Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 07.02.2023 – 11 W 2076/22
Titel:

Berichtigung eines abgeschlossenen Registereintrags bei nicht Vorliegen von Eheschließungsvoraussetzungen einer Eheschließung nach syrischem Recht

Normenketten:
PStG § 47, § 48 Abs. 1 S. 1
EGBGB Art. 11, Art. 13 Abs. 1
ZPO § 286
Leitsätze:
1. Nach dem syrischen Eherecht ist eine Stellvertretung bei der Eheschließung möglich. Dem Stellvertreter kann auch die konkrete Auswahl des Ehepartners überlassen werden. Das syrische Recht wäre – unter Vorbehalt des deutschen ordre public – deshalb anzuwenden, wenn die Eheschließung eine reine Formfrage wäre. Eine Eheschließung durch einen Vertreter ist aber nur dann als reine Formfrage (Art. 11 EGBGB) und nicht auch als Frage der Eheschließungsvoraussetzung (Art. 13 Abs. 1 EGBGB) zu qualifizieren, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein abgeschlossener Registereintrag darf in den Fällen des § 47 PStG von dem Standesamt berichtigt werden. Im Übrigen darf die Berichtigung nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen, § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist voller Beweis erforderlich. Nach § 286 ZPO hat der Senat ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Berichtigung, ordre public, Syrien, Bescheid, Scheidung, Migration, Eintragung, Vollmacht, Berichtigung, Geburt des Kindes, zweifelsfreie Überzeugung
Vorinstanz:
AG Weiden, Beschluss vom 03.02.2022 – UR III 5/20
Fundstellen:
StAZ 2023, 216
FamRZ 2023, 1459
LSK 2023, 1835
BeckRS 2023, 1835

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 3. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller sind die in den Jahren … und … geborenen Eltern des am … im Klinikum Weiden geborenen Kindes …. Beide Eltern sind syrische Staatsangehörige. Zur Eintragung des Kindes beim Standesamt wurden im Original mit amtlicher Übersetzung in die deutsche Sprache im Hinblick auf eine Eheschließung der Eltern ein Auszug aus dem syrischen Personenstandsregister der Mutter, eine syrische Heiratsurkunde der Eltern, ein Auszug aus dem syrischen Familienstandsregister, eine Bescheinigung des Schariagerichts Aleppo über die Bestätigung einer Eheschließung und eine Spezialvollmacht vom 01.04.2014 des Kindesvaters als Vollmachtgeber über die Bevollmächtigung von Herrn … als Vollmachtnehmer zur Vertretung des Vollmachtgebers bei der Eheschließung vorgelegt. Nach der vorgelegten Urkunde erfolgte am 10.09.2017 beim Schariagericht in Aleppo die Bestätigung und Eintragung einer Eheschließung der Eltern am 15.03.2017. Hierbei war der Vater abwesend, er befand sich zu diesem Zeitpunkt in Deutschland, und wurde aufgrund der genannten Vollmacht durch den Bevollmächtigten, seinen Vater, vertreten. Die am 01.01.2014 ausgestellte Vollmacht enthält keine Angaben über den Ehegatten, mit dem die Eheschließung erfolgen soll.
2
Der Vollmachtnehmer ist gemäß der genannten „Spezialvollmacht“ bevollmächtigt,
„mich bei meiner Eheschließung zu vertreten und die Morgen- und Abendgabe festzulegen,
mich in den Angelegenheiten der Scheidung und allem, was mit der Beschaffung meiner eigenen amtlichen Dokumente zusammenhängt, zu vertreten,
mich in den Gerichten aller Arten, insbesondere im Schariagericht, in den Angelegenheiten meiner Eheschließung und den daraus resultierenden Angelegenheiten in Begleitung einer beliebigen Person zu vertreten.“
3
Die Vollmacht wurde vor dem ersten Notar in Aleppo beglaubigt.
4
Der Bürgermeister des Ortes Al-Basra bestätigt mit Schreiben vom 08.05.2022, dass der Zweck der Vollmachtserteilung die Eheschließung mit Frau …, also der Antragstellerin, war.
5
Bei der Beurkundung der Geburt des Kindes wurden im Hinweisteil des Geburtenregistereintrags vom 06.02.2019 keine Daten zu einer Eheschließung der Eltern aufgenommen.
6
Die Eltern beantragen, den Geburtenregistereintrag dahingehend zu berichtigen, dass im Hinweisteil des Geburtenregistereintrags als Tag der Eheschließung der Eltern der 15.03.2017 und als Ort der Eheschließung der Eltern Aleppo, Arabische Republik Syrien, aufgenommen wird.
7
Nach Auffassung des Standesamts und der Standesamtsaufsicht der Stadt Weiden liegen die Voraussetzungen für die beantragte Berichtigung nicht vor.
8
Das Amtsgericht hat die gesetzlichen Vertreter des Kindes am 21.01.2021 persönlich angehört. Der Antragsteller hat angegeben, zur Zeit der Vollmachtserteilung bereits verlobt gewesen zu sein. Er habe sich entschieden, als Flüchtling nach Deutschland zu gehen und habe von hier aus … nach Deutschland holen wollen. Vor der Ausreise habe er für seinen Vater eine Vollmacht für die Eheschließung erstellt, sei dann nach Deutschland gegangen. 2017 sei seine Ehe geschlossen worden. Seine Frau sei dann in der Türkei gewesen. Er habe bei der Botschaft in Izmir einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt. Die Eheschließung sei von der deutschen Botschaft im Libanon beglaubigt und beim Landratsamt … anerkannt worden. Er habe die Genehmigung erhalten, dass er … von der Türkei nach Deutschland holen könne. Als sie bei der Beurkundung der Geburt die Unterlagen vorgelegt hätten, habe die Standesbeamtin die Anerkennung verweigert, weil die Vollmacht den Namen der Frau nicht enthalte. Bei dem Vollmachtsformular handele sich um das von der zuständigen Behörde in Syrien zur Verfügung gestellte Formular. Weiterhin wurden durch das Amtsgericht die Ausländerakten beider Eltern beigezogen. Dort [E-Mail vom 14.01.2019] wird die Anerkennung der Ehe im Visumsverfahren der Ehefrau durch das Deutsche Generalkonsulat Izmir damit begründet, dass ein ordre public Verstoß nur dann vorliege, wenn im Einzelfall das Ergebnis mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offenkundig unvereinbar sei. Das heiße, der deutschen Behörde, die die Eheschließung prüfe, müsse bekannt sein oder diese müsse gegebenenfalls nachweisen können, dass gerade in dem konkreten Fall der Ehemann in Deutschland nicht gewusst habe, mit wem die Ehe im Ausland geschlossen werde.
9
Mit seinem in den Datenbanken juris und beck-online veröffentlichten Beschluss vom 03.02.2022 hat das Amtsgericht den Antrag auf Berichtigung des Geburtenregistereintrags zurückgewiesen. Dieser sei zulässig, aber nicht begründet. Der Vater des Kindes sei mit am 03.05.2015 zugestellten Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar als ausländischer Flüchtling anerkannt worden. Das Personalstatut jedes anerkannten Flüchtlings bestimme sich gemäß Art. 12 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes oder, in Ermangelung eines Wohnsitzes, nach dem Recht seines Aufenthaltslandes. Das Personalstatut des Vaters bestimme sich damit nach deutschem Recht. Der Statutenwechsel habe auch vor der Eheschließung stattgefunden. Eine formgültige Eheschließung liege zwar vor. Für die Formgültigkeit sei vorliegend nach Art. 11 Abs. 1-3 EGBGB ausreichend, dass die Eheschließung dem Ortsrecht, somit dem syrischen Recht entspreche. Nach dem auf Muslime anwendbaren Recht der Arabischen Republik Syrien sei die persönliche Anwesenheit beider Eheschließenden bei der Eheschließung nicht zwingend erforderlich. Der Bevollmächtigte dürfe dabei nur im Rahmen seiner Vollmacht agieren. Nach Art. 8 Abs. 1 des syrischen Personalstatusgesetzes sei eine unbeschränkte und eine beschränkte Stellvertretung zulässig. Das syrische Recht lasse damit wie auch das Recht anderer islamischer Staaten auch eine Vertretung in der Weise zu, dass der Bevollmächtigte über die Person des anderen Ehegatten entscheide. Ob die Bildung des Ehewillens selbst an Dritte delegiert werden könne, sei nach allgemeiner Meinung eine Frage der sachlichen Eheschließungsvoraussetzungen. Das deutsche Sachrecht gestalte die Eheschließung nach § 1311 BGB anders als das syrische Recht als höchstpersönliches und damit vertretungsfeindliches Rechtsgeschäft aus. Die Ehe sei daher nichtig, wenn sie auf eine die Partnerwahl einschließende, umfassende Generalvollmacht zurückgehe. Die Vollmacht vom 01.01.2014 treffe keine Aussage dazu, mit welcher konkreten Frau die Eheschließung erfolgen solle. Entgegen ihrer Bezeichnung als Spezialvollmacht handele es sich dem Wortlaut nach um eine Generalvollmacht, die den Bevollmächtigten mangels anderweitiger Bestimmung auch ein Recht auf Wahl des Ehepartners einräume. Die positive Feststellung, dass vorliegend nur eine Stellvertretung in der Erklärung, nicht auch eine Stellvertretung im Willen zulässig gewesen sei und auch erfolgt sei, könne auch nicht anhand außerhalb der schriftlichen Vollmacht liegenden Umstände getroffen werden. Dagegen spräche zunächst der zeitliche Zusammenhang. Zwischen Ausstellung der Vollmacht und Eheschließung (15.03.2017) bzw. Bestätigung der Eheschließung durch das Schariagericht (10.09.2017) liege ein Zeitraum von mehr als dreieinhalb Jahren. Die Eltern hätten bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Gericht zwar übereinstimmend erklärt, dass sie aus demselben Stadtteil der Stadt Idlib stammen, die Familien beider Elternteile auch verwandt seien und sie sich schon als Kinder gekannt hätten. Sie hätten sich 2014 verlobt und schon vor der Verlobung hätte festgestanden, dass sie einander heiraten. Die bloßen Erklärungen der Eltern würden aber allein für einen positiven Nachweis auf Beschränkung des Vollmachtnehmers auf bloße Übermittlung der Erklärung nicht ausreichen.
10
Gegen diesen, ihnen am 04.02.2022 zugestellten Beschluss wenden sich beide Eltern mit ihrer am 03.03.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Mit der Beschwerde berufen sie sich erneut auf die Bestätigung des Bürgermeisters des Ortes. Sie fügen zudem eine Bestätigung des Vaters des Beschwerdeführers bei. Es sei von vornherein klar gewesen, dass die Vollmacht nur dazu dienen sollte, dass sein Vater als dessen Vertreter seine jetzige Frau heirate. Die Eltern bieten in einem weiteren Schreiben den Bürgermeister, sowie den Vater und Schwiegervater als Zeugen an.
11
Das Standesamt weist darauf hin, dass weiterhin ungeklärt sei, weshalb eine unbeschränkte Vollmacht erteilt worden sei. Die Entscheidungspraxis des Auswärtigen Amtes sei im vorliegenden Verfahren nicht bindend.
12
Der Senat hat am 21.10.2022 einen rechtlichen Hinweis erteilt und den Vater der Antragstellerin im Termin vom 29.11.2022 als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Vermerk vom 29.11.2022, Bl. 123 ff. d.A., Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme geäußert.
II.
13
Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, § 51 Abs. 1 PStG zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 3. Februar 2022 hat in der Sache keinen Erfolg.
14
Das Amtsgericht geht in seinem Beschluss ebenso wie die Beteiligten zutreffend davon aus, dass die Frage zu prüfen ist, ob die eingeräumte Vollmacht lediglich eine Stellvertretung nur in der Erklärung und nicht im Willen bewirkt. Nach dem syrischen Eherecht ist eine Stellvertretung bei der Eheschließung möglich. Dem Stellvertreter kann (unter bestimmten Umständen) auch die konkrete Auswahl des Ehepartners überlassen werden (vgl. Max-Planck-Institut, Familienrecht in Syrien, Kommentar zum staatlichen Familienrecht: Die Ehe, zuletzt abgerufen am 11.01.2023 unter https://www.familienrecht-in-nahost.de/8555/Syrien-Kommentar-Ehe). Das syrische Recht wäre – unter Vorbehalt des deutschen ordre public – deshalb anzuwenden, wenn die Eheschließung eine reine Formfrage wäre. Eine Eheschließung durch einen Vertreter ist aber nur dann als reine Formfrage (Art. 11 EGBGB) und nicht auch als Frage der Eheschließungsvoraussetzung (Art. 13 Abs. 1 EGBGB) zu qualifizieren, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat. Demgegenüber würde eine Stellvertretung im Willen, die dem Vertreter eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners einräumt, auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung berühren. Denn das materielle Gebot des deutschen Rechts, den Willen zur Eingehung der Ehe höchstpersönlich zu erklären (§ 1311 BGB), hat insoweit zweiseitigen Charakter (BGH FamRZ 2022, 93 Rn. 12). Eine Stellvertretung im Willen wäre keine reine Formfrage, sondern ein Element des materiellen Ehewillens. Sie unterfiele deshalb der Anknüpfung nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB und wäre nach dem für den Antragsteller als anerkannten Flüchtling geltenden deutschen Wohnsitzrecht unzulässig (BGH a.a.O.; BayObLGZ 2000, 335, 338; KG OLGZ 1973, 435, 439 (dort wird allerdings nicht auf die Formulierung der Vollmacht abgestellt)). Auf den von dem Generalkonsulat Izmir geprüften – von seinen Voraussetzungen her allerdings weitgehend identischen – möglichen ordre public Verstoß (hierzu etwa Coester, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl., Art. 13 EGBGB Rn. 46) kommt es bei einem anerkannten Flüchtling mit Wohnsitz in Deutschland nicht an.
15
Der Senat konnte keine Überzeugung von einer materiell nach deutschem Recht wirksamen Eheschließung gewinnen.
16
Ein abgeschlossener Registereintrag darf in den Fällen des § 47 PStG von dem Standesamt berichtigt werden. Im Übrigen darf die Berichtigung nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen, § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 2017, 1337; Senat StAZ 2015, 84; KG FamRZ 2021, 357). Es ist voller Beweis erforderlich. Nach § 286 ZPO hat der Senat ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Der Senat darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH FamRZ 1993, 668 Rn. 16). Der Senat hätte deshalb die Überzeugung gewinnen müssen, dass die für seinen Vater ausgestellte Vollmacht auf die Heirat mit der Antragstellerin beschränkt war.
17
Legt man diese Voraussetzungen zugrunde, so weist das Ausgangsgericht zunächst bereits zutreffend darauf hin, dass jedenfalls die Formulierung der vorliegenden Vollmächt erheblich gegen eine ausschließliche Stellvertretung in der Erklärung spricht (diese Einschränkung allerdings auch nicht ausschließt, vgl. Staudinger/Mankowski, BGB, Bearbeitung 2010, Art. 13 EGBGB Rn. 221). In der Vollmacht wird kein bestimmter Ehegatte genannt, obwohl Art. 8 des syrischen Personalstatutsgesetzes von 1953 eine unbeschränkte und eine beschränkte Stellvertretung kennt. Die Vollmacht umfasst zudem auch Scheidungsangelegenheiten, ist also nicht auf eine singuläre zuvor festgelegte Eheschließung beschränkt. Vollmacht und Eheschließung liegen auch zeitlich weit voneinander entfernt. Für den Senat bleibt offen, ob die Vollmacht selbst bei grundsätzlicher Festlegung der Ehefrau nicht doch die Möglichkeit einer abweichenden Wahl durch den Vater für Sonderfälle offen ließ.
18
Die durchgeführte Beweisaufnahme konnte die Zweifel des Senats nicht in ausreichendem, Zweifeln Schweigen gebietendem Maß ausräumen.
19
Nach den Angaben des Zeugen, dem Vater der Antragstellerin, der früher in Syrien als Rechtsanwalt tätig war; habe er mit dem Vater des Bräutigams darüber gesprochen, dass er eine Vollmacht von seinem Sohn bekommen solle. Die erwähnte Braut in dieser Vollmacht sei seine Tochter. Er könne einen Eid ablegen; dass die Person, die in der Vollmacht erwähnt worden sei, seine Tochter gewesen sei. Es sei eine allgemeine Vollmacht, die man nach diesem Muster bekomme. Manchmal würden ein paar Ziffern, die dem jeweiligen Anlass nicht entsprechen, vom Notar weggelassen oder hinzugefügt. Auf nochmalige Nachfrage, warum man in der Vollmacht nicht den Namen der Tochter aufgenommen habe, erklärte der Zeuge, er könne sich das nur in der Weise erklären, dass der Notar möglicherweise aus Versehen vergessen habe, den Namen einzutragen. Die Notare seien in Syrien ganz normale Menschen, die nicht unbedingt für ihre Tätigkeit geschult worden seien. Sie seien deshalb auch nicht unbedingt besser informiert. Er sei anwesend gewesen, als die Vollmacht ausgestellt worden sei. Er habe den Inhalt aber nicht überprüft. Der Vater des Bräutigams hätte eigentlich eine beschränkte Vollmacht haben wollen, sie hätten ihm gesagt, dass eine allgemeine Vollmacht besser sei. Inklusive der Eheschließung hätten sie dem Vater gesagt, er sei für seinen Sohn zuständig und bevollmächtigt, alle Anträge für seinen Sohn zu stellen. Der Sohn wäre für eine kurze Zeit anwesend, da er zurück nach Deutschland gemusst habe. Es sei um die Mitgift gegangen, die Brautgabe, es gebe die sofortige Auszahlung und die spätere Auszahlung. Das sei besprochen worden, sie hätten sich geeinigt. Dann sei es um die Familienzusammenführung und den dafür erforderlichen Antrag gegangen. Er wisse nicht mehr, ob die Vollmacht auch der Familienzusammenführung diente, es sei 2014 gewesen.
20
Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme genügt zur Überzeugungsbildung des Senats nicht. Der Zeuge konnte die Frage, warum in der Vollmachtsurkunde seine Tochter nicht erwähnt wird, nicht wirklich klären. Die weite Formulierung der Vollmacht, was die Angelegenheiten angeht, ist im Hinblick auf die für eine Familienzusammenführung notwendigen Erklärungen nachvollziehbar. Die Eingrenzung der Vollmacht auf eine bestimmte Braut wäre hiervon aber nicht betroffen. Die Beteiligten mögen sich im Jahr 2014, wofür auch die Anwesenheit des Zeugen bei der Vollmachtserteilung spricht, über die Person der Braut für die beabsichtigte Eheschließung einig gewesen sein. Schon angesichts des erheblichen Zeitraums zwischen Vollmachtserteilung und Eheschließung konnten sie die weitere Entwicklung aber nicht wirklich sicher absehen. Der Senat kann weiterhin nicht ausschließen, dass schon im Hinblick auf diesen Zeitablauf, der Antragsteller seinem Vater vorsorglich nicht doch auch eine vor Ort mögliche Entscheidungsbefugnis hinsichtlich seiner Braut eingeräumt hat.
21
Einer weiteren Beweisaufnahme in Syrien (mittels Videokonferenz) insbesondere durch Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers stehen – selbst wenn man die eingeschränkte Möglichkeit eine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Aussage zu gewinnen außen vor lässt – rechtliche Hürden entgegen. Beweisaufnahmen im Ausland bedürfen der Zustimmung des Staates, in dem die Beweisaufnahme durchgeführt werden soll. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Damaskus ist aber derzeit geschlossen. Nach den Informationen des Bundesamtes für Justiz im Internet wird Rechtshilfe durch syrische Stellen derzeit nicht geleistet, eine Beweisaufnahme durch deutsche Auslandsvertretungen ist zurzeit nicht möglich. Wie unter diesen Voraussetzungen überhaupt Kontakt zu einer syrischen Regierungsstelle aufgenommen werden soll, um die Beweisaufnahme zu ermöglichen, erschließt sich nicht.
22
Demzufolge war die Beschwerde zurückzuweisen.
23
Der Senat weist noch darauf hin, dass Entscheidungen in Personenstandssachen nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (Abramenko, in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl., § 45 FamFG Rn. 11; Jokisch, in: Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 45 FamFG Rn. 30). Eine erneute Entscheidung nach einer weitergehenden Amtsermittlung durch Einvernahme des in Syrien wohnhaften Bevollmächtigten in einem künftigen Verfahren wäre deshalb nicht ausgeschlossen. Bedauerlich bleibt, dass den Beschwerdeführern anders als bis zum Eheschließungsrechtsgesetz von 1998 keine Möglichkeit mehr offen steht, die (Un-)Wirksamkeit ihrer Eheschließung mit Wirkung für und gegen alle rechtskräftig feststellen zu lassen. Anders als im früheren § 638 S. 2 ZPO fehlte schon in § 632 ZPO und fehlt nunmehr auch in § 121 Nr. 3 FamFG (OLG München StAZ 2013, 143; FamRZ 2009, 1845 juris Rn. 8; Schwamb; in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 13. Aufl., § 121 FamFG Rn. 3) eine solche Bestimmung, obwohl mit dem Eheschließungsrechtsgesetz die früheren Regelungen „ohne sachliche Änderungen“ nur zusammengefasst werden sollten (BT-Drs. 13/4898 S. 26; hierzu auch Helms, in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl., § 121 FamFG Rn. 11) und das vorliegende Verfahren zeigt, dass ein Bedürfnis für eine materiell rechtskräftige Feststellung mit Wirkung für und gegen alle besteht (hierzu ausführlich Frank StAZ 2012, 236).
III.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
25
Die Höhe des Verfahrenswertes ergibt sich aus § 36 Abs. 3 GNotKG.
26
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Entscheidung ist daher mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbar.
27
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle
am 07.02.2023