Titel:
Räumung einer Mietwohnung und Ablehnung Räumungsfrist
Normenketten:
BGB § 546
ZPO § 721
Leitsätze:
1. Der Mieter muss seine Zahlungsverzögerung aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auch dann vertreten, wenn ihn an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kein Verschulden trifft, zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Interessen des Vermieters an der Räumung bei einem Mietrückstand von 15.000 € überwiegen das Interesse des Mieters an einer Räumungsfrist, trotz zwei Kindern und dem Fehlen einer Ersatzwohnung und der anerkannten schwierigen Wohnungssituation in München. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Räumungsfrist, Miete, Verschulden, Zahlungsrückstand, Kündigung, Räumung
Fundstellen:
BeckRS 2023, 18452
ZMR 2023, 476
LSK 2023, 18452
Tenor
1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Zweizimmerwohnung Nummer 3 in der …, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Flur, einer Toilette, einem Bad, einem Hobbyraum, einem Abstellenraum, zwei Loggien, weiterhin den Pkw-Einstellplatz Nr. 3 zu räumen und an den Kläger bzw. dessen Beauftragten herauszugeben.
2. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, ein Betrag in Höhe von 4.360,- € an den Kläger zu bezahlen.
3. Der Antrag auf Einräumung einer Räumungsfrist wird zurückgewiesen.
4. Die Beklagten zu 1) und 2) tragen 63 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Gerichtskosten. Der Beklagte zu 1) trägt weitere 21 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers allein. Der Kläger trägt 16 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und 37 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Weiter trägt der Kläger 16 % der Gerichtskosten und seine übrigen außergerichtlichen Kosten.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer 2 nur gegen Sicherheitsleistung des Klägers. Die Beklagten können die Vollstreckung in Ziffer 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.080 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 20.710,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger verlangt von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung und eines PKW-Einstellplatzes.
2
Der Beklage zu 1) mietete von dem Kläger die im Urteilstenor bezeichnete Wohnung und den PKW-Einstellplatz an. Seit Januar 2020 beträgt der monatliche Mietzins netto 1.090,- € und der Gesamtmietzins 1.390,- € monatlich. Die Mieten für die Monate März, April, Mai, Juni, Juli und August 2022 von insgesamt 8.340,- € wurden nicht bezahlt. Weiter wurden die Nettomieten für die Monate Januar, August, Oktober und November 2020 nicht bezahlt. Der Kläger ließ mit Schreiben vom 08.08.2022 die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs mit den den Mieten für März 2022 bis April 2022 von 6 × 1.390,- €, insgesamt 8.340,- €, erklären. Die Beklagte zu 2) wohnt zusammen mit dem Beklagten zu 1) in der Wohnung.
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Der Kläger ist im Wesentlichen der Ansicht, das Mietverhältnis sei beendet.
1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Zweizimmerwohnung Nummer 3 in der …, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Flur, einer Toilette, einem Bad, einem Hobbyraum, einem Abstellenraum, zwei Loggien, weiterhin den P.kw-Einstell platz Nr. 3 zu räumen und an den Kläger bzw. dessen Beauftragten herauszugeben.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, einen Betrag in Höhe von 7.630,- € an den Kläger zu bezahlen.
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Mit Schriftsatz vom 19.01.2023 nahm der Kläger die Klage teilweise in Höhe von 3.270,- € zurück.
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Die Beklagten beantragen:
Klageabweisung und Einräumung einer Räumungsfrist.
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Die Beklagten tragen im Wesentlichen vor, das zuständige Sozialbürgerhaus habe gegenüber dem Beklagten zu 1) erklärt, es würde die Mietrückstände übernehmen, wenn das Mietverhältnis fortgesetzt werden würde.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I. Zahlungsantrag gegen den Beklagten zu 1)
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Der Kläger kann von dem Beklagten zu 1) die Zahlung der geltend gemachten Nettomieten für die Monate Januar, August, Oktober und November 2020 von jeweils 1.090 €, somit 4 × 1.090 € = 4.360 € aus § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag vom 09.12.2000 verlangen. Die Nichtzahlung dieser Mieten ist unstreitig.
II. Zahlungsantrag gegen die Beklagte zu 2)
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Der Kläger kann von der Beklagten zu 2) nicht die Zahlung von Mieten aus § 535 Abs. 2 BGB verlangen, da der schriftliche Mietvertrag nicht mit der Beklagten zu 2) abgeschlossen wurde. Allein der Umstand, dass die Beklagte zu 2) mit dem Beklagten zu 1) zusammen in der Wohnung wohnt und teilweise auch Mietzahlungen geleistet hat, führt nicht dazu, dass die Beklagte zu 2) dass ein konkludente Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) geschlossen wurde.
III. Räumungsantrag gegen den Beklagten zu 1)
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Der Kläger kann von dem Beklagten die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB verlangen.
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Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis wurde durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 08.08.2022 wegen Zahlungsverzugs mit den Mieten von 1.390 € monatlich für den Zeitraum von März 2022 bis August 2022 in Höhe von 8.340 € (6 × 1.390 €) beendet. Unstreitig wurden diese Mieten nicht bezahlt. Es liegt daher ein Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nummer 3 a, b BGB vor.
14
Der Mieter muss seine Zahlungsverzögerung aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auch dann vertreten, wenn ihn an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kein Verschulden trifft, zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Der Mangel der zur Erfüllung erforderlichen Geldmittel schließt den Verzug nicht aus (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Auflage, § 543 Randziffer 137 m.w.N.).
15
Eine Heilung der Kündigung ist nicht gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB eingetreten, da innerhalb der am 28.12.2022 abgelaufenen Schonfrist weder eine Zahlung der gesamten Rückstände noch eine Übernahme der Mietschulden durch eine öffentliche Stelle gegenüber dem Kläger erfolgte.
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Ein Härtewiderspruch ist bei einer außerordentlichen Kündigung nicht möglich (§ 574 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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IV. Der Kläger kann von der Beklagten zu 2) die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 2 BGB verlangen, da das Mietverhältnis mit dem Beklagten zu 1) wirksam beendet wurde.
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V. Unter Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien kann eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO nicht gewährt werden.
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Zu Gunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten keinen Ersatzwohnraum zur Verfügung haben und mit zwei Kindern in der Wohnung wohnen. Es ist allgemein bekannt, dass es aufgrund der angespannten Wohnungsmarktlage sehr schwierig ist, eine Ersatzwohnung in M. und Umgebung zu finden. Jedoch überwiegen die Interessen des Klägers an der zeitnahen Räumung und Herausgabe der Wohnung, da unstreitig ein hoher Mietrückstand von 15.290 € besteht. Im Hinblick auf sein Grundrecht auf Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 GG ist dem Kläger das Entstehen weiterer Mietschulden nicht zuzumuten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 100 Abs. 4, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Soweit der Kläger die Klage teilweise zurückgenommen hat, trägt er anteilig die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO (Streitwert 3.270,- € zu 20.710,- € = 16 %). Soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) unbegründet ist (4.360,- €) und in Höhe der Teilrücknahme 3.270,- € trägt der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) (7.630,- € zu 20.710,- € = 37 %).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7, 711, 709 ZPO.
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Der Streitwert von 20.710 € setzt sich wie folgt zusammen: für den Räumungsantrag bemisst sich der Streitwert nach der Jahresnettomiete in Höhe von 13.080,- € (12 × 1.090,- €). Hinzu kommt der Zahlungsantrag von 7.630,- €.