert (vgl. Ziff. 36.3.1 WaffVwV) und sichergestellt, dass ihm der Beförderer das Abhandenkommen von Schusswaffen oder Munition unverzüglich mitteilt (vgl. Ziff. 36.3.2 WaffVwV).
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Die vorliegenden Verstöße rechtfertigen die Annahme, dass der Antragsteller auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgeht oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrt oder Waffen oder Munition Personen überlässt, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Die diesbzgl. anzustellende Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dieses Vertrauen kann einer Person nicht (mehr) entgegengebracht werden, wenn sie eine waffenrechtliche Verpflichtung missachtet, die einem vordringlichen und wesentlichen Ziel des Waffengesetzes dient (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30.13 – NJW 2015, 1127). Dies ist bei den vorgenannten Verstößen gegen § 34 Abs. 1 und 2 WaffG der Fall, die gewährleisten sollen, dass Waffen nicht an Unberechtigte gelangen, und gilt vorliegend vor allem auch vor dem Hintergrund, dass dem Antragsteller die Verlustgefahren beim Versand durch DHL bereits bekannt sein mussten, da an ihn adressierte Waffenteile 2019 beim Versand durch DHL gänzlich abhandengekommen waren. Der Antragsteller hat billigend in Kauf genommen, dass es erneut zu einem solchen Verlust kommen kann und damit gezeigt, dass er die im Waffenrecht erforderliche Sorgfalt nicht besitzt. Entgegen den Ausführungen des Antragstellerbevollmächtigten ist eine günstige Prognose auch nicht deshalb veranlasst, weil der Antragsteller sich über Jahre beanstandungsfrei im Schützenverein engagiert habe und die Unzuverlässigkeitsfeststellung bzgl. des Antragstellers einen erheblichen Verlust für den Verein darstellen würde. Dem Antragsteller hätten seine waffenrechtlichen Pflichten in Anbetracht seiner verantwortlichen Position im Schützenverein umso präsenter sein müssen und ihm daran gelegen sein müssen, sich nichts zu Schulden kommen zu lassen. Die vom Antragsteller wiederholt missachtete Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Versand von Waffen zeigt vielmehr seine sorglose Fehleinstellung im Umgang mit Waffen. Es liegt auch kein außergewöhnlich langer Zeitraum zwischen der Anhörung bzw. dem zugrundeliegenden Verstoß und dem Bescheidserlass, der die Prognose zu Gunsten des Antragstellers beeinflussen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 21 CS 17.1077 – juris Rn. 13)
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2.2 Rechtsgrundlage für die dem Antragsteller aufgegebene Verpflichtung, seine Waffen einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies dem Landratsamt schriftlich nachzuweisen sowie die Waffenbesitzkarten, den Kleinen Waffenschein und den Europäischen Feuerwaffenpass zurückzugeben, ist § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WaffG, dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind. Ermessensfehler im Rahmen der Anwendung der Kannvorschrift des § 46 Abs. 2 WaffG sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
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2.3 Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist auch die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtmäßig. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Diesem ist die Behörde unter Ziffer 9.1 des Bescheides ausreichend nachgekommen. Unter Bezugnahme auf den konkret vorliegenden Sachverhalt hat die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit damit begründet, dass verhindert werden müsse, dass der Antragsteller ohne die erforderliche Zuverlässigkeit zu besitzen weitere erlaubnispflichtige Waffen und Munition erwirbt und die tatsächliche Gewalt über erlaubnispflichtige Gegenstände und Stoffe ausübt und eine Schreckschusswaffe führt.
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Auch im Übrigen bestehen gegen den Bescheid keine rechtlichen Bedenken.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 Satz 1 und Ziff. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach ist für den Widerruf der Waffenbesitzkarten unabhängig von der Anzahl der im Streit befindlichen Waffenbesitzkarten (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 24) der Auffangstreitwert (5.000,00 EUR) in Ansatz zu bringen, der sich für die weiteren auf den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen- bzw. Waffenteile (= 44) um jeweils 750,00 EUR erhöht. Für den Widerruf des Kleinen Waffenscheins wird der Auffangwert von 5.000,00 EUR (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 21 CS 17.856 – juris Rn. 14) festgesetzt. Der Europäische Feuerwaffenpass bleibt bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2011 – 21 CS 11.2310 – juris Rn. 12). Daraus errechnet sich im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 43.000,00 EUR, der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren ist.